Pädiatrie up2date 2025; 20(01): 77-95
DOI: 10.1055/a-1938-7560
Entwicklung/Sozialpädiatrie

Gesund und geschützt aufwachsen: soziale Belastungen erkennen und Kindesentwicklung fördern

Freia De Bock
,
Lena Rasch

Kinder- und Jugendärzt*innen erleben täglich, wie soziale Belastungen die Gesundheit und Entwicklung von Kindern beeinflussen. Die politische Interessenvertretung durch Kinderärzt*innen ist besonders für benachteiligte Kinder wichtig. Doch wie können sie in der Praxis konkret reagieren? Diese Expertise gibt Impulse und zeigt, mit welchen Instrumenten, Vernetzungen und Angeboten Kinder und Familien bei Belastungen optimal unterstützt werden können.

Kernaussagen
  • Etwa 20% der Kinder und Familien in Deutschland sind von (psycho)sozialen Belastungen betroffen. Da Kinder- und Jugendärzt*innen wichtige Vertrauenspersonen für Familien sind, sollten sie diese Familien systematisch und mittels geeigneter Instrumente frühzeitig erkennen und bedarfsgerecht in das (psycho)soziale, systemübergreifende Hilfesystem weiterleiten.

  • Eine systematische Erfassung sozialer Belastungen in der Pädiatrie ist unter Nutzung bestehender Instrumente für alle Altersstufen umsetzbar und kann zu mehr Qualität in der Versorgung von vulnerablen Kindern und Jugendlichen beitragen.

  • Die Frühen Hilfen sind als interdisziplinäres, von der Jugendhilfe ausgehendes Unterstützungssystem für belastete Familien mit Kindern im Alter von 0–3 Jahren bundesweit flächendeckend ausgebaut. Um erfolgreich alle Kinder mit Belastungen zu erreichen, sind die Frühen Hilfen darauf angewiesen, dass Kinder- und Jugendärzt*innen sich in den Frühen Hilfen engagieren.

  • Zwar sind in 70% aller Kommunen Kinder- und Jugendärzt*innen in die Frühe-Hilfen-Netzwerke eingebunden, aber nur 38% aller Kinder- und Jugendärzt*innen waren schon bei Netzwerktreffen. In Zukunft sollten in allen Kommunen in Deutschland möglichst alle niedergelassenen Kinder- und Jugendärzt*innen in die Netzwerke der Frühen Hilfen eingebunden sein.

  • Elternkompetenzsteigernde Maßnahmen werden in Deutschland bereits angeboten, z. B. in Familienberatungsstellen. Eine systematische Vermittlung von Kinder- und Jugendärzt*innen in solche Maßnahmen zur Unterstützung von Elternkompetenzen kann in der Fläche externalisierende Verhaltensprobleme, psychische Probleme und Kindeswohlgefährdung reduzieren.

  • Für die Zukunft gibt es Modelle, mit denen die Verbindlichkeit von Weiterleitungen in das soziale Hilfe- und Unterstützungssystem per Rezept und über Verbindungslotsen verbessert werden kann („Social Prescribing“).



Publication History

Article published online:
17 March 2025

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