PSYCH up2date 2025; 19(02): 153-168
DOI: 10.1055/a-1846-9072
Störungsübergreifende Themen und Methoden

Dimensionale Ansätze in der Diagnostik und Behandlung psychischer Erkrankungen

Teil 1: Persönlichkeitsfunktion und maladaptive Traits in DSM-5 und ICD-11
André Kerber
,
Phileas Heim
,
Carina Remmers
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Die Einführung des deskriptiven kategorialen Ansatzes zur Klassifikation psychischer Störungen wurde als Fortschritt für Diagnosesicherheit und Theorieunabhängigkeit betrachtet – neueste Studien zeigen jedoch seine Grenzen auf. Teil 1 beleuchtet die theoretischen Grundlagen von Persönlichkeitsfunktion und maladaptiven Traits (Dimensionale Ansätze in DSM-5 und ICD-11), Teil 2 deren praktische Anwendung in Diagnostik und Therapie.

Kernaussagen
  • Seit der Einführung des DSM-III 1980 dominiert ein deskriptiver, kategorialer Ansatz, der psychische Störungen anhand fest definierter Symptomgruppen diagnostiziert –neuere empirische Studien zeigen jedoch erhebliche Heterogenität individueller Phänotypen innerhalb von Störungskategorien sowie gemeinsame Symptome und Risikofaktoren über Störungskategorien hinweg.

  • In ICD-11 und dem alternativen DSM-5 Modell werden kategoriale Persönlichkeitsstörungen durch ein dimensionales Konzept ersetzt. Dabei wird das Funktionsniveau der Persönlichkeit, welches auf Objektbeziehungs- und Mentalisierungstheorie zurückgeht, gemeinsam mit maladaptiven Traits, welche wiederum auf einem empirisch-deskriptiven Ansatz basieren, eingeschätzt.

  • Objektbeziehungs- und Mentalisierungstheorien sind entwicklungspsychopathologische Modelle, die von Kliniker*innen in deren Arbeit mit Kindern und Erwachsenen entwickelt wurden und erklären, wie Beziehungserfahrungen in den ersten Lebensjahren die Entwicklung von Selbst- und Fremdwahrnehmung, Identität, Emotionsregulation und Beziehungsfähigkeit beeinflussen.

  • Neuere entwicklungspsychopathologische Studien können die Zusammenhänge zwischen frühen Kindheitserfahrungen und Psychopathologie im Erwachsenenalter bestätigen, insbesondere eines komplexen Wechselspiels aus angeborenem Temperament und (un-)günstigen Reaktionen des Umfelds.

  • Während die Einschätzung des Funktionsniveaus der Persönlichkeit und maladaptive Traits in DSM-5 und ICD-11 als dimensionales Maß für Schweregrad und Stil von Persönlichkeitsstörungen konzeptualisiert ist, bestätigen aktuelle Studien Zusammenhänge zu verschiedenen psychischen Erkrankungen und transdiagnostischen Indikatoren.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
14. März 2025

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