Jedes Jahr finden in Deutschland etliche Mitarbeitendengespräche statt. Manche Führungspersonen
führen einmal jährlich diese Gespräche durch, andere präferieren wiederum diese zweimal
jährlich stattfinden zu lassen. Die wenigsten Führungskräfte entscheiden sich dafür,
die Gespräche mehr als zweimal pro Jahr durchzuführen. Zumeist finden diese Gespräche
im ersten oder letzten Quartal eines Jahres statt. Die meisten Führungspersonen nutzen
die Mitarbeitendengespräche, um Wertschätzung auszusprechen, Kritik zu platzieren,
die Mitarbeitenden zu motivieren, über Fortbildungen und Gehälter zu sprechen. Ebenfalls
möchten einige Führungspersonen erfahren, wie es den Mitarbeiter*innen geht, welche
Wünsche sie für die Zukunft haben und ob es Veränderungsvorschläge für die Praxis
gibt. Einige Praxisinhaber*innen holen sich aktiv Feedback ein, um ihren Führungsstil
zu optimieren.
Um schon eins vorwegzunehmen: Mitarbeitendengespräche sind kein „Nice-to-have“, sondern
ein „Must-have“ für jede Praxis und jedes Unternehmen, das die Mitarbeiter*innen binden
möchte und nachhaltig wachsen will. Regelmäßige, effektive Gespräche sind die Grundlage
für Wachstum, Motivation, Gesundheit und Effizienz.
Die Sache hat nur einen Haken: Die wenigsten dieser Gespräche sind nachhaltig effektiv
für die Mitarbeitenden, die Praxis, das Team und die Führungsperson. Dabei sollten
bei einem guten Mitarbeitendengespräch alle vier der genannten Instanzen davon profitieren.
Doch woran liegt diese Ineffizienz?
Die häufigsten Fehler
Viele Mitarbeitendengespräche sind wenig oder gar nicht vorbereitet. Dadurch gibt
es keine Struktur und somit fehlt häufig die Effizienz. In manchen Praxen bereitet
sich nur eine der beiden am Gespräch teilnehmenden Personen auf das Gespräch vor.
Auch das wird nie das ganze Potenzial dieser Gespräche entfalten. Keine Vorbereitung
ist ein absolutes No-Go. Sowohl Mitarbeitende als auch Führungspersonen sollten vorbereitet
ins Gespräch kommen. Dazu später mehr.
Manche Praxen nutzen die standardisierten Gesprächsbögen aus dem Qualitätsmanagement.
Diese Bögen haben häufig ein großes Manko: Die Grundstruktur besteht aus Skalierungs-
und Bewertungsfragen, zum Beispiel: „Wie zufrieden sind Sie mit der Kommunikation
der Führungsperson? Sehr zufrieden, überwiegend zufrieden, zufrieden, weniger zufrieden,
gar nicht zufrieden?“ Oder: „Wie beurteilen Sie Ihr zielorientiertes Handeln? Sehr
gut, gut, befriedend, ausreichend, mangelhaft, ungenügend?“
Eine gute Vorbereitung beider Seiten ist das A und O für das Mitarbeitendengespräch.
Die Führungsperson, das Team, den Arbeitsplatz oder einzelne Mitarbeitende zu bewerten,
ist in den meisten Fällen nicht zielführend, und zwar aus vier Gründen:
-
Viele Menschen sind durch die Bewertungen in der Schulzeit sehr vorbelastet, sie führen
schnell zu Stresstriggern. Das ist weder motivierend noch fördert es das Vertrauen
und somit die emotionale Bindung an die Praxis.
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Skalierungs- und Bewertungsfragen sind in diesem Kontext wenig bis gar nicht aussagekräftig.
Was bedeutet eine Zwei, eine Drei oder ein „Überwiegend zufrieden“? Welche Schlüsse
können die Gesprächsparteien daraus ziehen? Oftmals werden die bewerteten Items nicht
hinterfragt. Hier und da wird ein Satz dazu gesagt, der gerade spontan abrufbar ist.
Jedoch befindet sich oft kein Platz für kurze (schriftliche) Erläuterungen unter den
Fragen.
