Schlüsselwörter
Gefängnis - Drogen - Überdosierung - Schadensminimierung - MAT - Naloxon
Key words
drug use - overdose - MAT - Prison - harm reduction - naloxone
Einleitung
„Eine unendliche Geschichte – Drogen und Strafvollzug“ so
titeln die Herausgeber des Forums Strafvollzug (Zeitschrift für
Strafvollzug und Straffälligenhilfe), ihre Ausgabe im Januar/Februar
2021. Der Titel zeigt deutlich, dass in diesem Kontext noch viel Verbesserungsbedarf
besteht. Insbesondere für intravenös (i. v.) konsumierende
Opioidkosument*innen geht die Inhaftierung, neben negativen psychosozialen
Folgen, mit einem erhöhten gesundheitlichen Risiko einher. Diese Gruppe ist
aufgrund des Konsums bzw. der mit dem Konsum illegalisierter Substanzen
einhergehenden Handlungen, häufig von Repression und Inhaftierung betroffen.
Im Rahmen der DRUCK-Studie des RKI [1] gab mit
81% der Teilnehmenden die große Mehrheit an, mindestens einmal im
Leben inhaftiert gewesen zu sein, 32% innerhalb des letzten Jahres. Die
mediane Gesamthaftzeit betrug drei Jahre und sechs Monate. Annähernd ein
Drittel der Befragten gab an, jemals Drogen in Haft intravenös konsumiert zu
haben. Weitere Studien bestätigen diese hohen Inhaftierungszahlen [2]
[3]
[4]. Mit einer Inhaftierung
besteht zum einen die Gefahr der Übertragung einer Hepatitis-C (HCV) und
einer Humane Immundefizienz-Virus-Infektion ( HIV) durch die Nutzung gebrauchter
Konsumutensilien, die im Gefängnis (mit Ausnahme einer Justizvollzugsanstalt
in Berlin) nicht in steriler Form abgegeben werden und zum anderen steigt das
Mortalitätsrisiko für i. v. Konsument*innen in den
ersten Tagen nach der Haftentlassung [4]
[5]
[6]
[7]
[8]
[9]
[10]
[11]
[12].
Binswanger et al. (2013) zeigen, dass die Mortalitätsrate nach
Haftentlassung zwischen 1999–2009 bei 737 per 100 000 Personen im Jahr lag,
davon waren 14,8% opioidbedingte Todesfälle [9]. Eine Analyse der drogeninduzierten
Todesfälle in Hamburg zwischen 2003 und 2013 zeigt, dass in den ersten 30
Tagen nach Haftentlassung ein erhöhtes Risiko für eine
Überdosierung mit Todesfolge besteht. 13,3% der drogeninduzierten
Todesfälle traten in diesem Zeitraum ein, 90% davon aufgrund von
Opioid-Intoxikationen [7].
Im Rahmen einer Befragung der Landeskriminalämter in Deutschland und eines
narrativen Reviews wurden sowohl aktuelle Daten zur Lage in Deutschland erhoben als
auch Maßnahmen zur Vermeidung von drogeninduzierten Todesfällen nach
einer Haftentlassung identifiziert und im Anschluss in Handlungsempfehlungen
für Deutschland übersetzt.
Methodik
Im Februar/März 2021 wurden alle 16 Landeskriminalämter in
Deutschland kontaktiert, um die Zahl der drogeninduzierten Todesfälle nach
den ersten zwei Monaten nach Haftentlassung zu erheben. Diese Befragung wurde sowohl
per Email als auch telefonisch durchgeführt.
Im Februar 2021 wurde ein narratives Review in den Datenbanken Pubmed und google
scholar durchgeführt. Hierbei wurden sowohl einzelne Studien als auch
Übersichtsarbeiten zu den bestehenden Maßnahmen
medikationsgestützte Behandlung und Naloxonvergabe an der Schnittstelle Haft
und Freiheit in Deutschland und international, sowie deren Effekte auf die
drogeninduzierte Mortalität nach Haftentlassung identifiziert. Zielparamater
waren hierbei Naloxon, Opioid-Substitutionstherapie (OST) – begrifflich
besser und international gebräuchlich: medikationsgestützte
Behandlung/medication-assisted treatment (MAT), Gefängnis und
Mortalität nach Haftentlassung.
