Rofo 2024; 196(06): 607-612
DOI: 10.1055/a-2206-5741
Technical Innovations

Radiologie trifft Archäologie: Restaurierung und 3D-Druck anhand von CT-Daten

Article in several languages: English | deutsch
Emilia Frohwerk
1   Inst. of Medical Physics, University of Applied Sciences Gießen, Gießen, Germany
2   Department of Diagnostic and Interventional Radiology, Philipps University of Marburg, Germany
,
Anna-Marie Dürr
3   Prehistoric seminar, Philipps University of Marburg, Germany
,
1   Inst. of Medical Physics, University of Applied Sciences Gießen, Gießen, Germany
,
Nils Zöller
1   Inst. of Medical Physics, University of Applied Sciences Gießen, Gießen, Germany
,
Andreas H. Mahnken
2   Department of Diagnostic and Interventional Radiology, Philipps University of Marburg, Germany
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Ziel Archäologische Funde werden oft am Fundort als Block geborgen, da stark poröse Materialen, instabile und stark zerfallene Objekte nicht immer unbeschädigt freigelegt werden können oder Zeit und Ressourcen für eine klassische Freilegung fehlen. Daher sollte die klinische Computertomografie (CT) kombiniert mit frei verfügbaren Softwarelösungen als eine einfache und schnelle Methode zur Darstellung und Analyse archäologischer Funde als Alternative zur zeitaufwändigen Restaurierung erprobt werden.

Material und Methoden Exemplarisch wurde aus einer Blockbergung ein Block mit einem Schildbuckel ausgewählt und mittels CT untersucht. Mit der frei verfügbaren Software 3D-Slicer (https://www.slicer.org/) wurden Schildbuckel und -fessel in der umgebenden Erde mit unterschiedlichen Werkzeugen segmentiert. Anschließend wurden diese mit Meshmixer (Autodesk Inc., San Francisco, CA) digital rekonstruiert und restauriert. Auf Basis des rekonstruierten Modells des Schildbuckels wurde ein 3D-Druck erzeugt.

Ergebnisse Die einzelnen Schritte CT-Untersuchung der Blockbergung, Segmentierung, Rekonstruktion und 3D-Druck wurden erfolgreich durchgeführt. Anhand der restaurierten Bruchstücke des Fundes konnte eine Datierung des Objekts vorgenommen und erste Eigenschaften des Fundes zerstörungsfrei ohne klassische Restaurierung ermittelt werden.

Schlussfolgerung Radiologische Schnittbildgebung kombiniert mit digitaler Rekonstruktion und 3D-Druck ermöglichen es, bereits vor der Freilegung und zeitaufwändigen Restaurierung entscheidende Eigenschaften des Fundstückes zu ermitteln. Damit ergeben sich neue Chancen der Kooperation zwischen Radiologie und Archäologie für die Befundung und Untersuchung archäologischer Fundstücke.

Kernaussagen

  • Die Übertragung medizinischer Technik, digitaler Bildverarbeitung und des 3D-Drucks auf die Archäologie konnte gezeigt werden.

  • Die digitale Restaurierung und Rekonstruktion archäologischer Funde anhand von CT-Aufnahmen ist möglich.

  • Die medizinische Bildgebung kann einen bedeutenden Beitrag zur Funduntersuchung und Rekonstruktion in der Archäologie liefern.

Zitierweise

  • Frohwerk E, Dürr A, Fiebich M et al. Radiology meets archaeology: digital restoration and 3D printing using CT data. Fortschr Röntgenstr 2024; 196: 607 – 612


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Einleitung

Das Bergen und Restaurieren archäologischer Funde weisen viele Schwierigkeiten und mögliche Komplikationen auf. Nicht immer können Fundstücke aufgrund ihres Zustandes am Fundort von der umliegenden Erde befreit werden, ohne das Risiko einzugehen, den Fund zu beschädigen. Besonders bei porösen Materialien, instabilen Funden, stark zerfallenen Objekten oder empfindlicher Keramikgefäße mit Inhalt bietet sich die Blockbergung zur Sicherung der Funde an. [1] Auch Zeit- und Ressourcenmangel können eine konventionelle Freilegung verhindern und eine Blockbergung notwendig machen. Dabei werden die Fundstücke mitsamt der umgebenden Erde als Block geborgen und können somit unter Laborbedingungen und ohne Zeitdruck von der Erde befreit und restauriert werden.

