ZUSAMMENFASSUNG
Vor 100 Jahren verstarb der Schweizer Psychiater Hermann Rorschach, nur ein Jahr nach
der Geburt seines berühmt gewordenen Tests. Vorliegender Beitrag würdigt beide, Rorschach,
den Menschen, und Rorschach, den Test. Herrmann Rorschach war Künstler, Arzt und Wissenschaftler.
Das Deutenlassen von Zufallsformen war nur eines von vielen Forschungsinteressen,
die er verfolgte. Zwar hoffte er, seine Tintenkleckse einmal diagnostisch einsetzen
zu können, sah aber einen noch langen Weg wahrnehmungspsychologischer Experimente
vor sich. Sein früher Tod ließ ihn den ungeahnten Erfolg seiner Klecksmethode nicht
mehr erleben. Von Amerika aus verbreiteten sich die 10 standardisiert beklecksten
Tafeln über die ganze Welt; der Rorschachtest avancierte zum populärsten projektiven
Verfahren der Testpsychologie. Wenn auch gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts eine
Abnahme der Veröffentlichungen zur Rorschach-Diagnostik zu verzeichnen war, zeugen
neurowissenschaftliche Arbeiten von einem Sich-Besinnen auf die ursprünglichen wahrnehmungspsychologischen
Ziele Hermann Rorschachs. So aktivieren etwa Klecksassoziationen, die eine Bewegung
implizieren, das Spiegelneuronensystem und bilden damit eine Brücke zwischen Sehen,
Kinaesthesie und Einfühlung. Lateralisiert-tachistoskopische Stimulation der beiden
Gehirnhälften mit Rorschachs Klecksen validieren seine „Psychodiagnostik“ und belegen
gleichzeitig die Rolle hemisphärenspezifischer Verarbeitungsprozesse für die Persönlichkeitspsychologie.
ABSTRACT
The present essay is a tribute to Rorschach, the man and Rorschach, the test. Inkblots
were just one of many research issues the Swiss psychiatrist Herrmann Rorschach was
interested in. Although he had hoped that a person’s associations to random visual
configurations may once assist clinical diagnosis, he primarily considered his experiments
with blots a probe of basic features of perception. The way a patient would rely on
form, color or implicit movement might reflect disease-specific perceptual distortions.
Rorschach’s premature death prevented him from witnessing the global spread of his
test. In the USA, «the Rorschach» quickly advanced to one of the most frequently used
projective techniques. The decline of its use as a diagnostic tool towards the end
of the 20th century is countered by the recent upsurge of neuroscientifically motivated
studies of the Rorschach inkblots. Associations implying movements of a human form,
for instance, are accompanied by activation of the brain’s mirror neuron system, known
to engage vison, kinesthesia, and empathy. Lateralized tachistoscopic studies projecting
the standard inkblots to only one visual field may validate the Rorschach procedure
and at the same time shed light on the role of the cerebral hemispheres in shaping
an individual’s personality.
Schlüsselwörter
Medizingeschichte - Neuropsychiatrie - Persönlichkeitspsychologie - projektive Testverfahren
- Zufallsmuster
Key words
History of medicine - neuropsychiatry - personality psychology - projective techniques
- random patterns