Arthritis und Rheuma 2022; 42(04): 258-266
DOI: 10.1055/a-1896-8170
Kasuistik Kinderrheumatologie

Fokale Krampfanfälle und Posteriores Reversibles Enzephalopathie-Syndrom (PRES) als Erstmanifestation einer IgA-Vaskulitis

Dominik Funken
1   Klinik für Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und Neonatologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
,
Eva Bültmann
2   Pädiatrische Neuroradiologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
,
Janina Gburek-Augustat
3   Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Leipzig
,
Ulrich Baumann
1   Klinik für Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und Neonatologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
,
Frank Dressler
1   Klinik für Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und Neonatologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
,
Christian Klemann
1   Klinik für Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und Neonatologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
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Die IgA-Vaskulitis (IgAV; ehem. Purpura-Schönlein-Hennoch) ist eine Immunkomplex-vermittelte Vaskulitis der kleinen Gefäße mit einer Inzidenz von etwa 20 pro 100 000 Kindern pro Jahr und damit die häufigste Vaskulitis bei Kindern [1], [2]. Die Hälfte der betroffenen Patienten ist jünger als 6 Jahre und nur 10 % sind älter als 10 Jahre [3]. Die IgAV kann jedoch auch bei Erwachsenen auftreten. Das männliche Geschlecht ist im Vergleich zum weiblichen doppelt so häufig betroffen [2]. Die Entzündung ist durch die Ablagerung von Immunkomplexen in den Gefäßwänden gekennzeichnet. Die genaue Pathogenese der IgAV ist noch nicht geklärt. Klinische und experimentelle Daten deuten jedoch auf einen infektiösen Auslöser und eine genetische Prädisposition hin – beispielsweise Varianten im IgA1-Molekül, die eine gehemmte Proteolyse von Immunkomplexen verursachen. Klinisch weist die überwiegende Mehrheit der betroffenen Kinder eine nicht-thrombozytopenische Purpura, Arthralgie/Arthritis und Bauchschmerzen auf. Darüber hinaus wurden zahlreiche Manifestationen in anderen Organen wie Niere (Glomerulonephritis), Darm (Invagination), Lunge (Alveolarblutung) und Zentralnervensystem (Krampfanfälle, zerebrovaskuläre Thrombosen) berichtet [2], [4], [5]. Weiterhin gibt es einige anekdotische Berichte über das Auftreten eines posterioren reversiblen Enzephalopathie-Syndroms (PRES) bei Patienten mit IgAV [6]–[10].

Beim PRES handelt es sich um eine akute Form der Enzephalopathie, die vorwiegend die posterioren Großhirnanteile betrifft. Daraus ergibt sich eine klinische Manifestation in Form von Enzephalopathie, Krampfanfällen, Kopfschmerzen und retrochiasmalen Sehstörungen [11], [12]. Ursprünglich wurde das Auftreten eines PRES v. a. bei Patienten mit dauer- oder krisenhaft erhöhtem Blutdruck berichtet. Eine Hypertension ist für die Diagnose eines PRES jedoch nicht zwingend erforderlich [12]. Die Diagnose basiert auf der Kombination aus bekannten Triggerfaktoren, klinischem Bild und einem mittels cMRT nachgewiesenem vasogenem Ödem in typischer Lokalisation. Am häufigsten finden sich dabei in der parieto-okzipitalen Region kortikale oder subkortikale Hyperintensitäten in der T2-Gewichtung. Im Zusammenhang mit der IgAV kann es jedoch schwierig sein, eine zerebrale Vaskulitis von einem PRES oder einer hepatischen Enzephalopathie zu unterscheiden. Das PRES kann mit schwerwiegenden Komplikationen einhergehen und bei einigen Patienten auch neurologische Folgeerscheinungen verursachen [13].

In diesem Manuskript berichten die Autor*innen über ein Mädchen mit Krampfanfällen und PRES als Erstmanifestation der IgAV. Eine ZNS-Vaskulitis konnte dabei ausgeschlossen werden. Das klinische Spektrum der ZNS-Beteiligung der IgAV wird herausgearbeitet und eine systematische Literaturanalyse durchgeführt. Diese ergab, dass Krampfanfälle und PRES offenbar ein unterschätzter Aspekt der IgAV sind. Das birgt das Risiko von Folgeschäden, sofern nicht rechtzeitig diagnostiziert und adäquat behandelt wird.



Publication History

Article published online:
07 September 2022

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