Zur genauen Betrachtung und Analyse des Fundstückes bereits im Block bietet die moderne radiologische Bildgebung wertvolle Werkzeuge für die Archäologie. [2]. Neben der konventionellen Röntgendiagnostik zur allgemeinen Übersicht der Beschaffenheit und Lage eines Fundstückes im Erdblock bietet die Untersuchung mittels Computertomographie (CT) die Chance, den Fund bereits dreidimensional zu untersuchen, während das Objekt noch geschützt und umgeben von Erde liegt.

In Kombination mit einer CT-Untersuchung von Fundobjekten bietet auch der 3D-Druck neue Perspektiven für die Archäologie. Nach der Segmentation des Fundes und möglicher Weiterverarbeitung der Daten können die Fundstücke mit einem 3D-Drucker gedruckt werden. Mit dieser Methode lassen sich die Fundstücke bereits vor der Restauration betrachten und präsentieren. Ziel dieser Arbeit ist, die Machbarkeit eines wenig aufwändigen Ansatzes in Kombination aus ubiquitär verfügbarer medizinischer Bildgebung, frei verfügbarer Software und kommerziell verfügbarer 3D-Drucktechnik zu demonstrieren. Weiterhin soll gezeigt werden, dass mit einer derartigen Technik ohne zeitaufwändige und kostenintensive Restaurierung eine digitale Rekonstruktion und zeitliche Einordung vorgenommen werden kann.


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Material und Methoden

Es wurde exemplarisch ein 61,0 cm × 19,6 cm × 20,0 cm großer aus Lösslehm bestehender Erdblock aus einer Grabfreilegung einer hochrangigen Person aus der Merowingerzeit (2. Hälfte 5. Jahrhundert bis Mitte 8. Jahrhundert n. Chr.) ausgewählt. Der Block stammt aus einer Tiefe von ca. 1,50 m unter der Oberfläche. Vor der Untersuchung wurde vermutet, dass in dem Block ein metallisches Objekt vorliegt.

Der Ablauf von der archäologischen Blockbergung bis zum 3D-Modell und 3D-Druck ist in vier Schritte unterteilt: (1) Anfertigen von dünnschichtigen CT-Aufnahmen, (2) Segmentation des Objektes anhand der CT-Daten, (3) Bildverarbeitung zur digitalen Rekonstruktion des Fundstückes und (4) 3D-Druck.

Die CT-Untersuchung des archäologischen Fundes wurde mit einem klinischen CT (SOMATOM Definition, Siemens, Forchheim) durchgeführt. Zur Vorbereitung der CT-Untersuchung wurde der Erdblock mit mehreren Metern Stretchfolie umwickelt, auf ein ebenfalls mit Folie umwickeltes Holzbrett gestellt und nochmals mit Folie umwickelt. Der CT-Scan erfolgte bei einer Röhrenspannung von 120 kV und einem effektiven Stromstärke-Zeit-Produkt von 360 mAseff. mit einer Kollimation von 64 × 0.6 mm und einem Pitch von 0.9. Aus den Rohdaten wurden unter Verwendung eines mittelweichen Kernels (B31 s) axiale Bilder mit 0,75 mm Schichtdicke bei einem Inkrement von 0,5 mm rekonstruiert.

