PSYCH up2date 2024; 18(01): 57-78
DOI: 10.1055/a-2075-1310
Persönlichkeitsstörungen, Impulskontrollstörungen und dissoziative Störungen

Selbstunsichere und ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörungen

Peter Fiedler
,
Michael Marwitz
,
Angelika Neumann
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Vielfältige soziale Ängste, Unsicherheit und ein negatives Selbstkonzept charakterisieren die ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung (ÄVPS) und grenzen sie gegen andere Störungsbilder ab. Die Therapie ist multimodal und erfolgt meist im Gruppensetting.

Kernaussagen
  • Ein Hauptmerkmal der vermeidend-selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung ist das Verharren in einem Konflikt zwischen Bindungs- und Autonomiebedürfnis. Solche Patienten erfüllen oft auch die diagnostischen Kriterien einer sozialen Phobie. Im Unterschied zu der vermeidend-selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung haben Sozialphobiker zumeist nur eng umschriebene Phobien (z.B. vor öffentlichen Reden).

  • Die schizoide und die vermeidend-selbstunsichere Persönlichkeitsstörung weisen eine erhebliche Überlappung auf. Ein wesentliches differenzialdiagnostisches Kriterium ist das Vorhandensein von Angst (v.a. vor öffentlicher Kritik und Zurückweisung) bei der vermeidend-selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung.

  • Bei der Ätiologie der vermeidend-selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung spielen ein hohes physiologisches Erregungsniveau und eine ausgeprägte Schüchternheit eine zentrale Rolle. Ein ambivalent-ängstlicher Erziehungsstil, zunehmende Unsicherheit und negative Interaktionserfahrungen mit Peers tragen weiter zur Ausbildung der Störung bei bis hin zu einer zunehmenden Vermeidung sozialer Situationen mit Kumulation sozialer Kompetenzdefizite und Selbstentfremdung.

  • Bei der Behandlung der vermeidend-selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung kommen unterschiedliche Therapieverfahren zur Anwendung. Empirisch am besten evaluiert sind Verfahren der Kognitiven Verhaltenstherapie.

  • In der Schematherapie werden zunächst ursächliche biografische Erfahrungen emotionsfokussiert bearbeitet, erst danach Verhaltensexperimente im realen Umfeld durchgeführt. Vermeidendes Bewältigungsverhalten sollte frühzeitig durch empathische Konfrontation adressiert und mithilfe von Stühle-Arbeit bearbeitet werden.



Publication History

Article published online:
11 January 2024

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