Balint Journal 2021; 22(03): 65
DOI: 10.1055/a-1586-0197
Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

Steffen Häfner

Wolfgang Herzog hat 2015 in einem Editorial für die Zeitschrift „Psychotherapie Psychosomatik Medizinische Psychologie“ vom „wunderschönen Garten der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie“ gesprochen – mit allen „goldenen Gartenregeln“ und Verpflichtungen, aber auch Möglichkeiten, die dieser beinhaltet. Dieser schöne Vergleich beschäftigt mich jetzt im Sommer wieder besonders und regt mich zu einer Ergänzung an. Hinsichtlich der Verantwortung des Arztes verwendete Michael Balint das Gleichnis vom Gärtner: Im Patienten wächst eine Krankheit, die der Doktor dann betreut, indem er einige Symptome beschneidet, andere wachsen lässt, noch andere in Richtungen zwingt, die er ihnen vorschreibt. Natürlich könne der Doktor nicht alles machen, seine Macht sei begrenzt wie die des Gärtners, weiß Balint, aber seine Fälle zeigen, dass seine Macht doch beträchtlich ist („Droge Arzt“). Wie weitsichtig Balint war, zeigt sich an der Tatsache, dass er sich in dem 1960 in der „Psyche“ erschienenen Artikel „Die Verantwortung des Arztes“ auch auf Patienten mit längerer Krankheitsdauer und Katamnesen über zehn Jahren bezieht. Balint beschrieb in „Psychotherapeutische Forschung und ihre Bedeutung für die Psychoanalyse“ (Psyche, 1972) weitere sehr eindrückliche Bilder und Begriffe, die „Flash-Therapie“ oder auch den „großen Detektiv“: „Um den Unterschied recht deutlich zu machen, charakterisierten wir die alte Methode als die des ‚großen Detektivs’ und die neue als ein „Sich-Einstimmen“ oder eine „Erleuchtung“, eine blitzartige Erhellung der Situation („flash“). (…) Hier muss vielleicht darauf hingewiesen werden, dass die Rolle des „großen Detektivs“ viel Ähnlichkeit mit der traditionellen Rolle des Doktors in der krankheits-zentrierten Medizin hat, besonders in der diagnostischen Periode“.

Zurück in den Garten: Auch Voltaires „Candide oder der Optimismus“ endet nach allen durchlebten Katastrophen mit der Erkenntnis „mais il faut cultiver notre jardin“ – „aber unser Garten muss kultiviert werden“. Genießen Sie die Anregungen in diesem Heft, lassen Sie es auch in diesen schwierigen Zeiten „blitzen“ und kultivieren Sie Ihren „therapeutischen Garten“!

Ihr

Steffen Häfner



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Article published online:
01 October 2021

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