Für die Segmentation aus den DICOM-Daten des aus mehreren Teilen bestehenden Fundstückes wurde die open source-Software 3D-Slicer (Version 4.11.20210226, www.slicer.org) verwendet [3] [4]. Zunächst erfolgte eine schwellenwertbasierte Segmentierung mit einem Schwellenwert von 1998–3071 Hounsfield-Einheiten (HE). Anschließend wurde eine manuelle Segmentation der Fundstücke aus der umgebenden Erde in x-, y-, und z-Richtung der Bilddaten vorgenommen, siehe [Abb. 1]. Die Daten wurden in Form einer *.stl-Datei gespeichert. Die weitere digitale Rekonstruktion des digitalen Fundstückmodells wurde mit dem freeware-Modellierungsprogramm Meshmixer (Version 3.5.474, Autodesk Inc., San Francisco, CA) [5] durchgeführt. In dieser Software wurden zunächst kleine Unebenheiten und Löcher digital im Modell ausgebessert und das Erscheinungsbild des Schildbuckels geglättet, um durch Korrosion und Aufblühen des Metalls bedingte Veränderungen zu korrigieren. Außerdem wurden vom Fundstück unabhängige Bruchstücke entfernt. Der stark zerfallene Zustand des Objektes und während der Segmentation entstandene Fehler wurden digital korrigiert. In [Tab. 1] sind die verwendeten Software-Tools für die Verarbeitung, Korrektur und Rekonstruktion des Fundstückmodells aufgelistet.

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Abb. 1 Axiale Darstellung der CT-Schichten der Blockbergung mit Schildbuckel in 3D-Slicer.
Tab. 1

Verwendete Meshmixer-Werkzeuge für die Korrektur der dreidimensionalen Modelle.

Werkzeuge

Verwendungszweck

Plain Cut

Löschen einzelner Objekte im Modell

Inspector

Entfernung unzusammenhängender Bruchstücke und Schließen von Löchern

Select

Auswählen von Regionen und Schließen von Löchern über Entfernen der ausgewählten Region und Rekonstruktion mittels des Inspectors

Sculpt

Mittels unterschiedlicher Tools kann eine Glättung, Kantenerhöhung oder Planarisierung mit unterschiedlichen Stärken in einem Bereich durchgeführt werden.

Make Solid

Stellt eine Annäherung an das ursprüngliche Modell in Voxel-Form her, wodurch kleine Unebenheiten abhängig von der gewählten Genauigkeit entfernt werden können.

Transform

Verschieben und Drehen von Objekten

Combine

Verbinden von getrennten Objekten zu einer Einheit

Nach Rekonstruktion des größten Fragmentes des mehrteiligen Fundstückes wurden die kleineren Fragmente in gleicher Weise verarbeitet. Nachdem erkennbar war, dass es sich bei dem größten Fragment um einen Schildbuckel handelt, wurden die vier als Schildfessel identifizierten Objekte unabhängig vom Modell gedreht und an der korrekten Position platziert und digital befestigt. Auf Basis des zu dem Zeitpunkt vorliegenden 3D-Modells wurden aus der Literatur vergleichbare Objekte herangezogen. Als Vorlage für die weitere digitale Detailrekonstruktion der zum Schild gehörenden Objekte dienten Abbildungen ähnlicher Objekte aus derselben Zeit. Deutlich zu erkennen sind der für das 6. bis Anfang 7. Jahrhundert charakteristische platte Knopf auf der Spitze des konisch geformten Buckels sowie die ebenfalls nahezu identisch aussehenden Scheibennieten an der Krempe. Diese Merkmale sind ebenfalls an dem hier vorgestellten Stück anhand des CT-Scans deutlich zu erkennen [6].

Die bearbeiteten Fragmente wurden in unterschiedlichen Bearbeitungsstadien abgespeichert: nach der Segmentation, nach dem Entfernen einzelner nicht zusammenhängender Teile, nach der finalen Bearbeitung als der Schildbuckel in unabhängigen Teilen vorlag und im zusammengesetzten Zustand.

Für den 3D-Druck der einzelnen Komponenten wurde der Drucker Prusa i3 MK3S+ (Prusa Research, Prag, CZE) verwendet. Als Filament für den Drucker wurde Polymilchsäure (PLA), ein pflanzlich basierter Polyester (Prusa Research, Prag, CZE) benutzt [7].


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Ergebnisse

Die Objekte konnten als Teil eines Schildes identifiziert werden. Der Schildbuckel bestand nach der Segmentation und einer erster Nachverarbeitung aus mehreren Teilen. Mithilfe der genannten Werkzeuge konnten die vorhandenen Löcher im 3D-Modell des Schildbuckels ([Abb. 2]) in der Nachverarbeitungssoftware geschlossen und Unebenheiten korrigiert werden ([Abb. 3]).

