Abkürzungsverzeichnis
CAP:
community-acquired pneumonia
CRP:
C-reaktives Protein
PCT:
Procalcitionin
ICU:
Intensivstation
NIV:
Nichtinvasive Beatmung
MV:
maschinelle Beatmung
HFOT:
High-Flow-Sauerstofftherapie
1 Einführung
Die ambulant erworbene Pneumonie ist unverändert die häufigste zur Hospitalisierung
führende Infektionserkrankung und bleibt mit einer erheblichen Morbiditat und Letalität
verbunden. Dessen ungeachtet sind in den beiden vergangenen Dekaden erhebliche Fortschritte
im Verständnis der Pathophysiologie und Pathogenese sowie der Diagnostik und Therapie
erzielt worden. Das CAPNETZ-Projekt hat eine Fülle von Erkenntnissen speziell aus
dem deutschsprachigen Raum erbracht, die es erlauben, eine Behandlungsstrategie speziell
für solche Patienten zu konkretisieren.
Die Leitlinienfassungen von 2009 und 2016 haben als Grundlage für das vorliegende
Update weiterhin Bestand erhalten. Unverändert liegt ein besonderes Augenmerk auf
zwei Problembereichen:
Zum einen wird die ambulant erworbene Pneumonie prognostisch, verglichen etwa mit
akuten kardiovaskulären Erkrankungen wie z. B. dem akuten Koronarsyndrom, weiterhin
deutlich unterschätzt. Es gilt die Vermutung, dass die unverändert hohe Letalität
auch etwas mit der Unterschätzung dieser akuten Erkrankung zu tun hat. Auf diesem
Hintergrund ist die Reduktion der Krankenhausletalität ein grundlegendes Ziel der
Leitlinie. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden Empfehlungen zur Implementierung der
Leitlinie bzw. von sog. „Bündeln“ formuliert, die in jedem Krankenhaus individuell
angepasst werden sollten.
Da anderseits die ambulant erworbene Pneumonie in einem erheblichen Anteil der Patienten
ein mögliches terminales Ereignis in einem hohen Lebensalter bei schwerer Komorbidität
bzw. schlechter Funktionalität darstellt, stellt es eine besondere Herausforderung
dar, möglichst früh das Therapieziel im Einklang mit dem Patienten zu bestimmen. Dazu
will die Leitlinie Regeln und praktische Anleitungen bereitstellen.
Entgegen der letzten Leitlinie wurden Empfehlungen zur Prävention nicht berücksichtigt,
insbesondere deshalb, weil neue Impfstoffentwicklungen bei Pneumokokken bevorstehen.
Die Empfehlungen zur Prävention sollen daher im Zusammenhang in einem gesonderten
Dokument abgehandelt werden.
Alle Kapitel wurden grundlegend überarbeitet. Die wesentlichen Neuerungen des Updates
betreffen folgende Themen:
Identifikation von Patienten mit einem Risiko für multiresistente Erreger (MRE) bzw.
Abgrenzung zur nosokomialen Pneumonie: Patienten mit einem entsprechenden Risiko sollen nach definierten Kriterien individuell
evaluiert werden. Diese Evaluation ersetzt das in früheren Leitlinien-Versionen empfohlene
Risiko-Kriterium des Zeitfensters einer stationären Behandlung vor Pneumonieereignis,
das bereits eine Behandlung entsprechend dem Erregerspektrum der nosokomialen Pneumonie
implizierte.
Schweregradbestimmung: Die Definition der Schweregrade wurde präzisiert. Insbesondere die „mittelschwere“
Pneumonie ist jetzt durch Kriterien definiert als „Pneumonie mit erhöhtem Letalitäts-Risiko“.
Mikrobiologische Diagnostik: Empfehlung zum Einschluss auch des Pneumokokken-Antigentests bei hospitalisierten
Patienten sowie zur Diagnostik bei epidemischen Ausbrüchen.
Revision der Empfehlungen zum Einsatz antimikrobieller Substanzen: Diese schließen eine Neubewertung des Stellenwerts von Fluorchinolonen auf dem Hintergrund
der Rote-Hand-Briefe sowie eine bevorzugte Empfehlung für Azithromycin gegenüber Clarithromycin
bei allen Patienten mit einem relevanten Interaktionsrisiko ein.
Neue Empfehlungen bei anamnestischer Angabe einer Penicillin-Allergie
Antimikrobielle Therapiedauer: Verkürzung der Therapiedauer v. a. bei leicht- bis mittelschweren Pneumonien auf 5
Tage.
Empfehlung zur interdisziplinären Entscheidung über eine VATS vs. Lysetherapie des
Pleuraempyems unter Einbeziehung der Thoraxchirurgie
Aktualisierung und Präzisierung der pallitivmedizinischen Empfehlungen
Darüber hinaus wurden alle Themenbereiche auf dem Hintergrund neuer Daten seit 2016
aktualisiert. Den besonderen strukturellen Schwierigkeiten, denen Allgemeinmediziner
und Internisten im ambulanten Bereich ausgesetzt sind, wurde versucht, sensibel Rechnung
zu tragen, ohne wesentliche Erfordernisse an die Behandlungsqualität preiszugeben.
Die Fertigstellung der Leitlinie wurde unterbrochen durch den Lockdown im Rahmen der
Corona-Pandemie. Daher musste die Konsensuskonferenz um ein halbes Jahr verschoben
werden. In der Zwischenzeit breitete sich die Corona-Epidemie auch in Deutschland
aus; das SARS-CoV-2 wurde zu einem der führenden Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie
mit allerdings sehr spezifischen Eigenschaften. Gleichzeitig wurde eine Vielzahl an
Originalien und Leitlinien zu COVID-19 (einschließlich der Pneumonie und ihrer Komplikationen)
publiziert; weiterhin erscheinen wöchentlich Updates der neuen Erkenntnisse.
Auf diesem Hintergrund haben sich die Leitlinien-Autoren entschieden, das SARS-CoV-2
als neuen Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie einzuschließen, sich aber ansonsten
auf die Ausarbeitung der wichtigsten Eigenschaften bzw. Besonderheiten der COVID-19-Pneumonie
zu beschränken. Ansonsten wird diesbezüglich auf die jeweils aktuellen Publikationen
zum Thema verwiesen.
2 Methoden
2.1 Präambel
Die vorliegende Leitlinie ist ein Update und ersetzt die bisher gültige, 2016 publizierte
Leitlinie zur Behandlung von Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie [1 ]. Der Gültigkeitsbereich der Leitlinie zur ambulant erworbenen Pneumonie umfasst
neben Deutschland auch Österreich und die Schweiz.
2.2 Ziele der Leitlinie
Wesentliches Ziel dieser aktualisierten Leitlinie ist es, eine Grundlage zum Erhalt
und zur Verbesserung der Behandlungsqualität von Patienten mit ambulant erworbener
Pneumonie darzustellen und diese im deutschsprachigen Raum zu etablieren. Die Leitlinie
betrifft entsprechend nicht Patienten mit nosokomialer Pneumonie bzw. solche mit Pneumonien
unter schwerer Immunsuppression, ausdrücklich auch dann nicht, wenn letztere ambulant
erworben wurden.
Die Leitlinie richtet sich an folgende ambulant oder im Krankenhaus tätigen Ärztinnen
und Ärzte, die in die Behandlung von Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie involviert
sind: Fachärzte für Allgemeinmedizin, für Innere Medizin (v. a. Pneumologie, Infektiologie,
Intensivmedizin und Geriatrie), Palliativmedizin, Mikrobiologie und Virologie. Zudem
dient sie zur Information für Thoraxchirurgen und weitere mit der Betreuung von Patienten
befasste Ärzte bzw. Vertreter weiterer Gesundheitsberufe.
2.3 Struktur des Leitlinienprozesses
Die Erstellung dieser Leitlinie erfolgte nach den Vorgaben der AWMF, um dem Nutzer
der Leitlinie evidenzbasierte Kriterien für eine rationale Entscheidungsfindung und
eine gute ärztliche Praxis an die Hand zu geben [2 ]. Es handelte sich um einen zweistufigen Prozess. Die für das Management ambulant
erworbener Pneumonien wichtigen Fragen und die entsprechenden Stichwörter für die
Literaturrecherche wurden zuerst innerhalb der gesamten Leitliniengruppe identifiziert.
Demzufolge wurde eine Literaturrecherche in PubMed durchgeführt und die Ergebnisse
in den Scientific Guideline Manager (Institut für Lungenforschung GmbH) zur Bewertung
eingefügt. Die Literaturrecherche wurde auf deutsch- und englischsprachige Originalartikel
während des Zeitraums vom 01. 04. 2015 bis zum 31. 03. 2019 begrenzt. Zusätzlich wurden
die Literaturverzeichnisse von systematischen Reviews, Meta-Analysen und Originalarbeiten
durchsucht. Darüber hinaus wurden die in der ersten Leitlinie wichtigen Literaturstellen
sowie aktuellere Studien in Abstimmung berücksichtigt, soweit sie Einfluss auf Diagnostik
und Therapie der ambulant erworbenen Pneumonie haben.
Auf der Basis der vorhandenen Evidenz und der Fachexpertise der ausgewählten Autoren
wurde dann von den Arbeitsgruppen die Aktualisierung der Empfehlungen bzw. Erstellung
der neuen Empfehlungen einschließlich Bestimmung der Stärke der einzelnen Empfehlungen
auf Basis der vorliegenden Evidenz zu den einzelnen Kapiteln erarbeitet. Des Weiteren
wurden die Hintergrundtexte überarbeitet und die Literaturstellen im Text aktualisiert.
Aufgrund der Unterbrechung von 6 Monaten im Zuge des Lockdowns wurde im Interesse
der Aktualität vor der Konsensuskonferenz eine weitere Literatursuche (mit dem Stichtag
28. 08. 2020) bzw. -bewertung nach den dargelegten Grundsätzen durchgeführt und der
vorbereitete Text entsprechend von den bearbeitenden Autoren zeitgerecht erneut aktualisiert.
Der aus diesem Prozess hervorgegangene Entwurf des Manuskriptes wurde auf der Konsensuskonferenz
unter Leitung einer unabhängigen Moderatorin ausführlich diskutiert und überarbeitet.
Die Beschlussfindung in der Konsensuskonferenz unterlag den Vorgaben eines nominalen
Gruppenprozesses unter der Moderation einer unabhängigen Moderatorin. Nach Konsensuskonferenz
wurde das Manuskript redaktionell bearbeitet sowie das Literaturverzeichnis eingefügt.
Das Manuskript mit allen Empfehlungen wurde durch die Leitliniengruppe in einstimmigem
Konsens verabschiedet.
Als Grundlage der Manuskripterstellung wurde der Leitlinientext von 2016 gewählt,
da vorab ein Konsens darüber bestand, dass der gegebene konzeptuelle Rahmen dieses
Textes ungeachtet erforderlicher Modifikationen übernommen werden konnte. Dieser Konsens
wurde auch dadurch getragen, dass die mittlerweile durch diesen Text etablierten Strukturen
ein hohes Gut der Kontinuität darstellen und nicht ohne Not verändert werden sollten.
Passagen des Textes von 2016, die keine Änderung erforderlich sein ließen, wurden
daher unverändert übernommen. Dessen ungeachtet ist der nun vorliegende Text Ergebnis
einer vollständigen Revision auf dem Hintergrund der neuen Datenlage seit 2016 und
entsprechend sehr weitgehend neu verfasst.
Die Kernstruktur der Leitlinie für die Behandlung von Patienten mit ambulant erworbener
Pneumonie geht aus dem Abschnitt 4.7, den [Tab. 2 ], [Tab. 11 ] und [Tab. 13 ] sowie den [Abb. 1–3 ] hervor. Diese müssen allerdings im Zusammenhang mit dem gesamten Text interpretiert
werden.
Die Evidenzbewertung der Literatur erfolgte durch die thematisch verantwortlichen
Leitlinienautoren. Abhängig vom Studiendesign und der Duchführungsqualität der Studien
erfolgte eine Bewertung der Studienqualität als + + +(hoch), + + (mittel) oder + (gering).
Die Graduierung der Empfehlungen erfolgte gemäß des AWMF-Regelwerks (https://www.awmf.org/leitlinien/awmf-regelwerk.html ). Zur Formulierung der Empfehlungen wurde nicht nur die Qualität der einzelnen Studie
im Hinblick auf die Aussagesicherheit berücksichtigt, sondern in Bezug auf alle Studien
zu einer Fragestellung wurden auch die weiteren Kriterien nach GRADE orientierend
hinzugezogen [3 ]
[4 ] und in Bezug auf die wichtigen Endpunkte geprüft wie u. a. Präzision der Effektstärken
und die Konsistenz der Studienergebnisse ([Tab. 1 ]).
Tab. 1
Festlegung der Empfehlungsgrade und Klassifizierung der Evidenz in Orientierung an
GRADE, jedoch Bewertung der Einzelstudien. RCT = randomized controlled study.
Klassifizierung der Evidenz und Empfehlungsgrade nach GRADE [3 ]
[4 ]
Empfehlungsgrad
Abwägung des Nutzens gegen Risiko/Aufwand
Evidenzbewertung
„soll“ oder „soll nicht“
erwünschte Effekte überwiegen eindeutig Risiken/Zusatzaufwand oder vice versa
konsistente Evidenz aus RCTs ohne methodische Schwächen oder außergewöhnlich starke
Evidenz aus Beobachtungsstudien
starke Empfehlung, hohe Evidenz (A)
starke Empfehlung, moderate Evidenz (B)
Evidenz aus RCTs mit methodischen Limitationen oder überzeugende Evidenz aus Beobachtungsstudien
starke Empfehlung, niedrige/sehr niedrige Evidenz (C)
Evidenz für wenigstens einen zentralen Outcomeparameter aus Beobachtungsstudien, Fallserien
oder methodisch stark limitierten RCTs
„sollte“ oder „sollte nicht“
erwünschte Effekte überwiegen vermutlich Risiken/Zusatzaufwand oder vice versa
konsistente Evidenz aus RCTs ohne methodische Schwächen oder außergewöhnlich starke
Evidenz aus Beobachtungsstudien
moderate Empfehlung, hohe Evidenz (A)
moderate Empfehlung, moderate Evidenz (B)
Evidenz aus RCTs mit methodischen Limitationen oder überzeugende Evidenz aus Beobachtungsstudien
moderate Empfehlung, niedrige/sehr niedrige Evidenz (C)
Evidenz für wenigstens einen zentralen Outcomeparameter aus Beobachtungsstudien, Fallserien
oder methodisch stark limitierten RCTs
„kann“ oder „kann nicht“
kein ausreichender Anhalt für überwiegenden Nutzen/überwiegendes Risiko der Intervention
konsistente Evidenz aus RCTs ohne methodische Schwächen oder außer-gewöhnlich starke
Evidenz aus Beobachtungsstudien
schwache Empfehlung, hohe Evidenz (A)
schwache Empfehlung, moderate Evidenz (B)
Evidenz aus RCTs mit methodischen Limitationen oder überzeugende Evidenz aus Beobachtungsstudien
schwache Empfehlung, niedrige/sehr niedrige Evidenz (C)
Evidenz für wenigstens einen zentralen Outcomeparameter aus Beobachtungsstudien, Fallserien
oder methodisch stark limitierten RCTs
Für die Formulierung der Empfehlung und den Empfehlungsgrad war weiterhin nicht nur
die Qualität der Evidenz entscheidend, sondern auch die Abwägung von Nutzen und Risiko
bzw. Aufwand der zu bewertenden Maßnahmen sowie ggf.
ethische Verpflichtungen;
klinische Relevanz (Eignung der Effektivitätsmaße der Studie für die Versorgung, Relevanz
der Kontrollgruppen und verwendeten Dosierungen, Verhältnis zwischen erwünschten und
unerwünschten Behandlungsergebnissen);
pathophysiologische und klinische Plausibilitäten;
Anwendbarkeit auf die Patientenzielgruppe und
Umsetzbarkeit im ärztlichen Alltag (z. B. Leistungsfähigkeit, Ressourcenbedarf und
-verbrauch).
In den Empfehlungen ist demzufolge auch die klinische Erfahrung aller am Konsensus-Verfahren
beteiligten Experten enthalten. Für weitere Informationenwird auf den Leitlinienreport
verwiesen.
3 Definitionen und Klassifikation
3 Definitionen und Klassifikation
E1: Patienten mit Pneumonien sollen als ambulant erworben, nosokomial erworben oder
als Pneumonien unter schwerer Immunsuppression klassifiziert werden. Bei einer „ambulant
erworbenen Pneumonie unter schwerer Immunsuppression“ gelten die Behandlungsregeln
der schweren Immunsuppression. Starke Empfehlung, Evidenz C.
E2: Patienten, die innerhalb der letzten 6 Monate vor dem Pneumonieereignis stationär
behandelt wurden, können ein Risiko für nosokomiale bzw. multiresistente Erreger aufweisen
und sollen individuell bez. des Vorliegens von Risikofaktoren evaluiert werden (siehe
Kapitel 5.1.7.2.). Starke Empfehlung, Evidenz C.
E3: Für Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie soll initial und/oder im Verlauf
das Therapieziel anhand der Kriterien Funktionalität, Komorbidität und Prognose als
kurativ oder palliativ festgelegt werden. Starke Empfehlung, Evidenz C.
3.1 Welche Patienten sind mit der Diagnose ambulant erworbene Pneumonie bezeichnet?
Pneumonien werden nach der sog. „Pneumonie-Triade“ klassifiziert (siehe [Tab. 2 ]) [5 ].
Tab. 2
Die Pneumonie-Triade und ihre Kriterien.
Pneumonie
Ort des Erwerbs
Immunstatus
ambulant erworben (community-acquired pneumonia, CAP)
außerhalb des Krankenhauses
immunkompetent
nosokomial erworben (hospital-acquired pneumonia, HAP)
im Krankenhaus (> 48 h nach Krankenhausaufnahme)
immunkompetent
unter Immunsuppression (pneumonia in the immunosuppressed host)
außerhalb des Krankenhauses oder im Krankenhaus
schwere Immunsuppression
Die ambulant erworbene Pneumonie ist definiert als eine Pneumonie, die durch den Ort
des Erwerbs (außerhalb des Krankenhauses) sowie die Immunität des Patienten (Immunkompetenz)
bestimmt wird.
Die ambulant erworbene Pneumonie steht dabei im Gegensatz zur nosokomialen Pneumonie
(HAP), die definiert ist als eine Pneumonie, die > 48 h nach Krankenhausaufnahme auftritt
[5 ]. Beide Entitäten sind zu unterscheiden von der Pneumonie unter schwergradiger Immunsuppression.
Eine Pneumonie unter schwergradiger Immunsuppression liegt vor, wenn ein von der ambulant
erworbenen und der nosokomialen Pneumonie abweichendes, typisches, der jeweiligen
Art der Immunsuppression entsprechendes Erregerspektrum zu erwarten ist bzw. ein erhöhtes
Risiko für sog. opportunistische Erreger besteht ([Tab. 3 ]). Bei einer „ambulant erworbenen Pneumonie unter schwerer Immunsuppression“ gelten
die Behandlungsregeln der schweren Immunsuppression [6 ].
Tab. 3
Auswahl typischer Konditionen mit schwerer Immunsuppression [6 ].
Typische Konditionen mit schwerer Immunsuppression
1. Neutropenie (< 1000/µL Neutrophile)
2. Iatrogen-medikamentöse Immunsuppression (z. B. systemische Steroide (≥ 20 mg Prednison
bzw. Äquivalent täglich über ≥ 14 Tage oder kumulative Dosis von > 700 mg)
3. Transplantation solider Organe
4. Stammzelltransplantation
5. HIV-Infektion bzw. CD4 < 200/µL
6. Antikörpermangelsyndrome
7. Angeborene Immundefekte
8. Aktive hämatologische Erkrankung mit assoziierter schwerer Immunsuppression
Eine schwere Immunsuppression liegt i. d. R. nicht vor bei schwerer Nephro- und Hepatopathie
[7 ]
[8 ], Diabetes mellitus [9 ] oder struktureller Lungenerkrankung ohne systemische Steroidtherapie [10 ], ebenso nicht bei Tumorerkrankungen ohne Neutropenie [11 ].
3.2 Welche Subgruppen sind bei der ambulant erworbenen Pneumonie zu unterscheiden?
3.2.1 Im Senioren- bzw. Pflegeheim erworbene Pneumonie (Nursing-home-acquired pneumonia,
NHAP)
Die Inzidenz der ambulant erworbenen Pneumonie steigt mit jeder Lebensdekade. Die
Pneumonie des älteren Menschen (≥ 65 Jahre) ist mit einer erhöhten Letalität assoziiert
[12 ]. Pneumonien, die im Senioren- bzw. Pflegeheim erworben werden (Nursing-home-acquired
pneumonia, NHAP), stellen eine wichtige Subgruppe der ambulant erworbenen Pneumonie
dar. Sie weisen zwar nur ein geringfügig verändertes Erregermuster auf, unterscheiden
sich jedoch grundsätzlich hinsichtlich Alter, Funktionalität (Selbstversorgung und
Selbstbestimmung), Komorbidität, Schweregrad der Pneumonie und Prognose [13 ]. Die höchste Letalität besteht bei Patienten mit NHAP und Bettlägerigkeit als Korrelat
für schlechte Funktionalität [14 ].
3.2.2 Ambulant erworbene Pneumonie mit erhöhtem Risiko für nosokomiale bzw. multiresistente
Erreger
Patienten, die innerhalb der letzten 6 Monate vor dem Pneumonieereignis stationär
behandelt wurden, können ein Risiko für nosokomiale bzw. multiresistente Erreger (MRE)
aufweisen. Das Konzept der Healthcare-associated pneumonia (HCAP), das die NHAP mit
einschließt, wurde definiert, um entsprechende Patienten mit erhöhtem Risiko für potenziell
multiresistente Erreger zu definieren und zu behandeln [15 ]. Dieses Konzept hat sich jedoch als nicht prädiktiv für MRE erwiesen und impliziert
eine erhebliche Übertherapie [16 ]
[17 ]. Mehrere Scores wurden erarbeitet, um das Risiko für das Vorliegen von MRE zu prädizieren,
das eine andere als die Standardtherapie der ambulant erworbenen Pneumonie erforderlich
macht [18 ]
[19 ]
[20 ]
[21 ]
[22 ].
Diese Scores sind jedoch noch nicht hinreichend validiert und können daher aktuell
nicht allgemein empfohlen werden (siehe auch 5.1.7.2).
Patienten mit einem entsprechenden Risiko sollen daher individuell nach den in Kapitel
5.1.2.2 angegebenen Kriterien individuell evaluiert werden. Diese Evaluation ersetzt
das in früheren Leitlinien-Versionen empfohlene Risiko-Kriterium des Zeitfensters
einer stationären Behandlung vor Pneumonieereignis, das eine Behandlung entsprechend
dem Erregerspektrum der nosokomialen Pneumonie implizierte.
3.2.3 Ambulant erworbene Pneumonie des jüngeren Patienten
Spiegelbildlich zur Pneumonie des älteren Menschen bzw. auch zur NHAP verhält sich
die ambulant erworbene Pneumonie des jüngeren Patienten < 65 Jahre: Die Funktionalität
ist naturgemäß selten eingeschränkt, die Komorbidität und der Schweregrad sind i. d. R.
geringer, die Prognose besser. Darüber hinaus bestehen einige Besonderheiten im Erregermuster
[23 ].
3.3 Welche Sonderfälle sind zusätzlich zu beachten?
3.3.1 Aspirations- und Retentionspneumonie
Die Aspirationspneumonie geht mit einem veränderten Erregerspektrum einher. Aspirations-
wie auch Retentionspneumonie erfordern zudem eine Diagnostik und ggf. Therapie der
zugrunde liegenden Ursachen (siehe Kapitel 8).
