Schlüsselwörter Primärprävention - Sekundärprävention - Hyperlipoproteinämie - LDL-Cholestein
Hintergrund
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die häufigste Todesursache in Europa [1 ] und waren 2019 für 35% aller Todesfälle in Deutschland verantwortlich [2 ]. Dabei zeigt sich in Deutschland – trotz der Spitzenposition in der medizinischen
Versorgung, verglichen mit anderen Ländern ähnlicher Einkommensstruktur – ein ausgeprägtes
Defizit in der Lebenserwartung: bedingt durch kardiovaskuläre Ereignisse [3 ]. Als wesentlicher Risikofaktor für koronare Herzerkrankungen (KHK) [4 ] und schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen [5 ] gelten erhöhte Spiegel des Low-Density-Lipoprotein-Cholesterols (LDL-C). Aus diesem
Grund ist die LDL-C-Senkung ein integraler Bestandteil der 2019 veröffentlichten Leitlinien
der Fachgesellschaften ESC (European Society of Cardiology) und EAS (European Atherosclerosis
Society) zur Behandlung von Dyslipidämien [6 ]. Die LDL-C-Zielwerte der ESC/EAS-Leitlinien werden im Versorgungsalltag häufig jedoch
nicht erreicht [7 ]. Angesichts der verfügbaren pharmakotherapeutischen Optionen ist diese mangelhafte
Zielerreichung allerdings bemerkenswert. Denn laut einer Simulationsstudie, in der
die ESC/EAS-Empfehlungen von 2019 Anwendung fanden, könnte mit aktuellen Lipidsenkern
bei mehr als 90% der Patient*innen ein Zielwert von < 55mg/dl erreicht werden, wie
er für kardiovaskuläre Höchstrisikopatient*innen empfohlen wird [8 ].
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Primär-
und Sekundärprävention in der Routineversorgung aufzuzeigen und Versorgungslücken
zu identifizieren. Dabei wurden vor allem die Wahrnehmung und Behandlung der Hypercholesterinämie,
das Bewusstsein gegenüber der Erkrankung sowie die damit verbundene Belastung betrachtet.
Methoden
Grundlage des hier präsentierten Vergleichs der Routineversorgung in der Primär- und
Sekundärprävention sind bereits publizierte Querschnittsdaten aus der Umfrage PROCYON.
Diese umfasste sowohl eine Befragung von Patient*innen als auch eine separate Befragung
von Ärzt*innen. In die hier präsentierte, post-hoc ausgeführte Gegenüberstellung gehen
nur die publizierten Ergebnisse aus der Befragung der Patient*innen ein. Es sollen
potenzielle Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der Primär- und der Sekundärprävention
herausgearbeitet werden. Die ebenfalls bereits publizierten Ergebnisse der Befragung
von Ärzt*innen sind nicht Teil dieser Gegenüberstellung.
Untersucht wurde in PROCYON, wie die Hypercholesterinämie und deren Behandlung wahrgenommen
werden und welche Gründe es für die Diskrepanz zwischen dem Potenzial der verfügbaren
Therapien und der Zielerreichung in der klinischen Praxis in Deutschland geben könnte.
Die Ergebnisse zur Primärprävention bei Patient*innen ohne kardiovaskuläre Ereignisse
in der Anamnese [9 ] sowie zur Sekundärprävention bei Patient*innen, die bereits mindestens ein schweres
kardiovaskuläres Ereignis hatten [10 ], wurden bereits separat voneinander veröffentlicht.
Um an PROCYON teilnehmen zu können, mussten die Patient*innen ≥ 18 Jahre alt gewesen
sein, zum Umfragezeitpunkt ihren Wohnsitz in Deutschland gehabt haben, und es musste
eine Hypercholesterinämie diagnostiziert worden sein. Zur Gruppe der Sekundärprävention
gehörten jene mit vorherigem Myokardinfarkt, Schlaganfall, peripherer arterieller
Verschlusskrankheit oder Bypass-Operation. Zur Primärpräventionsgruppe gehörten jene,
bei denen bis dato kein solches Ereignis aufgetreten war. Der webbasierte Fragebogen
für Patient*innen beinhaltete bis zu 35 Fragen zur Anamnese, zu Begleiterkrankungen,
zur Adhärenz und zum Krankheitsbewusstsein hinsichtlich der Hypercholesterinämie.
Der Fragebogen ist vollständig im Supplement einsehbar. Wie aktiv sich Patient*innen
am Management ihrer Erkrankung beteiligen, wurde mittels des PAM-13-Fragebogens („Patient
Activation Measure“ von Insignia Health) ermittelt [11 ]. Dabei handelt es sich um ein etabliertes Instrument, mit dem die Kenntnisse, die
Fähigkeiten und das Selbstvertrauen, die für das Eigenmanagement der Patient*innen
in der Behandlung notwendig sind, gemessen werden [11 ]. Definiert sind 4 Stufen der Aktivierung, wobei 1 die niedrigste und 4 die höchste
Stufe darstellt [12 ].