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Abb. 2 Darstellung des Schildbuckels mit erheblichen Löchern und Unebenheiten nach einfacher Rekonstruktion mittels einfachem Schwellenwertverfahren in 3D-Slicer aus den CT-Daten. Dabei stehen A, P und R für die Raumrichtungen „Anterior“, „Posterior“ und „Rechts“.
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Abb. 3 Nach händischer Segmentation in 3D-Slicer konnten Teile der in [Abb. 1], [2] sichtbaren Defekte korrigiert werden. Die Ansichten von vorne (rechts) und hinten (links) zeigen die abgebrochene Schildfessel.

Die anschließende digitale Rekonstruktion unter Beachtung vergleichbarer Funde ist in [Abb. 4] dargestellt. In diesem Schritt wurden in Meshmixer auch die Schildfessel rekonstruiert. Der fertige 3D-Druck in verschiedenen Zusammensetzungen ist in [Abb. 5] zu sehen.

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Abb. 4 Schildbuckel nach Korrektur und Rekonstruktion in Meshmixer aus verschiedenen Blickrichtungen, von vorne (a), von der Seite (b) und von hinten (c). Die in Meshmixer vorgenommenen Korrekturen sind farblich hervorgehoben. Die roten Pfeile in c markieren die korrigierten Positionen der im Original abgebrochenen Schildfessel.
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Abb. 5 3D-Druck des Schildbuckels in Einzelteilen (oben) und zusammengesetzt (unten) mit Maßstab

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Diskussion

Die untersuchte Blockbergung des Schildbuckels mit -fessel entstammt aus der Grabfreilegung einer hochrangigen Person aus der Merowingerzeit, die etwa vom 5. Jahrhundert bis zur Mitte des 8. Jahrhundert n. Chr. dauerte. Die Datierung anhand der digitalen Rekonstruktion ist so genau, dass die Zeitspanne, aus der die beiden Teile stammen, auf die erste Hälfte des 6. Jahrhunderts bis Anfang des 7. Jahrhunderts [8] begrenzt werden kann, ohne den Schildbuckel vorher freilegen zu müssen. Aufgrund einer Tiefe von ca. 1,50 m unter Oberkante wurde die Bestattung nicht durch moderne ackerbauliche Geräte gestört, jedoch griffen chemische Prozesse im Boden die Metallobjekte stark an. Um die Funde nicht noch mehr zu schädigen, wurde auf ein Freilegen vor Ort verzichtet und stattdessen die Bestattung in einzelnen Blöcken mit umgebender Erde entnommen, um diese später in der Restaurierung freilegen zu können.

Zur dreidimensionalen Darstellung des Fundstückes muss dieses in den CT-Aufnahmen aus dem umliegenden Boden heraus segmentiert werden. Besonders bei porösen oder stark fragmentierten Funden kann so ein zusammenhängendes Abbild geschaffen werden, ohne den Fund zu gefährden. Beispielsweise wurde 2006 die Analyse eines mittels CT untersuchten archäologischen Fundes veröffentlicht, bei dem es sich um zerbrochenes Glas handelte und aufgrund seines Zustandes nicht direkt freigelegt werden konnte [9]. Auch bei der Untersuchung von Knochenfunden in der Anthropologie können durch die Segmentationen des CT-Datensatzes entscheidende Erkenntnisse über Alter, Geschlecht oder den gesundheitlichen Zustand des Menschen gewonnen werden [10].