3.3.2 Pneumonien im Zusammenhang mit Fernreisen
Bei Fernreisen folgt das Muster der Erreger prinzipiell dem der in Deutschland, Österreich
und der Schweiz erworbenen ambulant erworbenen Pneumonie. Es sind jedoch, je nach
bereistem Land, besondere Erreger und Resistenzen zu beachten (siehe 4.7.2).
3.3.3 Pneumonien im Rahmen von Epidemien
In Zeiten einer Epidemie müssen ambulant erworbene Pneumonien durch entsprechende
Erreger erwartet und in das Behandlungskonzept eingeschlossen werden. In diesen Situationen
wird auf die Informationen und ggf. Leitlinien des RKI bzw. der Fachgesellschaften
verwiesen [24 ]. Die Notwendigkeit der Erkennung von Epidemien und ihrer Beherrschung ist in den
letzten Jahren zunehmend deutlich geworden. Eine ungewöhnliche Häufung von Patienten
mit ambulant erworbenen Pneumonien in einem Krankenhaus sollte daher stets an eine
Epidemie denken lassen und eine entsprechende Diagnostik nach sich ziehen [25 ]
[26 ].
3.4 Gruppierung der ambulant erworbenen Pneumonien
Die Einteilung der CAP erfolgt in die Gruppen 1a, 1b und 2. Die Zuordnung in diese
Gruppen wird durch das Therapieziel definiert. Dieses ergibt sich wiederum aus Kriterien
der Funktionalität, der Komorbidität und der Prognose. Die Prüfung des Therapieziels
ist dabei in vielen Fällen ein Prozess (siehe [Abb. 1 ]).
Abb. 1 Gruppeneinteilung von Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie. Quelle: AWMF-Leitlinie
„Behandlung von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie – Update 2021“.
https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/020-020.html [rerif].
Im Einzelnen gelten folgende Kriterien:
Gruppe 1a: gute bis ausreichende Funktionalität, definiert als Bettlägerigkeit < 50 % des Tages.
Das Therapieziel ist kurativ. Die Entscheidung über das Therapiesetting ergibt sich
aus der Schweregradbestimung (siehe Kapitel 4.2).
Gruppe 1b: NHAP und/oder schlechte Funktionalität, definiert als Bettlägerigkeit ≥ 50 % des
Tages.
Das Therapieziel ist kurativ. Es erfolgt eine Schweregradbestimmung nach CRB-65. Allerdings
ist der Score in dieser Gruppe aufgrund einer grundsätzlich hohen Letalität nicht
mehr prädiktiv für ein niedriges Risiko [15 ]. Der Score soll ebenfalls ergänzt werden durch Messung der Oxygenierung und Erfassung
potenziell instabiler Komorbiditäten. Das Therapieziel ist kurativ. Auch in dieser
Gruppe ist daher die Schweregradbestimmung für die Entscheidung über das Therapiesetting
erforderlich. Allerdings können auf den Patientenwillen gestützte Einschränkungen
möglicher therapeutischer Eskalationen diese Entscheidung modifizieren (z. B. Verzicht
auf Krankenhausbehandlung; Verzicht auf Therapie auf einer Intensivstation; Verzicht
auf Organersatztherapie). Für eine ambulante Behandlung müssen bei diesen Patienten
eine Reihe personeller und struktureller Voraussetzungen gegeben sein.
Im Falle eines Therapieversagens bzw. von Komplikationen ist eine Reevaluation des
Therapieziels erforderlich. Die hospitalisierte Gruppe erhält zusätzlich eine Evaluation
auf MRE.
Gruppe 2: schwere Komorbidität mit infauster Prognose.
In diesen Fällen ist die Palliation das Therapieziel. Zur Einschätzung können Frailty-Scores
hilfreich sein. Hier ergibt sich eine Indikation für eine Hospitalisation nur in pflegerischer
Hinsicht; kann die Pflege auch außerhalb des Krankenhauses sichergestellt werden,
sollte eine Behandlung auch außerhalb des Krankenhauses erwogen werden. In diese Gruppe
gehören auch Patienten, die sekundär im Verlauf einen Therapiezielwechsel auf eine
Palliation erhalten.
4 Diagnostik, Schweregradbestimmung, Monitoring
4 Diagnostik, Schweregradbestimmung, Monitoring
4.1 Wie wird eine ambulant erworbene Pneumonie diagnostiziert?
E4: Bei klinischem Verdacht auf eine ambulant erworbene Pneumonie soll im stationären
Bereich die Diagnose Pneumonie durch eine thorakale Bildgebung gesichert werden. Starke
Empfehlung, Evidenz B.
E5: Auch im ambulanten Bereich sollte bei klinischem Verdacht auf eine Pneumonie die
Sicherung der Diagnose durch eine thorakale Bildgebung angestrebt werden. Starke Empfehlung,
Evidenz C.
E6: Die Wahl der Methode für die Diagnose Pneumonie ist abhängig von einer Vielzahl
von Faktoren (Logistik, Verfügbarkeit, Patientenfaktoren sowie Therapieziel) (siehe
Text); daher kann kein einheitliches Vorgehen empfohlen werden. Starke Empfehlung,
Evidenz C.
4.1.1 Klinische Symptomatik
Zu den klinischen Symptomen einer Pneumonie gehören:
Atemwegssymptome wie Husten mit oder ohne Auswurf, Dyspnoe, atemabhängige thorakale
Schmerzen
Allgemeinsymptome wie Fieber oder Hypothermie, allgemeines Krankheitsgefühl („malaise“),
„grippale“ Symptome wie Myalgien, Arthralgien, Cephalgien, Palpitationen, Kreislauf-beschwerden,
Diarrhöen
neurologische Symptome wie Desorientiertheit („confusion“) insbesondere bei älteren
Patienten
Bei Patienten mit einer Pneumonie können üblicherweise ein oder mehrere der folgenden
klinischen Untersuchungsbefunde erhoben werden:
Dyspnoe mit erhöhter Atemfrequenz (Inspektion)
Tachykardie (Puls), ggf. arterielle Hypotonie
ggf. abgeschwächter Klopfschall über dem Thorax bei Infiltrationen und/oder einem
parapneumonischen Pleuraerguss (Perkussion)
inspiratorische Rasselgeräusche bzw. Bronchialatmen (Auskultation)
4.1.2 Klinische Diagnostik
Die beschriebenen Symptome sind nicht spezifisch für die Abgrenzung einer ambulant
erworbenen Pneumonie von anderen unteren Atemwegsinfektionen. Ihr positiver Vorhersagewert
allein oder in Kombination ist mit < 50 % eingeschränkt [27 ]
[28 ]
[29 ]
[30 ]
[31 ]
[32 ]. Die klinische Untersuchung hat jedoch einen hohen negativen prädiktiven Wert [33 ]
[34 ]
[35 ]. Mit steigendem Lebensalter präsentieren sich Patienten mit Pneumonie zunehmend
oligosymptomatisch [36 ]. So ist das Vorliegen von Fieber oder Husten mit Auswurf deutlich seltener. Häufiger
treten auch Symptome wie Verwirrtheit und Durchfall auf, ggf. sogar als einzige Symptome.
Nach einer jüngsten Meta-Analyse ist der klinische „Eindruck“ weiterhin der beste
Prädiktor einer Pneumonie [37 ]. Die Abwesenheit von Vitalfunktionsstörungen war zudem negativ prädiktiv.
4.1.3 Radiologische und sonografische Diagnostik
Röntgenthoraxaufnahme. Um die Diagnose einer ambulant erworbenen Pneumonie zu sichern, wird der Nachweis
eines neu aufgetretenen Infiltrates in einem bildgebenden radiologischen Verfahren
der Lunge gefordert. Bei der klinischen Verdachtsdiagnose einer ambulant erworbenen
Pneumonie sollte soweit möglich immer eine Röntgenthoraxaufnahme in zwei Ebenen durchgeführt
werden.
Der radiologische Befund dient zur Erfassung:
der Befundausdehnung (mono-multilobär, uni-bilateral)
der Begleiterkrankungen (z. B. Herzinsuffizienz)
von Komplikationen (Pleuraerguss, Abszedierung)
Zudem liefert er eine Hilfestellung bei differenzialdiagnostischen Überlegungen (Lungentuberkulose,
Lungenkrebs) und einen Ausgangsbefund, falls eine Kontrolle im Verlauf der Erkrankung
indiziert ist.
Die Durchführung einer Röntgenaufnahme < 4 h nach Aufnahme ist mit einer schnelleren
Fallfindung, einem verkürzten Zugang zu einer antimikrobiellen Therapie und einer
kürzeren Verweildauer assoziiert [38 ]. Durch die Röntgenuntersuchung des Thorax können Komplikationen wie ein Pleuraerguss
oder ein Lungenabszess zeitnah diagnostiziert werden [39 ]
[40 ].
Sensitivität und Spezifität sowie Zuverlässigkeit des Infiltratnachweises in der Röntgenthoraxaufnahme
sind allerdings begrenzt [41 ]
[42 ]
[43 ]. Zuweilen bilden sich erst im Verlauf der Erkrankung Infiltrate [41 ]. In einer Studie wiesen 21 % der Patienten mit einer im Verlauf gesicherten Diagnose
einer Pneumonie im initialen Röntgenthoraxbild kein Infiltrat auf [41 ]. Bei Patienten mit Pneumonie, die nur in der CT, nicht jedoch in der Röntgenthoraxaufnahme
Inflitrate aufwiesen, bestanden eine geringere inflammatorische Reaktion (Leukozyten,
CRP) sowie häufiger linkslaterale Infiltrate [44 ]. Zudem besteht bei leicht- bis mittelgradigen Pneumonien eine erhebliche Untersucherabhängigkeit
hinsichtlich der Beurteilung von Infiltraten [45 ]. Bei stationären Patienten mit einer im Verlauf bestätigten Pneumonie, die initial
kein radiologisches Korrelat hatten, ist die Letalität erhöht [46 ]. Patienten mit bilateralen Infiltraten weisen einen schwereren Verlauf mit häufigerer
ICU-Aufnahme sowie maschineller Beatmung im Vergleich zu Subgruppen mit unilateral
multilobären und lokalisierten Infiltraten auf [47 ].
Thorakaler Ultraschall. Die sonografische Diagnose einer Pneumonie ist mit einer hohen Sensitivität und Spezifität
möglich und besitzt im Zusammenhang mit der klinischen Untersuchung (v. a. der Auskultation)
einen sehr guten Vorhersagewert [48 ]. Das Verfahren erlaubt zudem, pleurale Prozesse zu erfassen (Pleuraerguss, Empyem)
und im Verlauf zu beurteilen [48 ]
[49 ].
Die Vorteile der Thoraxsonografie bestehen in der breiten Verfügbarkeit, der Nichtinvasivität
bzw. fehlenden Strahlenbelastung sowie der beliebigen Wiederholbarkeit. Nachteile
sind die begrenzte Eindringtiefe des Schalls im Thorax, sodass zentrale Infiltrationen
nicht erfasst werden können, sowie die noch geringe Erfahrung der meisten Behandler
in der Thoraxsonografie. Ebenso schließt eine negative Thoraxsonografie eine Pneumonie
nicht aus. Die Thoraxsonografie sollte daher nur dann als alleiniges bildgebendes
Verfahren eingesetzt werden, wenn ein Röntgenthorax nicht zeitnah verfügbar ist. Eine
positive Thoraxsonografie (Infiltratnachweis) bestätigt eine Pneumonie, eine negative
kann eine solche nicht sicher ausschließen.
4.1.4 Fallfindung der ambulant erworbenen Pneumonie im Bereich der Primärversorgung
Atemwegsinfektionen sind einer der häufigsten Gründe für Arzt-Patientenkontakte. Zudem
sind sie eine der wichtigsten Indikationen für die Verschreibung einer antimikrobiellen
Therapie im ambulanten Bereich. Die Herausforderung besteht in der Differenzierung
von Patienten mit tiefen Atemwegsinfektionen, die keine antimikrobielle Therapie benötigen,
von solchen, die so rasch wie möglich antimikrobiell behandelt werden sollten.
Klinisch hat sich eine solche Unterscheidung nicht selten als sehr schwierig bis unmöglich
erwiesen, wenn eine Röntgenthoraxaufnahme nicht zeitgerecht oder gar nicht angefertigt
werden kann. In einer Untersuchung konnte entsprechend auch gezeigt werden, dass die
Röntgenaufnahme in der Entscheidung über eine antimikrobielle Therapie in einer ambulanten
Praxis keine ausschlaggebende Rolle spielt [50 ].
Biomarker können in dieser Situation eine wichtige Rolle spielen. Zwei differente
Ansätze unter Einschluss von Biomarkern sind klinisch untersucht worden:
die Differenzialdiagnose tiefe Atemwegsinfektion vs. Pneumonie; hier besteht der Anspruch
an Biomarker, die Validität der Diagnose Pneumonie durch Biomarker zu verbessern.
Während in einer älteren Meta-Analyse eine schlechte Prädiktion einer radiologisch
gesicherten Pneumonie durch CRP gefunden wurde [51 ], zeigte sich in einer prospektiven Studie im Setting der Primärversorgung für unterschiedliche
Schwellenwerte eine gute bis befriedigende Korrelation von CRP- und PCT-Werten mit
einer radiologisch nachgewiesenen Pneumonie. Allerdings waren die positiv prädiktiven
Werte niedrig und die negativ prädiktiven Werte nicht besser als ca. 90 % [52 ]. Ein systematisches Review konnte für CRP in der Diagnose einer Pneumonie nur begrenzte
prädiktive Werte finden [53 ]. In einer rezenten Meta-Analyse zeigte sich das CRP dem PCT in der Prädiktion einer
Pneumonie im ambulanten Bereich überlegen [54 ]. Im Setting einer Notfallaufnahme eines Krankenhauses bzw. in populationsbezogenen
Auswertungen erzielen CRP und PCT allgemein bessere Prädiktionen [55 ]
[56 ].
Biomarker-gestützte Algorithmen, die von einer exakten Differenzialdiagnose der tiefen
Atemwegsinfektion vs. Pneumonie absehen, vielmehr bestimmte Schwellenwerte als Empfehlung
zum Verzicht bzw. Beginn einer antimikrobiellen Therapie angeben.
In zwei Meta-Analysen konnte CRP die Anzahl der Verschreibungen antimikrobieller Therapien
bei vergleichbarem Ausgang signifikant reduzieren [57 ]
[58 ]. Mehr Daten liegen für PCT vor, die auch eine höhere Effektivität des PCT in dieser
Indikation anzuzeigen scheinen. In einer norddeutschen Studie unter Einschluss von
45 Praxen konnte unter Einsatz von PCT der Anteil an Patienten mit Verschreibung einer
antimikrobiellen Medikation um 41,6 % gesenkt werden [59 ]. Eine Meta-Analyse konnte PCT als effektives Instrument zur Reduktion der Verschreibung
antimikrobieller Therapien auch in der Primärversorgung bestätigen [60 ]. In einer weiteren Meta-Analyse zeigte sich das PCT aber nicht geeignet, die Notwendigkeit
einer antibakteriellen Therapie zu begründen [61 ].
Bei der Interpretation dieser Daten muss immer berücksichtigt werden, dass die Vortest-Wahrscheinlichkeit
über die prädiktive Potenz von Biomarkern entscheidet. Je weniger klinisch wahrscheinlich
die Diagnose einer Pneumonie ist, desto geringere Aussagekraft hat die zusätzliche
Bestimmung eines Biomarkers. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Biomarker dynamische
Parameter sind und ein einmalig negatives CRP oder PCT eine Pneumonie nicht ausschließen
[62 ]
[63 ].
Voraussetzung für die Realisierbarkeit beider Ansätze in der ambulanten Praxis sind
Point-of-care-Testverfahren (POCT), die die Bestimmung eines Biomarkers ohne relevante
Zeitverzögerung erlauben. Diese sind zurzeit nur für CRP verfügbar.
Zusammenfassend bleibt die Diagnose der ambulant erworbenen Pneumonie im ambulanten
Bereich bzw. ihre Abgrenzung zu akuter Bronchitis und akuter Exazerbation der COPD
aus mehreren Gründen herausfordernd:
Klinische Zeichen der Pneumonie sind unspezifisch, die klinische Untersuchung erzielt
lediglich eine hohe negative Prädiktionskraft (Ausschluß einer Pneumonie).
Eine thorakale Bildgebung ist für eine sichere Diagnose noch immer unverzichtbar.
Andererseits ist die diagnostische Aussagekraft der Röntgenthoraxaufnahme gerade bei
leichtgradigen Pneumonien deutlich eingeschränkt.
Die einzige mögliche Alternative der Sonografie des Thorax ist nicht allgemein etabliert
bzw. überall verfügbar, zudem ist diese in der Identifikation von zentral gelegenen
Verschattungen limitiert.
Auch Biomarker erlauben weder eine sichere Identifikation von Pneumonien noch eine
sichere Differenzierung von Fällen, die antimikrobiell behandelt werden sollen.
Andererseits bleibt die Unterscheidung wichtig, um unnötige Verschreibungen antimikrobieller
Therapien zu vermeiden.
Das diagnostische Vorgehen lässt sich auf diesem Hintergrund nicht für alle Fälle
festschreiben. Es lassen sich jedoch Faktoren aufführen, die für eine Entscheidung
über das diagnostische Vorgehen relevant sind:
Logistik für eine Thoraxaufnahme (Zeit bis zum Vorliegen des Ergebnisses?)
thorakaler Ultraschall verfügbar? Besteht Expertise im thorakalen Ultraschall?
Biomarker verfügbar bzw. Zeit bis zum Vorliegen des Ergebnisses?
Alter und Zustand des Patienten (Mobilität? Bettlägerigkeit? subakute oder akute Symptomatik?)
soziale Einbindung des Patienten (allein lebend oder in Gemeinschaft?)
Patientenwunsch?
kuratives vs. palliatives Therapieziel
4.2 Wie wird der Schweregrad einer ambulant erworbenen Pneumonie erfasst?
E7: Im Zentrum der initialen Risikostratifizierung (ambulant und in der Notaufnahme)
zur Entscheidung über das Behandlungssetting steht die ärztliche Einschätzung des
Patienten. Zur Identifikation von Patienten mit einem minimalen Letalitätsrisiko soll
zur Ergänzung der klinischen Einschätzung die Verwendung des CRB-65-Scores (siehe
[Tab. 4 ]) erfolgen. Dieser Score soll ergänzt werden durch:
die Evaluation des funktionellen Status,
die klinische Evaluation potenziell instabiler Komorbiditäten,
die Messung der Oxygenierung.
Starke Empfehlung, Evidenz B.
E8: In der Notaufnahme des Krankenhauses sollen Patienten, die einer intensivierten
Therapie bedürfen, rasch identifiziert werden. Hierfür soll eine Evaluation der akuten
Sepsis- oder Komorbiditäts-assoziierten Organdysfunktion erfolgen. Diese Evaluation
soll die Erfassung der Minorkriterien der ATS/IDSA (siehe [Tab. 5 ]) und individueller potenziell instabiler Komorbiditäten einschließen. Bei Patienten
mit akuter Organdysfunktion soll eine initiale Laktatbestimmung erfolgen. Eine an
den initialen Schweregrad der Organdysfunktion angepasste regelmäßige Reevaluation
soll bis zur klinischen Stabilität durchgeführt werden. Starke Empfehlung, Evidenz
B.
Tab. 4
CRB-65-Index [12 ]
[64 ]
[69 ].
Prüfung auf das Vorliegen folgender Kriterien
1. Atemfrequenz ≥ 30 /min
2. diastolischer Blutdruck ≤ 60 mmHg oder systolischer Blutdruck < 90 mmHg
3. neu aufgetretene Bewusstseinstrübung
4. Alter ≥ 65 Jahre
Tab. 5
Minorkriterien. Ein hohes Risiko der intensivmedizinischen Therapienotwendigkeit besteht,
wenn > 2 von 9 Minorkriterien vorhanden sind [67 ]
[68 ]
[72 ]
[124 ]
[125 ]
[131 ]
[132 ]
[133 ]
[134 ]
[135 ]
[136 ].
Minorkriterien
1. schwere akute respiratorische Insuffizienz (PaO2 ≤ 55 mmHg bzw. ≤ 7 kPa bei Raumluft)
2. Atemfrequenz ≥ 30/Minute
3. multilobäre Infiltrate in der Röntgenthoraxaufnahme
4. neu aufgetretene Bewusstseinsstörung
5. systemische Hypotension mit Notwendigkeit der aggressiven Volumentherapie
6. akutes Nierenversagen
7. Leukopenie (Leukozyten < 4000/mm3 )
8. Thrombozytopenie (Thrombozyten < 100 000/mm3 )
9. Hypothermie (Körpertemperatur < 36 °C)
Die objektive Erfassung des Schweregrades der ambulant erworbenen Pneumonie ist ein
zentrales Element im Management der Erkrankung. Dabei stehen einerseits die sichere
Identifikation von Patienten mit niedrigem Letalitätsrisiko, anderseits die rasche
Erkennung vital gefährdeter Patienten im Vordergrund. Hiervon abhängig werden sowohl
Entscheidungen über das Therapiesetting als auch über die adäquate antimikrobielle
Therapie sowie eine ggf. erforderliche intensivierte Überwachung und Therapie getroffen.
Im Zentrum der Risikostratifizierung steht die ärztliche klinische Einschätzung des
Patienten. Zusätzlich ist eine Objektivierung der individuellen Gefährdung mittels
etablierter prognostischer Parameter erforderlich. Hierzu wurden in den letzten Jahren
verschiedene klinische Scores evaluiert, validiert und ergänzt [12 ]
[64 ]
[65 ]
[66 ]
[67 ]
[68 ]
[69 ]
[70 ]
[71 ]
[72 ].
Unterschieden werden muss zwischen der Letalitätsprädiktion (Identifizierung von Patienten
mit niedrigem Letalitätsrisiko, die sicher ambulant behandelt werden können) und der
Risikoprädiktion (Identifikation von Patienten mit erhöhtem Letalitätsrisiko, die
einer intensivierten Überwachung und Therapie in der Klinik bedürfen) [73 ]
[74 ].
4.2.1 Letalitätsprädiktion: Welcher Score bzw. welche zusätzlichen Parameter sind
geeignet, ein geringes Letalitätsrisiko zu prädizieren?
Als einfacher Score mit guter Prädiktion des Letalitätsrisikos hat sich der CRB-65
etabliert [12 ]
[64 ]
[69 ]
[75 ]. Er wird über die unkomplizierte Bestimmung von 3 klinischen und einem anamnestischen
Parameter gebildet und ist auch ambulant gut anwendbar. Der Score wird berechnet durch
die Addition eines Punktes für das Vorliegen jeweils eines der in der ([Tab. 4 ]) aufgelisteten Kriterien.
Der CRB-65 wurde in zahlreichen Studien und mehreren aktuellen Meta-Analysen validiert
[12 ]
[64 ]
[65 ]
[76 ]
[77 ]
[78 ]
[79 ] und zeigt eine gegenüber aufwendigeren Scores (CURB-65, PSI) vergleichbare Letalitätsprädiktion.
Für Deutschland liegen Daten von CAPNETZ und für stationäre Patienten auch aus der
externen Qualitätssicherung vor [12 ]
[64 ]
[75 ]. Bei einem Score von 0 betrug die Letalität unter Studienbedingungen bei ambulanten
und stationären Patienten in der CAPNETZ-Kohorte 0 %, bei 1–2 erfüllten Kriterien
stieg die Letalität auf 6 % und bei 3–4 erfüllten Kriterien auf 23 % an [64 ]. Entsprechende Daten zur Versorgungssituation bei hospitalisierten Patienten aus
der externen Qualitätssicherung zeigen eine ähnlich gute Diskrimination mit Letalitätsraten
von 2 % (0 Kriterien), 13 % (1–2 Kriterien) und 34 % (3–4 Kriterien) [12 ].
