Z Orthop Unfall
DOI: 10.1055/a-2188-3565
Übersicht

Wirksamkeit der Spiegeltherapie bei Patienten mit Phantomschmerzen nach Amputationen der unteren Extremität: eine systematische Literaturübersicht

Article in several languages: deutsch | English
Lorena Scholl
1   Fachbereich Gesundheitswesen, Therapiewissenschaften, Hochschule Niederrhein, Krefeld, Deutschland (Ringgold ID: RIN38909)
,
Annette Schmidt
1   Fachbereich Gesundheitswesen, Therapiewissenschaften, Hochschule Niederrhein, Krefeld, Deutschland (Ringgold ID: RIN38909)
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1   Fachbereich Gesundheitswesen, Therapiewissenschaften, Hochschule Niederrhein, Krefeld, Deutschland (Ringgold ID: RIN38909)
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Zusammenfassung

Hintergrund

Bis zu 80% der Patienten nach Amputation sind von Phantomschmerzen betroffen, für deren Entstehung Mechanismen der kortikalen Reorganisation diskutiert werden. Zu den nicht operativen Behandlungsverfahren dieser neuropathischen Schmerzen im Bereich des fehlenden Körpergliedes zählt die Spiegeltherapie. Dabei soll durch Verwendung eines Spiegels beim Patienten die Illusion einer noch vorhandenen Extremität erzeugt werden. Diese Illusion soll Prozesse zur Wiederherstellung der ursprünglichen Organisationsstruktur des somatosensorischen und motorischen Kortex anregen und so eine Schmerzreduktion erzielen. Ziel dieses systematischen Reviews ist, die Wirksamkeit der Spiegeltherapie zur Behandlung von Phantomschmerzen bei erwachsenen Patienten nach unilateralen Amputationen der unteren Extremität qualitativ zu analysieren.

Methode

Die Datenbanken Medline (PubMed), Physiotherapy Evidence Database (PEDro), Cochrane Library (Central) und OPENGREY werden systematisch bis zum 26. November 2020 durchsucht, gefolgt von fortlaufenden Suchen in diesen Datenbanken, um eine Übersicht von aktualisierter Literatur zu gewährleisten. Die Studienauswahl, die Datenextraktion sowie die Bewertung des Verzerrungspotenzials (Risk of Bias Tool [RoB]) der inkludierten Studien erfolgt durch 2 Gutachter unabhängig voneinander. Primärer Endpunkt ist die Schmerzintensität, sekundäre Endpunkte sind die Schmerzhäufigkeit, die Schmerzdauer, die Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) sowie die Lebensqualität. Die Methodik des Reviews folgt den Empfehlungen der „Preferred Reporting Items for Systematic Reviews and Meta-analyses (PRISMA)“ sowie dem „Cochrane Handbook for Systematic Reviews of Interventions“.

Ergebnisse

Von 234 identifizierten Artikeln werden 4 randomisierte kontrollierte Studien eingeschlossen. In allen Studien wird von einer Abnahme der Schmerzintensität durch die Spiegeltherapie berichtet, jedoch bestehen in nur 2 Studien signifikante Unterschiede zwischen der Spiegeltherapie und der Vergleichsintervention nach 4 Wochen (p < 0,001; p < 0,05). Dieser signifikante Unterschied hat in einer dieser Studien noch 3 und 6 Monate nach Ende der Therapie Bestand (p < 0,001). Die Outcomes Schmerzhäufigkeit, Schmerzdauer sowie ADL sind in einer Studie nach 4 und 10 Wochen Spiegeltherapie geringer als in der Vergleichsgruppe, jedoch ohne statistische Signifikanz (p > 0,05). Nach 6 Monaten besteht hier hinsichtlich Schmerzdauer und ADL ein signifikanter Unterschied zugunsten der Spiegeltherapie (p < 0,05). Zwei Studien kommen bez. des Unterschieds der Lebensqualität zwischen Interventionsgruppe und Vergleichsgruppe zu teils unterschiedlichen Resultaten.

Schlussfolgerung

Die Spiegeltherapie ist bei hoher Therapiefrequenz und Therapiedauer eine wirksame und nachhaltige Maßnahme zur Verringerung der Phantomschmerzen bei Patienten nach unilateralen Amputationen der unteren Extremität. Eine Überlegenheit der Spiegeltherapie gegenüber den anderen Interventionen kann jedoch aufgrund qualitativ zu schwacher Evidenz nicht geschlussfolgert werden.



Publication History

Received: 21 December 2022

Accepted after revision: 05 October 2023

Article published online:
15 November 2023

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