Ergebnisse
Befragung der Landeskriminalämter – Drogeninduzierte
Todesfälle nach Haftentlassung
In Deutschland erfassen die Landeskriminalämter die drogeninduzierten
Todesfälle des jeweiligen Bundeslandes. In den meisten Fällen
erfolgt dies durch die polizeiliche Übermittlung der Daten an das
jeweilige Landeskriminalamt (LKA). Eine systematische Erhebung über
zurückliegende Hafterfahrungen der verstorbenen Personen erfolgt nicht.
Lediglich zwei Landeskriminalämtern war es möglich die Daten
hierzu zu generieren, in den übrigen Bundesländern werden
personenbezogene Daten nach einem gewissen Zeitraum gelöscht, sodass
keine nachträgliche Erhebung möglich ist oder sie werden nicht
an das zuständige LKA übermittelt.
13 der 16 kontaktierten Landeskriminalämter haben sich auf die Anfrage
zurückgemeldet bzw. Auskunft zum Stand zur Erhebung der
drogeninduzierten Todesfälle gemacht. Lediglich zwei davon konnten
Zahlen zu drogeninduzierten Todesfällen bis zu 2 Monaten nach der
Haftentlassung übermitteln. Die Daten zeigen, dass die
Mortalität nach einer Inhaftierung (max. 2 Monate nach Haftentlassung)
in den zwei Bundesländern gering ist und lediglich
1,1%–3,3% der drogeninduzierten Todesfälle
ausmacht. Sekundärdaten lassen jedoch vermuten, dass der prozentuale
Anteil zwischen den Bundesländern stark variiert. So zeigt Groß
(2021), dass die Zahlen in Bayern durchaus höher sind. Hier starben in
den Jahren 2015–2020 im Mittel 21,2 Personen im Anschluss an eine
Haftentlassung [13]. 2008 machten die
drogeninduzierten Todesfälle nach Haftentlassung in Bayern sogar knapp
13% der drogen-bedingten Todesfälle aus [14]. Es zeigt sich, dass die Datenlage und
-erhebung über drogeninduzierte Todesfälle in Deutschland sehr
unvollständig und lückenhaft ist. Die Erhebungen variieren je
nach Bundesland – einheitliche, systematische Erhebungen sind nicht zu
erkennen, was lediglich zu punktuellen und kaum aussagekräftigen Daten
führt. Da die Zahl der drogenbedingten Todesfälle durch
Überdosierung nach Haftentlassung nicht bundeseinheitlich oder
überhaupt erfasst wird, ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer der
Drogenkonsument*innen, die nach einer Haftentlassung versterben hoch
ist. Die Zahl der drogenbedingten Todesfälle in Deutschland nimmt seit
10 Jahren kontinuierlich zu und hat im Jahr 2020 mit 1.581 Fällen einen
neuen Höchstwert der letzten 20 Jahre erreicht [15]. Vor diesem Hintergrund linear
ansteigender Drogentodeszahlen ist davon auszugehen, dass auch der Anteil der
drogeninduzierten Todesfälle nach einer Haftentlassung ansteigt.
Narratives Review
Zwei Wege zur Reduzierung von drogeninduzierten Todesfällen nach
Haftentlassung
Das narrative Review hat gezeigt, dass eine Vielzahl von Studien existiert,
die eine erhöhte Mortalität Opioidkonsumierender nach
Haftentlassung feststellen und daraus Prophylaxe-Empfehlungen ableiten. Zwei
Strategien zur Vermeidung von drogeninduzierten Todesfällen nach
einer Haftentlassung sind identifiziert worden:
-
Kontinuität der medikamentengestützten Therapie
Opioidabhängiger in Haft und nach Haftentlassung
-
Prävention durch Aufklärung über und Zugang
zu Naloxon.
Degenhardt et al (2014) zeigen, dass das Risiko einer Überdosierung
mit Todesfolge in den ersten 14 Tagen nach einer Haftentlassung bei
Personen, die eine medikationsgestützte Behandlung erhalten haben,
um 75% niedriger ist als bei Personen, die keine Behandlung erhalten
haben [16]. Bird et al. (2015) haben
150.517 Haftentlassungen von insgesamt 131.472 Personen zwischen
1996–2007 in Schottland untersucht. Der Fokus lag hierbei auf
drogenbedingten Todesfällen vor und nach der Implementierung der
medikationsgestützte Behandlung im Gefängnis. Es zeigt sich,
dass die Einführung der medikationsgestützte Behandlung im
Jahre 2002 zu einer Reduktion der opioidbedingten Mortalität
geführt hat. So gingen die drogeninduzierten Todesfälle 12
Wochen nach der Haftentlassung von 3.7 bzw. 4.0 auf 2.4 bzw. 1.9 pro 1000
Haftentlassungen zurück [23].
