Zeitschrift für Palliativmedizin 2022; 23(04): 184-187
DOI: 10.1055/a-1867-9999
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Doppelkopf: Philipp Lenz und Anna Schober

Philipp Lenz

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Wie kamen Sie in Ihr jetziges Tätigkeitsfeld?

Seit meinem Studium bin ich von ganzem Herzen Mitarbeiter des Universitätsklinikums Münster und Mitglied der medizinischen Fakultät. Bis 2015 gab es hier noch keine Struktur für die palliativmedizinische Versorgung von erwachsenen Patient*innen. Ich habe mich auf die Ausschreibung der ärztlichen Leitung des Palliativdienstes beworben, da ich hier mein medizinisches Netzwerk und meine Expertise zum Wohle der schwerstkranken Patient*innen einsetzen wollte. Meine Leidenschaft gilt von Anfang an der intensiven Versorgung von Patient*innen und ihrem familiären Umfeld.Zusammen mit der pflegerischen Leitung, Herrn Michael Terborg, habe ich mich 2015 auf den Weg gemacht, die palliativmedizinische Versorgung an unserem Universitätsklinikum zu etablieren. Aus einem kleinen 2-Mann-Palliativdienst wurde sehr schnell ein großartiges, multiprofessionelles Team von Mitarbeiter*innen mit dem gleichen hohen Anspruch an die Patientenversorgung. Aktuell können wir das volle Spektrum universitärer Palliativversorgung anbieten.

Was wäre für Sie die berufliche Alternative?

In meinem Elternhaus wuchs ich umgeben von moderner Kunst auf. Leider fehlte mir persönlich das Talent für die malenden oder bildhauerischen Künste. Die Fotografie hat mich aber schon immer begeistert. Meinen gewählten Beruf liebe ich aber über alle Maßen und stelle mir daher eine Alternative ungern vor.

Wie beginnen Sie Ihren Tag?

Ich stehe relativ früh auf und begrüße den Tag schon mit einem kurzen Gang mit unserem Hund. Mein Sohn ist ebenfalls ein Frühaufsteher, ich bereite dann das Frühstück für die ganze Familie vor, er liest die Zeitung und berichtet mir die Neuigkeiten aus dem Blickwinkel eines jungen Heranwachsenden. Gerade in der jetzigen Zeit kann das einen schon mal nachdenklich machen. Ich empfinde es als großes Privileg, den Tag im Kreise der Familie beginnen zu können.

Leben bedeutet für mich …

Kommunikation. Wir kommunizieren immer und jederzeit. Mit der Natur, unserer Umwelt und den Menschen um uns herum. Kommunikation in jeglicher Form ist es doch, was unser Leben spannend macht. Gerade in der Palliativversorgung lernen wir die uns anvertrauten Patient*innen sehr intensiv kennen und dürfen mit ihnen kommunizieren. Je komplizierter und komplexer eine kommunikative Situation, desto spannender und herausfordernder für mich.

Sterben bedeutet für mich …

das Ende von Kommunikation. Diese Beendigung erfolgt im Hier und Jetzt, mit den uns nahestehenden geliebten und auch ungeliebten Menschen. Umso trauriger ist es, wenn wir erfahren müssen, dass Patient*innen und ihre Angehörigen nicht, oder nur unzureichend miteinander gesprochen haben.Ich glaube persönlich, dass wir auch nach unserem Tod weiterkommunizieren werden. Wie, mit wem und in welcher Form wird wohl unergründbar bleiben.

Welches Ziel möchten Sie unbedingt noch erreichen?

Ich bin kein Mensch, der seinen 5-Jahres-Plan vor Augen hat. Eine Familie und Kinder wollte ich immer haben und bin sehr glücklich, dass dieser Wunsch in Erfüllung gegangen ist.Aktuell wäre mein großes Ziel ein Forschungsprojekt umsetzen zu können, in dem wir eine sehr moderne Form der digitalen Palliativversorgung – so nah am Menschen wie möglich – umsetzen und evaluieren wollen.

