Schlüsselwörter
Terminologie - Begriffe - Nomenklatur - Niere - Funktion - Struktur - Krankheit
Key words
terminology - terms - nomenclature - kidney - function - structure - disease
Gründe für eine Vereinheitlichung der Nomenklatur
Gründe für eine Vereinheitlichung der Nomenklatur
Eine präzise und weitgehend einheitliche Terminologie ist die Grundvoraussetzung für
die strukturierte Diagnose und Therapie von Gesundheitsproblemen. Sie schafft die
Voraussetzung für die Erfassung von Krankheiten, die Entwicklungen von Empfehlungen
und Leitlinien und eine effektive Kommunikation zwischen allen an der Gesundheitsversorgung
Beteiligten. Das schließt in besonderer Weise die betroffenen Patientinnen und Patienten
ein. Unverständliche Fachausdrücke und die Benutzung von verschiedenen Begriffen zur
Beschreibung identischer Sachverhalte erschweren das Verständnis und die Akzeptanz
von Gesundheitsproblemen ebenso wie die aktive Beteiligung der Betroffenen und/oder
ihrer Angehörigen im Sinne eines shared decision making.
Nierenkrankheiten stellen ein zunehmendes Gesundheitsproblem von globaler Relevanz
dar [1]. Mehr als 10 % der Bevölkerung sind bereits davon betroffen und Hochrechnungen sagen
voraus, dass chronische Nierenkrankheiten bis zum Jahr 2040 weltweit auf Platz 5 der
Ursachen für die Mortalität aufsteigen [2]. Die durch Nierenkrankheiten bedingten Einschränkungen von Lebensqualität und Lebensdauer
sind hoch und die Kosten einer Nierenersatztherapie weit überproportional [3]
[4]. Effektive Kommunikation ist eine Grundvoraussetzung, um diese Herausforderung zu
adressieren und die Folgen von Nierenkrankheiten einzugrenzen.
Die Beschreibung von Nierenfunktion und Nierenkrankheiten ist jedoch traditionell
in vielen Sprachen wenig präzise und uneinheitlich. Vor mehr als 20 Jahren hat ein
Artikel die englische wissenschaftliche Terminologie als Chronic Renal Confusion charakterisiert, um die Vielzahl parallel verwandter und nicht gut definierter oder
voneinander abgegrenzter Begriffe zum Ausdruck zu bringen [5]. Seitdem ist viel passiert. Die globale, gemeinnützige Organisation Kidney Disease:
Improving Global Outcomes (KDIGO) (www.kdigo.org) hat in einem schrittweisen internationalen Konsensus-Prozess einheitliche Definitionen
und Kriterien für normale und abnorme Nierenfunktion sowie akute und chronische Nierenkrankheiten
eingeführt, die damit verbundenen Risiken charakterisiert und darauf aufbauend Leitlinien
entwickelt [6]
[7]
[8]. [Abb. 1] zeigt schematisch die Kriterien für Diagnose und Stadieneinteilung von chronischer
Nierenkrankheit (CKD) und semiquantitativ die mit den jeweiligen Stadien zunehmend
schlechtere Prognose anhand einer sogenannten Heatmap.
Abb. 1 KDIGO-Heatmap unterschiedlicher Kategorien von CKD. Quelle: Levin A, Stevens PE,
Bilous RW et al. Kidney disease: Improving global outcomes (KDIGO) CKD work group.
KDIGO 2012 clinical practice guideline for the evaluation and management of chronic
kidney disease. Kidney Int Suppl 2013; 3 (1): 1–150
Trotz dieser Fortschritte wird nach wie vor vielfach keine einheitliche, präzise Nomenklatur
zur Beschreibung von normaler und abnormer Nierenfunktion verwandt. Bestimmte, häufig
verwendete Begriffe entsprechen darüber hinaus nicht den Grundprinzipien einer modernen
Patientenorientierung [9]. Das gilt insbesondere für die Beschreibung des chronischen Nierenversagens als
Endstage Renal Disease (ESRD) oder Endstage Kidney Disease (ESKD) im Englischen oder als terminales Nierenversagen im Deutschen. Diese Begriffe sind negativ konnotiert und bringen die Möglichkeiten
einer unter Umständen jahrzehntelangen erfolgreichen Therapie unzureichend zum Ausdruck.
