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DOI: 10.1055/a-1896-8170
Fokale Krampfanfälle und Posteriores Reversibles Enzephalopathie-Syndrom (PRES) als Erstmanifestation einer IgA-Vaskulitis
Die IgA-Vaskulitis (IgAV; ehem. Purpura-Schönlein-Hennoch) ist eine Immunkomplex-vermittelte Vaskulitis der kleinen Gefäße mit einer Inzidenz von etwa 20 pro 100 000 Kindern pro Jahr und damit die häufigste Vaskulitis bei Kindern [1], [2]. Die Hälfte der betroffenen Patienten ist jünger als 6 Jahre und nur 10 % sind älter als 10 Jahre [3]. Die IgAV kann jedoch auch bei Erwachsenen auftreten. Das männliche Geschlecht ist im Vergleich zum weiblichen doppelt so häufig betroffen [2]. Die Entzündung ist durch die Ablagerung von Immunkomplexen in den Gefäßwänden gekennzeichnet. Die genaue Pathogenese der IgAV ist noch nicht geklärt. Klinische und experimentelle Daten deuten jedoch auf einen infektiösen Auslöser und eine genetische Prädisposition hin – beispielsweise Varianten im IgA1-Molekül, die eine gehemmte Proteolyse von Immunkomplexen verursachen. Klinisch weist die überwiegende Mehrheit der betroffenen Kinder eine nicht-thrombozytopenische Purpura, Arthralgie/Arthritis und Bauchschmerzen auf. Darüber hinaus wurden zahlreiche Manifestationen in anderen Organen wie Niere (Glomerulonephritis), Darm (Invagination), Lunge (Alveolarblutung) und Zentralnervensystem (Krampfanfälle, zerebrovaskuläre Thrombosen) berichtet [2], [4], [5]. Weiterhin gibt es einige anekdotische Berichte über das Auftreten eines posterioren reversiblen Enzephalopathie-Syndroms (PRES) bei Patienten mit IgAV [6]–[10].
Beim PRES handelt es sich um eine akute Form der Enzephalopathie, die vorwiegend die posterioren Großhirnanteile betrifft. Daraus ergibt sich eine klinische Manifestation in Form von Enzephalopathie, Krampfanfällen, Kopfschmerzen und retrochiasmalen Sehstörungen [11], [12]. Ursprünglich wurde das Auftreten eines PRES v. a. bei Patienten mit dauer- oder krisenhaft erhöhtem Blutdruck berichtet. Eine Hypertension ist für die Diagnose eines PRES jedoch nicht zwingend erforderlich [12]. Die Diagnose basiert auf der Kombination aus bekannten Triggerfaktoren, klinischem Bild und einem mittels cMRT nachgewiesenem vasogenem Ödem in typischer Lokalisation. Am häufigsten finden sich dabei in der parieto-okzipitalen Region kortikale oder subkortikale Hyperintensitäten in der T2-Gewichtung. Im Zusammenhang mit der IgAV kann es jedoch schwierig sein, eine zerebrale Vaskulitis von einem PRES oder einer hepatischen Enzephalopathie zu unterscheiden. Das PRES kann mit schwerwiegenden Komplikationen einhergehen und bei einigen Patienten auch neurologische Folgeerscheinungen verursachen [13].
In diesem Manuskript berichten die Autor*innen über ein Mädchen mit Krampfanfällen und PRES als Erstmanifestation der IgAV. Eine ZNS-Vaskulitis konnte dabei ausgeschlossen werden. Das klinische Spektrum der ZNS-Beteiligung der IgAV wird herausgearbeitet und eine systematische Literaturanalyse durchgeführt. Diese ergab, dass Krampfanfälle und PRES offenbar ein unterschätzter Aspekt der IgAV sind. Das birgt das Risiko von Folgeschäden, sofern nicht rechtzeitig diagnostiziert und adäquat behandelt wird.
Material und Methoden
Einwilligungen für eine wissenschaftliche Veröffentlichung wurden von der Patientin und ihren Erziehungsberechtigten eingeholt. Die Studie wurde in Übereinstimmung mit der Deklaration von Helsinki und der Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover durchgeführt. Für die Literaturrecherche wurde die Datenbank PubMed, bestehend aus der US National Library of Medicine und Excerpta Medica dataBASE, von 2 Wissenschaftlern abgefragt. Analysiert wurden Studien in englischer oder deutscher Sprache, die vor dem 20. Oktober 2020 veröffentlicht wurden.