Dennoch hat der CRB-65 wichtige Limitationen. Es existieren keine prospektiven Interventionsstudien
zu Entscheidungen über das Therapiesetting unter Verwendung des CRB-65-Scores. Ferner
ist die Datenlage für ambulante Patienten schwächer [76 ]
[77 ]
[79 ]
[80 ]. Außerdem ist der prädiktive Wert des CRB-65 für eine niedrige Letalität bei älteren
Patienten und/oder Pflegeheimbewohnern unzureichend [14 ] (siehe Kapitel 3.1.4). Insbesondere in dieser Gruppe müssen daher weitere Kriterien
zur Risikoprädiktion herangezogen werden. Schließlich wird eine Einmalbestimmung der
Parameter der dynamischen Situation der Organdysfunktion bei CAP nicht gerecht: In
einer Studie zeigten sich bei 89 % der Patienten mit späterer Notwendigkeit einer
intensivmedizinischen Therapie initiale Blutdruckwerte oberhalb des Score-Grenzwertes,
aber bei 75 % dieser Patienten entwickelte sich eine systemische Hypotonie im Verlauf
der ersten 24 Stunden nach Krankenhausaufnahme [81 ].
Weitere Limitationen ergeben sich aus folgenden Zusammenhängen:
Wiederholt konnte gezeigt werden, dass bei älteren Patienten der funktionelle Status
einen von klinischen Scores und dem Alter unabhängigen prognostischen Einfluss besitzt
[14 ]
[82 ]
[83 ]
[84 ]
[85 ]. Als einfacher Parameter des funktionellen Status wurde in den Daten der externen
Qualitätssicherung zur ambulant erworbenen Pneumonie in Deutschland die „chronische
Bettlägerigkeit“ (d. h. Bettlägerigkeit > 50 % des Tages) als stärkster unabhängiger
Prädiktor für die Krankenhausletalität identifiziert [14 ].
Extrapulmonale Komorbiditäten wie insbesondere kardiale, aber auch zerebrovaskuläre,
renale, onkologische und hepatische Erkrankungen oder ein Diabetes mellitus wurden
ebenso als unabhängige Risikofaktoren für einen ungünstigen Verlauf bei ambulant erworbener
Pneumonie gefunden [8 ]
[12 ]
[70 ]
[86 ]
[87 ]
[88 ]
[89 ]
[90 ]
[91 ]
[92 ]
[93 ]. Akute extrapulmonale Organdysfunktionen als Komplikation einer ambulant erworbenen
Pneumonie treten bei hospitalisierten Patienten im Verlauf des Krankenhausaufenthaltes
in 20 – 40 % auf [94 ]
[95 ]
[96 ]
[97 ], sind häufiger bei Patienten mit Komorbiditäten sowie unabhängig mit der Letalität
assoziiert [97 ]
[98 ]. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der klinischen Evaluation potenziell instabiler
Komorbiditäten im Rahmen der Risikoevaluation.
Schließlich ist die Messung der Oxygenierung zur Identifizierung von Niedrigrisikopatienten
mit geringem Letalitätsrisiko von Bedeutung. Wiederholt wurde eine periphere Sauerstoffsättigung
von > 90–> 92 % als vom CRB-65 unabhängige Variable zur Optimierung des negativ prädiktiven
Wertes der Vorhersage einer ungünstigen Prognose identifiziert [90 ]
[91 ]
[92 ]
[99 ]
[100 ]. Die Messung der Oxygenierung ist ebenfalls von besonderer Bedeutung, wenn differenzialdiagnostisch
eine Influenza- oder COVID-19-Pneumonie berücksichtigt werden muss [101 ]
[102 ]
[103 ]
[104 ].
Ambulant sollte eine Pulsoximetrie durchgeführt werden, in der Notaufnahme des Krankenhauses
und insbesondere bei klinischen Zeichen der respiratorischen Insuffizienz muss eine
Blutgasanalyse durchgeführt werden.
4.2.2 Risikoprädiktion: Welche Patienten haben ein erhöhtes Letalitätsrisiko und bedürfen
einer intensivierten Überwachung bzw. Therapie?
Die Risikoprädiktion soll Patienten mit einem erhöhten Letalitätsrisiko identifizieren.
Das Ziel ist dabei, entsprechend gefährdete Patienten einer frühzeitig intensivierten
Überwachung und Therapie zuzuführen.
Im Zentrum der Risikoprädiktion steht die Evaluation der akuten Sepsis-assoziierten
Organdysfunktion, definiert als [105 ]
[106 ]:
Sepsis-induzierte Hypotonie (systolischer Blutdruck < 90 mmHg)
Akute respiratorische Insuffizienz (PaO2 /FIO2 < 200)
Akute Niereninsuffizienz (Urinproduktion kleiner 0,5 ml/kg/h für mehr als 2 Stunden
trotz adäquater Flüssigkeitsgabe oder Kreatinin > 2 mg/dl)
Bilirubin > 2 mg/dl
Thrombozyten < 100 000 /µl
INR > 1,5
Akute Bewusstseinstrübung
Das höchste Risiko akuter Organdysfunktionen findet sich in den ersten 72 Stunden
nach Krankenhausaufnahme [12 ]
[94 ]
[95 ]
[107 ]
[108 ]. Wichtigste frühe Komplikationen sind die akute respiratorische Insuffizienz und
die Komorbiditäts- oder Sepsis-bedingte akute extrapulmonale Organdysfunktion [12 ]
[68 ]
[94 ]
[95 ]
[96 ]
[97 ]
[107 ]
[108 ]
[109 ]. Aus der dynamischen Entwicklung der Sepsis-assoziierten Organdysfunktion ergibt
sich außerdem die Notwendigkeit zur Reevaluation der Organfunktion bis zur objektiven
klinischen Besserung [12 ]
[94 ]
[95 ]
[108 ].
Zunächst impliziert das Vorhandensein eines der sog. Majorkriterien:
eine akute Notfallsituation [105 ]
[110 ]
[111 ]
[112 ]
[113 ]
[114 ]
[115 ]
[116 ]
[117 ]
[118 ]
[119 ]
[120 ]
[121 ]
[122 ]
[123 ].
Für die Prädiktion von Patienten mit einem erhöhten Risiko für die Notwendigkeit einer
Intensivtherapie bzw. einer maschinellen Beatmung und/oder Katecholamintherapie ohne
unmittelbar erforderliche Einleitung einer Organersatztherapie (d. h. ohne Majorkriterien)
wurden mehrere Scoresysteme entwickelt und in Studien evaluiert [67 ]
[68 ]
[72 ]
[110 ]
[124 ]
[125 ]
[126 ]
[127 ]
[128 ]
[129 ]
[130 ]
[131 ]. Den Scores gemeinsam ist die Identifikation klinischer, laborchemischer und radiologischer
Parameter der akuten Organdysfunktion, die, in unterschiedlicher Zusammensetzung verwendet,
etwa ähnliche Prädiktionen erzielen. In Meta-Analysen waren diese Scores dem CRB-65
in der Risikoprädiktion konsistent überlegen [67 ]
[125 ]
[132 ]. Die am besten validierten Parameter sind dabei die sog. Minorkriterien der ATS/IDSA
aus dem Jahr 2007 [67 ]
[68 ]
[72 ]
[124 ]
[125 ]
[131 ]
[132 ]
[133 ]
[134 ]
[135 ]
[136 ] (siehe [Tab. 5 ]).
In einer Meta-Analyse zeigten sich alle 9 Parameter der Organdysfunktion für die Notwendigkeit
einer ITS-Aufnahme oder Organersatztherapie prädiktiv [68 ]. Bei > 2 erfüllten Minorkriterien betrugen Sensitivität und Spezifität für den Endpunkt
Notwendigkeit maschinelle Beatmung und/oder Katecholamintherapie 79 % bzw. 82 % [68 ]. Eine Studie konnte nach Einführung eines auf diesen Minorkriterien basierenden
Management-Algorithmus in der Notaufnahme eine Reduktion der Letalität der identifizierten
Hochrisikopatienten von 24 % auf 6 % nachweisen [137 ].
Weitere Risiko-Scores wurden 2016 mit der Neudefinition der Sepsis implementiert [106 ]: Als Screening wird ein neuer Score (qSOFA) vorgeschlagen, welcher die gleichen
Parameter wie der CRB-Score mit anderen Grenzwerten verwendet (Atemfrequenz ≥ 22/min,
syst. Blutdruck ≤ 100 mmHg, Bewusstseinstrübung). Bei ≥ 2 Kriterien soll das Vorliegen
einer manifesten Organdysfunktion zur Diagnose der Sepsis mittels des aufwendigeren
SOFA-Scores evaluiert werden, der die oben angegebenen Parameter der akuten septischen
Organdysfunktion quantifiziert, dabei aber außerhalb der Intensivstation schwer zu
implementieren ist.
Beide Scores wurden bei CAP und für Deutschland bereits validiert [71 ]
[72 ]
[138 ]
[139 ]
[140 ]: Der qSOFA zeigte dabei eine dem CRB-65 aufgrund des fehlenden Alterskriteriums
unterlegene Sensitivität [71 ] und war mit dem vorgeschlagenen Grenzwert von ≥ 2 Kriterien in einer Meta-Analyse
mit 43 % ungenügend sensitiv für die Letalitätsprädiktion [140 ]. Der SOFA zeigte dagegen eine den Minorkriterien der ATS/IDSA leicht überlegene
Assoziation mit dem kombinierten Endpunkt aus Tod oder notwendiger Organersatztherapie
[72 ] bei einer Patientenpopulation mit einer niedrigen 28-Tages-Gesamtletalität von 2,3 %.
Weitere, idealerweise interventionelle Validierungsstudien an repräsentativen Patientengruppen
sind notwendig, bis diese Scores die im Rahmen der ambulant erworbenen Pneumonie entwickelten
Scores (CRB-65, Minorkriterien) mit dem Ziel einer Vereinheitlichung und damit Vereinfachung
der Risikoevaluation in Krankenhausnotaufnahmen in Zukunft möglicherweise ersetzen
können.
Bei Patienten mit manifester septischer Organdysfunktion oder septischem Schock ist
der Verlauf des Laktats von Bedeutung für Prognose und Therapiesteuerung, sodass bei
diesen Patienten eine initiale Bestimmung empfohlen wird [141 ]
[142 ]
[143 ]
[144 ]
[145 ].
Ob die Hinzunahme weiterer Biomarker (z. B. pH, Glukose, Proadrenomedullin, Copeptin,
Kortisol) zu einer zusätzlichen und klinisch relevanten Verbesserung der Risikoprädiktion
führen kann, ist bisher trotz vielversprechender Daten aus Beobachtungsstudien nicht
belegt [68 ]
[74 ]
[146 ]
[147 ]
[148 ]
[149 ]
[150 ]
[151 ].
4.2.3 Komorbiditäten
Die strukturelle Erfassung von potenziell instabilen Komorbiditäten erlaubt, das individuelle
Risiko extrapulmonaler Organdysfunktion besser einzuschätzen. Akute kardiale Komplikationen
stellen insbesondere bei Patienten mit kardialer Vorerkrankung häufige, frühzeitig
auftretende und prognoserelevante Ereignisse dar, welche ein intensiveres Monitoring
und Management benötigen [86 ]
[98 ]
[152 ].
4.2.4 COVID-19
Für Patienten mit COVID-19 ist eine evidenzbasierte Risikostratifizierung bisher noch
nicht implementiert. Dem Schweregrad der Oxygenierungsstörung kommt als wichtigem
und unabhängigem Risikoprädiktor Priorität zu [103 ]
[104 ]
[153 ]
[154 ]. Die Verwendung von weiteren Biomarkern wie erniedrigten Lymphozyten oder erhöhten
Werten für LDH, CRP und D-Dimere können hilfreich sein [153 ]
[255 ]. Die bislang beste multidimensionale Risikostratifizierung erlaubt der 4c-Score
[154 ].
Im Kontext der Differenzialdiagnose einer Pneumonie durch SARS-CoV-2 erscheint eine
multimodale Risikostratifikation unter Berücksichtigung der Oxygenierung, des CRB-65-Scores,
der ATS/IDSA-Minorkriterien und dekompensierter Grunderkrankungen weiterhin sinnvoll
und sollte nicht auf weniger Parameter reduziert werden. Ansonsten wird auf entsprechend
aktuelle Empfehlungen der Fachgesellschaften verwiesen.
4.3 Welche Patienten können ambulant behandelt werden?
E9: Patienten, die nach klinischer Einschätzung des Arztes stabil erscheinen und auf
die folgende Kriterien zutreffen: CRB-65 = 0, keine neu aufgetretene O2 -Sättigungsminderung bzw. ausreichende Oxygenierung (SaO2 > 92 %) und fehlende Hinweise auf instabile Komorbiditäten sollen ambulant behandelt
werden, sofern keine Komplikationen vorliegen oder soziale Faktoren eine stationäre
Aufnahme erforderlich machen. Für Patienten mit Residenz im Seniorenheim und/oder schlechter Funktionalität (Gruppe
1b) gelten zusätzliche Überlegungen (siehe 3.4), ebenso für Patienten mit palliativem
Therapieziel (Gruppe 2). Starke Empfehlung, Evidenz A.
E10: Im Falle einer Entscheidung für eine ambulante Behandlung soll eine Reevaluation
der Patienten nach 48–72 h erfolgen, da eine klinische Verschlechterung häufig in
diesem Zeitrahmen eintritt. Starke Empfehlung, Evidenz B.
Wie ausgeführt steht das klinische Urteil des behandelnden Arztes im Mittelpunkt der
klinischen Risikoabschätzung. Als objektives Instrument der Schweregradeinschätzung,
das eine Hilfe in der klinischen Einschätzung darstellen soll, wird der CRB-65 mit
den ausgeführten Einschränkungen bzw. der erforderlichen zusätzlichen Berücksichtigung
weiterer Parameter empfohlen (siehe 4.2.1).
Im Kontext der COVID-19-Pandemie wurde die unabhängig von Vitalparameter-Dysfunktionen
bestehende Bedeutung einer Oxygenierungsstörung für die Prognose nochmals deutlich.
Daher wird für die Entscheidung über eine ambulante Behandlung eine Oxygenierungsmessung
(Pulsoxymetrie oder Blutgasanalyse) auch im ambulanten Bereich empfohlen [103 ]
[104 ]
[154 ].
Zwar ist bislang nur der pneumonia severity index (PSI) in seiner Fähigkeit, Patienten
zu identifizieren, die sicher ambulant behandelt werden können, prospektiv randomisiert
validiert worden. Es konnte gezeigt werden, dass definierte Patienten mit einer ambulant
erworbenen Pneumonie und einer PSI Klasse I und II in der Notaufnahme, die in der
Folge ambulant behandelt wurden, sich hinsichtlich klinischer Heilung, stationärer
Wiederaufnahmen und Letalität nicht von der Gruppe unterschieden, die mit diesem Score
hospitalisiert wurden [156 ]. Dennoch wird der CRB-65 aufgrund seiner Einfachheit bevorzugt.
Patienten der Gruppe 1a mit einem CRB-65-Score = 0 sollten ambulant behandelt werden.
Im Falle einer ambulanten Therapie sollte eine Reevaluation nach 48–72 Stunden erfolgen.
In einer britischen Studie zeigte sich, dass bei Patienten, die trotz eines niedrigen
Risikoscores (CRB-65 0/1) stationär behandelt wurden, die Letalität erhöht war (6,7 %).
Die häufigsten Gründe für eine stationäre Aufnahme trotz niedrigen Risikoscores waren
Hypoxämie (31,4 %) und instabile Komorbiditäten (16,4 %) [157 ]. In einer weiteren Studie zeigte sich die Risikoabschätzung der Letalität beim CRB-65
mit zunehmendem Alter verschlechtert [158 ].
Patienten ≥ 65 Jahre haben höheres Letalitätsrisiko, dennoch ist das höhere Alter
als alleiniges Hospitalisierungskriterium nicht geeignet, vielmehr im Zusammenhang
mit der Komorbidität und der sozialen Situation zu handhaben.
Kriterien, die eine stationäre Aufnahme evtl. trotz eines niedrigen Scores erforderlich
machen können, müssen daher berücksichtigt werden. Zu diesen zählen:
Hypoxämie/Sauerstoffpflichtigkeit
instabile Komorbiditäten
Komplikationen (z. B. Pleuraerguss)
soziale Faktoren (z. B. fehlende häusliche Versorgung).
Für Patienten mit NHAP bzw. schlechter Funktionalität (Gruppe 1b) gelten zusätzliche
Überlegungen. Die Letalitätsprädiktion des CRB-65 verschlechtert sich mit zunehmendem
Alter. Bei Patienten mit NHAP diskriminiert der CRB-65 zwar weiterhin drei Risikogruppen,
aufgrund der grundsätzlich hohen Letalität in dieser Gruppe aber keine Niedrigrisikoklasse
mehr [110 ].
Zudem müssen bei diesen Patienten eine Reihe von weiteren Bedingungen erfüllt sein,
um eine ambulante Therapie durchführen zu können. Zu diesen gehören:
eine ärztliche und pflegerische Betreuung (mindestens einmalige ärztliche Reevaluation
nach 48–72 Stunden und Sicherstellung einer hinreichenden Versorgung)
eine zuverlässige Medikamentenapplikation
ggf. die Verfügbarkeit von Sauerstoff
die Möglichkeit einer initial parenteralen Therapie, falls indiziert.
Für Patienten, bei denen sich ein palliatives Therapieziel ergibt, entscheiden die
Erfordernisse der palliativen Therapie über das Therapiesetting (siehe Kapitel 9).
4.4 Welche Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie stellen einen akuten Notfall
dar und sollten entsprechend behandelt werden?
E11: Alle Patienten der Gruppen 1a (und 1b ohne Einschränkung therapeutischer Eskalationen)
mit > 2 Minorkriterien oder mit einem Majorkriterium (invasive Beatmung oder systemische
Hypotension mit Vasopressortherapie) sollen als akuter Notfall behandelt werden und
bedürfen eines umgehenden intensivierten Managements. Eine individualisierte rasche Volumentherapie mit kristalloiden Lösungen bzw. Therapie
mit Vasopressoren sowie die umgehende Einleitung einer adäquaten initialen antimikrobiellen
Therapie möglichst innerhalb von einer Stunde sollen bei diesen Patienten erfolgen.
Die weitere Therapie der Sepsis soll sich an den Leitlinien zur Sepsis orientieren.
Starke Empfehlung, Evidenz B.
Stationär behandelte Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie haben in Deutschland
nach den Daten der externen Qualitätssicherung unverändert eine hohe Krankenhausletalität
von ca. 13 % [159 ]. Selbst nach Ausschluss von Patienten aus Pflegeheimen oder mit vorbestehender Bettlägerigkeit
sterben 2,4 % der stationär behandelten Patienten bereits innerhalb von 72 Stunden
nach stationärer Aufnahme; dies entspricht 33 % aller Krankenhaustodesfälle von Patienten
mit ambulant erworbener Pneumonie bzw. ca. 3700 Patienten jährlich in Deutschland
[160 ]. Die Krankenhausletalität dieser Patienten ist somit, selbst wenn keine Therapielimitation
dokumentiert wurde, höher als die von Patienten mit einem ST-Hebungsinfarkt, die das
Krankenhaus erreichen [12 ]
[14 ]
[161 ].
Aktuelle Daten der externen Qualitätssicherung aus Deutschland zeigen, dass 76 % der
im Krankenhaus verstorbenen Patienten (nach Ausschluss von Patienten aus Pflegeheimen
oder mit vorbestehender Bettlägerigkeit) vor ihrem Tod keine Beatmungstherapie erhielten
[162 ]. Bei diesen Patienten wurden seltener ein adäquates Monitoring der respiratorischen
Funktion und eine kalkulierte antimikrobielle Therapie innerhalb der ersten 8 Stunden
dokumentiert. Analog zeigen Daten aus den USA, dass bei Patienten mit akutem Herzstillstand
im Rahmen einer Krankenhausbehandlung wegen Pneumonie nur etwa 50 % dieser Ereignisse
unter kardiovaskulärem Monitoring stattfanden [107 ]. Aus diesen Daten muss geschlossen werden, dass die ambulant erworbene Pneumonie
als akut vital bedrohliche Erkrankung unterschätzt wird.
Das Konzept der Pneumonie als Notfall [163 ] trägt daher folgenden Tatsachen Rechnung:
die Letalität bei Patienten mit Schweregradkriterien, die eine Hospitalisation begründen,
ist hoch (ca. 8 % in den CRB-65 Klassen 1–2 bzw. 25–30 % in den CRB-65 Klassen 3–4),
nicht alle hospitalisierten Patienten mit schwerer Pneumonie (Kriterien: Notwendigkeit
einer Beatmung und/oder der Gabe von Vasopressoren) erfüllen diese Kriterien bereits
bei Aufnahme. Vielmehr kann sich ein solcher Notfall innerhalb von 3–7 Tagen entwickeln;
gerade bei den Patienten mit Entwicklung einer schweren Pneumonie im Verlauf ist die
Letalität am höchsten [131 ]
[137 ].
die Möglichkeit einer Reduktion der Letalität durch die Erkennung und Behandlung von
Patienten mit Schweregradkriterien bzw. Organdysfunktion ist belegt [119 ]
[120 ]
[121 ]
[137 ]. Alle Patienten mit akuter Notwendigkeit einer maschinellen Beatmung oder Vasopressortherapie
(Majorkriterien) stellen einen Notfall dar und bedürfen eines umgehenden intensivmedizinischen
Managements zur Sicherung der Organfunktion [105 ]
[112 ]
[113 ]
[114 ]
[115 ]
[116 ]
[117 ]
[118 ]
[119 ]
[120 ]
[121 ]
[122 ]
[123 ]. Aber auch Patienten mit manifester systemischer Hypotension ohne sofortige klinische
Notwendigkeit einer Vasopressortherapie sowie Patienten mit > 2 Minorkriterien sind
akut vital gefährdet und profitieren nachweislich von einer frühzeitigen intensiven
Therapie [67 ]
[68 ]
[119 ]
[120 ]
[121 ]
[137 ]
[164 ]
[165 ]. Es wurde wiederholt gezeigt, dass eine verspätete intensivmedizinische Betreuung
auch bei schweren Pneumonien ohne unmittelbare Indikation zur Organersatztherapie
mit einer erhöhten Letalität assoziiert ist [108 ]
[131 ]
[164 ]
[166 ].
Pneumoniespezifisch spielt die akute respiratorische Insuffizienz als Organdysfunktion
eine besondere Rolle [68 ]
[94 ]
[97 ]
[122 ]
[131 ]. Eine verzögerte Evaluation der Oxygenierung ist mit einer ungünstigen Prognose
assoziiert [167 ]. Eine frühe Erkennung und wiederholte Evaluation der respiratorischen Funktion sind
daher erforderlich.
Bei Patienten mit Pneumonie und Sepsis sind eine leitliniengerechte Volumen- bzw.
Vasopressortherapie sowie die umgehende Einleitung einer kalkulierten intravenösen
antimikrobiellen Therapie mit breitem Spektrum nach den Empfehlungen bei schwerer
Pneumonie von gesicherter prognostischer Bedeutung (siehe Kapitel 5.5) [105 ]
[113 ]
[115 ]
[117 ]
[118 ]
[119 ]
[120 ]
[121 ]
[137 ]
[164 ]
[165 ]
[168 ]
[169 ].