Die Umfrage wurde in Übereinstimmung mit allen relevanten Richtlinien und Vorschriften
durchgeführt, die in Deutschland gelten. Eine Genehmigungspflicht durch eine Ethikkommission
besteht für diese umfragebasierte Datenerhebung nicht. Alle Patienten nahmen freiwillig
an der Umfrage teil, und die Einwilligung zur Datenerhebung, -verarbeitung und -analyse
wurde von allen Probanden vor der Umfrage auf elektronischem Wege eingeholt. Die Patientendaten
wurden anonymisiert und für die Analyse aggregiert.
In die Analyse wurden nur vollständige Datensätze eingeschlossen. Alle Merkmale der
Befragten wurden mittels deskriptiver Statistik dargestellt. Für kategorische Variablen
wurden Häufigkeiten und Prozentwerte angegeben, für kontinuierliche Variablen Mittelwerte,
einschließlich Standardabweichungen, und Mediane. Es wurden keine formalen statistischen
Tests für Gruppenvergleiche vorgenommen. Die entsprechend ausgewerteten und publizierten
Ergebnisse der Umfrage gehen in die deskriptive Gegenüberstellung der Primär- und
Sekundärprävention ein [9 ]
[10 ].
Ergebnisse
Auswertungspopulationen
Insgesamt haben 12505 Patient*innen mit der Umfrage begonnen. Davon erfüllten 1462
die abgefragten Teilnahmekriterien nicht und konnten daher die Befragung nicht fortführen.
Insgesamt 5549 Teilnehmer*innen haben die Umfrage nicht vollständig ausgefüllt und
wurden für die Analysen nicht berücksichtigt. 5494 Patient*innen haben den Fragebogen
vollständig beantwortet und gehen in die Auswertung ein; davon gehörten 3798 zur Primärprävention
(PP) und 1696 zur Sekundärprävention (SP).
Alter, Geschlecht und Komorbiditäten
Das mediane Alter der Befragten war in beiden Gruppen ähnlich. Frauen waren in der
Primärprävention in der Mehrzahl, nicht aber in der Sekundärprävention. Bluthochdruck,
Fettleibigkeit und Diabetes mellitus Typ 2 waren in der Sekundärprävention häufiger
als in der Primärprävention ([Tab. 1 ]).
Tab. 1 Charakteristika der Befragten.
Primärprävention
Sekundärprävention
N = 3798
N = 1696
n (%), sofern nicht anders angegeben
n (%), sofern nicht anders angegeben
Alter in Jahren, Mittelwert ± SD [Median]
59,90 ± 6,97 [59,0]
64,5 ± 7,17 [61,0]
Weiblich
2685 (70,7)
721 (42,5)
Komorbiditäten
Bluthochdruck
1732 (45,6)
1035 (61,0)
Adipositas (starkes Übergewicht)
795 (20,9)
464 (27,4)
Diabetes Typ 1
61 (1,6)
40 (2,4)
Diabetes Typ 2
536 (14,1)
404 (23,8)
Sonstige
682 (18,0)
366 (21,6)
Keine
1336 (35,2)
344 (20,3)
Zeit seit Diagnose in Jahren, Mittelwert ± SD [Median]
12,4 ± 11,9 [10,0]
13,3 ± 11,9 [10,0]
Grund für LDL-C-Bestimmung bei Diagnose
Routineuntersuchung, Check-up
2835 (74,6)
591 (34,9)
In Verbindung mit bestimmten anderen Erkrankungen
794 (20,9)
398 (23,5)
Familienhistorie
312 (8,2)
122 (7,2)
Auf eigenen Wunsch
296 (7,8)
58 (3,4)
Im Rahmen eines Klinikaufenthaltes aufgrund eines Herzinfarkts, Schlaganfalls oder
einer anderen Herz-Kreislauf-Erkrankung
251 (6,6)
984 (58,0)
Sonstiges
106 (2,8)
32 (1,9)
Grund nicht bekannt
52 (1,4)
17 (1,0)
Welche*n Ärzt*in konsultieren Sie momentan für Ihren erhöhten Cholesterinspiegel?
(Mehrfachauswahl möglich)
Hausärzt*in/Internist*in
3335 (87,8)
1471 (86,7)
Kardiolog*in
617 (16,3)
916 (54,0)
Nephrolog*in
103 (2,7)
105 (6,2)
Lipidambulanz
76 (2,0)
93 (5,5)
Sonstige
126 (3,3)
61 (3,6)
Keine*n Ärzt*in
255 (6,7)
23 (1,4)
Wie häufig wird Ihr LDL-Cholesterin-Wert gemessen?
Seltener als 1-mal pro Jahr
809 (21,3)
112 (6,6)
1-mal pro Jahr
1213 (31,9)
263 (15,5)
2-mal pro Jahr
1036 (27,3)
556 (32,8)
Mindestens 1-mal pro Quartal
740 (19,5)
765 (45,1)
Latenz in der Früherkennung der Hypercholesterinämie
In beiden Gruppen wurde die Diagnose Hypercholesterinämie im Median 10 Jahre zuvor
gestellt. In der Primärpräventionsgruppe erfolgte dies aber zumeist im Rahmen einer
Vorsorgeuntersuchung, in der Sekundärpräventionsgruppe hingegen in den meisten Fällen
erst im Zusammenhang mit einem kardiovaskulär bedingten Krankenhausaufenthalt, nur
bei etwa einem Drittel in einer Vorsorgeuntersuchung ([Tab. 1 ]).