Während eine rein schwellenwertbasierte Segmentierung auch in der Medizin als fehleranfällig bekannt ist, kann bei archäologischen Objekten auch eine manuelle Segmentierung zu Abweichungen zwischen dem Original und dem entstandenen Modell des Fundstückes führen, da nicht in allen Bereichen eine eindeutige Segmentation möglich ist. Dies gilt hauptsächlich für Regionen, in denen der Fund korrodiert ist, sehr ähnliche Schwächungseigenschaften wie die umgebende Erde aufweist oder bei sehr starkem Zerfall von organischen Materialien. Besonders im Bereich von Rostblasen lässt sich die umliegende Erde schwer von dem Fund trennen. Wie originalgetreu das entstandene Modell ist, hängt des Weiteren von der Bearbeitung in der Nachbearbeitungssoftware ab. So kann durch Glätten, Schließen von Löchern aber auch Rekonstruktionen das entstandene Modell immer stärker vom Original abweichen. Bei der Rekonstruktion kann jedoch mithilfe bereits bekannter Funde eine begründete Annahme getroffen werden, wie das Fundstück einmal ausgesehen haben könnte. Die digitale Restaurierung und Rekonstruktion mit der Möglichkeit, die verschiedenen Schritte abzuspeichern, bietet die Möglichkeit, unterschiedliche Stadien und Rekonstruktionsvarianten des Fundes zu betrachten ohne ihn zu gefährden und bei Bedarf Schritte zurückzugehen und die Rekonstruktion anders fortzusetzen. Diese Möglichkeit bietet sich in der herkömmlichen handwerklichen Rekonstruktion nicht. Im Gegensatz zur konventionellen Freilegung und Rekonstruktion kann das Objekt so auf verschiedene Wege korrigiert und zusammengefügt werden, ohne den Fund zu gefährden. Fehler im Prozess können so ohne bleibende Folgen für den Fund behoben werden.

Für die Nachverarbeitung und Segmentation wurden 3D-Slicer und Meshmixer verwendet, da diese im Gegensatz zum CT-eigenen Nachverarbeitungstool die Erstellung für den 3D-Druck benötigten *.stl-Dateien ermöglichen. Des Weiteren ermöglichen sie die Verschiebung der Einzelstücke für die Rekonstruktion und die digitale Reparatur.

Durch die Etablierung des 3D-Drucks konnten bereits authentische Nachbildungen von Schädeln, Kronen, Inschriften und Mumien in Ausstellungen gezeigt werden [11] [12] [13]. Mit dieser Technik können Objekte bereits vor der fertigen Restaurierung der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Im Bereich der Anthropologie konnten derartige Rekonstruktionen in ausgewählten Fällen bereits vor Gericht als Beweismittel verwendet werden [14].

Nicht immer ist bei einer Blockbergung bekannt was der Erdblock enthält. Daher muss bis nach der Restaurierung gewartet werden, um zu erfahren, welcher Fund im Erdblock liegt. Bis es zur Restaurierung des Fundes kommt, kann viel Zeit, bis zu mehreren Jahren, vergehen. Durch eine CT-Untersuchung und nachfolgende Segmentation kann das Objekt schnell und einfach sichtbar gemacht werden. Im Vergleich zur einfachen Röntgenuntersuchung ist eine detailliertere Darstellung möglich. So könnten neue Funde in Zukunft deutlich schneller nach der Bergung untersucht werden. Damit kann auch leichter entschieden werden, welche Objekte prioritär einer handwerklichen Freilegung und Rekonstruktion zugeführt werden sollen. Weiterhin bietet die Erstellung eines digitalen Modells vor der Freilegung eine Absicherung für mögliche Beschädigung oder Verlust. Durch die digitale Speicherung der CT-Daten können die Funde zusätzlich digital dokumentiert, analysiert und global zur Verfügung gestellt werden, ohne den Fund zu gefährden.

Der CT-Scan von Fundstücken bietet viele weitere Vorteile für die Archäologie. Bereits vor der Freilegung und Restaurierung können die Fundstücke am Bildschirm analysiert und der Zustand und die Position des Fundes beurteilt werden. Diese nicht invasive Methode bietet die Möglichkeit, Eigenschaften des Fundes zu untersuchen, die ansonsten nur durch Zerstörung des Objektes ersichtlich sind. So kann die Struktur und Herstellungstechnik von Keramik beurteilt werden, ohne dafür das Objekt beschädigen zu müssen. Die Erstellung digitaler Modelle und der digitalen Rekonstruktion bietet viele Möglichkeiten, jedoch lassen sich anhand der Schichtaufnahmen keine Aussagen über die Farbe und Musterung des Fundstückes treffen [15].