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Die wenigsten Menschen nehmen sich viel Zeit, um ihre „Kreuzchen“ zu setzen. Da viele
therapeutische Teams ein sehr familiäres Miteinander pflegen, werden die meisten Kreuze
bei „sehr gut“, „1“ oder „sehr zufrieden“ gesetzt und das Gespräch ist relativ schnell
beendet. Zudem kann nicht sichergestellt werden, ob diese Angaben der „Realität“ entsprechen
oder eher den Weg des geringsten Widerstands abbilden.
-
Die Frage, die sich bei solchen Bewertungen gestellt werden sollte, lautet: Gehören
Bewertungen an den Arbeitsplatz? Sollte eine Führungsperson nach Schulnoten bewertet
werden? Sollten Mitarbeitende nach Schulnoten bewertet werden? Ganz wichtig dabei
zu berücksichtigen ist der Fakt, dass Bewertungen keine Reflexion darstellen! Reflexionsfragen
sind wesentlich zielführender als Bewertungsaufgaben.
Ein weiterer Irrglaube besteht darin, dass Mitarbeitendengespräche immer dazu genutzt
werden müssen, um über das Gehalt zu sprechen. Bei manchen Praxen hat es sich auch
etabliert, dass es automatisch bei jedem dieser Gespräche eine Gehaltserhöhung gibt.
Damit wird der Erwartungseffekt geschürt. Nach einigen Wiederholungen wird erwartet,
dass es zu einer Gehaltserhöhung kommt, und es wird schnell als selbstverständlich
wahrgenommen. Dadurch verliert die Gehaltserhöhung an Wert.
Das sollten Sie auf jeden Fall beachten
Das sollten Sie auf jeden Fall beachten
Achten Sie zunächst darauf, dass eine ruhige Gesprächsatmosphäre gewährleistet ist.
Das Praxistelefon hat in Mitarbeitendengesprächen nichts zu suchen. Auch sollte niemand
während des Gesprächs Therapiematerial aus dem Raum holen.
Die Vorbereitung des Gesprächs bietet die Grundlage für seine Qualität und den Verlauf.
Dabei gilt Qualität vor Quantität. Sehr empfehlenswert ist, dass alle am Gespräch
beteiligten Personen die gleiche Gesprächsgrundlage haben. Das hat mehrere Vorteile:
Zum einen fühlen sich alle Teilnehmenden sicherer, weil sie abschätzen können, was
sie erwartet. Die Gesprächssituation verliert an „Prüfungscharakter“. Manche von Ihnen
werden vielleicht schmunzeln oder erstaunt sein, doch für einige Therapeut*innen bedeutet
ein Gespräch mit der Führungsperson vor allem eins: Stress! Dadurch, dass sie nicht
wissen, was sie zu erwarten haben, kommt schnell Unsicherheit auf. Auch viele Führungspersonen
fühlen sich wesentlich wohler, wenn ein Gesprächsrahmen abgesteckt wird. Zu empfehlen
sind Gesprächsbögen mit offenen, reflektierenden Fragen, die einige Tage vor dem Termin
ausgeteilt werden und von beiden Gesprächsparteien zum Termin wieder mitgebracht werden.
Bei der Art der Fragestellung sollte vor allem darauf geachtet werden, dass die Fragen
und somit auch die Antworten einen nachhaltigen Nutzen für den Mitarbeitenden, die
Führungsperson, die Praxis und das Team haben. Die Kernfrage, die Sie sich stellen
sollten, lautet: Was ist das Ziel des Mitarbeitendengesprächs?
So geht’s nicht!
as Mitarbeitendengespräch ist keine „Prüfung“, sondern soll beiden Gesprächspartner*innen
die Möglichkeit bieten, sich in einem gleichberechtigten Dialog auszutauschen.
Quelle: © S. Schhaf/Thieme
Rahmenbedingungen fürs Mitarbeitendengespräch
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Zeitpunkt der Gespräche: 2. und 4. Quartal oder 1. und 3. Quartal
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Dauer: 45–60 Minuten pro Mitarbeiter*in
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Setting: Einzelgespräche in ruhiger Atmosphäre
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Frequenz: Mindestens zwei Mal pro Jahr
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Frageart: Offene Fragestellungen
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Must-have: Vorbereitung durch Leitfäden oder Gesprächsbögen
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Abschluss: Zielvereinbarung
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Prozentualer Redeanteil: 50:50
Durch diese Art der Vorbereitung lassen sich die Fragen nacheinander besprechen. Sowohl
Führungsperson als auch Mitarbeiter*in können ihre Perspektive der Antwort darstellen.