Nicht medikamentöse Interventionen
Das Körpergewicht reduziert hatten nur jeweils ein Viertel der Patient*innen, die
Ernährung umgestellt hatte etwa die Hälfte und mehr Sport machten jeweils nur etwa
40% der Befragten in beiden Gruppen. Der Anteil der Patient*innen, die seit der Diagnose
mit dem Rauchen aufgehört hatten, war in der Sekundärprävention etwa doppelt so hoch
wie in der Primärprävention ([Abb. 1 ]).
Abb. 1 Änderung des Lebensstils und andere Veränderungen seit der Diagnose (Primärprävention:
N = 3798; Sekundärprävention: N = 1696).
Medikamentöse Intervention
Eine lipidsenkende Pharmakotherapie nahmen in der Primärprävention etwas weniger als
die Hälfte der Befragten ein, in der Sekundärprävention waren es etwa doppelt so viele.
Mehr als 10% der Höchstrisikopatient*innen blieben jedoch medikamentös unversorgt
([Abb. 1 ] und [Tab. 2 ]). Die Abweichungen im absoluten Wert beider Abfragen zur medikamentösen Therapie
ergeben sich möglicherweise durch die unterschiedliche Fragestellung (Medikamente
vs. spezielle Medikamente bzw. zum Zeitpunkt der Umfrage vs. seit Diagnose) und die
Antwortmöglichkeiten (Einfachantwort vs. Mehrfachantworten).
Tab. 2 Behandlungsstatus und Zielwerterreichung.
Primärprävention
Sekundärprävention
N = 3798
N = 1696
a 172 Patient*innen in der Primärpräventionsgruppe und 106 Patient*innen in der Sekundärpräventionsgruppe
wurden nicht über die Veränderung des LDL-C-Wertes informiert und nicht in die Subgruppenanalyse
eingeschlossen.
Nehmen Sie derzeit Medikamente zur Senkung Ihres LDL-Cholesterinwerts?
n (%)
n (%)
Nein
2166 (57,0)
221 (13,0)
Ja
1632 (43,0)
1475 (87,0)
Wie hat sich Ihr LDL-Cholesterin-Wert seit der Diagnose entwickelt (nach der Einschätzung
Ihres behandelnden Arztes/Ihrer behandelnden Ärztin)?
Behandelte
(N ’ = 1632)
Unbehandelte
(N ’ = 2166)
Behandelte
(N ’ = 1475)
Unbehandelte
(N ’ = 221)
Gebessert (niedriger)
790 (48,4)
354 (16,3)
800 (54,2)
57 (25,8)
Gleiches Niveau
240 (14,7)
736 (34,0)
151 (10,2)
57 (25,8)
Schwankend (mal höher, mal niedriger)
324 (19,9)
504 (23,3)
324 (22,0)
64 (29,0)
Verschlechtert (höher)
106 (6,5)
231 (10,7)
94 (6,4)
18 (8,1)
Mein*e Ärzt*in hat mir keine Einschätzung gegeben
172 (10,5)
341 (15,7)
106 (7,2)
25 (11,3)
Welche der folgenden Aussagen (bzgl. der LDL-senkenden Therapie) treffen auf Sie zu
(Mehrfachauswahl möglich)?
Behandelte mit Verbesserung
(N ’ = 790)a
Behandelte ohne Verbesserung
(N ’ = 670)a
Behandelte mit Verbesserung
(N ’ = 800)a
Behandelte ohne Verbesserung
(N ’ = 569)a
Ich nehme seit der Erstdiagnose unverändert das gleiche Medikament (gleiches Medikament
und gleiche Dosis).
414 (52,4)
321 (47,9)
274 (34,3)
212 (37,3)
Die Dosis meines Medikamentes/meiner Medikamente hat sich seit der Erstdiagnose geändert.
274 (34,7)
260 (38,8)
391 (48,9)
278 (48,9)
Ich nehme zurzeit mehrere, verschiedene Medikamente zur Cholesterinsenkung.
70 (8,9)
60 (9,0)
198 (24,8)
135 (23,7)
Ich habe mindestens ein Medikament zur Cholesterin-senkung abgesetzt.
126 (16,0)
130 (19,4)
129 (16,1)
81 (14,2)
Ohne medikamentöse Behandlung verbesserten sich nach Aussage der Befragten die LDL-C-Werte
nur bei etwa einem Viertel in der Sekundärprävention und noch seltener in der Primärprävention.
Selbst unter den Befragten, die bereits medikamentös behandelt wurden, erreichte laut
eigener Aussage nur die Hälfte eine Verbesserung ([Tab. 2 ]).
