Tierarztl Prax Ausg K Kleintiere Heimtiere 2022; 50(03): 240-242
DOI: 10.1055/a-1843-1634
Verbandsnachrichten

Mitteilungen der DVG

65. Jahrestagung und 27. Schnittseminar der Fachgruppe „Pathologie“

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Die Tagung wurde erneut online durchgeführt (Quelle: DVG)

In diesem Jahr führte die Fachgruppe „Pathologie“ der DVG bereits ihre 65. Jahrestagung durch! Vom 4. bis zum 6. März fand die Tagung in Kombination mit dem 27. Schnittseminar wie auch im Vorjahr online statt. Erneut nahmen insgesamt etwa 300 Kolleginnen und Kollegen teil, die von Tagungs- und Fachgruppenleiter Prof. Dr. Andreas Beineke (Hannover) herzlich begrüßt wurden. Auch DVG-Präsident Prof. Dr. Martin Kramer sprach Grußworte.

Das Thema des Schnittseminars lautete „Pathologie des Auges“. Referenten waren Dr. Olivia Kershaw, Prof. Dr. Corinna Eule und Prof. Dr. Robert Klopfleisch (alle Berlin). Das diesjährige Schnittseminar zeichnete sich durch die Verbindung zwischen Pathologie und Klinik aus. So gab Prof. Klopfleisch u. a. einen sehr anschaulichen Überblick über die Tumoren am Auge, die zwar grundsätzlich selten, jedoch klinisch relevant sind, da sie unabhängig von der Dignität immer einen Einfluss auf den Visus haben. Prof. Eule und Dr. Kershaw stellten dann entsprechende praxisnahe Fälle jeweils aus klinischer sowie pathologisch-histologischer Sicht vor.

Die 65. Jahrestagung startete mit dem Übersichtsvortrag „Wünsche des Klinikers an die forensische Pathologie“ von Prof. Dr. Axel Wehrend (Gießen). Er erläuterte zunächst die Tätigkeiten des Klinikers im Bereich der Forensik – einem Sammelbegriff für wissenschaftliche und technische Arbeitsgebiete, in denen kriminelle Handlungen systematisch untersucht werden – und stellte dar, dass etwa 60 Prozent der von ihm zu schreibenden Gutachten mit Fragen des Tierschutzes befasst seien. Häufig ginge es auch um mögliche Haftpflichtfälle, um Todesursachen, Arzneimittelrecht sowie um die Frage, was der Mensch mit dem Tier gemacht habe. Bei der Erstellung eines Gutachtens als Sachverständiger seien u. a. die Begutachtung spezieller Zusammenhänge oder differentialdiagnostischer Probleme sowie die Beurteilung von Prognose und strittigen Kausalitätsfragen von Bedeutung. So müsse beispielsweise geklärt werden, ob die Verschlechterung des Zustands eines Tieres nach einer Operation auf Behandlungs- oder Operationsfehler zurückzuführen sei. Eine wichtige Rolle in solchen Situationen spiele die forensische Pathologie, von der sich der Kliniker Aufschluss u. a. darüber wünsche, wie relevant Erkenntnisse seien, wie schnell bestimmte Prozesse sich entwickeln, wie eine Behandlung die weitere Entwicklung beeinflusst und wann der Phänotyp zur Qual wird. Auch Aussagen zur Häufigkeit von Erkrankungen, um Wahrscheinlichkeiten ableiten zu können und die Publikation seltener Fälle, die Kausalitäten aufzeigen können, seien wünschenswert. In diesem Zusammenhang wies Prof. Wehrend auf die häufig ungenügende Dokumentation klinischer Maßnahmen hin und appellierte an praktisch tätige Kolleginnen und Kollegen, sämtliche Behandlungen etc. ausreichend zu dokumentieren. Abschließend stellte er fest, dass die Forensik eine zunehmende Herausforderung sei, die eine verstärkte Kooperation erfordere.

Mit den Worten, dass Pathologie und Tierschutz ein „untrennbares Paar“ seien, stellte Prof. Dr. Achim Gruber (Berlin) die Referentin des dritten Übersichtsvortrags vor: Dr. Heidemarie Ratsch (Berlin), die zu „Qualzucht bei Heim- und Nutztieren im Licht des Ethik-Kodex der Tierärztinnen und Tierärzte Deutschlands“ sprach. Sie ging zunächst auf die seit dem 01.01.2022 geltende neue Tierschutz-Hundeverordnung ein, die ein Ausstellungsverbot von Hunden mit tierschutzwidrig amputierten Ohren oder Ruten sowie auch mit Qualzuchtmerkmalen enthält. Unter Qualzucht verstehe man beim Züchten von Tieren die Duldung oder Förderung von Merkmalen, die mit Schmerzen, Leiden, Schäden oder Verhaltensstörungen für die Tiere verbunden sind. Dr. Ratsch stellte die umfangreichen Maßnahmen der Tierärztekammer Berlin vor, um ein Umdenken in der Gesellschaft zu erreichen – z. B. Plakataktionen und weitere Öffentlichkeitsarbeit – sowie auch das „Qualzucht-Evidence Netzwerk (QUEN)“. QUEN ist ein Projekt von Tierärztinnen, Tierärzten und weiteren Personen aus unterschiedlichen Fachdisziplinen, das zum Ziel hat, Vollzugshilfen für Veterinärämter zu entwickeln und diese sowie auch Rechtsgutachten, einschlägige Urteile, Informationen zu Tierarten und relevanten Merkmalen über eine Website öffentlich zugänglich zu machen. Die Referentin zitierte den Ethik-Kodex, nach dem Tierärztinnen und Tierärzte „jede Form von Tierzucht, die zu Schmerzen, Leiden und Qualen führt oder beiträgt“ verurteilen und sich „für die präventive Aufklärung sowie für das Erkennen und Vermeiden solcher Entwicklungen“ einsetzen und warf die Frage auf, ob die Tierärzteschaft dem Ethik-Kodex gerecht wird.