Defizite in der Definition und Wahrnehmung von Begriffen für die Beschreibung einer
normalen und einer krankhaft veränderten Nierenfunktion werden auch dadurch deutlich,
dass das Manual of Style der American Medical Association als Standardwerk medizinischer Nomenklatur für Autoren und Editoren das Thema „Niere“
bislang überhaupt nicht behandelt hat [10]. Vor diesem Hintergrund hat KDIGO 2019 eine Konsensus-Konferenz durchgeführt, mit
dem Ziel, die englischsprachige Nomenklatur für Nierenfunktion und Nierenkrankheiten
strukturiert zu erfassen und weiterzuentwickeln [11].
Englische Nomenklatur als Ergebnis einer KDIGO-Konsensus-Konferenz
Englische Nomenklatur als Ergebnis einer KDIGO-Konsensus-Konferenz
Im wissenschaftlichen Kontext ist eine präzise Terminologie von besonderer Bedeutung.
Darüber hinaus kommt wissenschaftlichen Journalen für die Anwendung und Verbreitung
von medizinischem Sprachgebrauch eine Vorbild- und Schrittmacherfunktion zu. Als Teilnehmende
der KDIGO-Konferenz waren deshalb neben klinischen Forschern, erfahrenen Autorinnen/Autoren
und Patientinnen und Patienten die Editoren der meisten englischsprachigen nephrologischen
Fachjournale eingeladen, ebenso wie die zuständigen Editoren aller führenden, fachübergreifenden
medizinischen Journale. Im Vorfeld der Konferenz war das inhaltliche Spektrum unter
den Teilnehmerinnen und Teilnehmern abgestimmt worden. Fokusgruppen wurden zu ihren
Vorstellungen und Erwartungen im Hinblick auf eine einheitliche Terminologie befragt
[12]. Drei Grundprinzipien wurden als Grundlage für die Nomenklatur-Entwicklung einvernehmlich
festgelegt: (1) Patientenzentrierung, (2) Präzision und (3) Konsistenz mit KDIGO-Leitlinien.
Patientenzentrierung wird u. a. als eine Betreuung definiert, die respektvoll ist, Präferenzen, Bedürfnisse
und Werte von Patientinnen und Patienten berücksichtigt und sicherstellt, dass die
individuellen Werte der Betroffenen alle klinischen Entscheidungen prägen [9]. Eine Voraussetzung dafür ist, dass Wissen ausgetauscht wird und Informationsflüsse
optimiert werden, was wiederum voraussetzt, dass Begriffe möglichst allgemeinverständlich
oder zumindest leicht erklärlich sind.
Präzision ist eine Grundvoraussetzung für effektive Kommunikation und setzt die Einigung auf
bestimmte Definitionen und Kriterien voraus, ebenso wie die Bereitschaft, bislang
verwandte Begriffe aufzugeben oder in anderem Kontext zu nutzen. Naturgemäß kann sich
zwischen der im Sinne einer Patientenzentrierung wünschenswerten Einfachheit und der
präzisen (und damit auch detaillierten) Beschreibung von komplexen Zuständen ein Spannungsfeld
ergeben, das mit Augenmaß und Kompromissbereitschaft pragmatisch adressiert werden
muss.
Leitlinienkonsistenz ist insofern wichtig, als es Akzeptanz und Implementierung erleichtert, auf existierenden
Begrifflichkeiten aufzubauen. Umgekehrt kann eine bestimmte Begriffsstruktur nur einen
aktuellen Wissensstand widerspiegeln und sollte flexibel genug sein, um zukünftige
Anpassungen vorzunehmen.
Die Ergebnisse der Konsensus-Konferenz zur Nomenklatur wurden in einem in Kidney International publizierten Bericht zusammengefasst, dessen Kernstück ein einvernehmlich verabschiedetes
tabellarisches Glossar darstellt [11]. Gleich oder ähnlich lautende Zusammenfassungen des Konferenzberichtes wurden parallel
in 25 weiteren Fachjournalen publiziert und sind ein Beleg dafür, dass der Initiative
in der Fachwelt sehr große Bedeutung zugemessen wird. Teile des Glossars sind auch
in die zum Zeitpunkt der Konferenz schon weit fortgeschrittene 11. Edition des Manual of Style aufgenommen worden [13]. Eine umfassendere Behandlung der Thematik ist in der 12. Edition vorgesehen.