Meine bisher wichtigste Lernerfahrung im Leben ist …

… das Krankheit und Tod unabhängig von Alter, sozialem Status oder Lebenssituationen stattfinden. Dies erfahre ich jederzeit im klinischen Alltag und es ist bewundernswert, wie unsere Patient*innen das manchmal annehmen können, ebenfalls unabhängig von Alter, sozialem Status oder Lebenssituation. Diese Lernerfahrung führt dazu, dass ich mein Leben auf besondere Weise wertschätzen und genießen kann. Gleichzeitig beneide ich aber manchmal auch Menschen, die vollkommen unberührt von solchen Überlegungen durchs Leben gehen.

Was würden Sie gern noch lernen?

Ich würde gerne noch eine Fremdsprache lernen, die von vielen Mensch mit ausländischen Wurzeln in Deutschland gesprochen wird (z. B. Russisch oder Türkisch), es wäre schön, wenn man seine Patient*innen damit überraschen könnte. Leider fehlt mir dazu die Zeit.

Woraus schöpfen Sie Kraft für Ihre Arbeit?

Ich habe zwei große Kraftquellen für meine Arbeit. Die Basis bildet natürlich meine Familie, die mich auffängt, unterstützt und auf andere Gedanken bringen kann. Daneben gibt es mein großartiges Team, ohne dass das Arbeitspensum kaum zu schaffen wäre. Wir pflegen hier einen sehr harmonischen, wertschätzenden Umgang miteinander. Dies hilft uns viele, manchmal auch dramatische Patientenfälle auszuhalten.

Mit wem aus der Welt- oder Medizingeschichte würden Sie gern einmal einen Abend verbringen?

Ich mag es sehr, wenn Menschen sich mit „Haut und Haar“ einer Passion verschreiben, neue Dinge entdecken oder großartige künstlerischer Werke erschaffen. Mit Marie Curie hätte ich gerne mal einen Abend verbracht und mir von ihr den Moment der Entdeckung der Radioaktivität schildern lassen.

Wenn ich einen Tag unsichtbar wäre, würde ich …

mich in das Atelier eines weltberühmten Künstlers schleichen, und ihn bei der Entstehung seiner Arbeiten beobachten, z. B. Gerhard Richter oder Ólafur Elíasson wäre da eine Idee.

Wie können Sie Frau Schober beschreiben?

Anne Schober und ihren Mann habe ich erstmals 2004 auf eine Tagung in Bonn kennengelernt, die ich als junger Doktorand besuchte. Als wäre es gestern gewesen kann ich mich erinnern, wie sehr sie an mir als Person interessiert war und an meinem Interesse für die Wissenschaft. Anne ist ein unglaublich offener, warmherziger und umfassend interessierter Mensch. Sie widmet sich ihren Aufgaben mit der bereits erwähnten Hingabe, die ich an meinen Mitmenschen so schätze. Exemplarisch sei hier Ihr Engagement in der Lehre genannt – mit ihrem Kurs für Anatomie und Bildgebung ist sie mehrfach als „Lehrerin des Jahres für die Vorklinik“ von den Studierenden gewählt worden. Die von ihr betreuten Doktorand*innen und Studenten wurden fast wie eigene Kinder begleitet und unterstützt. Sie erfreut sich an ihren Erfolgen, aber begleitete auch ihre Misserfolge oder Schicksalsschläge. Eine echte Leidenschaft für den medizinischen Nachwuchs!Mit ihrer Stiftung für christliche Hospizarbeit engagiert sie sich zusammen mit ihrem Mann seit Jahrzehnten für die Palliativmedizin. Und die Leidenschaft geht dabei wirklich ins Detail: Jede Spende, jede Zuwendung, jede Unterstützung wird mit einem persönlichen Dankesschreiben wertgeschätzt.Ganz besonders schätze ich auch an Anne, dass sie sich auf ihre Aufgaben stets akribisch vorbereitet. Wenn wir im Rahmen unserer universitären Gremienarbeit gemeinsame Termine wahrnahmen, konnte man sich immer darauf verlassen – die Unterlagen waren von ihr intensiv gesichtet und geprüft worden.

Wie beenden Sie Ihren Tag?