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Im Vortrag von Dr. Heidemarie Ratsch (Foto rechts unten) ging es um das viel beachtete Thema Qualzucht, Prof. Dr. Achim Gruber (Foto rechts oben) stellte die Referentin vor. (Quelle: DVG)

In der anschließenden sehr lebhaften Diskussion wurde erörtert, „wie rigoros man als Tierarzt in der Beratung“ sein darf; es ginge einerseits um das Wohl der Tiere, andererseits um wirtschaftliche Aspekte. Sowohl Dr. Ratsch als auch Prof. Gruber sprachen sich dafür aus, deutlich Stellung zu beziehen, in der Kommunikation aber mit Feingefühl vorzugehen. Auf die Frage, wann Pathologen das Veterinäramt informieren sollten, antwortete Dr. Ratsch, dass die Schweigepflicht nicht mehr greife, wenn Rechtsverletzungen vorliegen. Prof. Gruber ergänzte, dass man als Pathologe Stellung beziehen müsse. Da die Kaufentscheidung in der Gesellschaft der größte Hebel sei, um den Qualzuchtmarkt zu beeinflussen, könnten die Beiträge von Tierkrankenversicherungen ein wichtiges Argument im Gespräch mit Tierhaltern sein, da sie mit den Kosten, die für Qualzuchtrassen entstehen, korrelieren und damit deutlich machen, was auf den Tierhalter zukommen kann.

Eine bisher wenig beachtete Rolle spielen Defektzuchten als unbewusstes Zuchtziel zur Bedienung des menschlichen Pflegetriebes. So sei in Studien eine besonders enge Bindung von Besitzern zu ihren Tieren mit Qualzuchtmerkmalen festgestellt worden. Nach deren Tod werde häufig wieder ein entsprechendes Tier angeschafft (siehe Literaturliste).

Einen weiteren Übersichtsvortrag hielt Prof. Dr. Silke Rautenschlein (Hannover) zur „Interpretation von pathologisch-anatomischen Befunden beim Nutzgeflügel vor dem Hintergrund konventioneller Haltungssysteme und Genotypen“.

Die Präsentationen im Vortragsprogramm befassten sich u. a. mit Klein-, Heim- und Nutztieren. Ergebnisse aktueller Studien und Fallberichte wurden vorgestellt. Auch zu klinischen und pathologischen Aspekten der SARS-CoV2-Infektion sowie zur Empfänglichkeit von Ex vivo- und In vitro-Kultursystemen verschiedener Tierarten für SARS-CoV2 wurden Vorträge angeboten.

In den beiden Postersessions, die parallel in zwei virtuellen Räumen stattfanden, wurde den Teilnehmern geballtes Wissen konzentriert und effizient nahegebracht. Über den Chat konnten Fragen gestellt werden. Die beste Studie und der beste Fallbericht erhielten Preise, wobei kein Ranking vorgenommen wurde, da beide Arbeiten gleichwertig waren.

Über die Auszeichnungen freuten sich:

  • Johannes Krüger (bester Fallbericht, Preisgeld: 250 Euro):

    Mastzelltumor im Musculus interosseus medius eines Pferdes

  • Pauline Pöpperl (beste Studie, Preisgeld: 250 Euro):

    Charakterisierung der Epithelzellbarriere bei der Hundestaupevirus-induzierten Pneumonie

Die 66. Jahrestagung und das 28. Schnittseminar werden vom 3. bis 5. März 2023 stattfinden. Über das Format (online/Präsenz) wird zu einem späteren Zeitpunkt entschieden. Prof. Dr. Thomas Rosol (Athens, Ohio) wird das Schnittseminar zum Thema „Pathologie der endokrinen Organe“ leiten.

Der Tagungsband mit den Abstracts der Vorträge und Poster kann für 10,00 Euro zzgl. 3,00 Euro für Verpackung und Versand in der DVG-Geschäftsstelle bestellt werden (info@dvg.de).

    Literatur

  1. Packer R. et al. (2019): Great expectations, inconvenient truths, and the paradoxes of the dog-owner relationship for owners of brachycephalic dogs. In: PLOS ONE 14(7), S. e0219918.

  2. Sachser, Norbert (2022): Das unterschätzte Tier: Was wir heute über Tiere wissen und im Umgang mit ihnen besser machen müssen (Rowohlt, Hamburg).

  3. Sandøe P. et al. (2017): Why do people buy dogs with potential welfare problems related to extreme conformation and inherited disease? A representative study of Danish owners of four small dog breeds. PLoS ONE 12(2).

Dr. Marion Selig, DVG-Geschäftsstelle



Publication History

Article published online:
05 July 2022

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