Übersetzung ins Deutsche
Die Notwendigkeit für eine präzise, die Patientenorientierung berücksichtigende Terminologie
beschränkt sich nicht auf den englischen Sprachraum und die Implementierung im klinischen
Alltag setzt die Übersetzung in andere Sprachen voraus. Die nephrologischen Fachgesellschaften
in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben sich darauf geeinigt, diesen Prozess
gemeinsam und in Abstimmung mit Patientenverbänden in ihren Ländern durchzuführen.
Dazu wurde eine Arbeitsgruppe initiiert, die iterativ in mehreren Sitzungen und intensivem
Austausch ein deutsches Glossar erstellt und dieses Positionspapier verfasst hat.
Eine solche „Übersetzung“ ist nicht durch einen simplen und eindeutigen Austausch
von Begriffen durchzuführen. Inhaltliche Nuancen hängen sehr von Struktur und Semantik
der Sprachen ab. Etablierte Begriffe sind vielfältig und nicht selten bieten sich
mehrere Übersetzungsmöglichkeiten an, die im Sinne der Einheitlichkeit eine Auswahl
und Festlegung erfordern. Allein die Tatsache, dass englische Texte nach Übersetzung
ins Deutsche in der Regel länger sind, veranschaulicht, dass das Englische im Hinblick
auf knappe Präzision häufig überlegen ist. Angesichts der führenden Rolle des Englischen
im internationalen medizinischen Sprachgebrauch und der zunehmenden Internationalisierung
der Gesundheitsversorgung stellt sich auch die Frage, inwieweit englische Begriffe
als Anglizismen ins Deutsche übernommen werden können. Die Arbeitsgruppe war jedoch
der Meinung, dass es gerade der Aspekt der Patientenorientierung zwingend erforderlich
macht, ein deutschsprachiges Glossar zu entwickeln. Allerdings haben wir uns dagegen
entschieden, Abkürzungen aus deutschen Begriffen abzuleiten. Stattdessen schlagen
wir vor, die international üblichen, englischen Abkürzungen zu verwenden. Wir gehen
davon aus, dass dies das Verständnis und die Anwendung von Abkürzungen erleichtert
und Fehler in deren Interpretation verringert.
Insbesondere in den USA wird seit längerem vorgeschlagen, das Wort Kidney statt Renal zu verwenden, mit dem Argument, dass der aus dem Lateinischen abgeleitete Begriff in
der Bevölkerung nicht so gut verständlich sei. Diese Diskussion, die auch auf der
KDIGO-Konferenz zur Nomenklatur noch einmal geführt wurde, ist im deutschen Sprachraum
nicht in der Art und Weise relevant. Grundsätzlich stellt sich aber auch bei uns die
Frage, ob traditionelle, aus alten Sprachen abgeleitete Begriffe durch vermeintlich
einfachere deutsche Begriffe abgelöst werden sollten, so z. B. der Begriff Nephrologie durch Nierenheilkunde oder die Bezeichnung Nephrologin durch Nierenärztin. Diese Fragen hat die Arbeitsgruppe aber zunächst ausgeklammert.
Beschränkt hat sich die mit der Übersetzung betraute Arbeitsgruppe auf die Begriffe
und Kategorien, die zuvor in der KDIGO-Konferenz adressiert wurden. Die Nomenklatur
von spezifischen Erkrankungen und Therapien wurde beispielsweise nicht berücksichtigt
[11].
Bewusst unberücksichtigt gelassen wurde auch die wissenschaftliche Kritik an manchen
Definitionen oder Stadien-Festlegungen, wie beispielsweise die an nicht altersabhängig
adaptierten GFR-Kriterien für die Definition von CKD [14]
[15]. Derartige Fragen sollten im Rahmen der Entwicklung von Leitlinien oder anderen
Konsensus-Prozessen beantwortet werden. Ebenfalls keine Berücksichtigung gefunden
hat die seit kurzem in den USA entflammte Diskussion über die Verwendung eines Race-Koeffizienten bei der Abschätzung der GFR und die Entwicklung neuerer Formeln zur
GFR-Abschätzung ohne solche Koeffizienten [16]
[17]. Diesbezüglich stehen Empfehlungen aus internationalen Leitlinien bislang aus. Darüber
hinaus ist diese Thematik für die deutschsprachigen Länder auf Grund ihrer Bevölkerungsstruktur
von geringer Relevanz.
