Psychiatr Prax 2023; 50(S 01): S38-S43
DOI: 10.1055/a-2055-8739
Ethik in der Psychiatrie

„Halb zog sie ihn, halb sank er hin …“: Über die Verquickung von Liebe und Manipulation

Alexander Fischer
1   Philosophisches Seminar, Universität Basel
,
Christian Illies
2   Institut für Klassische Philologie und Philosophie, Universität Bamberg
› Author Affiliations

Zusammenfassung

In der Psychologie/Psychiatrie/Psychotherapie lässt sich ein Verständnis von Manipulation finden, das oft einseitig auf die Psychopathologien eines Manipulators blickt und Manipulation als defizitäres, egoistisches Kommunikationsverhalten herausstellt, das die Manipulierte täuscht und unter Druck setzt. In diesem Beitrag wollen wir ein differenziertes Verständnis von Manipulation als Form der Beeinflussung ergründen, das Platz lässt für toxische, aber auch wohlwollende Manipulationen. Als Experimentierfeld dient uns hierfür der Schauplatz der Liebe, der Möglichkeiten für sinnvolle Unterscheidungen bezüglich der Manipulation bereitstellt. Unsere Schlussfolgerung ist, dass Liebe mit einer wohlwollenden Manipulation vereinbar ist.

Abstract

In the fields of psychology, psychiatry, and psychotherapy an understanding of manipulation can be found that often looks one-sidedly at the psychopathologies of a manipulator. Manipulation is often depicted as a deficient, egoistic form of communication that deceives and pressures the manipulated. However, in this paper, we aim to explore a more nuanced understanding of manipulation as a form of influence that can be both toxic and benevolent. To do so, we will use the arena of love as a field of experimentation, which offers opportunities to make meaningful distinctions regarding manipulation on the basis of different forms of love. We conclude that love is compatible with a benevolent manipulation.



Publication History

Article published online:
10 July 2023

© 2023. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

 
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