Es wurde eine MeSH-Begriffssuche mit den folgenden MeSH-Begriffen und den Booleschen Operatoren „AND“ und „OR“ durchgeführt: ((purpura schoenlein-henoch[MeSH Terms]) OR (IgA vasculitis[MeSH terms])) AND (posterior reversible encephalopathy syndrome[MeSH terms]), die 14 Veröffentlichungen identifizierte. Eine zusätzliche Freitextsuche mit Hilfe von Boolschen Operatoren und den Begriffen (“posterior reversible encephalopathy syndrome” OR “posterior reversible leukoencephalopathy syndrome” AND “Henoch-Schoenlein purpura” OR “IgA vasculitis”) ergab 275 Datensätze. Um zusätzliche Fälle vor der Einführung der PRES-Diagnose in den Krankenakten zu ermitteln, wurde die Freitextsuche wiederholt, wobei die Begriffe „Krampfanfall“ und „Enzephalopathie“ einbezogen wurden, was zum Auffinden von weiteren 36 Datensätzen führte. Insgesamt wurden so 325 Studien identifiziert, von denen 22 Patienten mit enzephalopathiebedingten Krampfanfällen oder PRES in Verbindung mit IgAV und 2 Studien mit IgAV-assoziierter zerebraler Vaskulitis umfassten ([ Abb. 1 ]). Aus diesen Studien konnten die klinischen Daten von insgesamt 28 Patienten gesammelt werden ([ Abb. 2 ]).
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Ergebnisse
Fallbericht, Präsentation und diagnostische Abklärung
Ein 7-jähriges, zuvor gesundes Mädchen nicht konsanguiner kaukasischer Eltern wurde wegen eines kurzzeitigen, afebrilen fokalen Krampfanfalles (Zucken des rechten Arms) stationär aufgenommen. Stationär trat ein 2. fokaler Anfall auf, welcher sekundär in einen generalisierten Krampfanfall überging. Der Anfall sistierte spontan nach etwa 3 Minuten ohne medikamentöse Intervention. Im Nachhinein berichtete die Patientin über Bauchschmerzen und eine kurze Phase intermittierenden Doppelsehens, die dem Anfall vorausgegangen war. Initial bestand Normotension, im Verlauf des 1. Tages zeigten sich dann aber erhöhte Blutdrücke mit einem maximalen systolischen Druck von 140 mmHg. Bei der Aufnahme zeigten sich mehrere Petechien an den Unterarmen und unteren Gliedmaßen, welche sich progredient zunehmend schlussendlich zu einer palpablen Purpura entwickelten ([ Abb. 3 ]).
Die anfänglichen Blutuntersuchungen ergaben ein normales Blutbild, normale Gerinnungsparameter und normale Nierenretentionsparameter. Der CrP-Wert war leicht erhöht auf 22 mg/l [Norm: < 8] und die D-Dimere waren auf 3,8 mg/l [Norm: < ,5] erhöht. Unser Vaskulitis-Workup war mit normwertigem von-Willebrand-Antigen, ANA und p- und c-ANCA, Anti-ds-DNS-Ak, ENAs, CH50, C3, C4 unauffällig.
Im Liquor waren keine Zellen nachweisbar und Laktat, Glukose und Protein waren normwertig. Die mikrobiologische Untersuchung und die PCR-Untersuchung auf neurotrope Viren waren negativ.
Im Elektroenzephalogramm (EEG) fiel eine ausgeprägte bihemisphärische Verlangsamung, insbesondere der rechten parietookzipitalen Region, auf. Die cMRT zeigte das Vorliegen eines PRES und auf FLAIR/T2-Bildern beidseitig in der parietookzipitalen Region multiple fleckförmige kortikale/subkortikale Hyperintensitäten mit leichten fokalen Schwellungen ([ Abb. 4 ]). Es konnte keine Diffusionseinschränkung (ADC negativ) oder andere Anzeichen einer zerebralen Vaskulitis festgestellt werden.