So entsteht ein echter Dialog und weniger eine Feedbackschlacht, in der erst eine
Person das Jahr reflektiert und Feedback gibt und anschließend die andere Person das
Jahr reflektiert und Feedback gibt. Die Dialogform ist eine wesentlich angenehmere
und natürlichere Gesprächsform.
Es ist ratsam, das Mitarbeitendengespräch mit einer (Ziel-)Vereinbarung abzuschließen.
Welches Ziel möchte der/die Mitarbeitende bis zum nächsten Gespräch erreichen? Was
kann die Person dafür tun? Welche Unterstützung wünscht sie sich von der Führungsperson?
Das unterstützt die Mitarbeitenden in der beruflichen und auch persönlichen Weiterentwicklung.
Natürlich profitiert auch die Praxis von der Zielvereinbarung. Individualität und
Selbstverwirklichung werden durch diesen Abschluss gefördert. Im nächsten Mitarbeitendengespräch
haben Sie nun einen super Einstieg. Wie weit ist die Zielerreichung fortgeschritten?
Am Ende eines Mitarbeitendengesprächs sollte immer eine Zielvereinbarung stehen.
Wir unterschätzen häufig, was in einem Jahr oder einem halben Jahr passiert ist. Wir
sehen es schließlich tagtäglich bei unseren Klient*innen, die sich kaum daran erinnern
können, welche „Schwierigkeiten“ sie zu Beginn der Behandlung hatten und wie groß
doch der Fortschritt schon ist. So oder so ähnlich geht es uns auch häufig. Es ist
sehr motivierend, gemeinsam zu reflektieren, welche Fortschritte bereits erreicht
wurden.
Der Podcast zum Lernen
Wenn Sie mehr zum Thema Mitarbeitendengespräche erfahren möchten, dann hören Sie sich
gern die 74. Podcastfolge „10 Tipps für gesunde Mitarbeitergespräche“ im WORDSEED
Podcast an.
Was ist noch wichtig?
Nehmen Sie sich den Druck, dass Sie in jedem Mitarbeitendengespräch über das Gehalt
sprechen müssen. Das ist nicht notwendig. Irgendwie hat es sich eingeschlichen, dass
viele Führungspersonen der Überzeugung sind, dass das so sein müsste. Das muss es
aber nicht.
Der Schlüssel nach Beendigung aller Mitarbeitendengespräche liegt in der Analyse.
In der Zusammenarbeit mit den Praxisinhaber*innen stellen wir jedes Mal aufs Neue
fest, dass in der Analyse der Gespräche die wahre Power liegt. Was ist die Quintessenz
der Gespräche? Was bedeuten die Resultate der Gespräche für mich und meine Führungsrolle?
Was zeigen mir die Antworten meiner Mitarbeitenden? Die Bögen anschließend noch einmal
durchzugehen, ist aufschlussreicher, als sich viele Führungspersonen vorstellen können.
Einige Vorteile von gesunden und gut vorbereiteten Mitarbeitendengesprächen im Überblick:
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Prozesse können durch spezielle Fragestellungen und mithilfe der Ideen der Mitarbeitenden
optimiert werden.
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Mitarbeitende können entsprechend ihren Potenzialen eingesetzt werden.
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Beide Gesprächspartner*innen empfinden eine höhere Zufriedenheit nach dem Gespräch.
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Die Gesprächsbögen dienen als Reflektion für die Führungskraft, den Mitarbeitenden,
die Praxis und sämtliche Prozesse.
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Durch gezielte Fragestellungen erhalten die Führungspersonen wichtige Informationen,
beispielsweise zu den Themen Zufriedenheit, Motivation, emotionale Bindung an die
Praxis, Kündigungsbereitschaft.
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Ebenfalls können Themen wie Selbstverantwortung und Eigeninitiative auf wertschätzende
Art und Weise an die Mitarbeitenden herangetragen werden.
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Mitarbeitendengespräche lassen sich als Gesundheitsförderung einsetzen.
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Praxen, in denen regelmäßige, gut strukturierte Mitarbeitendengespräche stattfinden,
melden weniger krankheitsbedingte Fehlzeiten und eine wesentlich geringere Fluktuation.
Lisa Holtmeier
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