Heilpflanzen 2023; 03(03): 82-83
DOI: 10.1055/a-1929-8097
Tipps

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Rituale

Wurzelwein zum Jahreskreisfest Samhain

Für unsere Vorfahren markierten die Jahreskreisfeste Wendepunkte im Jahreslauf. Man dankte und ehrte die Natur für ihre Gaben. Auch heute gibt es wieder Jahreskreisfeste, die mit unterschiedlichen Ritualen durchgeführt werden. Ende Herbst feiert man Samhain, bei dem es um die Verwurzelung des Seins geht. Was passt besser dazu, als ein Wurzelwein.

Nachdem bei den Kelten mit dem Erntefest Mabon im September die Fülle der Ernte gefeiert worden war, kam die Zeit des Rückzugs. So, wie die Pflanzen ihre Kraft in die Wurzeln zurückziehen, wandten sich auch die Menschen ihren Wurzeln zu, um neue Kraft für das kommende Jahr zu schöpfen. Etwa um den 1. November herum feierten sie Samhain – das Fest der Ahnen und gleichzeitig das keltische Neujahrsfest. Während der bis zu sieben Tage dauernden Feierlichkeiten widmeten sich die Menschen ihrer Herkunft und Familiengeschichte und ehrten damit ihre Ahnen. Es war der Zeitpunkt im Jahr, an dem die Pforte zur Anderswelt, zur geistigen Welt, nach Ansicht der Menschen geöffnet und die Schleier zwischen dem diesseitigem, materiellen Sein und dem geistigen Sein dünn waren, sodass die Verbindung mit den Ahnen leichter fiel.

In der christlichen Mythologie wird am 1. November Allerheiligen gefeiert – es wird der Heiligen gedacht, die die Menschen im Jahreslauf begleiten und beschützen. Einen Tag später begeht die Kirche das Fest Allerseelen zum Gedenken an die verstorbenen Gemeindemitglieder.

Es gibt viele Wege, sich zu Samhain mit seinen Vorfahren zu verbinden, seinen Ahnen zu danken oder sich Familienthemen zu stellen. Mir hat die Idee des Wurzelweins gut gefallen, hergestellt aus Wurzeln und Pflanzen, die auf der seelischen Ebene dabei helfen, zu sich selbst zu kommen und sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Um einen solchen eher spirituell wirksamen Wein herzustellen, bieten sich verschiedene Kräuter und Wurzeln an. Ich würde allerdings empfehlen, nicht mehr als 3, höchstens 4 verschiedene Kräuter zu verwenden, um kein „seelisches Chaos“ anzurichten. Es kommen zum Beispiel die folgenden Pflanzen in Frage:

Engelwurz (Angelica archangelica)

Mit ihrem aromatischen, würzigen Geschmack soll sie den Menschen vom Erzengel Gabriel zum Schutz gegen die Pest geschenkt worden sein. Die Wurzel soll in Krisensituationen Kraft schenken und ein Gefühl des Schutzes und der Geborgenheit vermitteln. Die Blüten und Früchte stärken in Zeiten des Wandels und lassen die innere Führung erkennen und annehmen. Für den Wein können Wurzel und Früchte verwendet werden.

Gewöhnlicher Löwenzahn (Taraxacum sect. Ruderalia)

Der Löwenzahn ist die Pflanze für das Hier und Jetzt. Seine feinen Samen wurzeln selbst in der kleinsten Ritze des Asphalts und bringen dort besonders starke Pflänzchen hervor. Auf der seelischen Ebene hilft er, Selbstbewusstsein zu erlangen und alte Gedankenmuster zu erkennen und aufzulösen. Er bringt Klarheit in die Gedanken- und Gefühlswelt.

Petersilie (Petroselinum sativum)

In der Antike war die Petersilie mehr ein Zauber- als ein Würzkraut. Bei Hochzeiten verräuchert, sollte sie Unglück und böse Geister vom Brautpaar fernhalten. In Ägypten bestattete man die Toten mit Kränzen aus Eppich und Petersilie als Symbol der Wiedergeburt. Sie sollte den Verstorbenen dabei neues Leben einhauchen. Die recht lange Keimdauer brachte man damit in Verbindung, dass die Petersilie zuerst unterirdisch zu den Geistern und wieder zurück reisen musste, bevor sich überirdisch eine neue Pflanze entwickeln konnte. Für den Wein können die Blätter, aber auch die Wurzeln verwendet werden.

Gundermann (Glechoma hederacea)

Die Pflanze gilt seit jeher als Zauberkraut. Mit einem Kranz aus Gundermannblättern, um das Haupt getragen, soll man Hexen erkannt haben. Gundermann im Stall aufgehängt, sollte die Kühe vor Verhexung und damit vor verdorbener Milch schützen. Auf geistiger Ebene hilft Gundermann beim Loslassen und den Neubeginn, indem er Sicherheit und Gelassenheit schenkt.

Gewöhnlicher Beifuß (Artemisia vulgaris)

Artemisia vulgaris, „die Mutter aller Kräuter“, galt ebenfalls als ein sehr mächtiges Zauberkraut, dem viele Wirkungen auf der geistig-seelischen Ebene zugesprochen wurden. Im Zusammenhang mit dem Ahnen-Wein steht das Treffen richtiger Entscheidungen im Vordergrund. Der Gewöhnliche Beifuß wird immer dann eingesetzt, wenn man an einer sinnbildlichen Kreuzung steht und den richtigen Weg wählen muss. Für den Wein sind Blätter und Blüten geeignet.

Info:

Beim Wurzel-Ahnen-Wein steht die Wirkung auf der seelischen Ebene im Vordergrund. Heilweine gab es früher in Apotheken zu kaufen, sie hatten meist einen niedrigeren Alkoholgehalt als die heute üblichen 12–14 Vol.-%.

Rezept

Wurzel-Ahnen-Wein

Von diesem Wein nimmt man während des Ahnenfestes Samhain allein und in Ruhe, zusammen mit der Familie oder in einer rituellen Gruppe täglich ein kleines Glas zu sich. Besonders schön finde ich auch die Idee, das Glas nur halb zu leeren und die zweite Hälfte an einem rituellen Platz, im Garten oder auch auf dem Friedhof, als Dank und Verbindung zu den Vorfahren auszugießen.

Zutaten

3–4 verschiedene Kräuter oder Wurzeln (zum Beispiel Engelwurz, Petersilie, Beifuß, Löwenzahn, Gundermann)

750 ml Portwein (ca. 20 % Alkoholgehalt) oder 100 ml 38 %iger Wodka oder Rum plus

750 ml trockener Rot- oder Weißwein (ca. 12 % Alkoholgehalt)

Zubereitung

Die ausgewählten Kräuter und Wurzeln klein schneiden und insgesamt 3–4 gehäufte EL davon in eine Weithalsflasche (1 l) mit Deckel geben. Die Kräuter mit Portwein bzw. Wodka oder Rum und dem Rot- oder Weißwein übergießen. Das Ansatzgefäß verschließen und 7 Tage täglich etwas schwenken. Nach dieser Zeit den Ansatz durch ein feines Sieb oder einen Teefilterbeutel abgießen und in eine dunkle Flasche füllen.

Der Wurzel-Ahnen-Wein ist etwa 6 Monate haltbar.

Hinweis:

Der Deckel sollte so beschaffen sein, dass der Alkohol keine Weichmacher oder andere Substanzen herauslösen kann.


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Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
15. September 2023

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