Radiologie up2date 2023; 23(01): 73-87
DOI: 10.1055/a-1949-7087
Neuroradiologie

Spontane intrakranielle Hypotension

Spontaneous Intracranial Hypotension
Guido Albes
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Zusammenfassung

Die spontane intrakranielle Hypotension ist Folge eines spinalen Liquorverlustes und geht meist mit einem orthostatischen Kopfschmerz einher. Für die Diagnostik gibt es keine einheitlichen Parameter, anhand bildmorphologischer Zeichen kann die SIH in der kranialen MRT vermutet werden und ist dann mittels einer Bildgebung der Wirbelsäule direkt nachzuweisen.

Abstract

Spontaneous intracranial hypotension is a consequence of spinal CSF loss and is usually accompanied by orthostatic headache. There are no standard diagnostic parameters, but SIH can be suspected on basis of image morphologic signs in the cranial MRI and can be proved directly by spinal imaging.

Kernaussagen
  • Der orthostatische Kopfschmerz ist führendes Symptom der SIH. Er kann sich im Verlauf der Erkrankung verändern und muss von anderen Kopfschmerzen unterschieden werden. Weitere Symptome sind Doppelbilder, Geruchs- und Geschmacksstörungen, Schwindel, Taubheit und in extremen Fällen Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma und Tod.

  • Besonders bei Patienten unter 60 Jahren mit bilateralen subduralen Hämatomen sollte an ein spinales Liquorleck gedacht werden.

  • Spinale Liquorlecks lassen sich unterteilen in Typ-I- (ventral lokalisierte Duraläsion durch einen osteochondralen Mikrosporn), Typ-II- (Leckage an einem Wurzeltaschendivertikel) und Typ-III-Läsionen (Liquor-Venen-Fistel).

  • Ein niedriger Liquoröffnungsdruck in der Lumbalpunktion ist als SIH-Indikator unzuverlässig. Die Diagnose wird primär mit der kontrastmittelverstärkten kranialen MRT gestellt. Der daraus abgeleitete SIH-Score sagt die Wahrscheinlichkeit eines spinalen Liquorlecks vorher. Während ein umschriebenes Liquorleck in der nativen MRT (gesamte Wirbelsäule, T2w und fettgesättigte Sequenzen) meist nicht nachgewiesen werden kann, finden sich dabei häufig extradurale Flüssigkeitskollektionen.

  • Die Darstellung des Liquorlecks erfordert meist eine intrathekale Kontrastmittelgabe: Injektion des Kontrastmittels auf dem Durchleuchtungstisch, Verteilung und Sedimentation unter Durchleuchtung im Spinalkanal, fluoroskopische Dokumentation des Kontrastmittelaustritts, abschließende Visualisierung des Durarisses in der hochauflösenden CT.

  • Die Typ-III-Läsion lässt sich nur in der zeitlich hochaufgelösten Myelografietechnik nachweisen, am besten unter Verwendung der digitalen Subtraktion.

  • Der epidurale Blut-Patch wirkt oft nur kurzfristig. Die chirurgische Therapie des Liquorlecks ist dagegen häufig kurativ, erfordert jedoch eine genaue Lokalisation und Charakterisierung der Duraläsion. Die spinale Liquor-Venen-Fistel lässt sich i. d. R. nur durch eine chirurgische oder endovaskuläre Obliteration suffizient behandeln.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
28. Februar 2023

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