Struktur des Glossars
Das englische Glossar, bestehend aus einer Tabelle mit 5 Abschnitten, wurde im Rahmen
der Übersetzung der Übersichtlichkeit halber in 2 Tabellen aufgeteilt. [Tab. 1] enthält Begriffe und Abkürzungen zu Nierenfunktion, Nierenstruktur sowie akuten
und chronischen Nierenkrankheiten und Nierenversagen (entsprechend Teil 1–4 der englischen
Tabelle). [Tab. 2] listet die Begriffe zu Nierenfunktionsparametern auf (entsprechend Teil 5 der englischen
Tabelle).
Tab. 1
Glossar: Nierenfunktion, Nierenstruktur und Nierenkrankheiten.
Präferierter Begriff
|
Abkürzungen
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Begriffe, die man möglichst vermeiden sollte
|
Begründung/Kommentar
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Nierenfunktion
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|
|
Begriff reflektiert die Gesamtheit verschiedener und komplexer Funktionen der Niere;
sollte nicht gleichgesetzt werden mit Glomeruläre Filtrationsrate.
|
Normale Nierenfunktion
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|
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Abnorme Nierenfunktion
|
|
Niereninsuffizienz, veränderte Nierenfunktion
|
Abnorme Nierenfunktion beschriebt Abweichungen von der Norm in verschiedene Richtungen, ohne deren Relevanz
zu bewerten.
|
Nierenrestfunktion
|
RKF[
1
],[
2
]
|
|
Nierenrestfunktion ist eine direkte Übersetzung des englischen Begriffs Residual Kidney Function. Im Gegensatz zu dem Begriff Eigennierenfunktion ist er auch anwendbar, um die residuale Funktion einer Transplantatniere zu beschreiben.
|
Nierenstruktur
|
|
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Begriff reflektiert die Gesamtheit verschiedener und komplexer struktureller Aspekte
der Niere.
|
Normale Nierenstruktur
|
|
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Abnorme Nierenstruktur
|
|
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Begriff ist analog zur Bezeichnung für eine nicht normale Nierenfunktion und beschreibt
Abweichungen, ohne deren Relevanz zu bewerten. Der Begriff veränderte Nierenstruktur mag leichter verständlich sein, impliziert aber mehr Dynamik.
|
Nierenkrankheit
|
|
Nierenerkrankung
|
Fachübergreifend wird u. a. vom BfArM[
3
] angestrebt, den Begriff Krankheit statt Erkrankung zu verwenden (z. B. Herzkrankheit statt Herzerkrankung).
|
Ursache(n) einer Nierenkrankheit
|
|
|
Ursache(n) einer akuten oder chronischen Nierenkrankheit sollen, wenn immer möglich,
angegeben werden. Ursachen können bekannt, angenommen oder unbekannt sein. Die Methode
der Ursachenzuordnung sollte, wenn möglich, angegeben werden. Die Ursache(n) sollte(n)
nicht ausschließlich auf Grund einer Ko-Morbidität angenommen werden. Beispielsweise
ist eine Nierenkrankheit bei einem Diabetiker nicht gleichzusetzen mit Diabetischer
Nierenkrankheit.
|
Akute Nierenkrankheit und Akute Nierenfunktionseinschränkung
|
|
|
|
Akute Nierenkrankheit
|
AKD[
4
]
|
|
KDIGO-Definition: AKI oder GFR[
5
] < 60 ml/min × 1,73 m2 oder Marker einer Nierenschädigung für ≤ 3 Monate oder Reduktion der GFR ≥ 35 % oder
Anstieg im S-Krea um > 50 % für ≤ 3 Monate.
|
Akute Nierenfunktionseinschränkung
|
AKI[
6
]
|
Akute Nierenschädigung
|
Subkategorie von AKD; KDIGO-Definition: Oligurie für ≥ 6 h, Anstieg des SKrea um ≥ 0,3 mg/dL
in 48 Stunden oder um ≥ 50 % in 7 Tagen.