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Krankheitsverlauf, Behandlung und Nachsorge
Die Patientin wurde zunächst empirisch mit Aciclovir und Ceftriaxon behandelt, bis eine infektiöse Ätiologie für die Symptome ausgeschlossen werden konnte. Nach dem 2. Krampfanfall litt das Mädchen unter Kopfschmerzen und leichten Verhaltensänderungen, war aber insgesamt wohlauf und in einem stabilen Zustand. Es zeigte sich im Verlauf eine zunehmende Blutdruckerhöhung, die trotz der Behandlung mit Dihydralazin am 2. Tag systolische Werte von 150–170 mmHg erreichte. Die blutdrucksenkende Medikation wurde daher schrittweise mit Ramipril, Amlodipin und wiederholten Gaben von Nifedipin erweitert, womit der Blutdruck auf Werte um 130/75 mmHg gesenkt werden konnte.
Andere typische Organmanifestationen der IgAV, wie Athralgien, traten nicht auf. Wiederholte abdominale Ultraschalluntersuchungen zeigten eine normale Durchblutung von Nieren und Darm. Die Urinuntersuchung ergab keine Hinweise auf eine Hämaturie und ein Albumin/Kreatinin-Verhältnis von 33 mg/g schloss eine relevante Nierenfunktionsstörung aus. Die erweiterte sekundäre Hypertoniediagnostik ergab unauffällige Befunde beim Augenhintergrund, Elektrokardiogramm, Echokardiografie und keinen Hinweis auf endokrine Störungen.
4 Tage nach den Krampfanfällen zeigte sich ein nicht schmerzhafter, purpurner Hautausschlag an den unteren Extremitäten, Gesäß/Armen und am Rumpf in loco typico für IgAV ([ Abb. 3 ]). 2 Tage später kehrten Bauchschmerzen und Übelkeit zurück, sodass 3 Tage lang intravenös Methylprednison in einer Dosierung von 2 mg/kg/d verabreicht wurde. Die täglichen Ultraschalluntersuchungen des Abdomens ergaben keinen Hinweis auf eine Darminvagination. Unter der kombinierten blutdrucksenkenden Medikation erholte sich die Patientin neurologisch vollständig, ohne dass es zu weiteren Krampfanfällen kam. Der Blutdruck sank unter fortgesetzter Behandlung mit Ramipril und Amlodipin schlussendlich auf Werte von um 100 mmHg systolisch.
Der Nutzen von Steroiden bei IgAV wurde nur für eine abdominelle Beteiligung nachgewiesen [14]. Studien, die das neurologische Outcome mit und ohne Steroide vergleichen, sind nicht verfügbar. Da unsere Patientin nach dem Abklingen des 1. Anfalls während ihres restlichen Aufenthalts keine neurologischen Symptome zeigte und wegen der möglichen zusätzlichen Anstieg des Blutdrucks, verabreichten wir Steroide erst nach dem Wiederauftreten der abdominalen Symptome [4], [14]. Nach 3 Gaben von i.v.-Steroiden wurde die Medikation auf ein orales Äquivalent umgestellt und anschließend ausgeschlichen.
Bei der Nachuntersuchung nach einem Monat waren keine neurologischen Residuen festzustellen. Das EEG zeigte langsame Wellenkomplexe im okzipitalen Bereich und war ansonsten normal, Nieren-Ultraschall und Urinuntersuchung blieben ohne Auffälligkeiten. Der Bluthochdruck bildete sich zurück und die blutdrucksenkende Medikation konnte nach 4 Wochen abgesetzt werden.
Bei der Nachuntersuchung nach 6 Monaten blieben die klinische und neurologische Untersuchung sowie die Urinuntersuchung und der Blutdruck normal. Die EEG-Befunde hatten sich deutlich gebessert und zeigten nur noch minimal verlangsamte Wellen in der Okzipitalregion. Die cMRT-Nachuntersuchung zeigte weitgehend einen Normalbefund, einzig auffällig war eine schwache fokale Atrophie in den ehemals beeinträchtigten Bereichen. Diese war jedoch ohne klinisches Korrelat.
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Krampfanfälle und PRES bei IgAV
Die Literaturrecherche mit den oben genannten Mesh-Terms ergab 325 Studien, von denen 22 Patienten mit Anfällen oder PRES in Verbindung mit IgAV und 2 Studien mit IgAV-assoziierter zerebraler Vaskulitis eingeschlossen wurden. Aus diesen Studien konnten die klinischen Daten von insgesamt 28 Patienten gesammelt werden. Die Berichte in englischer und deutscher Sprache wurden von 2 Autoren unabhängig voneinander ausgewertet. Zusätzlich wurden Zitate aus Übersichtsarbeiten überprüft, hierdurch konnten jedoch keine weiteren Berichte identifiziert werden ([ Abb. 2 ]).