Genaue Zeitfenster für Notfallinterventionen spezifisch für die ambulant erworbene
Pneumonie wurden bisher nicht definiert. Eine Orientierung geben Studien und resultierende
Leitlinienempfehlungen zur Sepsis, die bei schwerer CAP regelhaft vorliegt [117 ]
[118 ]
[123 ]. Die Einleitung einer adäquaten antimikrobiellen Therapie sollte bei diesen Patienten
schnellstmöglich d. h. direkt nach Abnahme von Blutkulturen ohne Verzögerung durch
weitere diagnostische Maßnahmen möglichst innerhalb einer Stunde erfolgen [115 ]
[119 ]
[120 ]
[121 ]
[123 ]
[165 ]
[170 ].
Die aktuellen internationalen und nationalen Sepsisleitlinien empfehlen als zentrale
Maßnahmen nach Abnahme von Laktat und Blutkulturen die schnellstmögliche Einleitung
eines Volumenmanagements und einer adäquaten kalkulierten antimikrobiellen Therapie
für diese Patienten (siehe Kapitel 5.5) ([Tab. 6 ]) [105 ]
[117 ]
[118 ]
[123 ].
Tab. 6
Initiales Sepsismanagement nach „Surviving Sepsis Campaign“ (modifiziert nach [105 ]
[112 ]
[118 ]
[123 ]
[137 ]
[165 ]).
Schnellstmöglich, innerhalb von 1 Stunde nach Diagnose Pneumonie als Notfall
4.5 Welche zusätzlichen Patienten sollten eine intensivierte Überwachung bzw. Therapie
erhalten?
E12: Patienten der Gruppen 1a (und 1b ohne Beschränkung therapeutischer Eskalationen)
mit erhöhtem Letalitätsrisiko, d. h. mit instabilen Komorbiditäten, 1–2 Minorkriterien
oder Laktat > 2 mmol/l sollen intensiviert überwacht werden. Dazu sollen Vitalparameter,
Oxygenierung und Organfunktion bis zur klinischen Stabilität regelmäßig reevaluiert
werden. Starke Empfehlung, Evidenz B.
Auch Patienten mit Minorkriterien, welche die o. g. Kriterien für eine ambulant erworbene
Pneumonie als Notfallerkrankung (Majorkriterien oder systemische Hypotension oder
Präsenz von > 2 Minorkriterien) nicht erfüllen, haben ein erhöhtes Risiko für Komplikationen.
So konnte in einer Studie gezeigt werden, dass bei Patienten, die aufgrund fehlender
initialer Indikation einer direkten Verlegung auf Intensivstation erst im Verlauf
des stationären Aufenthaltes intensivpflichtig wurden, ein Anstieg der Minorkriterien
von im Mittel 2 auf 4 zu verzeichnen war. Diese Patienten wiesen eine signifikant
erhöhte Letalität (51 % vs. 20 %) im Vergleich zu denen auf, die initial intensivmedizinisch
betreut wurden [108 ].
In einer Studie zeigte sich bei einem Laktat > 1,8 mmol/l, gemessen bei Erstvorstellung
in der Notaufnahme wegen CAP, eine Wahrscheinlichkeit von 46 % für die Notwendigkeit
einer ITS-Verlegung oder eines letalen Verlaufs [171 ]. Auch weitere Studien identifizierten Laktat als unabhängigen Prädiktor für Komplikationen
bei Pneumonie [172 ]
[173 ]
[174 ]
[175 ]. Bei der Sepsis wurde Laktat mit einem Grenzwert von 2–4 mmol/l wiederholt als unabhängiger
Letalitätsprädiktor identifiziert [144 ]
[145 ] und ein Management unter Steuerung durch serielle Laktatmessungen in einer Meta-Analyse
mit einer besseren Prognose assoziiert [143 ].
Es lassen sich demnach zusätzlich zwei Patientengruppen definieren, welche einer intensivierten
Überwachung und Therapie im Krankenhaus bedürfen, ohne dass die Kriterien einer Pneumonie
als Notfall erfüllt wären [68 ]
[86 ]
[98 ]
[119 ]
[120 ]
[121 ]
[145 ]
[165 ]
[167 ]
[170 ]
[171 ]
[176 ].
Patienten mit instabilen oder dekompensierten chronischen Komorbiditäten (v. a. Erkrankungen
des Herzens, der Lunge, Nieren, Leber, des ZNS, mit Tumoren oder Diabetes mellitus)
und
Patienten mit 1–2 Minorkriterien oder Laktaterhöhung > 2 mmol/l
Diese beiden Gruppen werden als „Pneumonien mit erhöhtem Letalitätsrisiko“ definiert.
4.6 Welches Monitoring ist bei Patienten angezeigt, die einer intensivierten Überwachung
bedürfen?
E13: Über das (selbstverständliche) Monitoring von Patienten mit Notwendigkeit einer
Beatmung und/oder einer Vasopressortherapie hinaus sollen alle hospitalisierten Patienten
mit Pneumonie als Notfall oder Pneumonie mit erhöhtem Letalitätsrisiko, sofern sie
keiner begründeten und konsentierten Limitation des Therapieziels unterliegen, ein
individuell angepasstes Monitoring der Vitalparameter, der Oxygenierung und der Organfunktionen
bis zum Nachweis einer klinischen Besserung (Stabilitätskriterien, siehe Kapitel 4.10)
erhalten. Durchführung und Ergebnisse dieser Maßnahmen sollen regelmäßig ärztlich
angepasst und überwacht werden. Starke Empfehlung, Evidenz B.
E14: Insbesondere alle Patienten mit kardialer Komorbidität oder erhöhten kardialen
Biomarkern sollen ein symptombezogenes kardiales Monitoring erhalten. Bei stationären
Patienten mit anderen relevanten Komorbiditäten soll täglich klinisch auf Anzeichen
einer Dekompensation der Komorbidität geachtet werden. Starke Empfehlung, Evidenz
B.
E15: Bei allen Patienten soll auf Pneumonie-assoziierte Komplikationen geachtet werden
(komplizierter parapneumonischer Erguss bzw. Empyem, Abszess). Starke Empfehlung,
Evidenz B.
4.6.1 Monitoring der Vitalparameter
Eine intensivierte Überwachung kann, abhängig vom klinischen Zustand des Patienten,
entweder auf einer Intensivstation, einer Intermediate-care-Station (IMC) oder personell
und technisch dafür ausgestatteten Station erfolgen (geeignete Überwachungsoptionen
bis hin zur kontinuierlichen Monitorisierung oder Telemetrie [177 ]).
Eine intensivierte Überwachung sollte initial mindestens eine tägliche Evaluation
der Vitalparameter und der Oxygenierung (Oxymetrie, Atemfrequenz, Blutdruck, Herzfrequenz,
Temperatur, Bewusstseinsstatus) umfassen, zudem eine Evaluation der Organfunktionen,
wobei pathologische Parameter kurzfristig reevaluiert werden müssen [81 ]
[94 ]
[95 ]
[131 ]
[178 ]. Bei einem Laktat > 2 mmol/l sind zusätzlich kurzfristige Verlaufskontrollen bis
zur Normalisierung angezeigt [118 ]
[143 ]. Bei Patienten mit akuter respiratorischer Insuffizienz ist unter den eingeleiteten
Maßnahmen zur respiratorischen Stabilisierung (siehe Kapitel 5.4) eine engmaschige
Kontrolle durch Monitoring der Blutgasanalysen notwendig.
Die ungenügende Überwachung angeordneter Monitoring-Maßnahmen sowie der Reaktionen
auf pathologische Parameter wurde in einer Studie als häufigste Ursache für ungeplante
ITS-Verlegungen von Normalstation identifiziert [179 ]. Eine adäquate ärztliche Kontrolle der veranlassten intensivierten Überwachung und
abgeleiteten klinischen Konsequenzen ist daher erforderlich.
Die Dauer der intensivierten Überwachung hängt wesentlich von der Zeit bis zum klinischen
Ansprechen nach klinischen Stabilitätskriterien (siehe Kapitel 4.10) ab, muss jedoch
individuell entschieden werden. Eine intensivierte Überwachung beträgt i. d. R. 72
Stunden, bei anhaltend instabilem Zustand oder dekompensierten Komorbiditäten ggf.
auch länger [94 ]
[108 ]
[131 ]
[160 ].
4.6.2 Monitoring der Organfunktion
Bei Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie finden sich bei ca. 25 % der Patienten
kardiale Rhythmusstörungen, Myokardischämien und/oder die Entwicklung einer manifesten
Herzinsuffizienz. In 50 % der Fälle geschieht dies innerhalb der ersten 24 Stunden
nach stationärer Aufnahme [86 ]
[98 ]. Eine Pneumonie ist zudem neben kardiovaskulären Erkrankungen auch ein Risikofaktor
für zerebrovaskuläre Ereignisse [180 ].
Im Kontext der Pneumonie erhöhte kardiale Biomarker wie Troponin oder BNP/NT-proBNP
sind dabei für die Entwicklung kardialer Komplikationen prädiktiv [181 ]
[182 ]. Auch die Influenzainfektion und andere respiratorische Virusinfektionen sind insbesondere
in den ersten Tagen mit einem signifikant erhöhten Risiko kardiovaskulärer Komplikationen
assoziiert [183 ]
[184 ]. Zusätzlich können kardiale Rhythmusstörungen auch als unerwünschte Wirkungen einer
Antibiotikatherapie mit z. B. Makroliden oder Fluorchinolonen oder im Rahmen von Medikamenten-Interaktionen
auftreten [185 ]
[186 ].
Alle Patienten mit kardialen Risikofaktoren oder bekannter kardialer Komorbidität
sollten daher ein symptombezogenes kardiales Monitoring erhalten. Dies beinhaltet
bei Aufnahme ein Ruhe-EKG, ggf. auch die Bestimmung des BNP/NT-proBNP und, insbesondere
bei kardial bedingten Symptomen, des Troponins. Im Falle eines pathologischen EKGs
und/oder relevant erhöhter Biomarker ist ein intensiviertes Monitoring der Kreislaufparameter
(mindestens Blutdruck- und Pulsmessungen in definierten engmaschigen Abständen) und
eine weitergehende kardiologische Abklärung sowie ggf. Therapie entsprechend kardiologischer
Leitlinien erforderlich.
Bei stationären Patienten mit anderen relevanten Komorbiditäten (z. B. Diabetes, COPD,
chronische Nieren-, Leberinsuffizienz, ZNS-Erkrankungen) sollte täglich klinisch auf
Anzeichen einer Dekompensation der Komorbidität geachtet werden [97 ]
[109 ].
Eine Hyperglykämie ist ein Prädiktor für eine erhöhte Letalität, unabhängig davon,
ob ein Diabetes mellitus bekannt ist [146 ]. Bei Patienten mit einem Diabetes mellitus kann es zu einer Hyperglykämie kommen,
es kann sich aber auch eine ebenfalls prognostisch ungünstige Hypoglykämie entwickeln.
Umgekehrt kann ein erhöhter Blutzucker im Kontext der Pneumonie auf einen noch nicht
diagnostizierten Diabetes hinweisen [187 ]. Daher sollte bei Aufnahme der Blutzucker bestimmt werden. Bei Hyperglykämie, Hypoglykämie
oder bekanntem Diabetes mellitus sollte im weiteren Verlauf ein tägliches Monitoring
des Blutzuckers und ggf. eine erweiterte Diagnostik bzgl. des Vorliegens eines nicht
bekannten Diabetes durchgeführt werden.
Bei bekannter COPD besteht ein signifikant erhöhtes Risiko einer ventilatorischen
Insuffizienz, eine Blutgasanalyse ist daher immer erforderlich [188 ]
[189 ].
Auf eine akute oder akut-auf-chronische Niereninsuffizienz ist zu achten [7 ]
[88 ]. Deshalb sollte bei Aufnahme im Labor das Kreatinin und die GFR bestimmt werden.
Eine Verlaufskontrolle der Nierenfunktion nach 3–4 Tagen bzw. häufiger bei initial
pathologischen Parametern wird empfohlen.
Ebenso kann sich eine chronische Leberinsuffizienz verschlechtern [8 ]
[190 ]. Deshalb sollten bei Aufnahme im Labor die Transaminasen und Cholestaseparameter
bestimmt werden. Eine Verlaufskontrolle nach 3–4 Tagen bzw. häufiger bei initial erhöhten
Parametern ist angezeigt. Ein Anstieg der Transaminasen kann im Rahmen der Pneumonie
entstanden oder Folge der Toxizität antimikrobieller Substanzen sein. Die Lebertoxizität
der Clavulansäure entwickelt sich nicht selten erst nach Abschluss der Therapie, gelegentlich
sogar nach mehreren Wochen.
4.6.3 Evaluation von Pneumoniekomplikationen
Bei allen Patienten soll auf Pneumonie-assoziierte Komplikationen geachtet werden,
v. a. auf einen komplizierten parapneumonischen Erguss, ein Pleuraempyem sowie einen
Lungenabszess. Bei Angabe eines pleuritischen Schmerzes, einer fehlenden Besserung
des Allgemeinzustandes, zunehmender Luftnot oder anhaltend erhöhter Temperatur bzw.
Fieber sollte die Ausbildung eines komplizierten Pleuraergusses bzw. eines Pleuraempyems
ausgeschlossen werden (siehe Kapitel 7).
4.7 Welche Schweregradeinteilung ergibt sich aus der Evaluation des Schweregrads und
welche Implikationen hat der Schweregrad für die Entscheidung über das Therapiesetting?
Aus den Grundsätzen der Schweregradevaluation lassen sich folgende Schweregrade ableiten:
Leichtgradige Pneumonie: Patienten ohne Schweregradkriterien (CRB und Oxygenierungskriterien)
oder Risikofaktoren (keine instabile Komorbidität und gute Funktionalität) ([Abb. 2 ])
Mittelschwere Pneumonie: Patienten mit erhöhtem Letalitäts-Risiko (1–2 Minorkriterien,
instabile chronische Komorbidität (insbesondere kardial), Laktat > 2 mmol/l. Die chronische
Bettlägerigkeit geht zwar mit einer erhöhten Letalität einher, impliziert aber nicht
per se die Notwendigkeit eines intensivierten Monitorings und wird daher nicht als
unabhängiges Schweregradkriterium gewertet ([Abb. 3 ]).
Schwere Pneumonie: Patienten mit Pneumonie als Notfall: (> 2 Minorkriterien oder systemische
Hypotension mit Vasopressortherapie bzw. Beatmung [NIV oder MV]) ([Abb. 3 ]).
Aus dem Schweregrad ergeben sich Kriterien für das Therapiesetting:
Patienten mit leichtgradiger Pneumonie sollen ambulant behandelt werden. Zusätzliche
Voraussetzungen sind eine sichere Einnahme und Resorption einer oralen Medikation,
das Fehlen sozialer Kontraindikationen sowie die Abwesenheit von Komplikationen (z. B.
Pleuraerguss).
Patienten mit mittelschwerer Pneumonie bedürfen der Hospitalisation und des intensivierten
Monitorings, bis eine klinische Stabilisierung erreicht ist.
Patienten mit schwerer Pneumonie erhalten im Krankenhaus ebenfalls ein intensiviertes
Monitoring, eine Aufnahme auf der Intensivstation muss erwogen werden. Sie ist immer
erforderlich bei invasiver Beatmung, septischem Schock und Multiorganversagen.
Abb. 2 Risikostartifizierung in der ambulanten Praxis. Quelle: AWMF-Leitlinie „Behandlung
von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie – Update 2021“. https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/020-020.html [rerif].
Abb. 3 Risikostratifizierung in der Notaufnahme des Krankenhauses. Quelle: AWMF-Leitlinie
„Behandlung von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie – Update 2021“.
https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/020-020.html [rerif].
Auf Besonderheiten der Patientengruppen 1b und 2 wird erneut verwiesen (siehe Kapitel
3.4). Hinsichtlich der Therapie dieser Schweregrade wird auf Abschnitt 5.0 verwiesen.
Die genannten Kriterien dienen dem Kliniker als objektive Grundlage für seine Entscheidung
über das Therapiesetting. In letzter Instanz entscheidet der Kliniker aber immer anhand
seines klinischen Urteils. Im Zweifelsfall ist eine stationäre Einweisung angezeigt.
4.8 Welche mikrobiologische Diagnostik soll bei Patienten mit ambulant erworbener
Pneumonie durchgeführt werden?
E16: Bei Patienten mit leichtgradigen, ambulant behandelbaren Pneumonien ist eine
mikrobiologische Diagnostik i. d. R. nicht erforderlich. Starke Empfehlung, Evidenz
B.
E17: Bei allen wegen einer mittelschweren und schweren Pneumonie hospitalisierten
Patienten der Gruppen 1a und 1b soll eine Erregerdiagnostik erfolgen. Diese soll umfassen:
1. mindestens zwei Blutkulturpärchen.
2. einen Urin-Antigentest auf Legionellen.
3. adäquates Sputum, das innerhalb von 4 Stunden für Gramfärbung und Kultur verarbeitet
werden soll. Ist dies nicht möglich, soll eine Sputumuntersuchung unterlassen werden.
Starke Empfehlung, Evidenz B.
E18: Der Urin-Antigentest auf Pneumokokken sollte zur Detektion einer Pneumonie durch
Pneumokokken sowie (bei positivem Test) ggf. zur Therapiefokussierung verwendet werden.
Moderate Empfehlung, Evidenz C.
E19: Molekulare Detektionsverfahren zum gleichzeitigen Nachweis von mehreren bakteriellen
(z. B. S. pneumoniae, M. pneumoniae, C. pneumoniae, L. pneumophla) oder viralen Erregern
(z. B. Influenza A/B, Parainfluenza, RS-Virus, Adenovirus), d. h. sog. Multiplextests
sollen nicht routinemäßig eingesetzt werden. Starke Empfehlung, Evidenz C.
E20: Bei Vorliegen entsprechender epidemiologischer Hinweise (Saison, Epidemie und
Pandemie) soll stationär eine NAT (nuclear acid amplification) auf Influenza A/B und
SARS-CoV-2 durchgeführt werden. Starke Empfehlung, Evidenz B.
Grundsätzlich haben sich in den vergangenen Jahren keine wesentlichen Änderungen des
Keimspektrums bei ambulant erworbener Pneumonie in Deutschland, Österreich und der
Schweiz ergeben [23 ]. Auch Befürchtungen, dass sich aufgrund der Altersstruktur der Patienten und der
Resistenzentwicklung bei den Bakterien eine Verschiebung zum deutlich häufigerem Nachweis
von multiresistenten Erregern (MRE) ergeben könnte, haben sich bisher nicht bewahrheitet.
Insofern bedürfen auch die diagnostischen Strategien keiner grundlegenden Änderung.
Dennoch werden auch Empfehlungen ausgesprochen, die die frühe Erkennung multiresistenter
Erreger zum Ziel haben (siehe Kapitel 5.1.7).
Verschiedene Beispiele der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass durchaus mit epidemischen
Häufungen von ambulant erworbenen Pneumonien gerechnet werden muss. So gab es 2013
in Deutschland einen großen Ausbruch mit Legionella pneumophila in Warstein, vorher
einen in Ulm [191 ] und zuletzt 2017 in Genf mit 34 bestätigten Patienten [192 ]. In den Jahren 2007–2010 trat in den Niederlanden der größte bisher beschriebene
Ausbruch mit Coxiella burnetii auf [193 ]. Die Beispiele zeigen, dass für die Erkennung von Epidemien eine erhöhte Wachsamkeit
gegenüber Häufungen von Pneumonien notwendig ist.
Für Patienten mit leichtgradiger Pneumonie liegen Arbeiten vor, die eine regional
unterschiedliche Prävalenz von ursächlichen Erregern dokumentieren [194 ]
[195 ], dabei bleibt Streptococcus pneumoniae der häufigste Erreger, gefolgt von Mycoplasma
pneumoniae und Viren. Da die Komplikations- und Letalitätsrate sehr gering sind, es
andererseits bei ambulanten Patienten selbst unter Studienbedingungen in mindestens
40 % nicht gelingt, die Ätiologie zu sichern und die zur Erregerdiagnostik notwendigen
Verfahren aufwendig und/oder teuer sind, ist es vertretbar, im Regelfall bei leichten,
ambulant behandelten Pneumonien auf eine Erregerdiagnostik zu verzichten.
Aufgrund häufigerer Komplikationen und erhöhter Letalität von hospitalisierten Patienten
mit ambulant erworbener Pneumonie sollte bei diesen eine mikrobiologische Diagnostik
durchgeführt werden.
Blutkulturen sind insgesamt bei etwa 10 % aller mit ambulant erworbener Pneumonie
hospitalisierten Patienten positiv [196 ]
[197 ]; im Falle von Pneumonien mit S. pneumoniae ist mit Raten bis zu ca. 40 % zu rechnen
[198 ]
[199 ]. Weiterhin können bakteriämische Pneumonien mit einer schlechteren Prognose verbunden
sein [200 ], sodass eine positive Blutkultur Anlass für eine intensivierte Überwachung sein
kann. Auch bei älteren Patienten [201 ], afebrilen Patienten [202 ] und bei einer Pneumonie durch Enterobakterien kann die Blutkultur positiv sein [201 ]
[203 ]. Außerdem stellt der Erregernachweis in der Blutkultur den sichersten ätiologischen
Beweis dar.
Der Urin-Antigentest auf Legionellen detektiert mit einer Sensitivität von etwa 75 %
und einer Spezifität von 99–100 % [204 ] eine Legionelleninfektion durch Legionella pneumophila Serogruppe 1. Wenn aufgrund
der epidemiologischen Situation auch mit anderen Spezies bzw. Serogruppen gerechnet
wird, sollte zusätzlich die NAT aus respiratorischen Materialien durchgeführt werden
sowie ein kultureller Nachweis versucht werden [205 ].
Obgleich die Wertigkeit der mikroskopischen und kulturellen Untersuchung von Sputum
häufiger kritisch beurteilt wurde [206 ]
[207 ], zeigen andere Studien, dass bei Einhaltung aller Qualitätskriterien (Vorwiegen
von Granulozyten, wenig bis keine Plattenepithelien) die Ergebnisse der Untersuchung
für die gezielte Therapie leitend sein können [208 ]
[210 ], wobei insbesondere Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae und Staphylococcus
aureus gut erkannt werden [209 ]
[211 ]. Zur Beurteilung des Ergebnisses einer Sputumuntersuchung werden die vom Labor mitgeteilten
Qualitätsparameter herangezogen. Proben mit mehr als 25 Granulozyten und weniger als
10 (–25) Plattenepithelzellen pro Gesichtsfeld bei 80–100-facher Vergrößerung erfüllen
die Qualitätskriterien für eine Sputumkultur und weisen auf nur geringe Speichelbeimengungen
hin [212 ]
[213 ].
Sofern invasive Methoden verfügbar sind und im Einzelfall indiziert erscheinen, ist
alternativ zum Sputum die Gewinnung eines Tracheobronchialsekretes oder einer bronchoalveolären
Lavage (BAL) möglich [213 ]. Auch für die Aussagekraft dieser Materialien ist die Präanalytik von entscheidender
Bedeutung [213 ]. Für die mikrobiologischen Verfahren und die Interpretation wird auf andere Leitlinien
verwiesen [213 ].
Es ist wichtig festzuhalten, dass einige Mikroorganismen wie vergrünende (viridans)
Streptokokken, Neisserien, Corynebakterien und Staphylococcus epidermidis typische
Bestandteile der Normalflora sind. Staphylococcus aureus ist bei 20 % aller Menschen
asymptomatischer Besiedler des Nasenraumes und wird deshalb häufig in Sputa nachgewiesen;
sein Nachweis erfordert eine kritische Wertung des Untersuchungsergebnisses. Als ursächlicher
Erreger ist Staphylococcus aureus anzunehmen, wenn das Sputum die Qualitätskriterien
erfüllt (Vorwiegen von Granulozyten, wenig bis keine Plattenepithelien) sowie den
Erreger in Reinkultur zeigt. Auch der Nachweis gramnegativer Stäbchen (Enterobakterien
und Pseudomonas aeruginosa) kann zwar in seltenen Fällen den Erregernachweis darstellen,
ist häufiger aber auf eine Besiedlung zurückzuführen, insbesondere nach vorhergehender
antimikrobieller Vortherapie [214 ]. Die Wertung von Erregern ambulant erworbener Pneumonien ist in [Tab. 7 ] zusammengefasst.