Der Begriff Acute Kidney Injury ist schwierig zu übersetzen. Die KDIGO-Definition beinhaltet Zeichen einer Funktionseinschränkung
(SKrea-Kriterien und Urinfluss-Kriterien)[
1
]. Der Begriff Akute Nierenfunktionseinschränkung berücksichtigt diese Definition. Zeichen eines Strukturschadens gehören – im Gegensatz
zu CKD (s. u.) – nicht zur Definition, auch wenn ein struktureller Schaden in vielen
Fällen zumindest wahrscheinlich ist. Deshalb ist der auch etablierte Begriff Akute Nierenschädigung irreführend.
|
Klassifikation von AKI
|
|
Frühere Klassifikationen, u. a. der RIFLE[
8
]- und AKIN[
9
]-Kriterien wurden in der KDIGO-Klassifikation weiterentwickelt und integriert.
|
Die Klassifikation sollte neben dem Stadium[
10
]
,
[
11
]
,
[
12
] möglichst auch an Hand der Ursache(n) erfolgen.
|
Chronische Nierenkrankheit
|
CKD[
13
]
|
Chronische Niereninsuffizienz
|
KDIGO-Definition: GFR < 60 ml/min × 1,73 m2 oder Zeichen einer Nierenschädigung für > 3 Monate.
|
Klassifikation von CKD
|
|
|
KDIGO CGA
[
14
]
-Klassifikation nach Ursache (engl. Cause), GFR-Kategorie (G1–G5), Albuminurie-Kategorie (A1–A3). Nur anwendbar, wenn Patientin
oder Patient die Kriterien einer CKD-Definition erfüllen.
|
CKD-Stadien
|
|
|
Angabe eines CKD-Stadiums sollte an Hand der GFR- und der Albuminurie-Kategorie erfolgen.
|
CKD-Risikokategorien
|
|
|
Bezeichnen das mit einem bestimmten CKD-Stadium assoziierte Risiko, wobei die Höhe
von dem jeweils betrachteten Risiko abhängig ist (z. B. kardiovaskuläres Ereignis,
Nierenversagen oder Tod). Die mit einem bestimmten CKD-Stadium assoziierten relativen
Risiken hat KDIGO in einer Heatmap visualisiert [Abb. 1].
|
CKD-Risikokategorie – niedrig
|
G1A1, G2A1
|
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Grüne Farbe in der Risiko-Heatmap.
|
CKD-Risikokategorie – mäßig
|
G1A2, G2A2, G3aA1
|
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Gelbe Farbe in der Risiko-Heatmap. Der englische Begriff „moderately high“ wurde mit „mäßig“ übersetzt, um eine bessere
Abstufung zu ermöglichen.
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CKD-Risikokategorie – hoch
|
G1A3, G2A3, G3aA2, G3bA1
|
|
Orange Farbe in der Risiko-Heatmap.
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CKD-Risikokategorie – sehr hoch
|
G3aA3, G3bA2, G3bA3, G4A1, G4A2, G4A3, G5A1, G5A2, G5A3
|
|
Rote Farbe in der Risiko-Heatmap.
|
CKD ohne Nierenersatztherapie
|
CKD ohne KRT[
15
]
|
|
Nierenersatztherapie umfasst Dialyse und Transplantation.
|
Fortschreiten einer CKD
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Bezeichnet eine Abnahme der GFR oder eine Zunahme der Albuminurie. Es gibt bislang
noch keinen Konsensus zur Kategorisierung des Zeitpunkts (früh, spät) oder der Geschwindigkeit
des Fortschreitens (langsam, schnell). Fortschreiten ist vermutlich allgemein verständlich. Progression als wörtliche Übersetzung des englischen Begriffs ist eine Alternative.
|
Rückbildung einer CKD
|
|
|
Bezeichnet eine Zunahme der GFR oder Abnahme der Albuminurie. Regression in Analogie zu Progression ist eine Alternative.
|
Nierenversagen
|
KF[
16
]
|
Terminale Niereninsuffizienz; Dialysepflichtigkeit
|
KDIGO-Defintion: GFR < 15 ml/min × 1,73 m2 oder Dialysebehandlung; weitere Spezifizierung notwendig.
|
Dauer
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|
|
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Akute Nierenfunktionseinschränkung
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AKI Stadium 3, AKD
|
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Dauer ≤ 3 Monate
|
Nierenversagen
|
KF
|
|
Dauer > 3 Monate
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Symptome und Befunde
|
|
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Der im angloamerikanischen medizinischen Sprachgebrauch übliche Begriff „Signs“ entspricht
am ehesten den deutschen Begriff „Befunde“; weitere Spezifizierung wünschenswert.