Auch Marsden et al. (2017) fanden einen Rückgang der
drogeninduzierten Todesfälle um 85% in den ersten 4 Wochen
nach Haftentlassung in England [24].
Zusammenfassend zeigen Malta et al. (2019) auf der Grundlage einer
systematischen Literaturrecherche, bei der 46 Studien aus dem Zeitraum
Januar 2008 bis Oktober 2019 analysiert wurden, einen klaren positiven
Effekt der medikationsgestützte Behandlung auf. Positive Effekte
sind sowohl die Reduzierung von drogeninduzierten Todesfällen und
Rückfällen als auch die Erhöhung von Eintritten in
Maßnahmen der Drogenhilfe nach Haftentlassung [25].
Naloxon ist ein Opioid-Antagonist der die atemlähmende Wirkung von
Opioiden innerhalb weniger Minuten aufhebt und v. a. durch
Notfallmediziner*innen, seit ca. 20 Jahren verstärkt aber
auch durch geschulte Laien (Betroffene, Eltern, Mitarbeiter*innen
der Drogen- und Aidshilfen), eingesetzt wird, bis Rettungskräfte vor
Ort sind [16]
[17]
[18]
[19]
[20]
[21]
[22]. Positive Effekte
der Vergabe von Naloxon an der Schnittstelle Haft und Freiheit zeigen sich
insbesondere in Schottland, wo die Vergabe von und Aufklärung
über Naloxon bei Haftentlassung seit 2011 durchgeführt wird
[26]
[27]. Während der Anteil der
drogeninduzierten Todesfälle 4 Wochen nach der Haftentlassung vor
der Implementierung (2006–2010) 9,8% der Drogentoten
ausmachte, sank der Anteil nach der Implementierung (2011–2013) auf
6,3%. Ähnliche Effekte konnten auch nach einer Entlassung
aus anderen geschlossenen Einrichtungen verzeichnet werden. Hier sank der
Anteil von 19,0% auf 14,9% [27]. Weiterhin wird die Effektivität von Naloxon bei der
Vermeidung von drogenbedingten Todesfällen aus der
Übersichtsarbeit von McDonald und Strang sichtbar, in der sie die
Effektivität basierend auf der Analyse von 22 identifizierten
Studien ableiten [28].
Sowohl eine kontinuierliche, durchgehende medikationsgestützte
Behandlung als auch die Aushändigung von Naloxon werden,
insbesondere mit Blick auf die Haftentlassung, von der WHO, der UNODC und
der EMCDDA empfohlen und gelten als wichtige Strategien zur Reduzierung der
drogeninduzierten Todesfälle und Stabilisierung von
Drogengebrauchenden nach der Haftentlassung [4]
[29]
[30]
[31]. Davon ausgehend, dass die beschriebenen Maßnahmen
maßgeblich dazu beitragen können die Mortalität an
der Schnittstelle zwischen Inhaftierung und Freiheit zu reduzieren und diese
bereits seit 2014 von der WHO empfohlen werden, ist ein Überblick
über die Umsetzung in Deutschland notwendig.
Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen in Deutschland
-
Kontinuität der medikamentengestützte Therapie
Opioidabhängiger in Haft und nach Haftentlassung.
