Aktuelle Kardiologie 2022; 11(04): 281-282
DOI: 10.1055/a-1809-1259
Editorial

Neue ESC-Leitlinie zu Herzinsuffizienz

Matthias Pauschinger
,
Philip Raake

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

im August 2021 wurde die neue Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) zur Diagnostik und Therapie der akuten und chronischen Herzinsuffizienz publiziert. Sie löst die vorhergehende Leitlinie ab, die im Jahr 2016 veröffentlicht wurde. Es freut uns sehr, Ihnen in dieser Ausgabe einen Überblick über die wichtigsten Neuerungen geben zu können.

Die aktuelle Leitlinie bietet eine breitere klinische Orientierung für Diagnostik und Therapie. Die Diagnosestellung der Herzinsuffizienz wurde präzisiert und folgt jetzt der Definition des Syndroms Herzinsuffizienz. Die Klassifikation der Herzinsuffizienz anhand der NYHA-Klasse und der Ejektionsfraktion (EF) wurde beibehalten, allerdings wurde der Bereich EF 41–49% in Heart Failure with mildly reduced Ejection Fraction (HFmrEF) umbenannt, um anzudeuten, dass die Substanzklassen der Pharmakotherapie bei EF unter 40% (Heart Failure with reduced Ejection Fraction, HFrEF) auch hier mit entsprechenden, aber deutlich schwächeren Empfehlungsgraden versehen wurden.

Der Therapiealgorithmus zur HFrEF wurde erweitert und vereinfacht, neuere Substanzklassen wurden erstmals mit Empfehlungsgraden versehen. Die aktuelle Evidenz und die Empfehlungen der Leitlinie zur Pharmakotherapie der HFrEF auch im Hinblick auf die spannenden Neuentwicklungen werden übersichtlich zusammengefasst (S. 308). Die Änderungen im Bereich der Device-Therapie zur Primärprophylaxe des plötzlichen Herztods wurden in einem eigenen Beitrag gewürdigt (S. 314).

Wesentliche Änderungen gab es auch zur Behandlung von Begleiterkrankungen. Die Evidenz und die Empfehlung der aktuellen ESC-Leitlinie zum aktuellen Stand der Behandlung des Vorhofflimmerns im Kontext einer Herzinsuffizienz werden im klinischen Kontext dargestellt (S. 321). Wesentliche Entwicklungen im interventionellen Bereich erlauben eine Behandlung der im Rahmen einer Herzinsuffizienz potenziell auftretenden funktionellen AV-Klappeninsuffizienz (S. 327). Insbesondere im Bereich der funktionellen Mitralklappeninsuffizienz gibt es erste prospektive randomisierte Studiendaten, die im Kontext der klinischen Erwägungen eingeordnet werden. Die Interaktion von Krebserkrankungen und Herzinsuffizienz haben sich mittlerweile zu einer Subdisziplin mit enger Zusammenarbeit zwischen Kardiologie und Onkologie, der Kardioonkologie, entwickelt (S. 332). Auch die Leitlinie geht darauf ein, entsprechende Empfehlungen werden in einem eigenen Beitrag gewürdigt.

Die akute und die schwere Herzinsuffizienz wurden klarer definiert, und auch Therapieempfehlungen, die sich unter anderem auf die INTERMACS-Klassifikation beziehen, wurden präzisiert. Wesentliche Neuerungen zum Einsatz der ECLS-Therapie (Extra Cardiac Life Support) werden in einem eigenen Beitrag zusammengefasst und diskutiert (S. 339).

Die letzte wesentliche Neuerung fokussiert auf den multidisziplinären Teamansatz zur optimierten Versorgung. Die wichtigsten Empfehlungen sind in einem eigenen Beitrag dargestellt, der die Brücke schlägt zu den Möglichkeiten der optimierten Versorgung in Heart Failure Units und im Herzinsuffizienz-Netzwerk (HF-Net) (S. 346).

Lebensqualität und der Erhalt der Selbstständigkeit haben eine enorme Bedeutung für den individuellen Patienten, meist mehr als der Gewinn an Lebenszeit. Dem Einfluss moderner leitliniengerechter Therapieansätze auf diese wichtigen Endpunkte wurde ein eigener Beitrag gewidmet (S. 353).

Herzinsuffizienz hat eine unverändert hohe Sterblichkeit und ist nach wie vor die häufigste Krankenhausdiagnose. Eine leitliniengerechte Therapie kann Leben retten! Wir möchten Ihnen daher diese Ausgabe der Aktuellen Kardiologie mit den neuesten Leitlinienempfehlungen und praktischen Tipps durch ausgewiesene Experten ans Herz legen.

Herzlichst, Ihr

Prof. Dr. Matthias Pauschinger, Prof. Dr. Philip Raake



Publication History

Article published online:
08 August 2022

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