physioscience 2024; 20(01): 41-42
DOI: 10.1055/a-2170-6619
gelesen und kommentiert

Binokulare Amblyopiebehandlung verbessert die manuelle Geschicklichkeit

Binocular Amblyopia Treatment Improves Manual DexterityContributor(s):
Pawel J. Matusz

Zusammenfassung

Hintergrund

Amblyopie wird klinisch definiert als Beeinträchtigung der Sehschärfe auf einem Auge, die auf eine abnorme frühe Seherfahrung zurückzuführen ist. Tatsächlich handelt es sich jedoch um eine Kombination von Defiziten, die Binokularität, sensorisch-kortikale, aufmerksamkeitsbezogene und motorische Prozesse umfassen. Personen mit Amblyopie haben Schwierigkeiten damit, Stifte in Löcher zu stecken, Perlen aufzufädeln oder gewöhnliche Gegenstände zu greifen. Es ist allerdings unbekannt, ob eine auf das Sehen ausgerichtete Behandlung auch motorische Defizite verbessert. Bisher wurden solche Vorteile in 2 Pilotstudien und nur bei Kindern ab 7 Jahren untersucht. Um zu verstehen, welchen Nutzen die Behandlung von Sehstörungen für motorische Beeinträchtigungen hat, sind größere, stringente Studien erforderlich.


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Ziel

In der Studie wurde untersucht, ob eine binokulare Behandlung die Beeinträchtigung der Feinmotorik bei amblyopen Kindern verringert und ob das Alter (unter/über 7 Jahre) eine Rolle spielt. Darüber hinaus wurden die Verbesserungen in der Feinmotorik auf Zusammenhänge mit sensorischen Grundfähigkeiten und deren Verbesserung erforscht.


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Methode

In der Studie wurden Daten aus 4 klinischen Studien analysiert, in denen 4–8-wöchige Behandlungen mit dichoptischen, kontrastbalancierten, kindgerechten Filmen und Action-Videospielen untersucht wurden. Die dichoptische visuelle Stimulation erfordert eine augenübergreifende Integration, wobei durch einen reduzierten Kontrast der an das gesunde Auge gelieferten Bilder ermöglicht wird, was die Unterdrückung zwischen den Augen beseitigt. An der Studie nahmen 75 Kinder im Alter von 3–6 und 59 Kinder im Alter von 7–10 Jahren mit Amblyopie sowie 20 gesunde Kontrollpersonen für jede Altersgruppe teil. Die visuellen Fähigkeiten wurden mit standardisierten klinischen Tests bewertet. Die manuelle Geschicklichkeit wurde mit der Movement Assessment Battery for Children (MABC-2) getestet.


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Ergebnisse

Die bestkorrigierte Sehschärfe, Stereosichtigkeit und Suppression verbesserten sich nach den kontrastausgeglichenen Interventionen (p’s < 0,0001), wobei sich die Sehschärfe bei jüngeren Amblyopen geringfügig stärker verbesserte als bei älteren (p = 0,05). Die Ausgangswerte für die manuelle Geschicklichkeit waren in beiden Amblyopiegruppen niedriger als in den Kontrollgruppen (p < 0,001). Die Geschicklichkeit verbesserte sich mit der Sehtherapie altersübergreifend (p < 0,001), blieb aber unter dem gesunden Niveau (p < 0,04). Das Alter hatte keinen Einfluss darauf, wie stark sich die Geschicklichkeit verbesserte.

Je mehr sich die Sehschärfe verbesserte, desto mehr verbesserte sich die Geschicklichkeit (r = 0,26, p = 0,006). Verbesserungen bei der manuellen Geschicklichkeit standen nicht im Zusammenhang mit Veränderungen bei Suppression, Stereoakuität oder Fusion (p’s > 0,13) oder beim Ausgangsniveau einer der 4 visuellen Fähigkeiten (p’s > 0,12).


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Schlussfolgerungen

Beeinträchtigungen der manuellen Geschicklichkeit sind bei Menschen mit entwicklungsbedingten Sehbehinderungen, einschließlich Amblyopie, häufig. In diesem Fall verbesserte die binokulare Behandlung der Amblyopie sowohl die visuellen Fähigkeiten als auch die Feinmotorik. Das Ausmaß der Verbesserung der manuellen Geschicklichkeit war vom Ausmaß der Verbesserung der Sehschärfe abhängig.


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Publication History

Article published online:
19 February 2024

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Georg Thieme Verlag KG
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