Insgesamt identifizierten wir 28 Fälle mit IgAV und reversibler Enzephalopathie [6]–[10], [15]–[34]. 26 Fälle waren mit Krampfanfällen verbunden [6]–[10], [15]–[24], [26], [27], [29]–[32], [34]. 14 dieser Fälle erfüllten alle klinisch radiologischen Kriterien eines PRES [6], [7], [9], [10], [15]–[18], [30]–[34]. Lava et al. berichteten von 7 weiteren Fällen. Diese lagen jedoch nicht in englischer Sprache vor oder erfüllten nicht alle radiologischen Diagnosekriterien des PRES und wurden daher in dieser Zusammenfassung nicht als bestätigte PRES-Diagnose betrachtet [35].
Im Gegensatz zur allgemeinen Prävalenz der IgAV (männlich 2:1 weiblich) war die neurologische Beteiligung bei pädiatrischen Patienten nahezu gleich verteilt. Es wurden 2 Fälle bei erwachsenen Männern [28], [32] (22 und 42 Jahre alt) und eine weibliche Patientin gefunden [29]. Berube et al. berichteten jedoch von einer Knabenwendigkeit im Verhältnis 1,5:1 [36]. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 11,2 Jahre (Median 8,0, Spanne 5–42 Jahre), und es wurde keine ethnische Präferenz festgestellt. Das klinische Spektrum der vorliegenden IgAV-Kohorte ist in [ Abb. 5 ] zusammengefasst.
Auffallend war, dass Bauchschmerzen das häufigste Symptom der IgAV bei Patienten mit neurologischer Beteiligung waren (26/30) – ähnlich der Anamnese unserer Patienten.
Bei den Fällen, zu denen Daten vorlagen (28/30), traten neurologische Symptome im Durchschnitt 11,8 Tage nach den 1. Symptomen bei den pädiatrischen Patienten auf (28/30). Bei beiden männlichen Erwachsenen, die an einer reversiblen Enzephalopathie nach IgAV litten, traten wiederholte Episoden über mehrere Jahre nach der Erstdiagnose auf. Bemerkenswert ist, dass der Fall einer 30-jährigen kaukasischen Frau der einzige berichtete Fall mit einem ähnlichen Krankheitsverlauf wie bei pädiatrischen Patienten war [29]. Die Kernspintomografie des Gehirns der Patientin zeigte jedoch nur unspezifische Herde von Signalanomalien in der weißen Substanz und war daher nicht sicher als PRES zu werten. Die am stärksten betroffenen Hirnregionen in der gesamten Bildgebung und EEG-Diagnostik waren auch hier die okzipitalen und parietalen Regionen.
Bei der Mehrheit (13/14) der Patienten, die alle diagnostischen Kriterien des PRES (14/30) nach der Definition von Fugate et al. erfüllten, traten generalisierte Krampfanfälle auf [13]. Interessanterweise zeigten die meisten Fälle von IgAV-assoziierter Enzephalopathie eine vollständige neurologische Remission (27/30) und alle 14 Patienten mit PRES erholten sich vollständig.
Während alle Patienten mit PRES einen zumindest leicht erhöhten Blutdruck aufwiesen, fand sich nur bei der Hälfte dieser Patienten (7/14) eine Nierenschädigung. Der Schweregrad reichte dabei von einer milden Nephritis bis hin zu akutem Nierenversagen. Garzoni et al. berichteten über eine schwere Nierenbeteiligung als häufigstes (29 von 54 Patienten) begleitendes Merkmal bei IgAV-Patienten mit neurologischen Funktionsstörungen [13]. Dies deutet auf eine enge Korrelation zwischen dem Schweregrad der Nierenerkrankung und den neurologischen Merkmalen hin.
Beachtenswert ist, dass sich unsere Patientin von allen früheren Berichten dadurch unterschied, dass sie beim Auftreten der neurologischen Symptome und der klinisch radiologischen Diagnose eines PRES ohne andere zerebrale Gefäßpathologie nur einen leicht erhöhten Blutdruck hatte. 2 Tage nach der Diagnosestellung stiegen die Blutdruckwerte jedoch trotz 4-facher antihypertensiver Medikation auf 150/90 mmHg an. Trotz der therapierefraktären Hypertonie für weitere 10 Tage klangen die neurologischen Symptome nach 2 Tagen ab und während des Krankenhausaufenthalts wurde kein Rückfall beobachtet. Bei einer umfassenden diagnostischen Untersuchung auf sekundären Bluthochdruck wurden keine Auffälligkeiten festgestellt und der Bluthochdruck verschwand nach 4 Wochen.