Veränderungen der Dosierung der LDL-C-senkenden Therapie waren in der Sekundärprävention
häufiger als in der Primärprävention. Eine Mehrfachtherapie wurde bei nur sehr wenigen
Befragten in der Primärprävention eingesetzt. Deutlich häufiger war eine Mehrfachtherapie
in der Sekundärprävention, aber auch hier erfolgte bei einem Großteil keine Kombinationstherapie,
auch wenn laut den befragten Patient*innen keine Verbesserung der LDL-C-Werte erreicht
wurde ([Tab. 2 ]).
Fachärztliche Betreuung
Nicht nur in der Primär-, sondern auch in der Sekundärprävention spielen Kardiolog*innen
bei der Betreuung eine untergeordnete Rolle, auch wenn die Bedeutung dieser Facharztgruppe
in der Sekundärprävention im Vergleich deutlich zunimmt. Die Mehrheit der Befragten
wird hausärztlich und internistisch betreut (Verhältnis Kardiolog*innen vs. Hausärzt*innen/Internist*innen
1:5 bzw. 2:3). Der Anteil der Befragten, deren LDL-C-Wert 2-mal pro Jahr oder häufiger
untersucht wurde, war in der Sekundärprävention deutlich höher ([Tab. 1 ]).
Nebenwirkungen, Adhärenz und Therapiezufriedenheit
Nebenwirkungen wurden in der Gruppe der Sekundärprävention häufiger berichtet als
in der Primärprävention, wobei die Anzahl der Dosisveränderungen und der Kombinationsbehandlungen
in der Sekundärprävention, wie zuvor erwähnt, auch etwas höher war. Zu den am häufigsten
genannten Nebenwirkungen gehörten Muskelschmerzen.
Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen der häufigste Grund für einen Behandlungsabbruch.
Obwohl Nebenwirkungen in der Gruppe der Sekundärprävention häufiger waren und Nebenwirkungen
insgesamt am häufigsten als Grund für einen Behandlungsstopp genannt wurden, waren
Therapieabbrüche in der Sekundärprävention insgesamt nicht häufiger als in der Primärprävention.
Mangelndes Vertrauen in den/die Ärzt*in oder die Medikation wurde insgesamt von nur
wenigen Befragten als Grund für das Absetzen angegeben, etwas häufiger aber in der
Primärprävention, verglichen mit der Sekundärprävention. Mehr als ein Drittel der
Befragten, häufiger in der Primärprävention als in der Sekundärprävention, hatte aus
eigenem Antrieb die Medikation abgesetzt ([Tab. 3 ]).
Tab. 3 Nebenwirkungen und Adhärenz bei behandelten Patient*innen.
Primärprävention
Sekundärprävention
N’ = 1632
N’ = 1475
n (%)
n (%)
Sind bei Ihnen Nebenwirkungen aufgrund Ihrer Medikamenteneinnahme zur LDL-C-Senkung
aufgetreten?
Nein
1079 (66,2)
800 (54,2)
Ja
552 (33,8)
675 (45,8)
Falls ja, welche Nebenwirkungen sind aufgetreten (Mehrfachauswahl möglich)?
(N’ = 552)
(N’ = 675)
Muskelschmerzen/-beschwerden
430 (77,9)
575 (85,2)
Magen-Darm-Beschwerden
160 (29,0)
191 (28,3)
Schwindel
148 (26,8)
189 (28,0)
Kopfschmerzen
106 (19,2)
124 (18,4)
Sonstige
113 (20,5)
150 (22,2)
Ich habe mindestens ein Medikament zur Cholesterinsenkung abgesetzt.
277 (17,0)
221 (15,0)
Haben Sie Ihre abgesetzten Medikamente zur Senkung des LDL-Cholesterin-Werts eigenständig
oder auf Anweisung Ihres/Ihrer Ärzt*in abgesetzt?
(N’ = 277)
(N’ = 221)
Auf Anweisung meines/meiner Ärzt*in
145 (52,4)
141 (63,8)
Eigenständig
124 (44,8)
76 (34,4)
Ich habe nie Medikamente zur Senkung des Cholesterinwerts eingenommen.
8 (2,9)
4 (1,8)
Weshalb haben Sie diese Medikamente abgesetzt (Mehrfachauswahl möglich)?
(N’ = 269)
(N’ = 217)
Nebenwirkungen
212 (78,8)
180 (83,0)
Ausbleibende Besserung
51 (19,0)
44 (20,3)
Mangelndes Vertrauen in Ärzt*in/Medikament
21 (7,8)
9 (4,2)
Sonstiges
35 (13,0)
31 (14,3)
Nicht sicher
11 (4,1)
6 (2,8)
In der Primärprävention waren weniger Patient*innen mit der Behandlung zufrieden (28,3%)
als in der Sekundärprävention (48,1%). Insgesamt war ein großer Teil der Befragten
beider Gruppen entweder besorgt aufgrund der erhöhten LDL-C-Werte (PP 38,1% bzw. SP
31,8%), äußerte den Wunsch nach einer anderen Therapie (PP 13,0% vs. SP 18,2%) oder
störte sich an der Notwendigkeit einer regelmäßigen Medikamenteneinnahme (PP 11,4%
vs. SP 16,0%). Von den Befragten gaben 25,4% (PP) bzw. 9,5% (SP) an, dass keine der
genannten Aussagen auf sie zutreffe.