Die Umsetzung einer medikationsgestützte Behandlung in
Deutschland variiert stark zwischen den Bundesländern und
insbesondere zwischen der Behandlung im Gefängnis und in
Freiheit. Müller et al. (2017) zeigen in einer Studie zur
Schadensminimierung im Justizvollzug, dass lediglich 58% der
Gefängnisse in Deutschland in den Jahren 2012–2013
überhaupt eine medikationsgestützte Behandlung
angeboten hatten [32]. Aus der
Bundeseinheitlichen Erhebung zur stoffgebundenen Suchtproblematik im
Justizvollzug geht hervor, dass lediglich durchschnittlich ca. 24
% der Opioidabhängigen oder von multiplem
Substanzkonsum abhängigen Inhaftierten substituiert werden
– mit großen regionalen Unterschieden [33]
[34] Das entspricht etwa der
Hälfte der Zahl in Freiheit [35]
[36]. Zudem
kommt es häufig zu Abbrüchen der
medikationsgestützten Behandlung bei Haftantritt und zu
medizinisch nicht-gerechtfertigten Umstellungen des Medikaments oder
Reduzierung der Dosierung [37]
[38]. Ergebnisse
eines EU-Projekts zeigen, dass medikationsgestützte
Behandlungen oft nicht möglich sind. Barrieren
führen dazu, dass nicht alle Personen, die eine Behandlung
benötigen auch eine erhalten [1]
[39]
[47]. Dies zeigt, dass eine zur
Gesundheitsversorgung in Freiheit äquivalente medizinische
Versorgung von Gefangenen nicht durchgehend und
flächendeckend in Deutschland umgesetzt wird [48].
Insbesondere an der Schnittstelle zwischen Haft und Freiheit wird die
Organisation einer Weitersubstitution nach Haftentlassung nicht
überall mit der notwendigen Konsequenz im Rahmen der
Entlassungsvorbereitung umgesetzt [49]. Auch die Umsetzung alternativer Behandlungsformen,
wie z. B. der Umstieg auf ein- bis vierwöchige
Depot-Applikationen (z. B. Buprenorphin), die insbesondere
die Problematik an der Schnittstelle Haft-Freiheit für eine
gewisse Zeit lösen könnten, wird nicht ausreichend
thematisiert [40]
[41]. Einzelne
Justizvollzugsanstalten bzw. Städte/Regionen haben
Netzwerke entwickelt, um die Weiterbehandlung unter den aktuellen
Voraussetzungen bestmöglich zu sichern. So wurden
z. B. in Hannover/Niedersachsen und Köln
Absprachen zwischen Krankenkassen, Jobcentern und substituierenden
Ärzt*innen getroffen, um eine durchgehende
Behandlung zu ermöglichen [14].
-
Aufklärung über und Zugang zu Take-Home-Naloxon
Naloxon wird in Deutschland aktuell lediglich im Rahmen eines Modellprojektes
in Bayern an Opioidgebrauchende nach der Haft ausgegeben [50].
Die Aufklärung über und den Zugang zu Take-Home-Naloxon ist
essentiell. Wichtig wäre hier die präventive
Aufklärung über die verminderte Opioidtoleranz nach
Haftentlassung (und dadurch die Gefahr letaler Opioidintoxikation) durch den
Gefängnisarzt bei der Entlassungsuntersuchung.
Good practice – Beispiele zur Implementierung der
Maßnahmen
-
Schottland – Drug Death Taskforce
In Schottland wurde in Anbetracht der hohen Zahl drogeninduzierter
Todesfälle eine spezielle Einheit gegründet, die sich
ausschließlich mit der Reduzierung der drogenbedingten
Todesfälle und der Behandlung von Drogengebrauchenden
beschäftigt. Aktuell wurden in ersten Arbeitsgruppen
Arbeitsabläufe thematisiert mit dem Ziel bestimmte Aspekte der
Behandlung von Drogengebrauchenden voranzutreiben. Zudem wurden Standards
entwickelt, die zum Teil an individuelle Situationen angepasst werden sollen
und flächendeckend umgesetzt werden sollen. Ein besonderer Fokus
liegt auf den Personen, die am stärksten gefährdet sind
(z. B. Menschen in Haft, ohne festen Wohnsitz etc.). Für die
Behandlung dieser Personengruppen wurden 6 Maßnahmen erarbeitet, die
absolute Priorität besitzen [42]:
-
Gezielte Abgabe von Naloxon
-
Implementierung eines sofortigen Reaktionsweges für eine
nicht tödliche Überdosierung, d. h. ein
Algorithmus zum Umgang mit opioid-bedingter Intoxikation
-
Optimierung des Einsatzes medikamentöser Behandlungen
-
Direkter Einbezug gefährdeter Personen
-
Optimierung der Überwachung der öffentlichen
Gesundheit
-
Gewährleistung der gleichwertigen Unterstützung und
Behandlung für Personen in Haft
Außerdem wurden in Schottland Leitlinien mit dem Ziel der Reduzierung
der opioidbedingten Mortalität innerhalb der ersten Wochen nach der
Haftentlassung entwickelt. Insbesondere zielen die Leitlinien auf folgende
Maßnahmen ab:
Ziel der Leitlinien ist die Bereitstellung von Informationen über die
Vorteile von Naloxon bei Haftentlassung für
Entscheidungsträger*innen sowie über notwendige
Schritte, die für die Implementierung von Take-Home-Naloxon
Programmen notwendig sind. Die Leitlinien können auf lokale
Anforderungen angepasst werden und bieten einen gebrauchsfertigen
Projektplan zur Umsetzung von Take-Home-Naloxon Programmen an der
Schnittstelle Haft und Freiheit [43].
