Laryngorhinootologie 2023; 102(01): 69-71
DOI: 10.1055/a-1981-8474
OP-Techniken

Eingriffe bei malignen Tumoren von Zunge, Mundboden, Tonsillen und Rachenhinterwand

J. A. Werner
,
J. P. Windfuhr

Transorales Vorgehen mit marginaler Mandibulektomie

OP-Prinzip

Unterkiefernahe T1- und T2-Tumoren im Mundbodenbereich werden nach transoraler, partieller, marginaler, aber Kontur erhaltender Mandibulektomie (Kastenresektion) mit ausreichendem Sicherheitsabstand reseziert.


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Indikation

Unterkiefernahe T1- und T2-Tumoren ohne Fixation mit der Umgebung und ohne regionäre Metastasierung.


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Kontraindikation

  • transmandibuläres Tumorwachstum

  • regionäre Metastasierung (dann Durchzugmethode)


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Spezielle Patientenaufklärung

  • schwere intra- oder postoperative Blutung mit Gefahr der Aspiration und Hypoxie, Volumenmangelschock

  • entzündliche Komplikationen: Wundinfektion, Lymphadenitis colli, Retro- und Parapharyngealabszess, Halsphlegmone, Jugularisthrombose und Mediastinitis

  • Schmeckstörungen, Schluckstörung, Zungenbeweglichkeitsstörung

  • Zahnschäden, Zahnverlust, prothetische Versorgung, Kiefergelenksschäden, Kieferklemme; velopalatinale Insuffizienz, Schluck- und Sprachstörung (Sprachklangänderung)

  • Wundheilungsstörungen, Speichelfistelbildung, ggf. Neck-Dissection-Folgen

  • Rezidivgefahr, Möglichkeit der Radiochemotherapie oder einer Nachoperation

  • Laserrisiken

  • Tumorrezidiv

  • Sensibilitäts- oder Mobilitätsstörungen der Zunge, Zähne und des Nervus-mentalis-Bereichs, ggf. mit Sprech-, Kau- oder Schluckstörungen

  • Nachblutung, Hämatom- oder Ödembildung in der Zunge, deswegen evtl. Tracheotomie

  • Stauung und Entzündung der Submandibulardrüse

  • Wundinfektion, Sekundärheilung, Narbenstrikturen

  • Unterkieferosteomyelitis, dadurch vollständige Funktionseinbußen bei der Ernährung/Artikulation; Notwendigkeit einer chirurgischen Versorgung


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OP-Planung

  • vorherige Histologiesicherung durch Biopsie

  • Ausschluss von Zweittumoren durch Panendoskopie

  • B-Mode-Sonografie von Primärtumor- und Lymphabflussgebiet

  • palpatorische Überprüfung, auch bimanuell von Tumor und Lymphabfluss

  • Röntgendiagnostik: CT-Hals/Thorax; DVT zur Beurteilung der Knocheninfiltration und des Zahnstatus; alternativ: Orthopantomografie, hochauflösende CT


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Spezielle Instrumente

  • konventionelle Technik mit Skalpell, Elektrochirurgie

  • alternativ CO2-Laser, Radiofrequenznadel

  • Mundsperrer

  • oszillierende Säge; Piezo-Säge


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Anästhesie

  • Intubationsnarkose, bevorzugt nasotracheale Intubation

  • Infiltration des Operationsgebiets mit Suprarenin-haltiger Lösung


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OP-Technik

  • Exposition: Durch Vorziehen der Zunge mit Haltefäden, Spateleinsatz an Lippe und ggf. Zunge.

  • Markierung des Resektionsbereichs: Mit mehreren Haltefäden in mindestens 1 cm Abstand zum Tumorrand, mit denen der Resektionsbereich gestrafft und entfaltet wird.

  • Bukkale Präparation: An den Zahnhälsen wird die Gingiva inzidiert und das bukkale Mukoperiost als Lappen präpariert.

  • Osteotomielinien: Quer zu Anfang und Ende des Resektats, dann Osteotomie ca. 1,5 cm parallel zum Mandibulaunterrand. Der Tumorbereich ist damit schon lateral mobilisiert. Das linguale Periost wird, sofern es nicht schon bei der Osteotomie durchtrennt wurde, bei der abschließenden Resektion von medial her getrennt ([Abb. 1a, b]).

  • Resektion: Von medial her unter mikroskopischer Kontrolle und Palpation mit Skalpell oder Laser. Auch zur Tiefe sorgfältig ausreichenden Sicherheitsabstand einhalten, kleine Gefäße bipolar koagulieren, größere umstechen. Das Präparat wird mit anhängendem Knochen entnommen.

  • Deckung: Durch Bildung eines Zungenlappens und Vereinigung mit dem bukkalen Gingivalappen ([Abb. 1c]). Da dadurch oft eine narbige Zungenfixation entsteht, empfiehlt sich alternativ die Defektdeckung mit einem mikrovaskulär reanastomosierten freien Transplantat.

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Abb. 1 Mundbodentumor. Transorales Vorgehen mit kontinuitätserhaltender Mandibulektomie. a Resektionsbereich. b Schleimhaut- und Osteotomieschnitte. c Defektdeckung.
Regeln, Tipps und Tricks
  • Osteotomieschnitte zur Schonung des N. alveolaris nicht zu tief führen. Eine Zahnextraktion im Resektionssegment ist bei der Tiefeneinschätzung nützlich. Der horizontale Schnitt muss nicht komplett durchgezogen werden. Die letzte Knochenbrücke kann mit einem Meißel osteotomiert werden.

  • Zuverlässige Deckung der Knochenresektionsflächen zur Vermeidung einer Osteomyelitis. Ähnlich dem Vorgehen bei der Rehrmann-Plastik kann dazu das bukkale Periost an seiner Unterkante noch inzidiert werden, um den bukkalen Lappen noch weiter zu mobilisieren.

  • Wird die Glandula submandibularis nicht entfernt, muss der Wharton-Gang mit einer Speichelgangsonde markiert und evtl. auch marsupialisiert werden.

Risiken und Komplikationen
  • narbige Zungenfixation mit Sprech-, Schluck- und Kaubehinderung

  • Sensibilitätsstörungen im Bereich von N. lingualis und N. mentalis

  • Wunddehiszenz mit Sekundärheilung

  • Unterkieferosteomyelitis

  • Nachblutung, Hämatom- und Ödembildung am Zungengrund und Larynxeingang, deswegen evtl. Tracheotomie


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Nachbehandlung

  • Antibiotikumtherapie

  • Sondenkost über nasogastrale Sonde

  • Überwachung auf Nachblutung, Aspiration und Atemnot


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Publication History

Article published online:
29 December 2022

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