physiopraxis 2022; 20(10): 54-56
DOI: 10.1055/a-1906-4454
Perspektiven

Schwarzes Brett

Eine gesunde Lebensweise für alle – Kampagne „HealthyLifestyle4All“

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Prof. Dr. habil. Michael Tiemann von der SRH Hochschule für Gesundheit stand physiopraxis Rede und Antwort über die neue Kampagne „HealthyLifestyle4All“. © SRH Hochschule für Gesundheit

Die Initiative „HealthyLifestyle4All“ der Europäischen Kommission möchte einen gesunden Lebensstil für alle Menschen – über Generationen und soziale Gruppen hinweg – fördern (bit.ly/KampagneHL4A). Die im September 2021 ins Leben gerufene Kampagne will vor allem den vielfältigen negativen Folgen des Bewegungsmangels entgegenwirken sowie die Gesundheit und das Wohlbefinden nachhaltig stärken. Um möglichst alle Bevölkerungsgruppen zu erreichen, bedarf es der Mitwirkung relevanter politischer- und gesellschaftlicher Bereiche wie Regierungen, zivilgesellschaftlicher Organisationen, Städte und Gemeinden.

Prof. Dr. habil. Michael Tiemann, Professor für Sportwissenschaften im ausbildungsintegrierenden Bachelorstudiengang Physiotherapie der SRH Hochschule für Gesundheit, gibt Auskunft darüber, wie Physiotherapeut*innen aktiv an der Erreichung der Ziele mitwirken können. Tiemann hat im Juni 2022 den sogenannten Policy Call to Action, also eine Handlungsaufforderung, mitunterzeichnet. Dieser Aufruf beinhaltet die Forderung, einen europäischen Aktionsplan zur Prävention nicht übertragbarer Krankheiten und zur Förderung einer gesunden Lebensweise zu entwickeln.

Wie können Physiotherapeut*innen zur Erreichung der Kampagnenziele mit beitragen?

Um das praktisch alle Bevölkerungsgruppen betreffende Problem des Bewegungsmangels mittel- und langfristig bewältigen zu können, braucht es große Anstrengungen vieler Institutionen und Akteure. Dabei können Therapierende einen wichtigen Part übernehmen. Sie erreichen in ihrer Praxis jeden Tag viele Patient*innen, die sie über die positiven Wirkungen regelmäßiger körperlicher Aktivität – im Zusammenhang mit ihrer Erkrankung und darüber hinaus – informieren und sie entsprechend beraten können. Des Weiteren können sie in ihrer Praxis oder im Rahmen von Kooperationen wie in Schulen und Betrieben entsprechende Bewegungsprogramme durchführen und wichtige Impulse für die Förderung eines gesunden Lebensstils geben.

Die Kampagne soll die Kooperation verschiedener Akteure fördern. Mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung können sich Projekte und Institutionen beteiligen. Gibt es bereits eingereichte deutsche Projekte?

Meines Wissens bislang nicht. Unabhängig davon wurden und werden aber in Deutschland von verschiedenen Institutionen (Universitäten, Sportverbänden, Kommunen, Betrieben, Krankenkassen etc.) seit vielen Jahren zahlreiche Projekte und Interventionen zur Förderung körperlicher Aktivität für spezifische Zielgruppen sowie die Bevölkerung insgesamt initiiert und durchgeführt. Eine wichtige Grundlage sind die von Wissenschaftler*innen entwickelten „Nationalen Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung“.

Ein Ziel der Kampagne ist es, insbesondere schwer erreichbare Bevölkerungsgruppen für einen gesunden Lebensstil zu begeistern. Welche Strategien werden dazu empfohlen?

Hier gelten Interventionen nach dem setting- bzw. lebensweltorientierten Ansatz als besonders erfolgversprechend. Dabei führt man gesundheitsfördernde Maßnahmen dort durch, wo Menschen viel Zeit verbringen, zum Beispiel in der Schule, im Betrieb oder im Altenheim. Eine weitere Strategie zielt auf die Förderung von Alltagsaktivitäten ab. Diese sind niedrigschwellig und können nahezu ohne jedes Risiko ausgeführt werden. Am besten erforscht sind in diesem Zusammenhang die Wirkungen des Gehens, Radfahrens und Treppensteigens. Eine große Bedeutung kommt auch politik- und umweltbezogenen Interventionen zu.

Wie lassen sich in der Physiotherapie Barrieren abbauen, um mehr Menschen für Bewegung zu begeistern?

Es ist wichtig, Menschen, die bislang wenig aktiv waren und häufig auch große Vorbehalte gegenüber körperlicher Aktivität haben, für Bewegung zu begeistern und ihnen den Zugang zu entsprechenden Maßnahmen zu erleichtern. Dabei kommt es entscheidend darauf an, mit den betreffenden Personen individuelle Handlungspläne zur konkreten Umsetzung ihres Vorhabens zu entwickeln. Dies schließt auch Strategien zum Umgang mit Hindernissen ein.

Die Fragen stellte Claudia Czernik.



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Article published online:
19 October 2022

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