Informationen aus Orthodontie & Kieferorthopädie 2022; 54(03): 205-207
DOI: 10.1055/a-1904-3834
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Interview mit Univ.-Prof. Dr. Christina Erbe, Direktorin der Poliklinik für Kieferorthopädie, Universitätsmedizin Mainz (26.7.2022)

Interview with Univ.-Prof. Dr. Christina Erbe, Director of the Department of Orthodontics, University Medical Center Mainz (26.07.2022)
Christina Erbe
1   Poliklinik für Kieferorthopädie, Universitätsmedizin Mainz; Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Innsbruck
,
Adriano Crismani
1   Poliklinik für Kieferorthopädie, Universitätsmedizin Mainz; Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Innsbruck
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C: Wie siehst Du die Zukunft der Aligner-Therapie?

E: Zunächst darf ich vorausschicken, dass ich zur Einführung der Aligner-Therapie eine der größten Kritikerinnen gegenüber dieser Behandlungstechnik war. Es ist jetzt mehr als 20 Jahre her, dass die Aligner-Therapie in Europa eingeführt wurde. Ich hatte das große Glück, während meiner Weiterbildungszeit zur Fachzahnärztin für Kieferorthopädie an der Universität in Gießen bei Herrn Prof. Dr. Pancherz und Frau Prof. Dr. Ruf, einen gut gefüllten Rucksack mit einem Grundstock an kieferorthopädischen Apparaturen, Diagnostik und Therapie erhalten zu haben – von diversen Plattenapparaturen, über FKO-Geräte – selbstverständlich inklusive der Herbst-Apparatur – bis hin zur Behandlung mit Multibracket-Apparaturen. Durch meinen Wechsel an die Universitätsmedizin nach Mainz zu Herrn Prof. Dr. Dr. Heinrich Wehrbein durfte ich zu Beginn erste Erfahrungen mit der Lingualtechnik sammeln – sei es zunächst mit dem IncognitoTM-System (3M), dann mit dem 2D®-Lingual-System (Forestadent) und später mit dem WIN-System (DW Lingual System, GmbH). Durch die Übernahme der Kiefergelenkssprechstunde erfolgten dann die ersten „Gehversuche“ bei Patienten mit der Aligner-Therapie, die an einer craniomandibulären Dysfunktionsstörung (CMD) litten. Wurde nach der Behandlung der CMD mit Funktionsschienen- und Physio-/ Manualtherapie eine Aligner-Therapie zur Zahnkorrektur benötigt und gewünscht, fügte sich diese hier gut ein.

Als Fachzahnärzte:innen für Kieferorthopädie beschäftigen wir uns jeden Tag aufs Neue mit der individuell an den einzelne/n Patienten:in adaptierten Biomechanik. Der wichtigste Punkt hierbei ist der Unterscheid, dass bei Behandlungen mit festsitzenden kieferorthopädischen Apparaturen – also mit Multibracket-Apparaturen – die Zahnbewegung auf Zug erfolgt, wohingegen bei der Aligner-Therapie die Bewegung durch Druck stattfindet. Dies ist neben „actio gleich reactio“ eine der wichtigsten Überlegungen, die wir tagtäglich in unserer Praxis zu berücksichtigen haben. In sämtlichen Vorträgen und Fortbildungen wurde mir, als Anfängerin, dazu geraten erst leichte und einfache Fälle mit der Alignern zu behandeln. An der Universitätsmedizin – das wissen wir alle – schöpfen wir aus dem bunten Becken der schwerwiegenden Patientenfälle, sprich, ich wurde gleich mit komplizierten Aligner-Fällen konfrontiert. Es war für mich gefühlt „der Sprung ins kalte Wasser“, schön und angenehm gerade bei diesen Temperaturen. Rückblickend war es gut so, da ich nach und nach mein Indikationsspektrum mit der Aligner-Therapie entsprechend gut ausbauen konnte.



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Article published online:
23 September 2022

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