Jedoch hat auch die CT-Untersuchung ihre Grenzen. Nicht jedes Fundstück kann mit einem klinischen CT-Gerät gescannt werden. Der Erdblock muss klein genug sein, um in die Gantry des CT-Scanners zu passen. Zusätzlich muss genug Strahlung den Erdblock durchdringen können, um eine geeignete CT-Aufnahme zu erhalten. Für den Scan von sehr großen Fundstücken würde sich somit ein industrielles CT anbieten, da diese im Vergleich zu den klinischen leistungsstärker sind [16]. Die vorgestellte Methode eignet sich generell für alle Objekte, die einen anderen Schwächungskoeffizienten als das sie umgebende Material aufweisen. Im Vergleich zu anderen dreidimensionalen Erfassungsmöglichkeiten von Fundstücken in der Archäologie wie der Streiflicht- oder Laserscan, bei denen nur die Oberfläche eines Objektes berührungsfrei erfasst wird, kann mit dem CT auch das Innere eines Fundes dargestellt werden. In manchen Fällen können somit auch Erkenntnisse über den Herstellungsprozess eines Objektes gewonnen werden [16]. Daher kann der CT-Scan bereits für den Erdblock durchgeführt werden, wohingegen der Streiflicht- oder Laserscan erst am freien Objekt durchgeführt werden kann. Für eine regelmäßige Anwendung der CT-Bildgebung mit Nachverarbeitung muss das Verfahren günstig und schnell durchführbar sein.


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Fazit

Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, dass eine Analyse, Dokumentation und Rekonstruktion archäologischer Fundstücke aus einer Blockbergung mit verfügbarer medizinischer Infrastruktur zusammen mit kostenfrei verfügbarer Software möglich sind. Durch die sehr gute digitale Darstellung des Schildbuckels kann bereits anhand von Referenzenbildern eine hinreichend genaue Datierung zwischen der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts bis Anfang des 7. Jahrhunderts n. Chr. vorgenommen werden. Damit ergeben sich durch eine enge Zusammenarbeit zwischen der Radiologie und Archäologie neue Chancen für die Befundung und Untersuchung archäologischer Fundstücke bereits vor der Freilegung und Restaurierung. Weitere Verbesserungen der Methode, insbesondere eine vollständig automatisierte und präzise Segmentation aus den Schichtaufnahmen, ist hier eine notwendige Weiterentwicklung.


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Conflict of Interest

The authors declare that they have no conflict of interest.

  • References

  • 1 Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege (BLfD). Vorgaben zum Umgang mit Funden auf archäologischen Ausgrabungen in Bayern. 2020
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  • 3 Fedorov A, Beichel R, Kalpathy-Cramer J. et al. 3D Slicer as an image computing platform for the Quantitative Imaging Network. Magnetic Resonance Imaging 2012; 30: 1323-1341
  • 4 BWH and 3D Slicer contributors. 3D Slicer image computing platform. Im Internet (Stand: 08.02.2023): https://www.slicer.org
  • 5 Autodesk Inc. Autodesk Meshmixer. Im Internet (Stand: 08.02.2023): https://meshmixer.com
  • 6 Martin M. Das fränkische Gräberfeld von Basel – Bernerring. Mit einem anthropologischen und einem osteologischen Beitrag von R.Bay und B.Kaufmann. Mainz: Basel / Mainz: Archäologischer Verlag; 1967
  • 7 Prusa Research a.s. Prusa Research by Josef Prusa: PLA. Im Internet (Stand: 08.02.2023): https://help.prusa3d.com/de/article/pla_2062#_ga=2.123843212.72348563.1675857062-1339977143.1675857061
  • 8 Trenkmann U. Thüringen im Merowingerreich. Zur chronologischen und kulturgeschichtlichen Aussagekraft von Gräberfeldern des 6.–8. Jahrhunderts. Bonner Beiträge zur vor- und frühgeschichtlichen Archäologie Band 24. Weimer: Universität Bonn Inst. f. Vor- u. Frühgeschichtliche Archäologie. 2021
  • 9 Jansen RJ, Poulus M, Kottman J. et al. CT: A New Nondestructive Method for Visualizing and Characterizing Ancient Roman Glass Fragments in Situ in Blocks of Soil. Radiographics 2006; 26 (06) 1837-1844
  • 10 Licata M, Tosi A, Ciliberti R. et al. Role of Radiology in the Assessment of Skeletons from Archeological Sites. Seminars in Ultrasound, CT and MRI 2019; 40 (01) 12-17
  • 11 Zesch S, Rosendahl W, Döppes D. et al. Eine Mumie aus dem 3D-Drucker: Archäologie und Hightech zur Moorleiche des Yde-Mädchens. Antike Welt 2016; 6: 30-34
  • 12 Alterauge A, Döppes D, Rosendahl W. Vom 3D-Scan bis zum 3D-Druck – Allgemeine Grundlagen und Praxisbeispiele aus dem Museumsbereich. Der Präparator 2014; 60: 36-43
  • 13 Cooper C. You Can Handle It: 3D Printing for Museums. Advances in Archaeological Practice. Advances in Archaeological Practice 2019; 7 (04) 443-447
  • 14 Carew RM, Morgan RM, Rando C. A Preliminary Investigation into the Accuracy of 3D Modeling and 3D Printing in Forensic Anthropology Evidence Reconstruction. J Forensic Sci 2019; 64 (02) 342-352
  • 15 Kamil S, Kazimierski SK. CT und archäologische Keramik »Darf es auch etwas mehr sein?«. Sonderdruck aus: Fundberichte aus Österreich 2015; Band 54: D63–D72.
  • 16 Weisgerber A. Voxel versus STL – die Aussagekraft von 3-D-Scans archäologischer Objekte. Archäologie in Westfalen-Lippe 2012; 241-244