Information und Aktivierung von Patient*innen
Der/die behandelnde Ärzt*in wurde von 64,6% (PP) bzw. 76,5% (SP) als häufigste Informationsquelle
genannt; es folgten Onlinequellen mit 48,5% (PP) bzw. 42,1% (SP) sowie Broschüren/Zeitschriften
und von dem/der Ärzt*in ausgehändigtes Informationsmaterial bei jeweils unter 20%
der Befragten jeder Gruppe. Selbsthilfegruppen wurden von 1,7% (PP) bzw. 3,9% (SP)
der Befragten genutzt, um sich zu informieren. Die ärztliche Aufklärung wurde von
35,6% (PP) bzw. 46,2% (SP) als gut oder sehr gut bewertet, von 39,4% (PP) bzw. 35,6%
(SP) als ausreichend und von 25,0% (PP) bzw. 18,3% (SP) als ungenügend. 24,9% (PP)
bzw. 29,8% (SP) gaben an, sie hätten gute oder sehr gute Kenntnisse über LDL-C. Als
ausreichend bewerteten 38,4% (PP) bzw. 40,3% (SP) ihre Kenntnisse über LDL-C, als
gering 36,7% (PP) bzw. 29,9% (SP). Ihren LDL-C- Zielwert kannten 26,5% (PP) bzw. 40%
(SP) der Befragten. Davon hielten es 75,0% (PP) bzw. 83,8% (SP) für wichtig, diesen
zu erreichen. Der PAM-Fragebogen ergab folgende Verteilung hinsichtlich der Patientenaktivierung
(Angaben jeweils PP vs. SP, vom höchsten bis zum niedrigsten Aktivierungsgrad): Level
4 bei 13,0% bzw. 11,8%; Level 3 bei 62,1% bzw. 59,8%; Level 2 bei 22,2% bzw. 24,5%
und Level 1 bei 2,7% bzw. 3,9%.
Diskussion
Durch die Gegenüberstellung der PROCYON-Daten aus der Primär- und Sekundärprävention
konnten relevante Versorgungsunterschiede zwischen den Gruppen sowie Bereiche mit
besonderem Verbesserungsbedarf identifiziert werden.
Der höhere Anteil männlicher Teilnehmer sowie der höhere Anteil an Komorbiditäten
in der Sekundärprävention deckt sich mit der Beobachtung, dass das männliche Geschlecht
(im Vergleich zum weiblichen), sowie bei allen Geschlechtern ein erhöhter Blutdruck
und ein Diabetes mellitus für kardiovaskuläre Ereignisse prädisponieren [6 ]. Die Bedeutung einer Adipositas als eigenständiger Risikofaktor für kardiovaskuläre
Erkrankungen ist hingegen nicht unumstritten. Die meisten epidemiologischen Studien
kommen jedoch zu dem Schluss, dass Übergewicht ein unabhängiger Prädiktor für die
kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität ist [13 ]. Die Existenz mehrerer Risikofaktoren, wie männliches Geschlecht, Diabetes mellitus,
Hypertonie oder Adipositas, ist daher Grund zu erhöhter Wachsamkeit – bereits in der
Primärprävention.
Die beobachtete Latenz in der Früherkennung der Hypercholesterinämie verdeutlicht,
dass das präventive Screening intensiviert werden sollte, um initiale Ereignisse zu
vermeiden. Dass ein Drittel der Befragten in der Sekundärprävention bereits vor dem
initialen Ereignis von der Hypercholesterinämie wusste und dennoch ein schweres kardiovaskuläres
Ereignis auftrat, lässt eine nicht ausreichende Primärprävention vermuten.
Insgesamt kamen Veränderungen des Lebensstils in der Gruppe der Sekundärprävention
etwas häufiger vor als in der Gruppe der Primärprävention, wobei sich, abgesehen von
der Medikamenteneinnahme, nur hinsichtlich des Raucherstatus ein deutlicher Unterschied
zwischen den Gruppen andeutete. Es ist jedoch nicht klar, wie viele Personen in den
jeweiligen Gruppen zuvor geraucht hatten. Hinsichtlich der Reduktion des Körpergewichts,
der Ernährungsumstellung und der sportlichen Betätigung konnten keine Unterschiede
festgestellt werden. Allerdings wurden keine weiteren diagnostischen Parameter dieser
Patient*innen erhoben und der individuelle Bedarf entsprechender Änderungen des Lebensstils
bleibt somit unklar. Es lässt sich daher nur vermuten, dass die Möglichkeiten der
Änderung von Lebensgewohnheiten noch nicht ausgeschöpft wurden. Auffällig ist in dem
Zusammenhang auch, dass das bereits erfolgte kardiovaskuläre Ereignis bei den Befragten
aus der Sekundärprävention im Vergleich zur Primärprävention nicht zu einer höheren
Motivation für Änderungen des Lebensstils führte. Mehrere Analysen zeigen jedoch,
dass die Auswirkung solcher Änderungen des Lebensstils auf die LDL-C-Werte ohnehin
gering sind [14 ]
[15 ]. So ergab eine Metaanalyse verschiedener Diätkonzepte eine maximale Reduktion der
LDL-C-Werte von 7mg/dl über 6 Monate, erreicht im Rahmen einer Low-Fat-Diät [14 ]. Selbst drastische Veränderungen der Ernährung mit einer Begrenzung des Fettanteils
der Nahrung auf 7% und einer maximalen Cholesterinaufnahme von 200mg pro Tag können
die LDL-C-Spiegel nur um 10–15% senken [15 ].