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Urämie/Urämisches Syndrom
|
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Syndrom mit Symptomen und Befunden eines Nierenversagens.
|
Therapie
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Neben dem Begriff „Therapie“ bietet sich insbesondere in der Kommunikation mit Patienten
der Begriff „Behandlung“ an.
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Nierenersatztherapie
|
|
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Dialyse
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CKD G5 D
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Dauer
|
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Langfristige (= chronische) vs. kurzfristige Dialyse. Problem ist hier die Abgrenzung
der Dauer einer einzelnen Dialyse von der Dauer der Behandlungsphase. „Kurzfristig“
kann vielfach erst retrospektiv bestimmt werden und dann wäre auch der Begriff zeitlich begrenzte oder vorübergehende Dialysebehandlung möglich.
|
Therapieform und -frequenz
|
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Der dem englischen Sprachgebrauch „Modalities“ analoge Begriff „Modalitäten“ ist in
der Kommunikation mit Patientinnen und Patienten vermutlich vielfach unverständlich.
Therapieformen
-
Hämodialyse (HD)
-
Hämofiltration (HF)
-
Hämodiafiltration (HDF)
-
Peritonealdialyse (PD)
Therapiefrequenz
|
Nierentransplantation
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CKD
G1T-G5 T
|
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Spendeorganherkunft
|
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Lebendspender-Transplantation
Verstorbenenspender-Transplantation
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Nierenversagen mit Nierenersatztherapie
|
CKD G5 mit KFRT[
17
]
|
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Nierenversagen ohne Nierenersatztherapie
|
CKD G5 ohne KRT
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Weitere Spezifizierung sinnvoll, insbesondere dahin gehend ob eine Nierenersatztherapie
nicht gewünscht wird oder nicht zur Verfügung steht.
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mit umfassender konservativer Behandlung
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ohne umfassende konservative Behandlung
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|
|
Weitere Spezifizierung sinnvoll; insbesondere dahin gehend ob eine umfassende konservative
Behandlung nicht gewünscht wird oder nicht zur Verfügung steht.
|
1 Angesichts der weiten Verbreitung englischer Terminologie erscheint es sinnvoll,
die Abkürzungen der englischen Begriffe zu verwenden.
2 RKF = Residual Kidney Function
3 BfArM = Bundesinstitut für Arzenimittel und Medizinprodukte
4 AKD = Acute Kidney Disease or Disorders
5 GFR = Glomeruläre Filtrationsrate
6 AKI = Acute Kidney Injury
7 Definition von AKI: Anstieg von Serum-Kreatinin ≥ 0,3 mg/dL innerhalb von 48 h oder auf mindestens das 1,5-fache innerhalb von 7 Tagen oder Urin-Ausscheidung < 0,5 ml/kg/h über 6 Stunden
8 RIFLE = Risk – Injury – Failure – Loss – ESRD
9 AKIN = Acute Kidney Injury Network
10 AKI Stadium 1 = Serum-Kreatinin-Anstieg 1,5–1,9-fach oder > 0,3 mg/dL oder Urin-Ausscheidung < 0,5 ml/Kg/h für 6–12 h
11 AKI Stadium 2 = Serum-Kreatinin-Anstieg ≥ 2,0–2,9-fach oder Urin-Ausscheidung < 0,5 ml/Kg /h für ≥ 12 h
12 AKI Stadium 3 = Serum-Kreatinin-Anstieg ≥ 3,0-fach oder auf ≥ 4,0 mg/dL oder Beginn einer Nierenersatztherapie oder bei Patienten < 18 Jahre Abfall der eGFR < 35 ml/min × 1,73 m2
oder Urin-Ausscheidung < 0,5 ml/Kg/h für ≥ 24 h oder Anurie für ≥ 12 h
13 CKD = Chronic Kidney Disease
14 CGA = Grunderkrankung (Causa), GFR und Albuminurie
15 KRT = Kidney Replacement Therapy
16 KF = Kidney Failure
17 KFRT = Kidney Failure with Replacement Therapy
Tab. 2
Glossar: Nierenfunktionsparameter.
Präferierter Begriff
|
Abkürzung
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Begriffe, die man möglichst vermeiden sollte
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Begründung/Kommentar
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Nierenfunktionsparameter
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In der Kommunikation mit Patientinnen und Patienten kann auch der Begriff Nierenwerte sinnvoll sein.