Tab. 7
Interpretation von Sputumkulturen: häufige und seltene Erreger ambulant erworbener
Pneumonien bei Diagnostik aus dem Sputum.
Häufige und mögliche Erreger
Seltene Erreger
Keine Erreger
Streptococcus pneumoniae
Haemophilus influenzae
Staphylococcus aureus
Enterobakterien (E. coli, K. pneumoniae, Proteus mirabilis)
Pseudomonas aeruginosa
vergrünend wachsende Streptokokken
Staphylococcus epidermidis und andere koagulase-negative Staphylokokken
Enterokokken
Corynebakterien
Neisserien (außer [sehr selten] N. meningitidis)
Haemophilus spp. (außer H. influenzae)[1 ]
Candida spp.
1 H. parainfluenzae kann in seltenen Fällen Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie
sein.
Der Urin-Antigentest auf Pneumokokken detektiert eine Infektion mit diesen Mikroorganismen
mit einer Sensitivität von 67–82 % und einer Spezifität von etwa 97 % [215 ]
[216 ], wobei allerdings Risikofaktoren für einen falsch positiven Ausfall (v. a. COPD)
zu beachten sind [217 ]
[218 ]. Der Test kann damit Grundlage für eine Fokussierung der Therapie sein.
4.8.1 Sollen molekulare Multiplexverfahren für die Diagnostik einer ambulant erworbenen
Pneumonie in der Routinediagnostik eingesetzt werden?
Obwohl verschiedene auch kommerzielle Beschreibungen von molekularen Verfahren zum
Nachweis einzelner oder mehrerer Erreger bei Pneumonien vorliegen und obwohl die Nachweisrate
möglicher Pneumonieerreger durch diese Verfahren bis auf ca. 90 % steigen kann, sind
die Ergebnisse mit einer häufig unklaren Validität behaftet, da asymptomatische Besiedlungen
vorkommen und in vielen Verfahren Mehrfachnachweise unterschiedlicher Erreger durchaus
häufig sind [198 ]
[219 ]
[220 ]
[221 ]. Zudem werden positive Ergebnisse bei Patienten mit und ohne ambulant erworbener
Pneumonie manchmal ähnlich häufig gefunden (35 vs. 25 % [222 ]). Zwischen Tests verschiedener Hersteller sind diskordante Ergebnisse zudem nicht
selten [223 ]. Der Einfluss verschiedener viraler Infektionen auf das Gesamtergebnis scheint jedoch
eher gering zu sein [224 ]. Auch die Frage, ob die Therapie durch den molekularen Nachweis regelmäßig modifiziert
wird, bleibt unbeantwortet [225 ]. Damit trägt die Diagnostik mit multiplen molekularen Verfahren derzeit nicht relevant
zu Diagnose und Therapie bei.
4.8.2 Welche Verfahren sollen beim Verdacht auf virale, ungewöhnliche und spezielle
Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie verwendet werden?
Ergibt die Anamnese einen Hinweis auf andere als die typischerweise erfassten Erreger,
stehen verschiedene, spezielle Verfahren zur Verfügung, die eine diagnostische Klärung
herbeiführen können. Eine Übersicht der speziellen Verfahren ist in der [Tab. 8 ] zusammengestellt.
Tab. 8
Typische Anamnese und diagnostische Verfahren für den Nachweis besonderer Erreger
der ambulant erworbenen Pneumonie. NAT = nucleic acid amplification. Die geografischen
Angaben gelten aktuell, können sich grundsätzlich aber ändern. Sie sind daher beispielhaft
aufzufassen.
Erreger
Typische Anamnese
Verfahren
Referenz
Bakterien
Mycoplasma pneumoniae
junger Patient, ambulant, manchmal Ausbrüche, epidemiologische Situation
NAT
Serologie (IgM)
[226 ]
[227 ]
Legionella pneumophila
epidemiologische Situation, Reisen mit Hotelaufenthalt
Urinantigen
NAT
siehe Text
Chlamydophila psittaci
Tierkontakt (Papageien, Sittiche, Tauben)
NAT
Serologie
[213 ]
Coxiella burnetii
epidemiologische Situation, Tier (Schaf)-Kontakte
NAT
Serologie
[228 ]
Burkholderia pseudomallei
Reisen nach Südostasien (Melioidose)
Kultur
[213 ]
Respiratorische Viren
Influenza A/B
epidemiologische Situation (Saison, Epidemie, Pandemie)
NAT
siehe Text
Parainfluenzaviren
Adenoviren
RSV
Metapneumovirus
epidemiologische Situation
NAT
siehe Text
SARS-CoV-1, MERS
epidemiologische Situation, Kontakt zu Infizierten
NAT, in Zentren
[229 ]
SARS-CoV-2
epidemiologische Situation, Kontakt zu Infizierten
NAT
Pilze
Coccidioidomykose (Coccidioidis immitis)
Aufenthalt in trockenen Zonen/Regionen der südl. USA, Mittel- und Südamerika
kulturell
(unter S3-Sicherheitsbedingungen)
Serologie
NAT
[230 ]
Histoplasmose (Histoplasma capsulatum)
Aufenthalt in gefährdeten Regionen der USA (Ohio, entlang der Flüsse Mississippi und
Missouri und St. Lawrence River) und Mittelamerika
kulturell
Serologie
NAT
[231 ]
[232 ]
Cryptococcus neoformans var. gattii
endemisch auf Vancouver Island; gehäuft im Nordwesten der USA, in Australien, Südamerika,
China
kulturell
Antigen-Test
NAT
[233 ]
Influenzaviren sind die wichtigsten häufigeren Erreger, die mit den üblichen Verfahren
nicht erfasst werden. Diese sollen bei Vorliegen entsprechender Hinweise (epidemiologische
Situation, Ausbrüche) gesucht werden. Dabei sollten NAT auf Influenzavirus A und B
sowie auf Respiratorisches Synzytial-Virus (RSV) zur Anwendung kommen. Bei SARS-CoV-2
sind molekular-basierte Nachweisverfahren in der Akut-Diagnostik der gegenwärtige
Gold-Standard.
[Tab. 8 ] fasst typische Anamnese und diagnostische Verfahren für den Nachweis besonderer
Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie zusammen.
4.9 Welche Differenzialdiagnose ist initial zu erwägen?
E21: Bei allen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie sollen Differenzialdiagnosen
bzw. zusätzliche Diagnosen erwogen werden, insbesondere Konditionen mit Überwässerung,
Aspirationen und nicht-infektiösen Infiltraten (Lungenembolie, interstitielle Lungenerkrankung,
Lungenkarzinom, etc.). Starke Empfehlung, Evidenz B.
4.9.1 Herzerkrankungen
Die unspezifische klinische Präsentation, nicht selten auch die Oligosymptomatik,
machen es erforderlich, eine differenzialdiagnostische Abgrenzung zu anderen Erkrankungen
mit überlappender Symptomatik zu treffen.
Eine Pneumonie ist von einer kardialen Dekompensation mit pulmonalen Infiltraten bei
pulmonal-venöser Stauung abzugrenzen. Nicht selten liegen auch beide Konditionen gemeinsam
vor. Eine Linksherzdekompensation sollte v. a. bei Patienten erwogen werden mit einem
Alter > 65 Jahre, Orthopnoe und einer Vorgeschichte von akutem Myokardinfarkt, arterieller
Hypertonie oder Vorhofflimmern [86 ]. Eine Laborbestimmung mit Nachweis eines Normalwertes des Brain Natriuretic Peptide
(BNP < 40 pg/mL) oder NT pro-BNP (< 150 pg/mg) macht eine Linksherzdekompensation
unwahrscheinlich. Bei kardialer Dekompensation sollte eine Diagnostik mittels 12-Kanal-EKG
und Echokardiografie erfolgen, im Weiteren entsprechend den gültigen kardiologischen
Leitlinien.
4.9.2 Nierenerkrankungen
Ein pulmonales Infiltrat kann auch durch eine Überwässerung im Rahmen einer akuten
oder chronischen Niereninsuffizienz oder einer Lungenbeteiligung im Rahmen eines pulmorenalen
Syndroms bei Vaskulitis/Kollagenose verursacht werden [234 ]. Zudem ist das akute Nierenversagen auf der Grundlage der Pneumonie mit Sepsis zu
differenzieren. Deshalb sollte ein Urinstatus, ggf. Urinsediment sowie die Nierenfunktion
laborchemisch durch Bestimmung des Serum-Kreatinins und der GFR bestimmt werden. Bei
Hinweisen auf ein Nierenversagen sollte dessen Ursache weiter abgeklärt werden.
4.9.3 Chronisch obstruktive Lungenerkrankung
Eine Exazerbation einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) als Ursache
der Symptomatik besteht bei Patienten mit COPD, die keine Infiltrate in der Röntgenthoraxaufnahme
aufweisen.
4.9.4 Lungenarterienembolie
Eine Lungenarterienembolie sollte bei Patienten mit Zeichen einer tiefen Beinvenenthrombose,
einer Vorgeschichte thromboembolischer Erkrankungen, Immobilisation in den letzten
4 Wochen oder einer malignen Grunderkrankung erwogen werden. Insbesondere sollte an
eine Lungenembolie gedacht werden, wenn das Ausmaß der Dyspnoe dysproportional zum
Ausmaß der pulmonalen Infiltrate erscheint. Diagnostisches Mittel der Wahl ist die
Angio-CT. Ein Lungeninfarkt lässt sich von pneumonischen Infiltraten durch die typische
Lage und Form (peripher und pleuraständig) sowie den Nachweis der Embolie des zuführenden
Gefäßes unterscheiden.
4.9.5 Strukturelle Lungenerkrankungen
Interstitielle Lungenerkrankungen können eine der Pneumonie ähnliche Symptomatik zeigen.
Die Chronizität der Symptomatik kann ein Hinweis für das Vorliegen dieser Erkrankungen
sein. Ebenso kann eine Pneumonie eine Komplikation interstitieller Lungenerkrankungen
darstellen. Dies gilt insbesondere für die akute Exazerbation der idiopathischen Lungenfibrose
(IPF), der unter anderem eine Pneumonie zugrunde liegen kann.
Die Differenzialdiagnose ist weit und umfasst v. a.: kryptogen organisierende Pneumonie
(COP), idiopathische Lungenfibrose (IPF), exogen-allergische Alveolitis, Sarkoidose,
aber auch Histiocytosis X, eosinophile Pneumonien sowie Lungenbeteiligungen im Rahmen
von Kollagenosen, Vaskulitiden oder rheumatischen Erkrankungen und medikamentös induzierte
Alveolitiden (z. B. Amiodaron, Methotrexat, PD1-/PD-L1-Inhibitoren). Wird an eine
interstitielle Lungenerkrankung gedacht, ist eine CT des Thorax angezeigt. Hinweisend
auf eine nicht-infektiöse Ursache eines pulmonalen Infiltrates sind ein schleichender
Beginn, normale Leukozytenzahl, Eosinophilie oder extrapulmonale Manifestationen.
4.9.6 Maligne Lungenerkrankungen
Es ist auch an maligne Erkrankungen zu denken. Hierbei spielen v. a. aufgrund der
Ähnlichkeit des Röntgenbildes mit Pneumonien das bronchoalveoläre Karzinom, die Lymphangiosis
carcinomatosa sowie maligne Lymphome eine Rolle. Auch an eine poststenotische Pneumonie
bei zentral sitzendem Lungenkarzinom sollte gedacht werden.
4.10 Welche Untersuchungen sind erforderlich, um das Therapieansprechen zu überprüfen?
E22: Zur Erfassung eines Therapieansprechens bei hospitalisierten Patienten sollen
folgende Kriterien gelten: klinische Untersuchung mit Bestimmung der Stabilitätskriterien,
Bestimmung des CRP oder PCT nach 3–4 Tagen, ggf. Sonografie des Thorax bei Vorliegen
eines Pleuraergusses zur Beurteilung der Ergussdynamik. Starke Empfehlung, Evidenz
A.
E23: Eine kurzfristige Röntgenthoraxaufnahme im Verlauf ist bei klinischem Ansprechen
nicht routinemäßig indiziert. Schwache Empfehlung, Evidenz C.
E24: Eine Röntgenthoraxaufnahme im Verlauf nach Abschluss der Therapie sollte bei
Rauchern, älteren Patienten (≥ 65 Jahre) bzw. Patienten mit schweren Begleiterkrankungen
zum Ausschluss von nicht-infektiösen Verschattungen (z. B. Lungenkarzinom) durchgeführt
werden. Moderate Empfehlung, Evidenz B.
E25: Wenn eine Röntgenthoraxaufnahme bei klinischem Ansprechen im Verlauf erfolgt,
sollte sie frühestens 2 Wochen nach Ende der antimikrobiellen Therapie durchgeführt
werden. Moderate Empfehlung, Evidenz B.
4.10.1 Maßnahmen zur Überprüfung des Therapieansprechens
Die wesentlichen Maßnahmen zur Überprüfung des Therapieansprechens sind
die Evaluation der Besserung der klinischen Symptomatik
die regelmäßige Bestimmung der klinischen Stabilitätskriterien und
der Nachweis des Abfalls der inflammatorischen Parameter.
Im Verlauf kann die Bildgebung (Sonografie, Röntgen-Thorax) eine Rolle spielen.
4.10.2 Klinik und klinische Stabilitätskriterien
Die definierten Zeichen der klinischen Stabilität sind in der [Tab. 9 ] aufgeführt (siehe auch Abschnitt 6 [235 ]).
Tab. 9
Die definierten Zeichen der klinischen Stabilität [235 ].
Herzfrequenz
≤ 100 /min
Atemfrequenz
≤ 24 /min
systolischer Blutdruck
≥ 90 mmHg
Körpertemperatur
≤ 37,8 °C
gesicherte Nahrungsaufnahme
oral oder sichere Zugänge
Bewusstseinszustand
normal bzw. Wiedererreichen des vorbestehenden Zustands bei ZNS-Erkrankungen
keine Hypoxämie
pO2 ≥ 60 mmHg bzw. SaO2 ≥ 90 % unter Raumluft bzw. (bei Patienten mit Sauerstoffpflichtigkeit) unter Sauerstoffgabe
Tab. 10
Risikofaktoren für definierte Erreger in Abhängigkeit von der Komorbidität.
Komorbidität
Erreger
chronische Herzinsuffizienz
Enterobakterien (z. B. Klebsiella pneumoniae, Escherichia coli)
ZNS-Erkrankungen (mit Schluckstörungen)
S. aureus (MSSA)
Enterobakterien (z. B. Klebsiella pneumoniae, Escherichia coli)
Anaerobier
schwere COPD (GOLD IV und/oder häufige Exazerbationen), Bronchiektasen
P. aeruginosa
Bettlägerigkeit, PEG-Sonde
S. aureus (MSSA)
Enterobakterien (z. B. Klebsiella pneumoniae, Escherichia coli)
P. aeruginosa
Diese sollten regelmäßig bestimmt werden, in den ersten 48–72 Stunden mindestens 1-mal
täglich. Bei Erreichen der klinischen Stabilität kann die Beendigung des stationären
Aufenthaltes erwogen werden.
Zeichen für eine klinische Instabilität sind v. a. eine Tachypnoe (Atemfrequenz > 24 /min),
veränderter Bewusstseinszustand und Hypoxämie (pO2 < 60 mmHg bzw. SaO2 < 90 %). Diese Parameter sind mit einer erhöhten Krankenhausletalität verbunden [236 ]. Patienten mit mehr als einem Kriterium für klinische Instabilität haben ein signifikant
höheres Risiko, nach Entlassung erneut stationär aufgenommen zu werden bzw. zu versterben
[237 ]. Kommt es nicht zu einer klinischen Stabilisierung, so sollte an ein Therapieversagen
gedacht werden (siehe Kapitel 6).
4.10.3 Labordiagnostische Verlaufskriterien
Die Bestimmung eines Entzündungsparameters (CRP oder PCT) soll im Serum bei Aufnahme
und im Verlauf nach 3–4 Tagen durchgeführt werden. Im Falle einer Diskrepanz zur klinischen
Entwicklung empfiehlt sich eine weitere, dritte Messung, um die Kinetik der Biomarker
adäquat einschätzen zu können.
Bei Therapieansprechen fallen die Entzündungswerte im Verlauf ab [238 ]. Bei fehlendem Abfall des CRP (< 25 – 50 % des Ausgangswertes) oder des PCT sollte
ein Therapieversagen in Betracht gezogen werden (siehe Kapitel 6) [239 ]. Auch CRP-Quotienten-Bildungen können herangezogen werden [240 ].
Inflammatorische Parameter sind jedoch immer unter Berücksichtigung des klinischen
Bildes und Zustandes des Patienten zu interpretieren. Bei Zeichen einer Organdysfunktion
sollte eine Überprüfung der Organfunktion im Verlauf durchgeführt werden, meist durch
Kontrolle der Laborchemie (z. B. Retentionsparameter, Transaminasen bzw. Cholestaseparameter,
Laktat, BNP, Troponin, Elektrolyte).
4.10.4 Stellenwert der Bildgebung
Bei hospitalisierten Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie mit einem Pleuraerguss
sollte eine sonografische Verlaufskontrolle erfolgen, um die Entwicklung eines komplizierten
Ergusses bzw. eines Pleuraempyems zu erkennen. Besteht ein solcher Verdacht, sollte
eine diagnostische Pleuraerguss-Punktion erfolgen.
Eine Röntgenthoraxaufnahme zur Kontrolle ist bei adäquatem klinischen Ansprechen auf
die Therapie nicht routinemäßig indiziert.
Führt man eine Röntgenthoraxkontrolle im Verlauf durch, so findet man in ca. 5 % der
Fälle bisher unbekannte maligne oder nicht-maligne Lungenerkrankungen [241 ]. Bei Vorliegen von Risikofaktoren für eine Tumorerkrankung, aktiven und ehemaligen
Rauchern, älteren Patienten (> 65 Jahre) bzw. Patienten mit schweren Begleiterkrankungen
sollte eine radiologische Kontrolle zum Ausschluss eines Tumors bzw. von nicht-infektiösen
Lungeninfiltraten durchgeführt werden. Insbesondere bei älteren Patienten mit Raucheranamnese
besteht ein erhöhtes Risiko für ein Lungenkarzinom, das entweder eine Pneumonie imitieren
oder aber eine poststenotische Pneumonie verursachen kann.
Bei Patienten ≥ 65 Jahre findet sich im Verlauf von im Mittel weniger als einem Jahr
eine Inzidenz von 9,2 % eines neu diagnostizierten pulmonalen Malignoms, davon nur
27 % innerhalb von 90 Tagen nach Entlassung [242 ].
Die Normalisierung des Röntgenthoraxbildes kann Wochen bis Monate dauern. Daher sollte
ein Kontroll-Röntgen-Thorax bei klinischem Ansprechen im Verlauf frühestens 2 Wochen
nach Ende der Antibiotikatherapie durchgeführt werden.
Ein Computertomogramm des Thorax ist bei unkomplizierter ambulant erworbener Pneumonie
nicht routinemäßig erforderlich [243 ]. Bei einem Verdacht auf ein Lungenkarzinom, eine Lungenembolie oder interstitielle
Lungenerkrankung sollte eine CT des Thorax durchgeführt werden.
5 Therapie
5.1 Initiale antimikrobielle Therapie
E26: Patienten mit leichter Pneumonie ohne definierte Komorbidität (siehe [Tab. 11 ]) sollen als initiale kalkulierte Therapie der Wahl eine Monotherapie mit einem hochdosierten
Aminopenicillinpräparat erhalten. Alternativ kann bei Penicillinallergie oder Unverträglichkeit
ein Tetracyclin (Doxycyclin), ein Makrolid (Azithromycin, Clarithromycin) oder nachgeordnet
ein Fluorchinolon (Moxifloxacin, Levofloxin) verabreicht werden. Starke Empfehlung,
Evidenz B.
Tab. 11
Empfehlungen zur initialen kalkulierten antimikrobiellen Therapie von Patienten mit
ambulant erworbener Pneumonie.
Schweregradklasse
Primärtherapie
Alternativtherapie
leichte Pneumonie ohne Komorbidität (orale Therapie)
Amoxicillin
Doxycyclin
Azithromycin[1 ], Clarithroymycin, Moxifloxacin, Levofloxacin
leichte Pneumonie mit definierter, stabiler Komorbidität (orale Therapie)
chronische Herzinsuffizienz
ZNS-Erkrankungen mit Schluckstörungen
schwere COPD, Bronchiektasen
Bettlägerigkeit, PEG
Amoxicillin-Clavulansäure
Moxifloxacin, Levofloxacin
mittelschwere Pneumonie (i. d. R. Sequenztherapie)
Amoxicillin-Clavulansäure
Ampicillin/Sulbactam
Cefuroxim
Ceftriaxon
Cefotaxim
jeweils +/− Makrolid[1 ] für 3 Tage
Moxifloxacin, Levofloxacin
schwere Pneumonie (Beginn immer i. v., Sequenztherapie prinzipiell möglich)
Piperacillin/Tazobactam[2 ]
Ceftriaxon
Cefotaxim
jeweils + Makrolid[1 ] für 3 Tage
Moxifloxacin, Levofloxacin (Monotherapie nicht bei septischem Schock)
1 Bei älteren Patienten und solchen mit Interaktions-relevanter Ko-Medikation ist Azithromycin
das Makrolid der Wahl.
2 In der Schweiz auch üblich: Ampicillin/ß-laktamaseinhibitor
E27: Patienten mit leichter Pneumonie und definierten Komorbiditäten (siehe [Tab. 11 ]), die deshalb eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Infektion mit S. aureus und
Enterobacteriaceae haben, sollen eine initiale kalkulierte Therapie mit einem hochdosierten
Aminopenicillin/Betalaktamase-Inhibitor-Präparat erhalten. Alternativ kann bei Penicillinallergie
oder -unverträglichkeit ein Fluorchinolon (Moxifloxacin, Levofloxacin) eingesetzt
werden. Bei schwerer COPD und/oder Bronchiektasen als Komorbidität (Risiko für P. aeruginosa)
kann eine Kombinationstherapie von Amoxicillin und Ciprofloxacin oder eine Monotherapie
mit Levofloxacin gegeben werden. Starke Empfehlung, Evidenz B.
E28: Patienten mit mittelschwerer Pneumonie werden stationär behandelt und sollen
als initiale kalkulierte antimikrobielle Therapie eine Aminopenicillin/BLI-Kombination
oder ein Cephalosporin der Klasse 2 oder 3a, ggf. mit Makrolid erhalten. Werden bei
klinischer Stabilisierung keine atypischen bakteriellen Erreger nachgewiesen, soll
die ggf. begonnene Makrolidtherapie nach 3 Tagen beendet werden. Alternativ kann bei
Patienten mit moderater ambulant erworbener Pneumonie eine Therapie mit einem Fluorchinolon
(Moxifloxacin, Levofloxacin) erfolgen. Starke Empfehlung, Evidenz B.
E29: Bei hospitalisierten Patienten mit mittelschwerer Pneumonie sollte in den ersten
Tagen die Verabreichung der antimikrobiellen Therapie parenteral erfolgen. Ausnahmen bestehen bei gesicherter Resorption für Fluorchinolone (Moxifloxacin, Levofloxacin)
aufgrund der hohen oralen Bioverfügbarkeit sowie bei oraler Gabe von Makroliden im
Rahmen einer Kombinationstherapie mit gleichzeitiger parenteraler Verabreichung des
Betalaktams. Moderate Empfehlung, Evidenz B.