Anzustrebende Zielwerte für die LDL-C-Senkung werden von den aktuellen ESC/EAS-Leitlinien
zur Behandlung von Dyslipidämien risikoabhängig definiert [6 ]. Die verfügbaren Pharmakotherapien hätten demnach ausreichend Potenzial, um die
jeweiligen Zielwerte bei fast allen Patient*innen zu erreichen. Dies konnte eine Simulationsstudie
aus dem Jahr 2020 auf Grundlage des schwedischen SWEDEHEART-Registers zeigen [8 ]. Dass dies auch in der Praxis erreichbar ist, bestätigen aktuelle klinische Daten
aus Deutschland. Die Kohortenstudie „Jena auf Ziel“ untersucht die Erreichung der
LDL-C-Zielwerte bei Patient*innen nach ST-Hebungsinfarkt (STEMI) [16 ] mit einer frühen Kombinationstherapie aus maximal dosiertem Statin (Atorvastatin
80mg) und Ezetimib 10mg [16 ]. Nach Therapieeskalation mit Bempedoinsäure oder PCSK9-Inhibitoren erreichten alle
Hochrisikopatient*innen die empfohlenen LDL-C-Zielwerte. Vor diesem Hintergrund ist
es ernüchternd, dass ein bedeutender Teil der Befragten überhaupt keine medikamentöse
Intervention erhielt und etwa die Hälfte der medikamentös Behandelten aus PROCYON
trotz ausbleibender Verbesserung der LDL-C-Werte seit der Diagnose immer noch die
ursprüngliche Behandlung erhielten – ohne Änderung der Dosis oder des Medikaments.
Die unzureichende Einstellung der LDL-C-Werte, selbst bei medikamentös Behandelten
beider Gruppen in PROCYON zeigt, dass die Patient*innen untertherapiert sind und die
medizinischen Möglichkeiten hinsichtlich Dosissteigerung und Kombinationstherapie
bislang nicht ausgeschöpft wurden. In Anbetracht der Bedeutung der LDL-C-Senkung für
die Reduktion des kardiovaskulären Risikos [17 ]
[18 ] scheint dies nicht tragbar. Kardiovaskuläre Ereignisse gilt es, aufgrund der hohen
Sterblichkeit [19 ] und der erheblichen gesundheitsökonomischen Belastung [1 ], unbedingt zu vermeiden.
Die bereits erwähnte Simulationsstudie hatte ermittelt, dass die Hälfte der Patient*innen
in der Sekundärprävention zur Zielwerterreichung PCSK9-Inhibitoren benötigten [8 ]. Die Autor*innen nahmen an, dass dies eine finanzielle Belastung für die Gesundheitssysteme
darstellen könne. Vor diesem Hintergrund ermutigen die Daten aus der zuvor beschriebenen
Kohortenstudie „Jena auf Ziel“. Hier erreichte man bei Hochrisikopatienten unter generisch
verfügbarer Kombinationstherapie mit Atorvastatin 80mg und Ezetimib 10mg bei 80% der
Hochrisikopatient*innen die empfohlenen LDL-C-Zielwerte. Lediglich bei 20% musste
mit Bempedoinsäure bzw. PCSK9-Inhibitoren eskaliert werden [16 ]. Unter Triple-Therapie wurde bei allen Hochrisikopatient*innen nach ST-Hebungsinfarkt
der von ESC und EAS empfohlene LDL-C-Zielwert erreicht. In Deutschland könnte eine
Behandlung mit PCSK9-Inhibitoren nur durch bestimmte Fachärzt*innen der Kardiologie,
Nephrologie, Endokrinologie, Angiologie oder Diabetologie eingeleitet werden. Den
Ergebnissen von PROCYON zufolge ist die Einbindung von Fachärzt*innen jedoch bis dato
noch unzureichend. Die DEGAM-Leitlinien (Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin
und Familienmedizin) von 2017 zur Beratung der Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen
in der hausärztlichen Praxis sehen in der Primärprävention eine Statinbehandlung mit
fester Dosierung ohne Kombinationstherapie vor – statt einer zielwertorientierten
Therapie [20 ]. Diese Empfehlungen könnten ein weiterer Grund für die Zurückhaltung der Behandler*innen
bei der Eskalation der Therapie sein. Die Einbindung von Spezialist*innen muss sowohl
in der Primär- als auch Sekundärprävention intensiviert werden, um das vollständige
Potenzial der verfügbaren Therapien ausschöpfen zu können. In Anbetracht der nicht
erreichten Zielwerte ist außerdem eine häufigere Kontrolle der LDL-C-Spiegel nötig,
als es in der Praxis der Fall zu sein scheint, insbesondere in der Primärprävention.
Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Ärzt*innen und Patient*innen, das auf die
Risikowahrnehmung der Behandelten und die bestehenden Nebenwirkungen eingeht, kann
Betroffene motivieren, mit Nebenwirkungen besser umzugehen und diese eher zu tolerieren
[21 ]. Dies scheint laut PROCYON in der Sekundärprävention besser zu gelingen als in der
Primärprävention. Die Befragten fühlten sich hier besser informiert, kannten sich
besser mit ihrer Erkrankung aus und waren zufriedener mit ihrer Therapie. Weiterhin
hatten sie seltener aus eigenem Antrieb die Medikation abgesetzt, bzw. seltener aufgrund
von mangelndem Vertrauen in den/die Ärzt*in oder in die Medikation die Behandlung
abgebrochen. In der Patientenaufklärung scheint aber dennoch insgesamt ein großes
Verbesserungspotenzial zu bestehen. So beurteilte in der PROCYON-Studie insgesamt
weniger als die Hälfte der Befragten aus beiden Gruppen die Beratung als gut oder
sehr gut. Darüber hinaus lassen beide Gruppen hinsichtlich ihres Wissens über LDL-C
und ihrer Eigenverantwortung sowie in punkto Selbstinitiative noch große Lücken erkennen.
Eine unzureichende Aufklärung über die Hypercholesterinämie kann aber einen negativen
Einfluss auf den Gesundheitszustand und die Therapieadhärenz haben [22 ]
[23 ]. Bezogen auf die Adhärenz fällt die Hypercholesterinämie unter den chronischen Erkrankungen
besonders negativ auf. Die Erstverordnung von Lipidsenkern wird von etwa 12% der Patienten
nicht eingelöst (primäre Non-Adhärenz), mehr als z.B. bei Antihypertensiva [24 ]. Da der/die behandelnde Ärzt*in für die meisten Betroffenen die Hauptinformationsquelle
ist, sollte diese besser ausgeschöpft werden. Darüber hinaus können Patientenorganisationen
und Selbsthilfegruppen weitere Unterstützung bieten, insbesondere bei Personen mit
homozygoter oder heterozygoter familiärer Hypercholesterinämie [25 ]
[26 ].
Insgesamt zeigt die Gegenüberstellung der PROCYON-Daten in einigen Bereichen zwar
eine bessere Versorgung in der Sekundärprävention, verglichen mit der Primärprävention,
in beiden Populationen bleibt aber erhebliches Verbesserungspotenzial. Die Beobachtungen
unterliegen jedoch einigen Limitationen, die insbesondere in der Art der Datenerhebung
begründet sind. So sind webbasierte medizinische Umfragen anfällig für eine mögliche
Verzerrung des Teilnehmerprofils mit höherem Bildungs- und Gesundheitszustand der
Teilnehmer*innen [27 ]. Die Beantwortung der Umfrage könnte außerdem durch soziale Erwünschtheit verzerrt
werden [28 ], und Teilnehmer*innen mit höherer Selbstaktivierung könnten überrepräsentiert sein.
Das Verzerrungspotenzial wird noch dadurch erhöht, dass nur vollständig ausgefüllte
Fragebögen in die Auswertung eingehen. Der Fragebogen war umfangreich und die Beschränkung
kann zu einer Selektion besonders motivierter Patient*innen führen, die potenziell
auch in ihrem Krankheitsmanagement motivierter sind. Bei diesen kann jedoch davon
ausgegangen werden, dass die Fragen gewissenhaft beantwortet wurden und die Daten
entsprechend aussagekräftig sind. Eine weitere Limitation der Interpretierbarkeit
der hier präsentierten Ergebnisse liegt in der deskriptiven Darstellung und dem Fehlen
von präspezifizierten Gruppenvergleichen anhand von statistischen Tests.
Trotz der Limitationen bieten die vorliegenden Ergebnisse wertvolle Einblicke in mögliche
Versorgungslücken von Patient*innen mit Hypercholesterinämie in der klinischen Praxis,
sowohl in der Primär- als auch in der Sekundärprävention. Maßnahmen zur Verbesserung
können zum einen an die behandelnden Ärzt*innen gerichtete Empfehlungen zum Therapiemanagement
sein. Zum anderen kann auch über eine stärkere Einbindung und Motivation der Patient*innen
versucht werden, die Therapieziele zu erreichen.