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Glomeruläre Filtrationsrate und Clearance
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|
|
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Glomeruläre Filtrationsrate
|
GFR[
1
]
|
|
Einheiten sollten angegeben werden (z. B. ml/min × 1,73 m2 oder ml/min).
Der Normwert von ca. 100 ml/min × 1,73 m2 ermöglicht zur Veranschaulichung in der Kommunikation die Gleichsetzung mit % Nierenleistung.
|
Gemessene glomeruläre Filtrationsrate
|
mGFR[
2
]
|
|
|
Abgeschätzte glomeruläre Filtrationsrate
|
eGFR
eGFRcr
[
3
]
eGFRcys
eGFRcr-cys
|
|
Die zur Abschätzung benutzten Formeln (z. B. CKD-EPI-, MDRD-Studie) und die Filtrationsmarker[
3
] sollten angegeben werden.
|
Clearance
|
Cl[
4
]
|
|
|
Gemessene Clearance
|
mClurea
[
5
]
mClcr
mClurea-cr
|
|
|
Geschätzte Clearance
|
eCl[
6
]
eClcrea
[
7
]
|
|
|
GFR-Kategorien
|
|
|
GFR-Kategorien können unabhängig davon angegeben werden, ob die diagnostischen Kriterien
für CKD erfüllt sind.
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normal bis erhöhte GFR
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G1
|
|
GFR > 90 ml/min × 1,73 m2
|
leicht verminderte GFR
|
G2
|
|
GFR 60–89 ml/min × 1,73 m2
|
mäßig verminderte GFR
|
G3a
|
|
GFR 45–59 ml/min × 1,73 m2
|
G3b
|
GFR 30–44 ml/min × 1,73 m2
|
stark verminderte GFR
|
G4
|
|
GFR 15–29 ml/min × 1,73 m2
|
Nierenversagen
|
G5
|
|
GFR < 15 ml/min × 1,73 m2 oder Dialyse
|
Hyperfiltration
|
|
|
Obwohl das Konzept einer glom. Hyperfiltration allgemein anerkannt ist, gibt es unterschiedliche
Definitionen. Die konkrete GFR bzw. der zu Grunde gelegte Grenzwert für Hyperfiltration
sollten angegeben werden.
|
GFR-Reserve
|
|
|
Die GFR-Reserve bezeichnet den Anstieg der GFR unter bestimmten, definierten Stimuli
(z. B. Eiweißgabe). Ihr Stellenwert ist bislang unzureichend validiert.
|
Albuminurie/Proteinurie
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|
|
|
Albuminkonzentration im Urin/Urin-Albuminkonzentration
|
|
|
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Albuminausscheidungsrate im Urin
|
AER[
8
] oder UAER[
8
]
|
|
Erfordert eine Urinsammlung über die Zeit, wobei die Zeit spezifiziert werden sollte.
|
Albumin-Kreatinin-Quotient im Urin
|
ACR[
9
] oder
UACR[
9
]
|
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Kann in über eine bestimmte Zeitspanne gesammeltem Urin und in Einzelproben bestimmt
werden, wobei die Zeitspanne bzw. der Zeitpunkt der Gewinnung der Einzelprobe angegeben
werden sollte.
|
Proteinkonzentration im Urin/Urin-Proteinkonzentration
|
|
|
|
Proteinausscheidungsrate im Urin
|
PER[
10
] oder
UPER[
10
]
|
|
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Protein-Kreatinin-Quotient im Urin
|
PCR[
11
] oder
UPCR[
11
]
|
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|
Albuminurie-Kategorien
|
|
|
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Normale Albuminurie
|
|
|
AER < 10 mg/d; ACR < 10 mg/g oder < 1 mg/mmol
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Leicht erhöhte Albuminurie
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AER 10–29 mg/d; ACR 10–29 mg/g oder 1–2.9 mg/mmol
|
Normal bis leicht erhöhte Albuminurie
|
A1
|
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AER < 30 mg/d; ACR < 30 mg/g oder < 3 mg/mmol
entspricht PER < 150 mg/d; PCR < 150 mg/g[
12
] oder < 15 mg/mmol
|
Mäßig erhöhte Albuminurie
|
A2
|
Mikroalbuminurie
|
AER 30–300 mg/d; ACR 30–300 mg/g oder 3–30 mg/mmol
entspricht PER 150–500 mg/d; PCR 150–500 mg/g oder 15–50 mg/mmol
|
Stark erhöhte Albuminurie
|
A3
|
Makroalbuminurie
|
AER > 300 mg/d; ACR > 300 mg/g oder > 30 mg/mmol
PER > 500 mg/d; PCR > 500 mg/d oder > 50 mg/mmol
|
Albuminurie/Proteinurie im nephrotischen Bereich
|
|
|
AER > 2200 mg/d; ACR > 2000 mg/g oder > 200 mg/mmol
PER > 3500 mg/d; PCR > 3500 mg/g oder > 350 mg/mmol
|
Tubuläre Funktion
|
|
|
|
Tubuläre Sekretion
|
TS[
13
]
|
|
Weitere Spezifizierung notwendig mit der Angabe, ob es sich um eine Rate handelt,
eine Clearance oder einer Fraktion des Filtrates.
