Neuroradiologie Scan 2022; 12(04): 293-315
DOI: 10.1055/a-1773-5454
CME-Fortbildung

Aktuelle Diagnose-Kriterien beim irreversiblen Hirnfunktionsausfall („Hirntod“)

Frank Thömke
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Die klinische Trias aus Koma, Hirnstamm-Areflexie und ausgefallener Spontanatmung ist auch heute noch die weltweit geforderte obligate klinische Befundkonstellation für die Diagnose eines irreversiblen Hirnfunktionsausfalls (IHFA) bzw. Hirntodes. Der Beitrag stellt die aktuell in Deutschland verpflichtend vorgeschriebenen IHFA-Kriterien vor.

Kernaussagen
  • In Deutschland hat der Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer die Diagnosekriterien zum Nachweis eines irreversiblen vollständigen Hirnfunktionsausfalls (IHFA) verpflichtend festgelegt.

  • Der irreversible Hirnfunktionsausfall muss übereinstimmend und unabhängig voneinander von 2 Fachärzten festgestellt und dokumentiert werden, die über eine mehrjährige Erfahrung in der Intensivbehandlung von Patienten mit akuten schweren Hirnschädigungen verfügen, wobei einer der beiden Ärzte Facharzt für Neurologie oder Neurochirurgie sein muss.

  • Es muss die Irreversibilität der weltweit anerkannte Befundkonstellation eines vollständigen Hirnfunktionsausfalls – Koma + Ausfall der Hirnstamm-Reflexe + Ausfall der Spontanatmung – nachgewiesen werden.

  • Es müssen beidseitig folgende Hirnstammfunktionen ausgefallen sein: Pupillen-Lichtreaktion, Kornealreflex, vestibulookulärer Reflex, Pharyngeal- und Trachealreflex, Reaktionen auf Schmerzreize im Trigeminusversorgungsgebiet beider Seiten sowie die Spontanatmung.

  • Die Irreversibilität des vollständigen Hirnfunktionsausfalls kann durch eine apparative Untersuchung dokumentiert werden, bei der ein zerebraler Zirkulationsstillstand oder ein Ausfall der hirneigenen elektrischen Aktivität oder ein Erlöschen oder Ausfall der akustischen oder somatosensorischen evozierten Potenziale nachgewiesen werden muss.

  • Bei supratentoriellen Hirnschädigungen kann der Irreversibilitätsnachweis auch ohne apparative Untersuchungen erfolgen. Hierbei muss durch eine 2. klinische Untersuchung das unveränderte Fortbestehen von Koma, Hirnstammareflexie und Ausfall der Spontanatmung nachgewiesen werden.

  • Bei infratentoriellen Hirnschädigungen, seien diese isoliert oder kombiniert, ist eine apparative Untersuchung zum Nachweis der Irreversibilität obligat.



Publication History

Article published online:
04 October 2022

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