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Diskussion
Obwohl die Langzeitprognose der IgAV hauptsächlich auf die Nierenschädigung zurückzuführen ist, kann eine zerebrale Beteiligung zu einer erheblichen Morbidität und Mortalität führen [13]. Schwere neurologische Symptome wurden in 2–8 % der IgAV-Fälle berichtet [19], [35], [37]. Neuere Studien wie z. B. Trapani et al. berichten mit 3 % neurologischer Beteiligung bei IgAV von einer tendenziell geringeren Inzidenz [37]. Insgesamt zeigten 89–94 % aller IgAV-Patienten eine vollständige Genesung. Allerdings kommt es bei schätzungsweise 20 % der Patienten mit zerebralen Beeinträchtigungen durch IgAV zu Langzeitfolgen wie fokal neurologischen Defiziten oder struktureller Epilepsie [36], [38]. Dabei ist zu beachten, dass die Hälfte dieser Patienten eine intrakranielle Blutung entwickelt hatte.
Bei fast allen in dieser Studie analysierten Patienten mit signifikanter zerebraler Beteiligung traten die Krampfanfälle in der Frühphase der Erkrankung auf. Nur ein Bruchteil der Patienten (8/29) litt unter fokalen, 79,3 % (23/29) unter generalisierten Krampfanfällen ([ Abb. 2 ]). Unsere Zahlen sind höher als die von Berube et al. [36] berichteten 53 % aller pädiatrischen und erwachsenen IgAV-Patienten mit Krampfanfällen. In der genannten Studie wurden jedoch nur Patienten mit der Diagnose PRES analysiert. Die Mehrheit (13/14) der in unserer Studie identifizierten PRES-Patienten litt an Krampfanfällen. Dieses Ergebnis deckt sich mit den von Lava et al. [35] berichteten Daten (17/17 Patienten). Die geringere Gesamtzahl der Patienten in dieser Studie ist auf den Ausschluss von Patienten zurückzuführen, bei denen die endgültige Diagnose nicht eindeutig war. PRES bezieht sich auf eine klinisch radiologische Störung. Es gibt jedoch keine validierten Diagnosekriterien und die meiste Literatur basiert auf Fallserien oder Beobachtungsdaten [39]. Das PRES hat in den vergangenen 2 Jahrzehnten zunehmend an Awareness gewonnen. Es gibt jedoch immer noch keine prospektiven Beobachtungsstudien, weshalb wir uns entschieden haben, ältere Berichte ohne wesentliche klinisch radiologische Daten für die Diagnose eines PRES auszuschließen.
Bei unserer Patientin führte ein kurzer afebriler fokaler Anfall (Zucken des rechten Arms), der sich zu einem generalisierten Anfall ausweitete und nach wenigen Minuten spontan sistierte, zu einer Krankenhauseinweisung. Obwohl Krampfanfälle vorwiegend in der akuten Phase der Erkrankung auftreten, haben wir in der Literatur 3 Patienten gefunden, bei denen Krampfanfälle das 1. Anzeichen einer IgAV waren [8], [17], [19]. Wir kommen daher zu dem Schluss, dass IgAV als Differenzialdiagnose von afebrilen Krampfanfällen in Betracht gezogen werden sollte, insbesondere bei normothrombozytären Petechien trotz fehlender ZNS-Entzündung. Eine cMRT sollte in diesen Fällen umgehend durchgeführt werden. Interessanterweise wies fast die Hälfte der IgAV-Patienten (die keine Krampfanfälle erlitten hatten) Anomalien im EEG auf [40]. Dies steht im Einklang mit einer kürzlich durchgeführten EEG-Studie, in der bei der kontinuierlichen EEG-Überwachung von 32 Patienten mit PRES in 62 % der Fälle nichtkonvulsive Anfälle und epileptiforme Muster festgestellt wurden [41].
Das PRES ist in der Regel durch Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Krampfanfälle und Sehstörungen als Folge eines fokalen vasogenen Hirnödems gekennzeichnet. Es wird angenommen, dass das PRES bei IgAV entweder als Folge einer zerebralen Vaskulitis unter normotensiven Bedingungen und/oder einer Autoregulationsstörung der zerebralen Gefäße (d. h. sekundär zu renalem Bluthochdruck) auftritt, was größtenteils mit den zuvor berichteten IgAV-PRES-Patienten übereinstimmt [42] ([ Abb. 2 ]). In beiden Fällen ist die Blut-Hirn-Schranke beeinträchtigt, was ein vasogenes Ödem begünstigt [43].