-
Deutschland – 'BayTHN – Take-Home-Naloxon in
Bayern' und NALtrain
Mit der Unterstützung des Bayerischen Gesundheitsministeriums wurde
das Modellprojekt „BayTHN – Take-Home-Naloxon in
Bayern“ im Jahr 2018 gestartet [44]. Im Rahmen des Modellprojekts wurden medizinische Laien in
Drogenhilfeeinrichtungen und Justizvollzugsanstalten geschult, um im Falle
einer Überdosierung Naloxon verabreichen zu können. Zudem
erfolgte eine Vergabe von Naloxon in Form eines Nasensprays. Die Datenlage
zeigt, dass Naloxon im Falle einer Überdosierung aktiv genutzt wurde
und seit dem Start im Oktober 2018 insgesamt 500 Personen geschult werden
und 70mal Leben retten konnten [44].
Auch ein Bericht von Condrobs e.V. (Drogenhilfeträger in Bayern) zum
aufgeführten Modellprojekt zeigt wie erfolgreich Zielgruppen durch
Vernetzung, Kooperation und Implementierung der Maßnahme geschult
werden konnten [45]. 2018 konnten in
diesem Rahmen bereits 40 Personen an Trainings teilnehmen, allerdings haben
nur 27 davon ein Naloxon-Notfall-Kit (mit Nasenspray) erhalten. Die aktuelle
rechtliche Situation führe dazu, dass die Naloxon-Notfall-Kits
ausschließlich an aktuell Konsumierende ausgegeben werden
können und nicht an nicht-opioidabhängige Personen [45].
Seit dem 1.7.2021 existiert ein Bundesmodellprojekt zur
Take-Home-Naloxon-Abgabe (NALtrain), das auch den Haftbereich
einschließt.[1]
Diskussion und Fazit für die Praxis
Deutlich wird, dass die Grundlagen und das Wissen über Maßnahmen zur
Vermeidung von drogeninduzierten Überdosierungen mit Todesfolge nach der
Haftentlassung in den Grundzügen vorliegen und die Wege für eine
Umsetzung geebnet sind. Notwendig erscheint eine systematische Erfassung des
Zusammenhangs zwischen drogeninduzierten Todesfällen und der Haftentlassung
bei den Landeskriminalämtern, sowie eine zügige und barrierefreie
Umsetzung vor allem der beiden aufgezeigten Maßnahmen an der Schnittstelle
von Haft und Freiheit: sowohl die medikationsgestützte Behandlung als auch
die Aufklärung über und die Abgabe von Take-Home-Naloxon sollten
für i. v. Konsumierende durchgehend zur Verfügung stehen, um
zum einen den Konsum psychotroper Substanzen nach Haft zu verringern und zum anderen
die Todesfolge im Falle einer Überdosierung nach Haftentlassung zu
verhindern. Praktiker*innen, insbesondere Sozialarbeitende und medizinisches
Personal sollten über die hier aufgeführten Risiken und
möglichen Prophylaxemaßnahmen umfassend informiert sein. Es zeigt
sich, dass sich zumindest ein wachsendes Interesse an Take-Home-Naloxon Programmen
entwickelt [44]
[46].
Zu fordern ist auch eine Klarstellung der rechtlichen Situation, die
gegenwärtig die Abgabe von Naloxon (Nasenspray) an potentielle,
nicht-opiatabhängige Laienersthelfer verunmöglicht.
Die Autoren haben für die Veröffentlichung keine finanzielle
Unterstützung erhalten.