Wie der Tag angefangen hat, so versuchen wir auch am Ende des Tages zum Abendessen in der Familie zusammenzukommen. Da erfahre ich auch, was am Tag in der Schule und zu Hause gut oder eben nicht so gut verlaufen ist. Zusammen mit meiner Frau schätze ich es auch, den Abend dann mit einem Glas Wein, einem guten Buch oder auch einfach mal unspektakulär vor dem Fernseher ausklingen zu lassen.

Gibt es etwas, das Sie gern gefragt worden wären, aber noch nie gefragt worden sind?

Es gibt eigentlich nichts, was ich gerne gefragt worden wäre. Dahingegen gibt es aber viele Dinge, auf die ich gerne eine Antwort bekommen würde. Es treibt mich zum Beispiel die Frage um, wie wir die Pflegeberufe wieder attraktiver gestalten können und verhindern können, dass immer mehr Pflegekräfte ihren Job quittieren. Ihre Arbeit ist so unglaublich wichtig, nicht nur für unsere schwerstkranken Patienten. Ohne die professionell Pflegenden werden wir die Aufgaben des demografischen Wandels in der medizinischen Versorgung nicht stemmen können.

Zur Person

Geboren wurde ich am 22.07.1978 in Emsdetten. Von Oktober 1999 bis Mai 2006 studierte ich Humanmedizin an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster mit einem Erasmus-Semester an der Université de Lille, Frankreich.

Klinik:

Am 01.07.2006 begann ich meine klinische Ausbildung als Assistenzarzt an der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Stoffwechselkrankheiten am Universitätsklinikum Münster. Seit 2011 bin ich Facharzt für Innere Medizin, ich erwarb 2012 die Zusatzbezeichnung „Palliativmedizin“ und 2014 den Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie. Seit 04.2015 habe ich die ärztliche Leitung der Zentralen Einrichtung Palliativmedizin inne und kann seit 10.2018 als Geschäftsführer das Krebszentrum WTZ Netzwerkpartner Münster mitgestalten. Zusammen mit den Kolleg*innen in Essen sind wir nun onkologisches Spitzenzentrum, gefördert durch die deutsche Krebshilfe (2021).

Wissenschaftliche Tätigkeit:

Zu Beginn meiner klinischen Ausbildung lag mein Forschungsinteresse im Bereich der klinisch/endoskopischen Forschung. Im Rahmen von zwei Forschungs-Rotationsstellen untersuchte ich die „Molekularen Bildgebung“ in der Endoskopie.

Mit dem Wechsel meiner klinischen Tätigkeit in Richtung Palliativmedizin habe ich auch mein Forschungsinteresse hierhin fokussiert. Hilfreich dabei war auch der European Palliative Care Academy Leadership Course, den ich von 2015 bis 2017 absolvierte. Mich interessiert vor allem der Benefit der Digitalisierung für die palliativmedizinische Versorgung. So konnten wir im Rahmen eines großen EFRE-Projektes „oVID – Offenes Videosystem in der Medizin“ den Stellenwert der Telemedizin in der Palliativmedizin evaluieren.

Ich bin Gutachter zahlreicher Fachjournale (u. a. Zeitschrift für Palliativmedizin, Annals of Palliative Medicine, Nature Communications, Endoscopy) und an zahlreichen Leitlinien beteiligt.

2017 hatte ich die Ehre, Kongresspräsident der 2. Mitgliedertagung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin in Münster zu sein.

Als gewähltes Mitglied des Fachbereichsrates der medizinischen Fakultät, der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster versuche ich seit dem SS 2010 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter, an der Gestaltung des Forschungsstandortes Münster aktiv mitzuwirken.

Lehrtätigkeit:

Als Palliativmediziner war ich von Beginn an (2012) in die Entwicklung des QB 13 Palliativmedizin an unserer Fakultät beteiligt. Seit 2015 bin ich Lehrbeauftragter „Palliativmedizin“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

2018 zeichneten mich die Studierende als „Lehrer des Jahres“ im Bereich Klinik für meine palliativmedizinische Lehre aus.

Ich bin verheiratet und habe 2 Kinder.



Publication History

Article published online:
04 July 2022

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