Unser Fall veranschaulicht, dass sich ein PRES bei IgAV mit nur leicht erhöhtem Blutdruck oder Normotension entwickeln kann. Ein normotensives PRES wird unter anderem mit einer Vielzahl von Krankheitszuständen und Triggerfaktoren in Verbindung gebracht. Insbesondere sind hier die Einnahme von immunsuppressiven Medikamenten, speziell Calcineurin-Inhibitoren, die Eklampsie, postpartale Blutungen, systemischer Lupus erythematodes und Nierenversagen zu nennen [12].
Ein normotensives PRES im Zusammenhang mit einer IgAV wurde bisher nur in 3 Fällen berichtet. In 2 dieser Fälle deuteten die Liquor- und Bildgebungsbefunde auf eine Entzündung und zerebrale Vaskulitis hin. Interessanterweise litt unsere Patientin zunächst an einem (nahezu) normotensiven PRES ohne Anzeichen einer zerebralen Vaskulitis ([ Abb. 4 ]). In einem kürzlich publizierten Fall eines 8-jährigen Jungen trat das PRES mit nur leichtem Bluthochdruck auf und wurde durch ein reversibles zerebrales Vasokonstriktionssyndrom (RCVS) verkompliziert [18]. Eine zerebrale Vasokonstriktion wird gelegentlich auch bei erwachsenen PRES-Patienten beobachtet. Der genannte Fall war jedoch das 1. in der Literatur berichtete Auftreten von PRES und RCVS bei einem pädiatrischen Patienten. Bei unserer Patientin zeigte die cMRT keine Anzeichen von Vaskulitis oder multifokalen Infarkten, wie sie bei dem oben genannten Patienten beobachtet wurden. Eine digitale Subtraktionsangiografie wurde jedoch nicht durchgeführt. Andere Ursachen des PRES, wie z. B. auslösende Medikamente oder Nierenfunktionsstörungen, waren ausgeschlossen worden.
Park et al. vermuten eine Rolle der durch Interleukin-6 ausgelösten vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor-induzierten angiogenen Aktivität bei der Entwicklung von PRES nach IgAV [44]. Bei der hier berichteten Patientin war das IL-6 jedoch nur geringfügig auf 31 ng/l [n. v. < 7] erhöht, während die cMRT ein perivaskuläres Ödem zeigte. Daher favorisieren wir die Hypothese, dass die Kombination einer möglicherweise subklinischen zerebralen Vaskulitis, die die Blut-Hirn-Schranke beeinträchtigt, in Verbindung mit einem leicht erhöhten Blutdruck ausreichte, um diesen schweren klinischen Zustand zu verursachen.
Wir stellen weiterhin die Hypothese auf, dass die entzündliche Veränderung der Gefäßwände höchstwahrscheinlich mit einer Störung der Autoregulation einhergeht, die zu einem erhöhten Blutdruck führt [46]. Bei IgAV lagern sich Komplexe aus Immunglobulin A (IgA) und Komplementkomponente 3 (C3) in der Wand von Arteriolen, Kapillaren und Venolen ab [45]. Die Durchlässigkeit und Thrombogenität der Gefäßwände bei aktiver Vaskulitis, die Synthese von Antiphospholipid-Antikörpern und andere hämostatische Störungen können zu hämorrhagischen und thrombotischen Komplikationen der IgAV beitragen [36]. Aufgrund der eingeschränkten sympathischen Innervation des posterioren zerebralen Kreislaufs sind die posterioren Regionen anfälliger und ein vasogenes Ödem wird daher vorwiegend in diesen Regionen beobachtet.
Bei unserem Patienten stieg der Blutdruck in den folgenden Tagen nach der PRES-Diagnose deutlich an und war recht resistent gegen blutdrucksenkende Therapie. In den folgenden Wochen mit kontinuierlichem und therapierefraktärem hypertensivem Blutdruck traten jedoch keine weiteren neurologischen Symptome auf.
