Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2023; 18(02): 115-118
DOI: 10.1055/a-2002-0955
Schritt für Schritt

Subakromiale Enge

Patric Raiss
,
Markus Loew

Arthroskopische subakromiale Dekompression (ASAD)

OP-Prinzip

In arthroskopischer Technik durchgeführte vordere Akromioplastik (Abtragung der ventralen Akromionkante) mit Ablösung des Lig. coracoacromiale und subtotaler Bursektomie.


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Indikation

  • Impingement Stadium II mit Einengung des subakromialen Gleitraums

  • Impingement Stadium III mit zusätzlicher Versorgung der Rotatorenmanschette

  • eventuell zusätzlich zur Kalkentfernung bei Tendinosis calcarea


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Kontraindikation

Zervikobrachialgie, Schultersteife, Impingement bei multidirektionaler Instabilität, diagnostisch ungeklärter Schulterschmerz. Rotatorenmanschettenrupturen bei jüngeren, aktiven Patienten sollten durch Sehnennaht (vergleiche „Nahttechniken“) versorgt werden. Bei nicht rekonstruierbaren Rotatorenmanschettendefekten sollte die Tuberkuloplastik der ASAD vorgezogen werden, da es in der Regel zu einem Höhertreten des Oberarmkopfs mit Erosion des Akromions kommt und dieses nicht zusätzlich geschwächt werden soll.


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Spezielle Patientenaufklärung

Risiken sind Nachblutung, Nervenläsion (N. musculocutaneus, Dehnung des Plexus brachialis, N. axillaris),Weichteilinfekt, partielle Deltoideusatrophie und -insuffizienz, sekundäre Exophytenbildung und Weichteilossifikationen, Narbenkeloid. Zu ausgedehnte Dekompression kann zu Stressfrakturen des Akromions, zu geringe zu einem Fehlschlag der Operation führen.


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OP-Planung

Klinische Diagnostik: freie aktive und passive Schultergelenkbeweglichkeit, Impingement-Zeichen (Painful Arc, Supraspinatustest, Injektionstest).

Röntgen: Schwedenstatus, Supraspinatus-Outlet-View ([Abb. 1]), axiale Projektion zum Ausschluss eines Os acromiale; Schultersonografie oder MRT/Arthro-MRT oder Arthro-CT zur Diagnose einer Rotatorenmanschettenruptur.

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Abb. 1 Supraspinatus-Outlet-View (Supraspinatus-Tunnelaufnahme).

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Spezielle Instrumente

Standardinstrumentarium Arthroskopie, 30°-Winkeloptik, Shaver-Aufsätze: Synovialisresektor 5,5 mm, Zylinderfräse („Akromionizer“); Elektrodissektor, Druckpumpe.

OP-Technik

Lagerung

Lagerung halbsitzend in Liegestuhlposition mit frei beweglichem Schultergelenk.

Zugang

Einzeichnen der anatomischen Landmarken (AC-Gelenk, antero- und posterolaterales Akromioneck, Processus coracoideus, Lig. coracoacromiale, Spina scapulae). Der Bandansatz an der Akromionspitze kann mit 2 Kanülen markiert werden, die transkutan in den Subakromialraum vorgeschoben werden ([Abb. 2]).

Durchführung

Zunächst über das dorsale Portal Eingehen mit der Optik in das Glenohumeralgelenk und diagnostische Arthroskopie zum Ausschluss einer intraartikulären Pathologie (z. B. gelenkseitige Rotatorenmanschettenruptur, Teilruptur oder Luxation der langen Bizepssehne, SLAP-Läsion u. a.). Gegebenenfalls kann über das vordere Standardportal eine endoskopische Intervention (Débridement, Tenotomie etc.) erfolgen. Anschließend Zurückziehen der Optik aus dem Gelenk und Einführen des Schaftes mit dem stumpfen Trokar in den Subakromialraum.

Mit scheibenwischerförmigen Bewegungen werden zunächst die Verwachsungen der Bursa gelöst, danach Einführen des Arthroskops zur Bursoskopie. Bei ausgeprägter Bursitis oder Verwachsungen muss zunächst über einen lateralen Zugang (2–3 cm lateral des anterolateralen Akromionecks in Verlängerung der Vorderkante) mit dem Synovialisresektor eine partielle Bursektomie durchgeführt werden. Anschließend Inspektion des Subakromialraums auf akromionseitige Partialrupturen der Rotatorenmanschette und prominente Kalkdepots. Die Vorderkante des Akromions wird durch Aufsuchen der Kanülen an den seitlichen Rändern des Lig. coracoacromiale identifiziert. Eine prominente Akromionspitze mit aufgefasertem Periostüberzug und Einengung des Subakromialraums, die durch Flexion und Innenrotation des Armes funktionell verstärkt werden kann, spricht für ein subakromiales Impingement. Über das laterale Arbeitsportal wird das Ligament mit dem Elektrodissektor von der Akromionspitze abgelöst, wobei Blutungen aus der A. thoracoacromialis elektrisch koaguliert werden.