Grundsätzlich besteht über die Bedeutung der LDL-C-Senkung und die Rolle der Statintherapie
in der Primärprävention Einigkeit [29 ]. Die Verantwortung, den individuellen Zielwert und die zur Erreichung notwendige
Statindosis zu ermitteln, sowie bei Bedarf eine Dosiserhöhung oder Kombinationsbehandlung
einzuleiten, liegt bei den behandelnden Ärzt*innen [29 ]. Die spanische Fachgesellschaft für Kardiologie hat Algorithmen für die Primärprävention
entwickelt, die in Abhängigkeit des kardiovaskulären Risikos und des LDL-C-Ausgangswerts
konkrete Handlungsempfehlungen geben, einschließlich der anzustrebenden LDL-C-Reduktion,
der dafür geeigneten Behandlungsregime sowie einer Behandlungseskalation bei Nichterreichen
des Therapieziels [30 ]. Ein Beispiel für eine ergebnisoptimierende Maßnahme in der Sekundärprävention ist
die von der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und
ihren Folgeerkrankungen (DGFF) initiierte Kampagne „Auf Ziel“. Diese ist auf die Erreichung
der LDL-C-Ziele bei Patient*innen mit STEMI ausgerichtet. In der bereits zuvor erwähnten
zugehörigen Kohortenstudie „Jena auf Ziel“ wurden 2 Strategien erfolgreich kombiniert
[16 ]: (i) eine frühe Kombinationstherapie (maximal dosiertes Statin und Ezetimib) und
(ii) Aufklärung und Aktivierung der Betroffenen. Die Patient*innen sollen eine Schlüsselrolle
beim Übergang von der stationären zur ambulanten Versorgung einnehmen. Darüber hinaus
beinhaltet die Studie interdisziplinäre Vernetzungsbemühungen zwischen Kardiolog*innen,
Lipidolog*innen und Allgemeinmediziner*innen [16 ].
Eine Intensivierung der Patientenaufklärung und -aktivierung (z.B. regelmäßige Erinnerung
per Post und/oder Telefon, häufigere Aufklärung, regelmäßige Zusammenarbeit mit Hausärzt*innen)
kann laut einer Auswertung von 15 Studien eine signifikante Verbesserung der Adhärenz
bewirken [31 ]. Mit einer Vereinfachung des Medikamentenregimes sowie durch Aufklärung der Patient*innen
allein konnte keine signifikante Verbesserung des Behandlungsergebnisses erzielt werden
[31 ]. Bei „Jena auf Ziel“ hat die Einführung eines Lipidpasses mit Dokumentation der
individuellen LDL-C-Werte im Verlauf durch die Patient*innen einen wichtigen Beitrag
zur Erreichung des Zielwertes geleistet [16 ]. Auch eine Verbesserung des Übergangs aus der stationären in die ambulante Versorgung
kann schon maßgeblich zur Verbesserung der Zielwerterreichung beitragen. Garcia et
al. haben zu diesem Zweck die sogenannten „virtuellen Lipidkliniken“ eingeführt [32 ]. Hier erfolgten monatliche telefonische Visiten durch medizinisches Personal der
Klinik, in denen die lipidsenkende Therapie anhand der Blutwerte angepasst wurde,
bis der Zielwert erreicht war. Im Anschluss wurden die Patient*innen in die konventionelle
ambulante Versorgung entlassen. Die Autor*innen berichteten über die erfolgreiche
Erreichung des LDL-C-Ziels bei > 80% der Patient*innen [32 ].
Eine neue Möglichkeit zur verstärkten Einbindung der Patient*innen in das Behandlungsmanagement
sind Smartphone-Applikationen (Apps). „Farmalarm“, eine für Schlaganfallpatient*innen
entwickelte App, ist ein Beispiel für deren erfolgreichen Einsatz. Die App erinnert
an die Medikamenteneinnahme, ermöglicht die Dokumentation von Sport und Bewegung,
enthält erklärendes Videomaterial und bietet eine Chat-Funktion zur Kontaktaufnahme
mit medizinischem Personal. Der Anteil derer, die ihre Hypercholesterinämie unter
Kontrolle hatten, war in der Farmalarm-Gruppe deutlich höher als in der Kontrollgruppe
[33 ]. Mobile Apps werden ebenfalls in Studien eingesetzt, mit dem Ziel, die Adhärenz
der lipidsenkenden Therapie zu verbessern, wie z.B. „Cholesterol CarePlan“ der American
Heart Association [34 ] und die App der afterAMI-Studie [35 ].
Fazit
In der Gegenüberstellung von Primärprävention und Sekundärprävention zeigten sich
insbesondere Unterschiede im Geschlecht, den Komorbiditäten, im Diagnosekontext, in
der fachärztlichen Versorgung und in der Kontrollhäufigkeit der LDL-C-Werte. Es zeigten
sich außerdem Unterschiede in der Häufigkeit einer medikamentösen Intervention und
in der Umsetzung von Veränderungen im Lebensstil. Hinsichtlich der Verbesserung der
LDL-C-Werte, der Anpassung der Therapie sowie der Adhärenz, Therapiezufriedenheit
und Information der Befragten zeigten sich ebenfalls Unterschiede zwischen den Gruppen,
wobei die Ergebnisse in beiden nicht zufriedenstellend sind und Optimierungsbedarf
erkennen lassen.
Insgesamt ergibt sich eine bessere Ausschöpfung der Therapieoptionen, eine höhere
Versorgungsintensität und eine etwas höhere Zufriedenheit der Befragten in der Gruppe
der Sekundärprävention, verglichen mit der Primärprävention. Summa summarum zeigte
die Umfrage in beiden Gruppen ein großes Verbesserungspotenzial in der Behandlung,
LDL-C-Senkung und Aufklärung, um eine effiziente Prävention von kardiovaskulären Ereignissen
sicherzustellen.