|
Tubuläre Rückresorption
|
TR[
14
]
|
|
Weitere Spezifizierung notwendig mit der Angabe, ob es sich um eine Rate handelt,
eine Clearance oder einer Fraktion des Filtrates.
|
Fraktionelle Ausscheidung eines Markers
|
FE[
15
]
z. B. FENa
|
|
|
Fraktionelle Reabsorption eines Markers
|
FR[
16
]
z. B. FRNa
|
|
|
1 GFR = Glomerular Filtration Rate
2 mGFR = measured GFR
3 eGFR = estimated GFR auf der Basis verschiedener Marker: cys – Cystatin C, cr – Kreatinin, cr-cys – Kreatinin und Cystatin C
4 Cl = Clearance
5 mCl = measured Cl auf der Basis verschiedener Marker: urea – Harnstoff (im angloamerikanischen Bereich häufig urea nitrogen – Harnstoffstickstoff), cr – Kreatinin, urea-cr – Harnstoff und Kreatinin
6 eCl = estimated Clearance
7 eClcrea = geschätzte Clearance auf der Basis von Kreatinin
8 AER = Albumin Excretion Rate; UAER = Urine Albumin Excretion Rate
9 ACR = Albumin Creatinine Ratio = Urine Albumin Creatinine Ratio
10 PER = Protein Excretion Rate = Urine Protein Excretion Rate
11 PCR = Protein Creatinine Ratio = Urine Protein Creatinine Ratio
12 Abschätzung der Proteinausscheidung auf der Basis der Albuminausscheidung und umgekehrt
ist nur eingeschränkt präzise
13 TS = Tubular Secretion
14 TR = Tubular Reabsorption
15 FE = Fractional Excretion
16 FR = Fractional Reabsorption
Beide Tabellen gliedern sich in 4 Spalten mit (1) präferierten Begriffen, (2) Abkürzungen
(in Englisch), (3) möglichst zu vermeidenden Begriffen und (4) kurzen Begründungen
für die Begriffsauswahl, Alternativoptionen und Kommentaren. Fußnoten erklären die
Abkürzungen und erläutern Kriterien.
Schlussfolgerungen und Perspektiven
-
Wie jede Auswahl hat auch die Begriffsauswahl Aspekte eines Kompromisses. Die hier
vorgeschlagenen Begriffe sind nach bestem Wissen und Gewissen ausgewählt, können aber
nicht perfekt sein.
-
Eingeübte Begrifflichkeiten aufzugeben und sich an neue zu gewöhnen, mag manchem schwerfallen
oder sogar als unangemessene Bevormundung empfunden werden.
-
Anderseits ist das Ziel einer Verbesserung der Versorgung von Patientinnen und Patienten
durch optimierte Kommunikation nur durch eine gewisse Verbindlichkeit in der Terminologie
erreichbar.
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Die sogenannte Präzisionsmedizin, die die Nephrologie in den kommenden Jahren vermutlich
erheblich verändern wird, bietet ungeahnte Chancen für eine Verbesserung der Prognose
von Nierenkrankheiten [18]. Sie stellt uns aber auch vor die Herausforderung einer erheblich zunehmenden Komplexität
mit zunehmenden Unterteilungen von Krankheitsbegriffen.
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Auch um diese Komplexität zu bewältigen, ist die Festlegung auf eine einheitliche,
aber dynamisch anpassbare Nomenklatur von großer Bedeutung. Je schneller wir diesen
Prozess umsetzen, desto besser.