Im Gegensatz zum PRES wird die hypertensive Enzephalopathie (HE) als Funktionsstörung des Gehirns infolge eines deutlich erhöhten Blutdrucks definiert [47]. Zu den Symptomen können Kopfschmerzen, Erbrechen, Gleichgewichtsstörungen, Verwirrtheit und Krampfanfälle gehören, sodass sie dem klinischen Bild des PRES recht ähnlich ist. Bei der hypertensiven Enzephalopathie liegt der Blutdruck in der Regel über 200/130 mmHg. Gelegentlich kann sie aber auch bei einem Blutdruck von nur 160/100 mmHg auftreten. Die hypertensive Enzephalopathie tritt am häufigsten bei jungen und mittelalten Patienten mit unkontrolliertem Bluthochdruck auf. Der bei pädiatrischen HE-Patienten berichtete mittlere systolische Blutdruck reicht von 175 mmHg bei nierenbedingter Hypertonie bis 137 mmHg bei nicht nierenbedingter Hypertonie [48]. HE ist ein klinischer Zustand, der durch erhöhten Blutdruck verursacht wird und der per Definition durch eine Blutdrucksenkung rückgängig gemacht werden kann. Unbehandelt kann sie jedoch auch zur Entwicklung eines PRES, einer intrazerebralen Blutung oder letztlich zum Tod führen. Woolfenden et al. wiesen darauf hin, dass frühere Fälle, die als „zerebrale Vaskulitis“ veröffentlicht wurden, einen Verlauf aufwiesen, der der 1996 erstmals beschriebenen PRES sehr ähnlich war [8]. Beide Erkrankungen können insbesondere die hinteren Hirnregionen betreffen. Die diffusionsgewichtete Bildgebung (DWI) und Mapping des Diffusionskoeffizienten (ADC) werden zur Charakterisierung ischämischer Läsionen bei Vaskulitis und zur Unterscheidung von vasogenen Ödemen verwendet. PRES-Läsionen sind typischerweise FLAIR-positiv und nur in schweren Fällen kommt es zu einer irreversiblen Ischämie mit pathologischem DWI- und ADC-Signal. Die wichtigsten Kriterien beider Pathologien stellen wir in [ Tab. 1 ] gegenüber.
PRES |
HE |
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Pathophysiologie |
zumeist vasogenes Ödem kortikal/subkortikal |
Vasokonstriktion gefolgt von Versagen der zerebralen Autoregulation mit Dilatation und Ödembildung im Kindesalter häufig Manifestation einer Nierenschädigung |
Klinische Manifestation |
Enzephalopathie Krampfanfälle Sehstörungen Normo- oder Hypertension Kopfschmerz (dumpf, moderat bis schwer) fokale neurologische Defizite selten keine weiteren Endorganschäden |
Enzephalopathie Krampfanfälle Sehstörungen (erhebliche) Hypertension Kopfschmerz (drückend, schwer) fokale neurologische Defizite häufig hypertensive Endorganschäden (Lunge, Niere, Herz, Auge) |
Bildgebung |
bilaterales, vasogenes Ödem kortikal und in der subkortikalen weißen Substanz, oft betont parietookzipital, aber auch bifrontal oder entlang der supratentoriellen Grenzzonen; Basalganglien, Thalami und Kleinhirn können auch betroffen sein, teilweise asymmetrisch, zumeist reversibel, bei eingeschränkter Diffusion permanente Defekte möglich fleckiges, kortikal-subkortikales Enhancement möglich Punktblutungen möglich, Massenblutung selten |
vasogenes Ödem in den Basalganglien und/oder Grenzzonen oder im Hirnstamm, diffuses Ödem in ausgedehnten Fällen multifokale Mikroblutungen in Kortex, Basalganglien, Pons, Kleinhirn. Multifokales fleckiges Enhancememt möglich, häufiger eingeschränkte Diffusion als PRES |
Auch entzündliche Veränderungen im Liquor können helfen, vaskulitische von ödematösen Läsionen zu unterscheiden. Beide Pathologien können jedoch auch mit normalen Liquorbefunden einhergehen und somit tatsächlich gleichzeitig bestehen. Berube et al. weisen darauf hin, dass bei fehlender Hypertonie oder Nierenschädigung eine direkte vaskulitische Beteiligung der Hirngefäße tatsächlich eine direkte kausale Rolle bei PRES [36] spielen kann.