Correspondence

Emilia Frohwerk
Institute of Medical Physics and Radiation Protection, University of Applied Sciences Gießen Friedberg
Wiesenstraße 14
35390 Gießen
Germany   
Phone: +49/01 72/7 80 65 41   

Publication History

Received: 29 June 2023

Accepted: 15 October 2023

Article published online:
11 December 2023

© 2023. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

  • References

  • 1 Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege (BLfD). Vorgaben zum Umgang mit Funden auf archäologischen Ausgrabungen in Bayern. 2020
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Fig. 1 Axial image of CT slices of the excavated block of soil containing the shield boss in 3D Slicer.
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Fig. 2 Image of the shield boss with substantial holes and irregularities after simple reconstruction from the CT data using a basic threshold method in 3D Slicer. A, P, and R indicate the spatial directions “anterior”, “posterior”, and “right”.
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Fig. 3 After manual segmentation in 3D Slicer, parts of the defects visible in [Fig. 1], [2] were able to be corrected. The views from the front (right) and back (left) show the broken-off handles.
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Fig. 4 The shield boss after correction and reconstruction in Meshmixer from various views, from the front (a), from the side (b), and from the back (c). The corrections performed in Meshmixer are shown in color. The red arrows in c mark the corrected positions of the handles broken off in the original.
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Fig. 5 3D-printed model of the shield boss in individual pieces (top) and assembled (bottom) with a scale
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Abb. 1 Axiale Darstellung der CT-Schichten der Blockbergung mit Schildbuckel in 3D-Slicer.
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Abb. 2 Darstellung des Schildbuckels mit erheblichen Löchern und Unebenheiten nach einfacher Rekonstruktion mittels einfachem Schwellenwertverfahren in 3D-Slicer aus den CT-Daten. Dabei stehen A, P und R für die Raumrichtungen „Anterior“, „Posterior“ und „Rechts“.
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Abb. 3 Nach händischer Segmentation in 3D-Slicer konnten Teile der in [Abb. 1], [2] sichtbaren Defekte korrigiert werden. Die Ansichten von vorne (rechts) und hinten (links) zeigen die abgebrochene Schildfessel.
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Abb. 4 Schildbuckel nach Korrektur und Rekonstruktion in Meshmixer aus verschiedenen Blickrichtungen, von vorne (a), von der Seite (b) und von hinten (c). Die in Meshmixer vorgenommenen Korrekturen sind farblich hervorgehoben. Die roten Pfeile in c markieren die korrigierten Positionen der im Original abgebrochenen Schildfessel.
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Abb. 5 3D-Druck des Schildbuckels in Einzelteilen (oben) und zusammengesetzt (unten) mit Maßstab