Nach dem Deperiostieren des entsprechenden Areals kann mit einer Kugelfräse oder dem Akromionizer die Unterfläche ca. 6–8 mm in seiner Höhe (Höhe der Zylinderfräse) abgetragen werden ([Abb. 3]). Die Abtragung der Unterfläche des vorderen Akromions beginnt von lateral nach medial. Zur Kontrolle der vollständigen und planen Resektion sollten Arbeits- und Optikportal gewechselt und die Akromioplastik von dorsal vervollständigt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass der Ansatz des M. deltoideus nicht geschädigt wird. Prominente Kalkdepots in der Supraspinatussehne können direkt erkannt oder durch perkutane Stichelung mit einer Kanüle identifiziert werden. Die akromionseitige Faszie wird anschließend mit einem Dissektor inzidiert und das Kalkdepot mit Tasthäkchen, Kürette oder einem stumpfen Synovialisresektor unter Sog ausgeräumt. Dies kann auch unter Bildwandlerkontrolle durchgeführt werden. Ausgiebige Spülung des Subakromialraums. Einlegen einer Drainage über das Optikportal und Beendigung der Endoskopie.

Bei klinisch und radiologisch relevanter AC-Gelenk-Arthrose kann eine Abtragung der kaudalen Osteophyten der distalen Klavikula oder eine Resektion des lateralen Klavikulaendes angeschlossen werden ([Abb. 4]). Dazu muss ein zusätzliches vorderes Portal direkt vor dem Schultereckgelenk eingerichtet werden. Mit der Optik im seitlichen Zugang wird der Gelenkspalt von ventral mit einem Synovialisresektor ausgeräumt und anschließend das laterale Klavikulaende mit Kugel oder Zylinderfräse abgetragen, bis der Gelenkspalt auf etwa 1 cm erweitert ist und kein Kontakt mehr zwischen Klavikula und der medialen Gelenkfläche des Akromions besteht.

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Abb. 2 Transkutane Markierung der Akromionspitze. Dorsaler Optikzugang (1), anteriorer (2) und lateraler (3) Instrumentenzugang.
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Abb. 3 Abtragen der Akromionspitze mit dem Akromionizer (A).
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Abb. 4 Abtragen kaudaler Osteophyten des AC-Gelenks.

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Tipps und Tricks

Anheben des Pumpendrucks und des Flows verbessert initial die Übersicht, führt aber schnell zu Weichteilödemen mit Druckumkehr im Gewebe. Wenig Spülen; besser frühzeitige und konsequente Blutstillung durch Elektrokoagulation und Absenken des systolischen Blutdrucks durch die Anästhesie auf Werte unter 100 mmHg (cave: zerebrale Durchblutung beachten!). Adrenalinzusätze zur Spülflüssigkeit sind selten notwendig. Durch Einsatz der Thermokoagulation und -vaporisierung können die Blutungsneigung weiter vermindert und der Operationsablauf beschleunigt werden. Bei gleichzeitiger Rekonstruktion der Rotatorenmanschette kann die ASAD vorab durchgeführt werden, wodurch sich ein Raumgewinn für das weitere Vorgehen ergeben kann.


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Alternativmethoden

Offene Akromioplastik: Erweiterung des subakromialen Gleitraums durch keilförmige vordere Akromionosteotomie, in der Regel kombiniert mit der Ablösung und Resektion des Lig. coracoacromiale und partieller Bursektomie ([Abb. 5] und [Abb. 6]). Fakultativer Bestandteil der offen-chirurgischen Versorgung einer Rotatorenmanschettenruptur. Die offen-chirurgische subakromiale Dekompression hat nur noch im Rahmen von größeren, offenen, schulterchirurgischen Eingriffen einen Stellenwert, ansonsten ist das arthroskopische Vorgehen indiziert.

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Abb. 5 Splitten des M. deltoideus in Faserrichtung.
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Abb. 6 Keilförmige Osteotomie der Akromionspitze.

Die Vorteile der endoskopischen Operationstechnik bestehen in besserer Übersicht, erweiterter Diagnostik durch Arthroskopie des Schultergelenks sowie in geringerem Weichteiltrauma, da der M. deltoideus nicht abgelöst wird.


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Nachbehandlung

Desault-Verband für 2 Tage, dann funktionelle Behandlung. Abduktionskissen für 2 Wochen.


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Ergebnisse

Niedrige Komplikationsrate (vorübergehende Parästhesien, Weichteilödeme, Infektion) in 1–5% der Fälle. Gute und sehr gute Ergebnisse bei 80–95%, je nach Autor und Indikationsstellung. Bei Rotatorenmanschettendefekt ohne Rekonstruktion unbefriedigende funktionelle und Langzeitergebnisse.

Zitierweise für diesen Artikel

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2023; 18: 115-118

Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht in: Raiss P, Loew M. Subakromiale Enge. In: Ewerbeck V, Wentzensen A, Grützner P et al., Hrsg. Standardverfahren in der operativen Orthopädie und Unfallchirurgie. 4. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2014: 88–91.


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Publication History

Article published online:
28 March 2023

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