E30: Patienten mit schwerer Pneumonie sollen initial kalkuliert eine intravenöse Kombinationstherapie
aus einem β-Laktam mit breitem Spektrum (Beta-Lakatam/BLI, Ceph 3a) und einem Makrolid
erhalten. Bei klinischer Stabilisierung und fehlendem Nachweis eines atypischen bakteriellen
Erregers soll die Makrolidtherapie nach 3 Tagen beendet werden. Die Monotherapie mit
einem Fluorchinolon (Moxifloxacin, Levofloxacin) ist eine mögliche Alternative, dies
gilt jedoch nur für Patienten ohne septischen Schock. Starke Empfehlung, Evidenz B.
E31: Bei Verordnung einer antimikrobiellen Substanz sollten relevante Interaktionen
mit der Ko-Medikation berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für die Interaktion
zwischen Clarithromycin und Statinen bzw. Antikoagulantien sowie für die Interaktion
von Makroliden bzw. Fluorochinolonen mit anderen QT-Zeit verlängernden Substanzen.
Starke Empfehlung, Evidenz B. Unter den Makroliden weist Azithromycin deutliche Vorteile gegenüber Clarithromycin
hinsichtlich des Interaktionspotenzials auf (siehe Kapitel 5.1.2.5). Es sollte daher
insbesondere bei älteren Patienten bzw. Interaktions-relevanter Ko-Medikation bevorzugt
eingesetzt werden.
E32: Bei hospitalisierten Patienten mit Pneumonie und Influenzanachweis soll eine
antivirale Therapie erfolgen. Starke Empfehlung, Evidenz B.
E33: Bei hospitalisierten Patienten mit Pneumonie und Influenzanachweis sollte zusätzlich
zur antiviralen Therapie kalkuliert eine antibakterielle Therapie erfolgen. Moderate
Empfehlung, Evidenz C.
E34: In der Situation einer Influenza-Pandemie oder einer hohen Aktivität einer saisonalen
Influenza sollte die kalkulierte frühzeitige antivirale Therapie insbesondere bei
hospitalisierten Patienten mit mittelschwerer bzw. schwerer Pneumonie zusätzlich zur
antibakteriellen Therapie erfolgen. Bleibt der Influenza-PCR-Nachweis negativ, soll
die antivirale Therapie beendet werden. Moderate Empfehlung, Evidenz C.
E35: Multiresistente Erreger (MRSA, ESBL-bildende Enterobakterien, P. aeruginosa)
sind bei ambulant erworbener Pneumonie sehr selten. Eine generelle kalkulierte Therapie
multiresistenter Erreger wird daher nicht empfohlen, ebenso keine antimikrobielle
Therapie entlang von HCAP-Kriterien oder Scores. Stattdessen soll eine individuelle
Risikoabschätzung für das Vorliegen multirestenter Erreger erfolgen. Starke Empfehlung,
Evidenz B.
E36: Die Abschätzung des individuellen Risikos für das Vorliegen multiresistenter
Erreger sollte qualitativ (welche Risikofaktoren liegen vor) und quantitativ (wieviele
Risikofaktoren liegen vor und wie schwerwiegend sind diese) erfolgen. Die Auswahl
der Therapie folgt dem kalkuliert zu behandelnden Erreger. Moderate Empfehlung, Evidenz
C.
E37: Bei Patienten mit individuellen Risikofaktoren für P. aeruginosa soll eine Pseudomonas-wirksame
Therapie entsprechend Schweregrad erfolgen. Starke Empfehlung, Evidenz B.
5.1.1 Risikostratifikation
Eine Prädiktion der mikrobiellen Ätiologie ist bislang nur sehr begrenzt möglich [244 ]; daher ist unverändert eine kalkulierte initiale antimikrobielle Therapie erforderlich.
Die Auswahl der initialen kalkulierten antimikrobiellen Therapie folgt der Schweregradeinteilung
(siehe Kapitel 4.7). Dies begründet sich ausdrücklich nicht auf der Annahme, dass
Erreger schwerer Pneumonien eine andere antimikrobielle Therapie erfordern als solche
leichter Verlaufsformen, vielmehr geht es darum, einerseits das Risiko einer fehlenden
Erfassung eines Erregers bei schweren Pneumonien möglichst gering zu halten, andererseits
auch antiinflammatorische Effekte einer Makrolidtherapie bei Patienten mit Pneumonien
höheren Schweregrades zu nutzen.
Der Therapiebeginn sollte möglichst rasch nach Diagnosestellung erfolgen. Bei hospitalisierten
Patienten wird eine Zeit von 8 Stunden empfohlen, innerhalb der mit der antimikrobiellen
Behandlung begonnen sein sollte. Bei Patienten mit Sepsis bzw. septischem Schock sollte
die erste Gabe innerhalb von einer Stunde erfolgen. Es kann je nach Struktur einer
Klinik sinnvoll sein, dass die Erstgabe noch in der Notaufnahme erfolgt, also vor
Verlegung auf eine weitere Station [117 ]
[218 ].
5.1.2 Allgemeines zu antimikrobiellen Substanzen
5.1.2.1 Penicilline als Leitsubstanz und Alternativen
Die initiale kalkulierte Therapie der ambulant erworbenen Pneumonie stützt sich maßgeblich
auf die Gabe der Substanzklasse der Penicilline. Diese Präferenz beruht auf dem günstigen
Nutzen-Risiko-Verhältnis sowohl hinsichtlich der individuellen Toxizität als auch
der sehr geringen Resistenzentwicklung. Etwa 20 % der Patienten geben jedoch an, eine
Penicillin-Allergie zu haben, sodass sich die Frage nach Alternativen stellt. Es ist
jedoch bekannt, dass die Mehrzahl der Angaben von Patienten zu Penicillin-Allergien
nicht valide sind [245 ]
[246 ].
Auf diesem Hintergrund erscheint der Versuch gerechtfertigt, die Angabe einer Penicillin-Allergie
als häufigstes Hindernis für eine Penicillin-Therapie zu hinterfragen („De-labeling“-
Strategie).
Grundsätzlich wäre anzustreben, Patienten mit anamnestisch erhobenen Penicillin-Allergien
allergologisch abzuklären. Die aktuelle Leitlinie der Dt. Gesellschaft für Allergologie
und Klinische Immunologie (DGAI) eröffnet zwar ebenfalls die Möglichkeit, in definierten
Konstellationen im Rahmen einer Individualentscheidung auch ohne vorherige allergologische
Testung ausgewählte ß-Laktame zu verabreichen [247 ]. Die dabei vorgesehenen schrittweisen Dosissteigerungen sind jedoch im ambulanten
Bereich unpraktikabel, bei Pneumonien mit höherem Schweregrad nicht möglich.
Es sind demgegenüber eine Reihe von Vorschlägen erarbeitet worden, welche Patienten
trotz einer angegebenen Penicillin-Allergie auch ohne eine solche Testung mit einem
ß-Laktam behandelt werden können.
Folgende Typen der Allergie sind dabei zu unterscheiden:
Typ I : Soforttyp (Reaktion binnen < 1–6 h nach Exposition), IgE-vermittelt, klinisch: Urtikaria
oder Anaphylaxie
Typ II : Zytotoxischer Typ, klinisch: Zytopenien
Typ III : Immunkomplextyp, klinisch: Serumkrankheit oder Vasculitis allergica
Typ IV : Verzögerter Typ (Reaktion binnen 4–14 Tagen) T-Zell-vermittelt, Exanthem
In folgenden Konstellationen sind unter stationärer Überwachung ß-Laktame möglich:
nicht schwere Typ IV-Reaktionen (nicht-kreuzreaktive Cephalosporine oder Carbapeneme)
nicht schwere Typ I-Reaktionen (Carbapeneme, ggf. in schrittweiser Dosierung).
Bei schweren Reaktionen (Früh- oder Spätreaktionen sowie Typ-III-Reaktionen) bleiben
alle ß-Laktame kontraindiziert. Hinsichtlich der Kriterien für die Erfassung von entsprechenden
allergischen Reaktionen wird auf die entsprechenden Publikationen verwiesen. Ebenso
finden sich dort die jeweils kreuzreaktiven Substanzen aufgeführt [245 ]
[246 ]. Selbstverständlich ist bei erster Gabe ein Monitoring erforderlich.
5.1.2.2 Makrolide
Unter den Makroliden weist Azithromycin deutliche Vorteile gegenüber Clarithromycin
hinsichtlich des Interaktionspotenzials auf (siehe Kapitel 5.1.2.5). Insbesondere
bei älteren Patienten bzw. Interaktions-relevanter Ko-Medikation sind diese klinisch
relevant.
Da Erythromycin die höchste kardiovaskuläre Toxizität aufweist, wird es aufgrund verträglicherer
Alternativen nicht mehr empfohlen.
Azithromycin hat nach einer Meta-Analyse die niedrigste kardiovaskuläre Toxizität
[248 ].
Risikofaktoren für das Auftreten einer Makrolid-induzierten Rhythmusstörung sind ein
höheres Alter, kardiovaskuläre Komorbiditäten, hohe Dosierung und rasche i. v. Applikation
[248 ]
[249 ].
5.1.2.3 Cephalosporine und Carbapeneme
Orale Cephalosporine werden nicht empfohlen. Die Gründe dafür sind:
die Dosierungen aus den Zulassungsstudien stellen regelhaft eine Unterdosierung dar
orale Cephalosporine sind ein Risikofaktor für die Ausbreitung von ESBL auch im ambulanten
Bereich [250 ], andererseits aufgrund guter Alternativen entbehrlich
orale Cephalosporine wurden als signifikant mit einem Therapieversagen und nachfolgender
Hospitalisierung assoziiert gefunden (OR 2,86, KI 1,56–5,27) [251 ]
orale Cephalosporine begünstigen die Selektion von Clostridium difficile
Bei intravenösen Cephalosporinen und Carbapenemen ist zu beachten, dass auch diese
Substanzen aus ökologischen Gründen Restriktionen des Einsatzes unterliegen.
5.1.2.4 Fluorchinolone
Wenn bei fehlenden Alternativen und unter sorgfältiger Nutzen/Schaden-Abwägung der
Einsatz eines Fluorchinolons erwogen wird, gelten aufgrund der Chinolon-assoziierten
typischen Toxizitäten folgende Einschränkungen:
Vermeidung des Einsatzes bei Sportlern
Vermeidung des Einsatzes bei Patienten in hohem Alter (> 80 Jahre), insbesondere bei
eingeschränkter Hirnleistung
Vermeidung des Einsatzes bei gleichzeitiger systemischer Steroidtherapie
Vermeidung des Einsatzes bei Patienten mit Aortenaneurysma
besondere Vorsicht bei schwerer kardialer Komorbidität (Monitoring)
5.1.2.5 Interaktionen
Bei Verordnung eines Antibiotikums sollten patientengefährdende Interaktionen mit
der Ko-Medikation berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für die Interaktion
zwischen Makroliden und Statinen sowie für die Interkation von Makroliden bzw. Fluorochinolonen
mit anderen QT-Zeit verlängernden Substanzen. Innerhalb der Makrolide ist das Interaktionspotenzial
und die Gefahr der QT-Zeit- Verlängerung bei Azithromycin am geringsten (siehe [Abb. 4 ]) [249 ].
Abb. 4 Interaktionspotenzial von Clarithromycin verändert nach [252 ]. Quelle: AWMF-Leitlinie „Behandlung von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbener
Pneumonie – Update 2021“. https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/020-020.html [rerif].
5.1.3 Leichtgradige Pneumonien ohne Komorbidität
Die häufigsten Erreger sind S. pneumoniae, H. influenzae, Influenzaviren und RSV während
der Saison sowie bei jüngeren Patienten < 60 Jahren M. pneumoniae. Selten (< 5 %)
sind Legionella spp., Chlamydophila spp. und im Sommer Coxiella burnetii [228 ]
[253 ]
[254 ]. Unter diesen ist S. pneumoniae konsistent der häufigste Erreger; somit muss jede
kalkulierte Therapie diesen umfassen.
Pneumokokken bilden keine Beta-Laktamasen. Penicillinresistenz bei Pneumokokken entsteht
durch Mutation der Penicillin-Bindungsstelle. Penicillin-resistente Pneumokokken sind
in Deutschland, Österreich und der Schweiz sehr selten (aktuell < 0,5 %).
Die Resistenz von Pneumokokken gegen Makrolide beträgt aktuell 10,6 %, gegen Doxycyclin
8,9 %, gegen Moxifloixacin 0,1 % (https://ars.rki.de/Content/Database/ResistanceOverview.aspx (abgerufen 22.02.2020).
Die Letalität der leichtgradigen Pneumonien ohne Komorbidität ist sehr gering und
liegt bei ca. 1 %. Die antimikrobielle Therapie dient in erster Linie dazu, die Krankheitszeit
zu verkürzen und schwere Verläufe zu verhindern.
Amoxicillin ist Mittel der Wahl. Dies gilt auch für jüngere Patienten, da Pneumokokken
als pathogener anzusehen sind als Mycoplasma pneumoniae und Doxycyclin als auch Makrolide
im Vergleich zu Penicillin die ungleich höhere Resistenzrate ausweisen. Bei Penicillinallergie
oder -unverträglichkeit sollte Moxifloxacin trotz seiner hohen Pneumokokkenwirksamkeit
nur zum Einsatz kommen, wenn keine gleich gute Alternative verfügbar ist (siehe Rote-Hand-Briefe
mit entsprechender Indikationseinschränkung). Daher sind Doxycyclin und Makrolide
(Azithromycin und Clarithromycin) zu bevorzugen.
Ciprofloxacin als Monotherapeutikum ist bei ambulant erworbener Pneumonie aufgrund
seiner schlechten Pneumokokkenwirksamkeit, der raschen Selektion resistenter Pneumokokken
und konsekutivem Therapieversagen kontraindiziert [255 ].
5.1.4 Leichtgradige Pneumonien mit definierter, stabiler Komorbidität
Die häufigsten Erreger entsprechen denen bei Patienten ohne Komorbidität. Ein erhöhtes
Risiko für Therapieversagen wurde für Patienten mit definierter Komorbidität beschrieben
[251 ].
Bestimmte Komorbiditäten bedeuten ein erhöhtes Risiko für definierte Erreger (siehe
[Tab. 12 ]) [203 ]
[256 ]. Es ist von großer Wichtigkeit, die Risikofaktoren für definierte Erreger von denen
für resistente bzw. multiresistente Erreger zu unterscheiden (siehe [Tab. 10 ]).
Tab. 12
Standard-Dosierungen für Substanzen in der initialen kalkulierten antimikrobiellen
Therapie von Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie. Hinweis: Die Dosierungen
können im Einzelfall, insbesondere bei septischem Schock oder MRE von den Zulassungsdosierungen
abweichen.
Substanz
Tagesdosis i. v.[1 ]
Tagesdosis p. o.
Aminopenicilline
Amoxicillin
nicht verfügbar
3 × 1000 mg
Ampicillin
3–4 × 2 g
nicht empfohlen
Penicillin/Betalaktamase-Inhibitor-Kombinationen
Ampicillin/Sulbactam
3–4 × 3 g
initial nicht empfohlen
Amoxicillin-Clavulansäure
3 × 2,2 g
2–3 × 875/125 mg
Piperacillin/Tazobactam
3–4 × 4,5 g
nicht verfügbar
Cephalosporine
Cefuroxim
3–4 × 1,5 g
nicht empfohlen
Ceftriaxon
1 × 2 g
nicht verfügbar
Cefotaxim
3–4 x 2 g
nicht verfügbar
Carbapeneme
Ertapenem
1 × 1 g
nicht verfügbar
Meropenem
3 × 1–2 g
nicht verfügbar
Imipenem
3 × 1 g
nicht verfügbar
Makrolide
Azithromycin
1 × 500 mg
1 × 500 mg
Clarithromycin
2 × 500 mg
2 × 500 mg
Fluorchinolone
Moxifloxacin
1 × 400 mg
1 × 400 mg
Levofloxacin
2 × 500 mg
2 × 500 mg
Tetracycline
Doxycyclin
nicht empfohlen
Loadingdose 200 mg, dann 1 × 200 mg
Neuraminidase-Inhibitoren
Oseltamivir
nicht verfügbar
2 × 75 mg
1 bei normaler Nierenfunktion. Unabhängig von der Nierenfunktion sollte in den ersten
24 Stunden die volle Tagesdosis gegeben werden.
Therapie der Wahl ist ein Aminopenicillin mit BLI. Die Kombination mit einem BLI führt
zu einer Erweiterung der Wirksamkeit gegen β-Laktamase-bildende S. aureus, H. influenzae
und β-Laktamase-bildende Enterobakterien. Ob diese Erweiterung tatsächlich das Risiko
des Therapieversagens bei Patienten mit Komorbidität mindert, ist nicht belegt.
Amoxicillin-Clavulansäure kann mit einer relevanten Hepatotoxizität einhergehen (1–17/100 000
Verordnungen), diesbezüglich scheint Sultamicillin (chemische Verbindung von Ampicillin
und Sulbactam) unbedenklicher. Allerdings ist die Datenlage für Sultamicillin bei
der Pneumoniebehandlung im Erwachsenenalter unzureichend [257 ] und die Dosis der Penicillinkomponente innerhalb des Sultamicillins ist sehr niedrig,
sodass dieses orale Präparat primär nicht empfohlen werden kann. Bei Penicillinallergie
oder -unverträglichkeit oder Verdacht auf Legionellen im Rahmen einer Epidemie sollte
ein Fluorchinolon (Moxifloxacin oder Levofloxacin) gegeben werden.
Patienten mit schwerer COPD und/oder Bronchiektasen können bereits initial antipseudomonal
behandelt werden. Das orale Antibiotikum mit der besten Wirksamkeit gegen P. aeruginosa
ist Ciprofloxacin, das allerdings aufgrund der Wirkschwäche gegenüber Pneumokokken
nur in Kombination mit Amoxicillin eingesetzt werden sollte. Eine Alternative ist
Levofloxacin, das sowohl gegen P. aeruginosa als auch Pneumokokken wirksam ist.
Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass sowohl für Moxifloxacin als auch Levofloxacin
ein Rote-Hand-Brief mit einer Indikationseinschränkung vorliegt. Demnach sollen beide
Substanzen nur zum Einsatz kommen, wenn keine gleich gute Alternative verfügbar ist.
5.1.5 Mittelschwere Pneumonien
Die häufigsten Erreger entsprechen weitgehend denen der leichten Pneumonie mit definierten
Komorbiditäten. Der Anteil an S. aureus, Enterobakterien und P. aeruginosa nimmt zu
[203 ]. Die prognostische Relevanz von Legionella spp. steigt deutlich (Letalität ca. 10 %).
Therapieoptionen sind Aminopenicilline mit β-Laktamase-Inhibitor und Cephalosporine
der Generation 2 und 3a. I. d. R. sollten diese Patienten initial intravenös therapiert
werden. Bei β-Laktamallergie oder -unverträglichkeit sollte ein Fluorchinolon (Moxifloxacin,
Levofloxacin) gegeben werden. Diese Substanzen können aufgrund der guten Bioverfügbarkeit
auch initial oral appliziert werden [258 ].
Ob Patienten mit mittelschwerer Pneumonie von einer β-Laktam-Makrolid-Kombination
aufgrund der antiinflammatorischen Effekte der Makrolide auch ohne zugrunde liegende
Infektion durch atypische bakterielle Erreger profitieren, ist nicht abschließend
geklärt. In einer Meta-Analyse mit 12 retrospektiven und 4 prospektiven Studien (darunter
keine RCT) zeigte sich ein Vorteil der β-Laktam/Makrolid-Kombinationstherapie sowohl
bei Patienten auf Normalstation als auch auf Intensivstation [259 ], während eine Meta-Analyse (ohne Intensivstation) nur einen Vorteil bei Infektionen
durch Legionellen fand [260 ]. Ein retrospektiver Vergleich von Patienten aus der CAPNETZ-Kohorte, die mit Betalaktam/Makrolid-Kombinationstherapie
oder mit Betalaktam-Monotherapie behandelt wurden, zeigte für die Kombination signifikant
weniger Therapieversagen und Todesfälle nur bei hospitalisierten, schwer erkrankten
Patienten (CRB-65 ≥ 2) [261 ].
In einer multizentrischen, randomisierten, unverblindeten Studie an 580 hospitalisierten
Patienten mit dem primären Endpunkt klinische Stabilität am Tag 7 zeigte sich keine
Nichtunterlegenheit der Betalaktam-Monotherapie gegenüber der Kombinationstherapie.
In der Gruppe der Patienten mit gesicherter Infektion durch atypische bakterielle
Erreger und höherem Schweregrad (PSI IV) war die Monotherapie jedoch unterlegen (HR
0,33, KI 0,13 – 0,85) [262 ]. Im Gegensatz dazu konnte eine Cluster-randomisierte Studie mit 2283 Patienten keinen
Unterschied in der 90-Tage-Letalität zwischen einer β-Laktam-Monotherapie, einer Fluorchinolon-Monotherapie
und einer Betalaktam-Makrolid-Kombinationstherapie nachweisen [263 ]. Allerdings hatten die untersuchten Patienten einen niedrigen Pneumonieschweregrad,
sodass die Übertragbarkeit des Ergebnisses auf Patienten mit mittelschwerer und schwerer
Pneumonie nicht gegeben ist.
Eine auf Maschinenlernen basierte Analyse der CAPNETZ-Kohorte zeigte, dass bei Patienten
mit mittelschwerer Pneumonie – d. h. i. d. R. ohne EKG-Monitorüberwachung – ohne pulmonale
aber mit kardiovaskulären Ko-Morbiditäten eine Beta-Laktam-Makrolid-Kombinationstherapie
die Letalität erhöhen kann. Die meisten der Patienten hatten Clarithromycin erhalten
[264 ].
Die bisherige Datenlage kann somit eine generelle Gabe der Kombinationstherapie nicht
stützen. Eine solche bleibt daher Gegenstand einer Individualentscheidung. Der Wirksamkeit
gegenüber atypischen bakteriellen Erregern und einem möglichen Gewinn durch Immunmodulation
bei höheren Schweregraden steht die potenzielle kardiovaskuläre Toxizität (QT-Verlängerung)
der Makrolide entgegen.
Wird bei klinischer Stabilisierung kein atypischer bakterieller Erreger nachgewiesen,
soll die Makrolidgabe im Sinne einer Deeskalation, aber auch der Reduktion potenzieller
Makrolidtoxizität nach 3 Tagen beendet werden. Da neuere Makrolide eine ausreichende
Bioverfügbarkeit aufweisen, können sie bei Patienten mit moderatem Schweregrad auch
initial oral appliziert werden.
5.1.6 Patienten mit schwerer Pneumonie
Zur Ätiologie der schweren ambulant erworbenen Pneumonie in Deutschland, Österreich
und der Schweiz gibt es keine Daten. In Studien aus europäischen und nordamerikanischen
Ländern findet sich ein breiteres Erregerspektrum als bei weniger schweren Formen
[256 ]. Die häufigsten Erreger sind S. pneumoniae, gefolgt von H. influenzae, atypischen
bakteriellen Erregern sowie seltener S. aureus (MSSA), Enterobakterien und P. aeruginosa.
Influenzaviren können je nach Saison für einen wesentlichen Teil der schweren Pneumonien
verantwortlich sein. M. pneumoniae und C. pneumophila sind sehr selten.
Die Letalität der schweren Pneumonie beträgt bis zu 30 %. Auf diesem Hintergrund gilt
die Regel, dass die initiale kalkulierte antimikrobielle Therapie breit angelegt sein
muss, einschließlich einer Wirksamkeit auf Legionella spp.
Das Makrolid soll nach 3 Tagen abgesetzt werden, wenn keine atypischen bakteriellen
Erreger nachgewiesen worden sind.
Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass die hier angegebenen Dosierungen bei septischem
Schock insbesondere bei β-Laktamen zu niedrig ausfallen können. Aktuell ergeben sich
daraus noch keine verbindlichen alternativen Dosierungsempfehlungen. Es wird jedoch
empfohlen, diesbezüglich die jeweils aktuelle Literatur zu konsultieren.
Eine Zusammenfassung der Empfehlungen zur Auswahl und Dosierung der initialen kalkulierten
antimikrobiellen Therapie der ambulant erworbenen Pneumonie findet sich in den [Tab. 11 ] und [Tab. 12 ].
In jedem Schweregrad zu beachten: Risiko für definierte Erreger bzw. Risiko für MRE
(siehe Abschnitt 5.1.7.2, [Tab. 13 ]); in diesen Fällen ggf. spezifische Therapie.
Tab. 13
Faktoren für die Gewichtung der Risikofaktoren für ansonsten unerwartete resistente
bzw. multiresistente Erreger (MRE).
Exposition
Risikofaktor
Modifizierende Faktoren
Übertragung von resistenten Erregern
stark: vorhergehende Hospitalisation möglich: Dialyse, Pflegeheim
Häufigkeit
Dauer
Setting (z. B. ICU)
Intervention (z. B. invasive Beatmung)
vorhergehende antimikrobielle Therapie
„Kollateralschäden“ der antimikrobiellen Therapie
Spektrum
Häufigkeit
Dosis und Dauer
5.1.7 Besondere Erreger
5.1.7.1 Influenza
Der Anteil viral verursachter ambulant erworbener Pneumonien variiert mit epidemischen
Häufungen, aber auch mit Art und Umfang der eingesetzten Diagnostik. Das Influenzavirus
wird außerhalb einer SARS-CoV-2-Pandemie am häufigsten nachgewiesen. Es kann sowohl
eine primäre Viruspneumonie verursachen als auch zu einer sekundär bakteriellen Pneumonie
führen. Bei letzteren war in einer CAPNETZ-Studie die Letalität deutlich erhöht [264 ]. Das Auftreten der Influenza ist saisonal und epidemisch möglich.
Neuraminidase-Inhibitoren Eine Analyse von Surveillance-Daten fand einen Überlebensvorteil für Neuraminidase-Inhibitoren
bei Intensivpatienten, auch wenn die Therapie später als 48 Stunden nach Symptombeginn
begonnen wurde [265 ]. Eine prospektive Kohortenstudie zeigte allerdings ein signifikant verbessertes
Überleben einer frühen vs. einer verzögerten Therapie mit Oseltamivir bei 385 Intensivpatienten
mit gesicherter Influenza A-Infektion (OR = 0,44; 95 % KI 0,21–0,87) [266 ]. Eine zusätzliche frühzeitige kalkulierte antivirale Therapie mit Oseltamivir bei
hospitalisationspflichtigen Patienten mit erhöhtem Letalitätsrisiko (Schwangere im
3. Trimenon, BMI > 30, Diabetes mellitus, respiratorische, hepatische, neurologische
und renale Komorbiditäten) während der durch das Robert Koch-Institut definierten
Grippewelle (https://influenza.rki.de/ ) erscheint sinnvoll.
Der Nutzen von Oseltamivir bei Erwachsenen ohne Begleiterkrankungen und leichter bis
mittelschwerer Erkrankung wurde aufgrund von Daten aus Zulassungsstudien in einer
Metaanalyse der Chochrane Library angezweifelt [267 ]. Eine aktuelle Meta-Analyse individueller Patientendaten aus abgeschlossenen nicht
publizierten und laufenden Studien errechnete jedoch eine reduzierte Letalität, wenn
der Einsatz bei hospitalisierten Patienten erfolgte (OR 0,48; 95 % KI 0,41–0,56; p < 0,0001)
[268 ]. Dabei war der Vorteil von Oseltamivir insbesondere für Erwachsene und frühzeitig
therapierte Patienten erkennbar. Der Vorteil reduzierte sich bei verzögertem Therapiebeginn
um jeden Tag bis Tag 5.
Da Oseltamivir gut verträglich ist, scheint eine kalkulierte frühzeitige Therapie
bei hospitalisierten Patienten mit Risikofaktoren gerechtfertigt. Zu dieser Auffassung
gelangen auch Autoren anderer Arbeiten, die Patienten außerhalb kontrollierter Studien
analysierten [269 ]. Nach Nutzen-Risiko-Abschätzung scheint auch eine Therapie mit Neuraminidase-Inhibitoren
48 Stunden nach Symptom-beginn bei Intensivpatienten mit Verdacht auf oder gesicherter
Influenza-Infektion gerechtfertigt.
Die kalkulierte Oseltamivir-Therapie sollte nach Ausschluss einer Influenza-Infektion
durch mikrobiologische Untersuchungen wieder beendet werden (Deeskalation). Sollte
bei Aufnahme ein PCR-basierter Point of Care-Test zum Nachweis von Influenza geführt
werden, kann aufgrund der kurzen Testlaufzeiten mit der Gabe von Oseltamivir gewartet
und ggf. initial eine gezielte Therapie bei Nachweis erfolgen. Antigentests sind grundsätzlich
nicht geeignet.
Indikationen für eine antivirale Therapie der Influenza-Infektion bzw. -Pneumonie
umfassen:
Hospitalisierung aufgrund der Influenza
schwerer oder progressiver Verlauf
Personen mit hohem Risiko für einen schweren Verlauf der Influenza:
Patienten ab 50 Jahren
Patienten mit relevanten Komorbiditäten
schwergradig Immunsupprimierte
Schwangere oder Frauen, die planen, während der Influenzasaison schwanger zu werden
Bewohner von Alten- und Pflegeheimen
BMI > 40
Weitere Influenza-wirksame Virustatika Zanamivir kann intravenös in einer Dosierung von 2 × 600 mg über 5–10 Tage gegeben
werden [270 ].
Peramivir ist ein i. v. applizierbarer Neuraminidase-Inhibitor, der 2009 für die notfallmäßige
Behandlung schwerer H1N1pdm09-Infektionen durch die FDA zugelassen wurde. In Japan
wurde das Medikament 2010 auch für die Behandlung der saisonalen Influenza zugelassen
und ist damit über die internationale Apotheke erhältlich. Nach einer Meta-Analyse
(2 RCT und 5 Beobachtungsstudien mit insgesamt 1676 Patienten) waren unter Peramivir
Patienten etwa 7 h eher fieberfrei (95 % KI –11,00 bis –3,34 h), jedoch ohne signifikanten
Unterschied für Letalität, Liegezeit, Rückgang der Virusausscheidung oder Nebenwirkungen
[271 ].
Baloxavir marboxil ist ein neues orales Influenza-wirksames Virustatikum, das 2018
in Japan und in den USA zugelassen wurde. Die Substanz muss nur einmal eingenommen
werden. Sie hemmt die frühe Phase der Replikation (cap-abhängige Endonuklease), Oseltamivir
hingegen die späte Phase (Freisetzung der Viruspartikel aus der Wirtszelle). Dieser
neue Wirkmechanismus resultiert in einer verbesserten und schnelleren virustatischen
Wirksamkeit. Nachteilig scheint die recht hohe Resistenzbildung zu sein (bis 20 %)
[272 ]
[273 ]. Ob es einen Vorteil von Baloxavir (gegenüber dem Standard Oseltamivir) im Hinblick
auf Krankheitsdauer und Überleben gibt, ist bisher nicht belegt.
Antibiotika bei Influenzanachweis – Bakterielle Superinfektionen Aufgrund des Risikos bakterieller Superinfektion, die auch bei fehlendem mikrobiologischen
Nachweis nicht ausgeschlossen werden können, sollten Patienten mit ambulant erworbener
Pneumonie, also einem nachgewiesenen Infiltrat, und positivem Influenza-Nachweis immer
auch antibakteriell behandelt werden. Als Erreger einer bakteriellen Superinfektion
kommen prinzipiell alle Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie in Frage, wobei
S. aureus – eher selten ein Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie – hier überproportional
häufig auftritt.
5.1.7.2 Multiresistente Erreger (MRE)
Multiresistente Erreger, dazu gehören MRSA, ESBL-Bildner und Pseudomonas aeruginosa,
sind bei der ambulant erworbenen Pneumonie sehr selten ( < 1 %). Sie brauchen daher
in der initialen kalkulierten Therapie von Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie
nicht regelhaft erfasst zu werden. Multiresistente Erreger können aber bei Patienten
mit besonderen Risikofaktoren (z. B. bekannte respiratorische Kolonisation mit einem
MRE) gelegentlich eine ambulant erworbene Pneumonie verursachen [13 ]
[23 ]
[274 ].
Die ATS/IDSA definiert als Prädiktor für Patienten mit einem erhöhten MRE-Risiko die
Entität „Health Care associated pneumonia“, die aufgrund nicht ausreichender Spezifität
und eine dadurch bedingte Übertherapie von europäischen Fachgesellschaften nicht übernommen
wurde [15 ]. Darüber hinaus war die für HCAP-Patienten empfohlene Dreifachtherapie („double
Gram-negative coverage“ plus „MRSA-coverage“) in mehreren retrospektiven Studien mit
einer Übersterblichkeit assoziiert, insbesondere bei Patienten, bei denen kein MRE
nachgewiesen wurde [275 ]
[277 ]. Die 2005 von der ATS/IDSA definierte Entität „Health Care associated pneumonia“
wurde aufgrund nicht ausreichender Spezifität und eine dadurch bedingte Übertherapie
verlassen [16 ].
Da ein konkreter Algorithmus für die Indikation einer initial auch MRE-erfassenden
kalkulierten antimikrobiellen Therapie aktuell nicht angegeben werden kann, müssen
Patienten mit entsprechenden Risikofaktoren individuell auf das Vorliegen von Risikofaktoren
evaluiert werden. Darüber hinaus sollte eine Gewichtung dieser Risikofaktoren erfolgen.
Risikofaktoren für das Vorliegen multiresistenter Erreger sind eine Übertragung von
resistenten Erregern sowie eine vorhergehende antimikrobielle Therapie. Diese Risikofaktoren
sind als solche jedoch noch zu unpräzise und müssen daher individuell gewichtet werden.
So ist das Risiko für resistente Erreger bei Patienten, die einmal kurzfristig hospitalisiert
worden sind und nur eine Dosis Antibiotika-Prophylaxe bekommen haben, gering, während
es bei Patienten, die lange auf der Intensivstation beatmet worden sind und wiederholte
antimikrobielle Therapiezyklen erhalten haben, hoch ist (siehe [Tab. 13 ]).
5.1.7.3 MRSA
Ambulant erworbene Pneumonien durch MRSA sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz
eine Rarität. Eine konkrete Empfehlung zur Indikation einer kalkulierten MRSA-wirksamen
antimikrobiellen Therapie kann daher in dieser Leitlinie nicht gegeben werden.
Eine bekannte respiratorische MRSA-Kolonisation erhöht das Risiko für eine Pneumonie
durch MRSA, allerdings ist der positiv-prädiktive Wert nicht ausreichend hoch, um
generell eine MRSA-wirksame Therapie bei diesen Patienten zu empfehlen. Wird eine
gegen MRSA-wirksame Therapie initial gegeben, ist eine Erregerdiagnostik obligat.
Daten zur Therapie einer ambulant erworbenen Pneumonie durch MRSA, auf die sich eine
Empfehlung stützen könnte, gibt es für keine MRSA-wirksame Substanz. Die Auswahl unter
möglichen Substanzen kann sich daher nur auf Daten aus der Therapie der MRSA-HAP (Linezolid,
Vancomycin +/−Rifampicin) stützen. Weitere MRSA-wirksame Substanzen sind Tigecyclin,
Tedizolid, Ceftarolin und Ceftobiprol sowie als Kombinationspartner Fosfomycin und
Rifampicin. Cotrimoxazol ist zwar wirksam, aber für die Therapie der ambulant erworbenen
Pneumonie mutmaßlich weniger geeignet. Daptomycin ist prinzipiell nicht für die Therapie
pulmonaler Infektionen geeignet, da es durch Surfactant inaktiviert wird. Die gezielte
Therapie soll nach Resistogramm gestaltet werden. Wird MRSA nicht nachgewiesen, soll
eine kalkuliert angesetzte MRSA-wirksame Therapie wieder abgesetzt werden.
Ein neues Antibiotikum mit MRSA-Wirksamkeit ist Omadacyclin, wie Tigecyclin ein Tetracyclinderivat.
Es ist auch oral verfügbar. In der CAP-Zulassungsstudie für Omadacyclin vs. Moxifloxacin
zeigte sich für Omadacyclin der gleiche Behandlungserfolg bei weniger intestinalen
Nebenwirkungen. Allerdings gab es in der Gruppe der schweren CAP eine nicht signifikante
Übersterblichkeit gegenüber Moxifloxacin, die u. U. mit dem für Tetrazykline typischen
hohen Verteilungsvolumen und einer daraus resultierenden, für Bakteriämien zu niedrigen
Blutkonzentration stehen könnte [278 ]. Omadacyclin ist aktuell in Europa nicht zugelassen. Es bleibt aufgrund der Seltenheit
von MRSA und der verfügbaren Alternativen allenfalls Einzelfällen vorbehalten.
5.1.7.4 ESBL
Spezifische Risikofaktoren für eine ambulant erworbene Pneumonie durch ESBL-bildende
Enterobakterien sind bislang nicht definiert. In einer Übersichtsarbeit werden positiv
prädiktive Werte der ESBL-Kolonisation zwischen 3 und 26 % angegeben, wobei in den
zugrunde liegenden Studien die ESBL-Bakteriämie unabhängig vom Fokus erfasst wurde
und die Studien einen hohen Anteil an immunsupprimierten Patienten enthielten [279 ].
Nach einer globalen Registerstudie kann eine rektale Kolonisation mit ESBL einen Risikofaktor
für eine ESBL-Pneumonie darstellen (OR: 8,50, 95 % KI: 3,12–23,16, P < 0,01), weitere
Risikofaktoren waren Untergewicht OR: 2,76, 95 % KI: 1,07–7,12, P = 0,04) und Hospitalisation
in den letzten 12 Monaten (OR: 2,67, 95 % KI: 1,18–6,03, P = 0,02).
Da eine schwere Pneumonie häufiger mit respiratorischem ESBL-Nachweis assoziiert war,
sollte dieser Erreger bei Patienten mit schwerer Pneumonie und bekannter ESBL-Kolonisation
durch die kalkulierte Therapie erfasst werden.
ESBL-Bildner werden sicher durch Carbapeneme erfasst. Nach einer Post-hoc-Analyse
prospektiver Studien ist bei einem beträchtlichen Anteil von ESBL-Bildnern auch Piperacillin/Tazobactam
wirksam [280 ]. Inwieweit diese Substanz – trotz nachgewiesener in vitro-Wirksamkeit – jedoch bei
schweren ESBL-Infektionen eingesetzt werden kann, ist fraglich. In einem internationalen
RCT zeigte sich unter Piperacillin/Tazobactam gegenüber Meropenem bei ESBL-Bakteriämie
eine 3-fach höhere Sterblichkeit [281 ].
5.1.7.5 P. aeruginosa
Im Rahmen von CAPNETZ konnte P. aeruginosa in Deutschland nur sehr selten als Pneumonieerreger
nachgewiesen werden (< 1 %) [203 ]. Patienten mit P. aeruginosa weisen als Risikofaktoren eine schwere strukturelle
Lungenerkrankung (COPD und/oder Bronchiektasen) und Ernährung über PEG-Sonde auf [203 ]. Sondennahrung als Risikofaktor ist dabei ein Surrogatmarker für eine schlechte
Funktionalität.
Bei Patienten mit leichter Pneumonie und einem oder beiden dieser Risikofaktoren ist
individuell abzuwägen, ob tatsächlich bereits kalkuliert eine Pseudomonas-wirksame
Therapie eingeleitet wird. Hier kann das Fluorchinolon mit der höchsten Pseudomonaswirksamkeit,
Ciprofloxacin, oral verabreicht werden, allerdings ist aufgrund der unzuverlässigen
Wirksamkeit gegenüber Pneumokokken immer die Kombination mit Amoxicillin erforderlich.
Eine Alternative ist das sowohl gegen P. aeruginosa als auch gegen Pneumokokken wirksame
Levofloxacin.
Bei Patienten mit moderater und schwerer Pneumonie durch P. aeruginosa besteht ein
erhöhtes Risiko für eine inadäquate kalkulierte antimikrobielle Therapie; diese ist
mit einer erhöhten Letalität assoziiert [282 ]. Für diese Patienten wird eine kalkulierte Kombinationstherapie mit 2 Pseudomonas-wirksamen
Antibiotika empfohlen, um die Wahrscheinlichkeit einer inadäquaten initialen Therapie
zu reduzieren. Diese Therapie soll nach Kenntnis des Resistogrammes auf ein geeignetes
Betalaktam oder alternativ auf ein Fluorchinolon mit Pseudomonas-Wirksamkeit deeskaliert
werden. Bei Kombination eines Pseudomonas-wirksamen Betalaktams mit einem Aminoglykosid
ist an die mit der Therapiedauer zunehmende Nephrotoxizität zu denken [283 ]. Eine frühe Deeskalation ist anzustreben. Bei Kombination mit einem Aminoglykosid
im Falle einer schweren ambulant erworbenen Pneumonie wird außerdem die zusätzliche
initiale Gabe eines Makrolides empfohlen, da Aminoglykoside keine Wirksamkeit gegen
atypische bakterielle Erreger aufweisen.
Hinsichtlich Dosierung und Spiegelbestimmungen wird auf die Leitlinie zur nosokomialen
Pneumonie verwiesen [284 ]. Das Cephalosporin der 5. Generation Ceftobiprol hat sowohl eine Wirksamkeit gegen
MRSA als auch gegen P. aeruginosa und ist für die Therapie der ambulant erworbenen
Pneumonie und der nosokomialen Pneumonie zugelassen. Da es in der Zulassungsstudie
zur nosokomialen Pneumonie in der Gruppe der intubierten Patienten keine Nichtunterlegenheit
gegenüber der Vergleichskombination Linezolid/Ceftazidim nachweisen konnte, kann der
Einsatz auch bei schwerer ambulant erworbener Pneumonie derzeit nicht empfohlen werden.
Ceftazidim ist ebenfalls gegenüber P. aeruginosa aktiv, verfügt aber über eine unzureichende
Aktivität gegenüber S. pneumoniae und S. aureus und kann daher nicht als Monotherapie
für die initiale kalkulierte Therapie empfohlen werden.
Neue Substanzen mit Wirksamkeit gegen multiresistente Gram-negative Bakterien sind
Ceftolozan/Tazobacam, Ceftazidim/Avibactam sowie Cefiderocol. Ceftolozan/Tazobactam
und Ceftazidim/Avibactam sind für die nosokomiale Pneumonie, einschließlich VAP zugelassen.
Cefiderocol befindet sich derzeit im Zulassungsprozess. Weder Ceftolozan/Tazobacam
noch Ceftazidim/Avibactam wirken bei einer durch Metallo-Beta-Laktamasen (z. B. VIM,
NDM) vermittelten Carbapenemresistenz. Beide sind außerdem unzureichend wirksam gegen
Pneumokokken. Sie können in dem sehr seltenen Fall einer CAP durch einen multiresistenten
Gram-negativen Erreger aber eine Option für die gezielte Therapie darstellen.
5.1.7.6 SARS-CoV-2
Aufgrund der raschen Entwicklungen in der Forschung zu COVID-19 wird hinsichtlich
der Behandlung auf die stets aktuellen Empfehlungen von Fachgesellschaften verwiesen.
Im Folgenden werden daher nur einige wenige Kernpunkte der COVID-19-Pneumonie dargelegt.
Die COVID-19-Pneumonie beginnt nach einer Inkubationszeit von 5–14 Tagen mit unspezifischen
Symptomen einer Infektion der oberen und/oder unteren Atemwege. Der diagnostische
Standard ist zurzeit die NAT aus einem tiefen Nasen-Rachenabstrich. Charakteristisch
sind initial eine Hyperventilation bei noch guter Sauerstoff-Sättigung sowie in der
CT peripher bzw. pleuraständig gelegene Milchglasverschattungen, zu denen im Verlauf
Konsolidierungen hinzukommen. Ca. eine Woche nach Beginn der Symptomatik kann sich
eine kritische Situation durch eine zunehmende respiratorische Insuffizienz entwickeln,
die rasch zu einer Dekompensation führen kann. Ein relevanter Anteil der Patienten
entwickelt intravasale Thrombosierungen bw. Lungenarterien-Embolien. Laborchemisch
auffällige und prognostische Marker sind erhöhte Werte von CRP, LDH, D-Dimeren und
Ferritin sowie eine Lymphopenie. Mögliche therapeutische Interventionen umfassen zurzeit
eine Behandlung der respiratorischen Insuffizienz durch (High-Flow-)Sauerstoff, NIV,
ggf. invasive Beatmung und ECMO; eine frühestmögliche Gabe von Remdesevir sowie eine
Steroidtherapie bei Notwendigkeit einer Sauerstoff-Gabe; sowie ggf. in Abhängigkeit
vom Schweregrad eine (prophylaktische oder therapeutische) Antikoagulation.
5.1.7.7 Andere virale Erreger
Parainfluenzaviren 1–3 sind bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen. Klinisch bestehen
keine Unterschiede in der Präsentation. Koinfektionen sind häufig (bis 50 %). Der
Verlauf ist nicht weniger schwer als von Pneumonien durch andere virale Erreger [285 ].
RS-Virus-Pneumonien treten zusammen mit Influenzaepidemien v. a. bei älteren Patienten
mit schlechter Funktionalität auf. Sie gehen mit einer vergleichbaren Letalität einher
[286 ].
Das humane Metapneumovirus scheint nicht weniger schwer zu verlaufen als Pneumonien
durch viele andere virale Erreger (ausgenommen RSV und mutmaßlich SARS-CoV-2) [287 ].
5.1.7.8 Sonstige Erreger
Auf Empfehlungen zur Erfassung von Carbapenemase-Bildnern wird verzichtet, da diese
in Deutschland, Österreich und der Schweiz als Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie
derzeit keine Rolle spielen. In Einzelfällen, wie z. B. multimorbide Patienten mit
Tracheostoma und vorbekannter gramnegativer MRE-Kolonisation, sollten diese ggf. kalkuliert
entsprechend des letzten Resistogrammes mit erfasst werden.
Enterokokken bzw. VRE gelten nicht als Pneumonieerreger [15 ]
[284 ]
[288 ] und werden daher nicht weiter berücksichtigt.
5.2 Deeskalation und Fokussierung der Therapie
E38: Entspricht die initiale Therapie der Empfindlichkeit des nachgewiesenen kausalen
Erregers, sollte eine Deeskalation bzw. Fokussierung der antimikrobiellen Therapie
bei klinisch stabilen Patienten angestrebt werden. Moderate Empfehlung, Evidenz B.
E39: Bei Nachweis von Pneumokokken als ursächlichem Erreger von Pneumonien hospitalisierter
Patienten sollte mit Penicillin G i. v. oder Ampicillin i. v. und bei klinischer Stabilität
mit Amoxicillin p. o. behandelt werden, sofern keine Unverträglichkeit oder Allergie
vorliegen. Moderate Empfehlung, Evidenz B.
5.2.1 Definitionen
Die aktuelle S3-Leitlinie „Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung
im Krankenhaus – update 2018“ definiert [289 ] Deeskalation als gezielte Therapieanpassung bei Nachweis eines ursächlichen Krankheitserregers
nach gründlicher Evaluierung von klinischen Kriterien, mikrobiologischer und anderer
diagnostischen Befunde. Dabei kann die Umstellung von einer Kombinations- auf eine
Monotherapie oder von einer ungezielten Breitspektrumtherapie auf eine Schmalspektrumtherapie
erfolgen. Im Einzelfall wird dadurch auch eine Sequenztherapie ermöglicht.