Zusammenfassend kommen wir zu dem Schluss, dass schwere ZNS-Beteiligungen wie Krampfanfälle und PRES unterschätzte Merkmale der IgAV sind, auf die Ärzte achten sollten. Darüber hinaus weisen unser Fall und 3 frühere Berichte [8], [17], [19] darauf hin, dass ZNS-Symptome anderen Manifestationen der IgAV vorausgehen können. So kann die IgAV zunächst andere Erkrankungen wie das Waterhouse-Friderichsen-Syndrom imitieren. Schließlich ist die Pathogenese des PRES im Zusammenhang mit der IgAV nach wie vor unklar. Wir zeigen, dass PRES trotz fehlender renaler Hypertonie oder zerebraler Vaskulitis auftreten kann, was fundierte Behandlungsentscheidungen erschwert. Aus pädiatrischer Sicht ist es beachtenswert, dass alle Patienten (28/29) mit neurologischen Manifestationen diffuse bis kolikartige Bauchschmerzen aufwiesen (25/27) oder im Verlauf entwickelten (2/27). Ähnliche Fälle wurden bei jungen Erwachsenen beschrieben, z. B. bei akuter intermittierender Porphyrie oder systemischem Lupus erythematodes, die durch ein PRES verkompliziert wurden [49], [50]. Bei allen 3 Entitäten waren Bauchschmerzen eines der ersten Anzeichen einer systemischen Manifestation der Grunderkrankung. Die Kombination aus schweren Unterleibssymptomen bei jungen Patienten ohne klare Anamnese, unschlüssigen Laborwerten und Ultraschalluntersuchungen sollte uns behandelnde Ärzte veranlassen, eine Vaskulitis früh differenzialdiagnostisch in Betracht zu ziehen. Blutdruck und Nierenfunktion sollten in diesen Fällen genau überwacht werden. Ein zusätzlicher Hautausschlag oder leichte neurologische Symptome müssen als zusätzliche Warnzeichen betrachtet werden. Das erhöhte Bewusstsein für diese Verläufe kann dazu beitragen, die diagnostische Abklärung und Anamnese bei schwerer neurologischer Beteiligung und Bluthochdruck auf eine vaskulitische Beeinträchtigung auszurichten, noch bevor die pathognomonische Purpura auftritt. Eine rechtzeitige neurologische Beurteilung und cMRT, einschließlich diffusionsgewichteter Sequenzen und/oder zerebraler Angiografie, können entscheidend zu einer raschen Diagnose und Behandlung beitragen.
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Bei der IgAV handelt es sich um eine Vaskulitis der kleinen Gefäße, die die Haut, den Magen-Darm-Trakt, die Gelenke und die Nieren befällt; die Möglichkeit einer ZNS-Beteiligung wird jedoch unterschätzt.
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Unsere Patientin ist die 14. berichtete Patientin mit PRES als Form einer schweren ZNS-Beteiligung bei IgAV mit Krampfanfällen, die den Merkmalen der IgAV deutlich vorausgehen.
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Die diagnostischen Untersuchungen ergaben keinen Hinweis auf eine ZNS-Vaskulitis als Ursache der ZNS-Erkrankung.
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Dieser Fall veranschaulicht, dass sich ein PRES trotz initial nicht relevant erhöhten Blutdrucks im Rahmen einer IgAV entwickeln kann.
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Die Entwicklung eines PRES trotz fehlender Nierenfunktionsstörung deutet darauf hin, dass eine Kombination aus dem Zusammenbruch der zerebralen Autoregulation, einer endothelialen Dysfunktion und einem Flüssigkeitsaustritt in das Gehirnparenchym für die Pathogenese des PRES von Bedeutung sein könnte.
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Interessenkonflikt
CK: Vortragshonorare: DSAI e.V., Rheumatologische Fachassistenz e.V., Pfizer; AdBoards: SOBI; Reisekosten und Kongressgebühren: Takeda, Octapharma, Hexal, Novartis, SL Behring
Für die anderen Autorinnen und Autoren wurden keine Interessenkonflikte angegeben.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Einwilligungen für eine wissenschaftliche Veröffentlichung wurden von der Patientin und Erziehungsberechtigten eingeholt. Die Studie wurde in Übereinstimmung mit der Deklaration von Helsinki und der Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover durchgeführt.
Danksagung
Die Autoren danken der Familie der Patientin sowie allen behandelnden Ärzten der Abteilung für Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und Neonatologie, der Abteilung für Pädiatrische Nephrologie, Hepatologie und Stoffwechselstörungen, der Abteilung für Pädiatrische Neurologie und der Abteilung für Radiologie der Medizinischen Hochschule Hannover.
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07 September 2022
© 2022. Thieme. All rights reserved.
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