Im erweiterten Sinn kann auch die Beendigung einer Therapie bei unbestätigter Verdachtsdiagnose
einer Infektion als Deeskalation verstanden werden. Eine Deeskalation ist in vielen
Fällen erst 48–72 Stunden nach Therapiebeginn möglich.
Bei der Fokussierung einer antimikrobiellen Therapie handelt es sich ebenfalls um
eine Therapieanpassung, die auf einen inzwischen nachgewiesenen ursächlichen Erreger
abzielt, aber nicht immer mit einer Deeskalation im Sinne einer Reduktion der Therapieintensität
einhergeht (Beispiele: Eskalation von einer Cefuroxim-Therapie auf Ceftazidim bei
Nachweis einer Pseudomonas-Bakteriämie; Umstellung von Amoxicillin/Clavulansäure
auf Moxifloxacin bei Legionella-Pneumonie oder auf (hochdosiertes) Flucloxacillin
bei Nachweis einer bakteriämischen Staphylococcus aureus-Pneumonie).
5.2.2 Deeskalation bzw. Fokussierung bei ambulant erworbener Pneumonie
Deeskalation wird europaweit im Rahmen der Therapie der ambulant erworbenen Pneumonie
nur selten eingesetzt (< 10 % in 10 europäischen Ländern) [290 ].
Methodisch hochwertige, prospektiv randomisierte Studien zur Deeskalation einer antimikrobiellen
Therapie bei ambulant erworbener Pneumonie wurden bisher nicht durchgeführt. Das Thema
wurde jedoch in einer Vielzahl von größeren Beobachtungsstudien und kleineren randomisierten
Studien mit entsprechenden methodischen Limitationen untersucht. Dabei ergaben sich
zu klinisch relevanten Studienendpunkten folgende, teilweise auch widersprüchliche
Ergebnisse:
5.2.2.1 Deeskalation bei ambulant erworbener Pneumonie im Allgemeinen
Bei nachgewiesenem Erreger kommt es durch Deeskalation oder Fokussierung zu keiner
Erhöhung der Letalität, aber auch nicht zu einer wesentlichen Reduktion der Krankenhausaufenthaltsdauer
oder der Antibiotikakosten [291 ]
[292 ]. Somit kann diese Strategie als sicher und ökonomisch zumindest als nicht nachteilig
beurteilt werden. Dies gilt jedoch nur bei nachgewiesenem ursächlichem Erreger. Bei
fehlendem Erregernachweis kann eine ungerechtfertigte Deeskalation die Letalität erhöhen
[292 ].
5.2.2.2 Deeskalation oder Fokussierung bei Pneumokokken-Pneumonie oder -Bakteriämie
Letalität: Durch eine Deeskalation auf eine Therapie mit Penicillin, Amoxicillin oder
Amoxicillin-Clavulansäure kommt es zu keiner Erhöhung der Letalität [87 ]
[293 ]
[294 ]
[295 ]
[296 ]. Für schwerstkranke und klinisch instabile Patienten gibt es jedoch keine ausreichende
Datenlage, um das Letalitätsrisiko einer frühzeitigen Deeskalation zu beurteilen [296 ]. In einigen Studien wurde durch Deeskalation auf Penicillin eine Reduktion der Letalität
erreicht, wobei in diesen Studien nicht nach klinischer Stabilität zum Zeitpunkt der
Deeskalation adjustiert wurde und die Deeskalations-Gruppen meist weniger krank waren
und weniger relevante Komorbiditäten aufwiesen [293 ]
[297 ].
Krankenhausaufenthaltsdauer: Durch Deeskalation wird i. d. R. keine Reduktion der
Krankenhausaufenthaltsdauer erreicht [294 ]
[295 ]
[298 ]
[299 ]. In nur einer Studie wurde eine Reduktion der Krankenhausaufenthaltsdauer beschrieben,
wobei die Patienten in der Deeskalations-Gruppe weniger krank waren als in der Vergleichsgruppe
[296 ].
Unerwünschte Wirkungen: Durch eine Deeskalation wird i. d. R. keine Reduktion von
unerwünschten Wirkungen erreicht [296 ]
[298 ].
Antibiotikakosten: Durch Deeskalation werden Antibiotikakosten reduziert [298 ]
[299 ].
Auch wenn entsprechend der o. g. (qualitativ nur moderaten) Studienlage durch Deeskalation
bei der ambulant erworbenen Pneumonie bisher kein unmittelbarer Vorteil bez. Letalität,
unerwünschten Wirkungen oder Behandlungskosten gezeigt werden konnte, wird das Konzept
der Deeskalation (in Übereinstimmung mit der S3-Leitlinie „Strategien zur Sicherung
rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus“ [289 ]) ebenfalls befürwortet, da ein sparsamer und zielgerichteter Einsatz von Antiinfektiva
im Krankenhaus unerwünschte ökologische Wirkungen reduziert.
Risiken der Deeskalation und gezielten Therapie umfassen die Gefahr des Therapieversagens
durch fehlende Erfassung weiterer ursächlicher, aber nicht detektierter Erreger bei
schweren Pneumonien [300 ], den Entfall eines immunmodulatorischen Effekts von Makroliden bei Pneumokokken-Pneumonien
[301 ] sowie ggf. höhere Kosten durch Einsatz kostenintensiver antimikrobieller Substanzen.
Diese Risiken werden jedoch auch bei schweren Pneumonien als gering eingeschätzt,
sofern die Deeskalation bzw. Fokussierung nach Therapieansprechen durchgeführt wird.
Im Falle einer schweren bakteriämischen Pneumokokken-Pneumonie ist im Falle einer
gezielten Therapie mit Penicillin G die Fortsetzung des Makrolids über 3 Tage indiziert
[302 ].
5.2.3 Antibiotic Stewardship
Unter Antibiotic Stewardship (ABS) versteht man Interventionsstrategien zur Sicherung
einer rationalen Antiinfektiva-Anwendung im Krankenhaus. Die Implementierung von ABS
wird evidenzbasiert empfohlen und hat zum Ziel, die Qualität der Verordnung von Antiinfektiva
bzgl. Auswahl der Substanzen, Dosierung, Applikation, Anwendungsdauer kontinuierlich
zu verbessern, dabei optimale klinische Behandlungsergebnisse zu erzielen und zusätzlich
Resistenzentwicklungen (geringerer Selektionsdruck), unnötige Nebenwirkungen und Kosten
(durch Reduktion der Krankenhausaufenthaltsdauer oder Verwendung kostengünstigerer
Antiinfektiva) zu vermeiden. Bez. detaillierter Informationen zur Rationale und Etablierung
von ABS-Programmen verweisen wir auf die S3-Leitlinie „Strategien zur Sicherung rationaler
Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus – update 2018“ [289 ].
Durch Antibiotic Stewardship-Programme im Management der ambulant erworbenen Pneumonie
werden höhere Raten an Leitlinien-gerechter mikrobiologischer Diagnostik und Therapie
(inklusive Sequenztherapien, korrekte Dosierungen von Antiinfektiva, Deeskalation
und/oder Fokussierung, Therapiedauer) erreicht [303 ]
[304 ]
[305 ].
Im Rahmen der ambulant erworbenen Pneumonie stehen folgende Aufgaben des ABS im Fokus:
Prüfung der Indikation zur antimikrobiellen Therapie (Abgrenzung zur akuten Bronchitis
bzw. akuten Exazerbation der COPD)
Gruppenzuordnung (Handelt es sich tatsächlich um eine ambulant erworbene Pneumonie
innerhalb der Pneumonie-Triade?)
Auswahl der antimikrobiellen Therapie (nach Schweregraden und Risikofaktoren)
Deeskalation und ggf. gezielte Therapie nach Erregersicherung (von Kombinations- auf
Monotherapie, von breitem Spektrum auf schmales Spektrum)
Dauer der antimikrobiellen Therapie
Vorschläge für die Deeskalation und/oder die fokussierten Therapien sind in der [Tab. 14 ] zusammengefasst.
Tab. 14
Ausgewählte Optionen der gezielten antimikrobiellen Therapie von Patienten mit ambulant
erworbener Pneumonie mit Erregernachweis (bzw. vorliegendem Antibiogramm). Dosierungen
– soweit nicht anders angegeben – siehe [Tab. 13 ].
Erreger
Substanz
Alternativen
Streptococcus pneumoniae
Amoxicillin p. o.
Penicillin G (nur i. v.)
Cefuroxim, Ceftriaxon oder Cefotaxim
Moxifloxacin
Staphylococcus aureus (MSSA)
Flucloxacillin (nur i. v.)
Cefazolin, Clindamycin
Staphylococcus aureus (MRSA)
Linezolid (nicht bei Bakteriämie!)
Vancomycin (Ziel-Talspiegel 15–20 µg/ml) (nur i. v.)
Ggf. Clindamycin
Legionella spp.
Moxifloxacin oder Levofloxacin
Azithromycin oder Clarithromycin
Mycoplasma pneumoniae
Doxycyclin
Azithromycin oder Clarithromycin
Moxifloxacin oder Levofloxacin
Chlamydophila pneumoniae
Doxycyclin
Azithromycin oder Clarithromycin
Moxifloxacin oder Levofloxacin
Coxiella burnetii
Doxycyclin
Moxifloxacin oder Levofloxacin
Haemophilus influenzae
Ampicillin oder Amoxicillin
Amoxicillin-Clavulansäure oder Ampicillin/Sulbactam (nur i. v.)
Ceftriaxon oder Cefotaxim
Moxifloxacin oder Levofloxacin
Escherichia coli
Ampicillin/Sulbactam (nur i. v.) oder Amoxicillin-Clavulansäure
Levofloxacin oder Ciprofloxacin
Ceftriaxon oder Cefotaxim
Escherichia coli (ESBL)
Ertapenem
Imipenem oder Meropenem
Levofloxacin oder Ciprofloxacin
Klebsiella pneumoniae
Levofloxacin oder Ciprofloxacin
Ceftriaxon oder Cefotaxim
Klebsiella pneumoniae (ESBL)
Ertapenem
Imipenem oder Meropenem
Levofloxacin oder Ciprofloxacin
Pseudomonas aeruginosa
Piperacillin/Tazobactam
Ceftazidim
Meropenem
Ciprofloxacin
5.3 Therapiedauer
E40: Bei der leichten bis mittelschweren Pneumonie soll die Dauer der antimikrobiellen
Therapie 5 Tage betragen. Kürzere Therapien sind möglich bei rascher klinischer Stabilisierung.
Vor Therapieende soll eine klinische Stabilisierung für mindestens 2 Tage erfolgt
sein. Starke Empfehlung, Evidenz A.
E41: Bei schwerer Pneumonie soll die Dauer der Therapie 7 Tage betragen. Es sollte
ebenfalls eine klinische Stabilisierung für mindestens 2 Tage erfolgt sein, bevor
die antimikrobielle Therapie beendet wird. Starke Empfehlung, Evidenz A.
E42: Bei der mittelschweren Pneumonie soll nach klinischer Besserung (Reduktion Entzündungs-parameter,
Entfieberung, besserer Allgemeinzustand) eine orale Sequenz-Therapie durchgeführt
werden. Starke Empfehlung, Evidenz A.
E43: Bei der schweren Pneumonie soll initial für mindestens 3 Tage eine parenterale
Behandlung erfolgen, eine anschließende Sequenztherapie ist auch hier möglich. Starke
Empfehlung, Evidenz B.
E44: Eine PCT-gesteuerte Strategie zur Bestimmung der Therapiedauer im individuellen
Fall kann eingesetzt werden. Schwache Empfehlung, Evidenz A.
Die meisten Leitlinien empfehlen für Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie und
klinischem Ansprechen eine Therapiedauer von 5–7 Tagen. Vier Meta-Analysen haben die
neuen Studien in der Literatur bis 2017 beurteilt [305 ]
[306 ]
[307 ]
[308 ]
[309 ], zudem ist eine aktuelle Übersicht verfügbar [310 ]. In der Meta-Analyse von Tansarli et al. über 21 klinische Studien und insgesamt
4861 Patienten war die klinische Heilung bei kurzen Therapien ≤ 6 Tage) ähnlich wie
bei langer Therapiedauer (≥ 7 Tage) (89,4 % vs. 90 %, RR: 0,99, 95 % KI: 0,97–1,01),
unabhängig vom Behandlungsort (ambulant oder stationär) als auch vom Schweregrad der
Pneumonie. Es bestand auch kein Unterschied, wenn eine sehr kurze Therapie (≤ 3 Tage,
meist Azithromycin) mit einer Therapie ≥ 7 Tage verglichen wurde. Ebenso war die Rezidivrate
ähnlich (1 % vs. 1,5 %, RR: 0,67, 95 % KI: 0,30–1,46). Andererseits war nicht nur
die Rate schwerer Nebenwirkungen signifikant niedriger bei kurzer Therapiedauer (8,2 %
vs. 11,2 %, RR: 0,73, 95 % KI: 0,54–0,98), sondern auch die Letalität als bei langer
Therapiedauer (2,4 % vs. 5,2 %, RR: 0,54, 95 % KI: 0,23–0,89); dies galt selbst bei
schweren Pneumonien und im Vergleich von Studien, bei denen das gleiche Antibiotikum
kurz oder lange gegeben wurde [307 ].
Die neueste Meta-Analyse von Lan et al. [308 ] über 3021 Patienten aus 7 randomisiert kontrollierten Studien verglich 5-tägige
mit längeren (≥ 7-tägigen) Therapien. Auch hier zeigten sich keine Unterschiede hinsichtlich
der klinischen Ansprechrate (88,3 vs. 88,8 %, OR: 0,95, 95 % KI 0,70–1,28), der mikrobiologischen
Eradikationsrate für die wichtigsten respiratorischen Bakterien und der Letalität
(OR: 0,91, 95 % KI 0,31–2,66), während das Risiko für schwere unerwünschte Ereignisse
signifikant niedriger in der 5-Tage-Gruppe war (OR: 0,71, 95 % KI: 0,52–0,97).
Bei der leichten bis mittelschweren Pneumonie des Erwachsenen und im Kindesalter ergaben
sich keine signifikanten Unterschiede im klinischen Ansprechen zwischen 3–7 Tage und
5–10 Tagen Therapiedauer. Die Studien wurden sowohl im ambulanten als auch stationären
Setting durchgeführt. Sie umfassten Betalaktame [311 ], Makrolide [312 ]
[313 ]
[314 ]
[315 ] als auch Fluorchinolone [317 ] und schlossen randomisierte Doppelblindstudien als auch neue Substanzen wie Omadacyclin
[278 ] und das Pleuromutilin Lefamulin [316 ] ein.
Die Therapiedauer kann in Abhängigkeit von der gewählten antimikrobiellen Substanz
und ihren spezifischen PK/PD-Charakteristika verkürzt werden. Beispiele sind Azithromycin
(in unterschiedlichen Dosierungen Therapiedauer von 3 Tagen gleich wirksam wie von
5 Tagen, ja sogar von einem Tag mit Azithromycin [317 ], Amoxicillin (3 Tage ausreichend [311 ]) und Levofloxacin (in unterschiedlichen Dosierungen Therapiedauer von 5 Tagen gleich
wirksam wie 7 bzw. 10 Tage [317 ]). Nur die beiden letzten Beispiele stellen allerdings eine reale Therapiezeitverkürzung
dar, da im Falle von Azithromycin lediglich die Applikationszeit, nicht aber die antimikrobielle
Expositionszeit verkürzt wird.
Auch bei höheren Schweregraden mit deutlich erhöhtem Letalitätsrisiko bei Patienten,
die auf die initiale kalkulierte antimikrobielle Therapie ansprechen, scheint eine
Therapiezeit von 7 Tagen möglich [319 ]
[320 ]
[321 ]
[322 ]. Ebenso scheinen schwere Pneumonien mit Bakteriämien keine längere Therapiedauer
als 7 Tage zu benötigen [323 ]. Dies gilt auch für Pneumonien mit Pneumokokken-Bakteriämie. Eine Ausnahme stellen
Pneumonien mit S. aureus-Bakteriämie dar.
Die Daten sind unzureichend, um zuverlässige Aussagen zur Therapiedauer nach Art des
Pathogens zu machen. Die Zeit bis zum Ansprechen und zur klinischen Stabilisierung
scheint ein wichtiger Hinweis auf die vermutlich benötigte Therapiedauer. In einer
multizentrischen, randomisierten, kontrollierten Studie bei Patienten mit mittelschwerer
bis schwerer CAP konnte gezeigt werden, dass eine antimikrobielle Therapie für mindestens
5 Tage, aber nur bis zur Entfieberung und klinischen Stabilisierung, zu einer durchschnittlichen
Therapiedauer von 5 Tagen bei gleichem klinischen Erfolg wie eine 10-tägige Therapiedauer
führte [324 ].
Im Falle einer Legionellen-Pneumonie war diese Zeit bei Behandlung mit Fluorchinolonen
im Vergleich zu Makroliden in der Mehrheit der Studien kürzer, sodass eine Therapiedauer
von < 14 Tagen bei der Legionellose angemessen erscheint [325 ]
[326 ]
[327 ]. Optionen zur weiteren Verkürzung der Therapiedauer bei Legionellose können sich
durch die Gabe einer höheren Dosis von Levofloxacin (750 mg täglich) ergeben. Nach
einigen Beobachtungen kann sogar eine Therapiedauer von 5 Tagen ausreichend sein [328 ]
[329 ]. Eine hinreichend begründete Empfehlung besteht darin, dass die Therapiedauer je
nach klinischem Verlauf i. d. R. 5–10 Tage betragen sollte [330 ]
[331 ].
5.3.1 Sequenztherapie
Unter „Sequenztherapie“ sollen alle antimikrobiellen Therapieformen verstanden werden,
die initial intravenös verabreicht und nach klinischem Ansprechen auf eine orale Gabe
umgestellt werden. Im engeren Sinne handelt es sich um Umstellungen der Darreichungsform
derselben Substanz, im weiteren Sinne aber auch um solche mit anderen Substanzen und
Substanzklassen.
Grundsätzlich eignen sich Substanzen mit sehr hoher oraler Bioverfügbarkeit und nachgewiesener
Wirksamkeit bei Pneumonie zur oralen Therapie.
Problematisch können eine zur parenteralen Gabe nicht-äquivalente Dosierung und eine
geringe orale Bioverfügbarkeit sein – dies ist häufig zugleich bei oralen Cephalosporinen
der Fall. Auf Patientenseite sind Schluck- und Resorptionsstörungen, Begleitmedikation,
die die orale Bioverfügbarkeit beeinflussen, anamnestische Unverträglichkeiten und
Allgemeinzustand oder Orientierung zu berücksichtigen [319 ]
[332 ]
[333 ]
[334 ]
[335 ]. Vorteilen einer frühzeitigen Umstellung auf eine orale Therapie wie Möglichkeit
einer ambulanten Therapie und Reduktion des Risikos von Katheter-assoziierten Infektionen
steht möglicherweise eine ausgeprägtere Beeinträchtigung des gastrointestinalen Mikrobioms
gegenüber [335 ].
Unter den Penicillinderivaten sind Amoxicillin (3 × 750–1000 mg pro Tag) und Amoxicillin-Clavulansäure
(3 × 625 mg oder 2–3 × 1000 mg pro Tag) geprüft und geeignet. Die Datenlage bei der
Pneumonie im Erwachsenenalter ist schmal für Sultamicillin [257 ].
Geprüft und geeignet zur oralen Therapie bei leichter bis mittelschwerer Pneumonie
sind die Fluorchinolone Moxifloxacin (in einer Dosierung von 400 mg pro Tag) und Levofloxacin
(Dosierung 500–1000 mg pro Tag) [258 ]. Sie haben eine exzellente orale Bioverfügbarkeit (> 90 %). Darüber hinaus sind
auch Doxycyclin (200 mg pro Tag) und die Makrolide Azithromycin (500 mg pro Tag, je
nach Initialdosis) und Clarithromycin (2 × 500 mg pro Tag) für diese Indikation als
orale Gabe geprüft.
In einer randomisierten Studie wurde eine frühe Umstellung auf eine orale Gabe (Tag
2) geprüft. Es wurden keine Unterschiede zwischen früher Umstellung (die meisten Patienten
erhielten 2 × 200 mg Cefpodoxim-Proxetil plus 2 × 500 mg Clarithromycin täglich) und
einer weiter geführten parenteralen Therapie beobachtet [337 ]. Eine weitere Studie hat diese Ergebnisse bestätigt. Hier wurde ebenfalls bei schwerer
ambulant erworbener Pneumonie (Normalstation, ca. 80 % PSI-Klasse ≤ IV) am Tag 3 bei
erfolgter klinischer Stabilisierung randomisiert [322 ]. Bei ca. 80 % der Patienten war am Tag 3 eine orale Therapie möglich (die meisten
Patienten wurden mit Amoxicillin-Clavulansäure oral behandelt), signifikante Unterschiede
in verschiedenen Endpunkten am Tag 28 ergaben sich nicht [322 ]. In der großen Mehrzahl der Fälle sollte eine Sequenztherapie bis zum Tag 3–5 möglich
sein, wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch als erforderlich angesehen wird.
5.3.2 Biomarker-gesteuerte Therapiedauer
Die Steuerung der Therapiedauer über Biomarker (im Wesentlichen PCT) wurde in mehreren
Studien untersucht, meist zusammen mit der Bestimmung der Indikation zur antimikrobiellen
Therapie über Biomarker. Voraussetzung für eine solche Strategie ist, dass PCT im
Verlauf in einem Protokoll sequentiell bestimmt wird und eindeutige Stop-Empfehlungen
entlang bestimmter Schwellenwerte definiert sind. In allen Studien stand dem Kliniker
zudem ein „overruling“ offen, d. h. eine klinische Entscheidung im Gegensatz zur resultierenden
Empfehlung der Biomarker-Werte. In der [Tab. 15 ] sind exemplarisch drei entsprechende Studien dargestellt.
Tab. 15
Studien, die PCT zur Steuerung der Therapiedauer untersucht haben.
Autor
Pneumonie-Schweregrad
Protokoll
Stop-Empfehlung
Ergebnis
[338 ]
leicht, ambulant behandelt
PCT-Bestimmung an Tagen 1, kurzfristige Kontrolle binnen 6–24 h sowie 4, 6, 8
Therapieende bei Werten ≤ 0,25 μg/L
mediane Verkürzung der Therapiedauer von 7 auf 5 Tage, kein Unterschied im Therapieergebnis
[339 ]
leicht bis mittelschwer, hospitalisiert
PCT-Bestimmung an Tagen 1, kurzfristige Kontrolle binnen 6–24 h sowie 4, 6, 8
Therapieende bei Werten ≤ 0,25 μg/L, bei hohen Werten Abfall ≥ 90 %
mediane Verkürzung der Therapiedauer von 12 auf 5 Tage, kein Unterschied im Therapieergebnis
[340 ]
schwer
PCT-Bestimmung täglich
Therapieende bei Werten < 0, 5 μg/L oder Werte-Abfall > 80 % des höchsten Wertes
Verkürzung der Therapiedauer von 10,5 auf 5,5 Tage, kein Unterschied im Therapieergebnis
5.4 Wann ist eine Beatmungstherapie indiziert und wie sollte diese durchgeführt werden?
E45: Bei Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie und milder bis moderater akuter
respiratorischer Insuffizienz soll ein Versuch mit NIV oder HFOT erfolgen. Klare Abbruchkriterien
müssen definiert werden. Starke Empfehlung, Evidenz B.
E46: Bei Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie und schwerer akuter respiratorischer
Insuffizienz muss primär die Intubation und Beatmung erwogen werden. Prinzipien der
protektiven Beatmung sind einzuhalten. Starke Empfehlung, Evidenz B.
E47: Bei fehlender Verbesserung unter Beatmung (pO2 /FiO2 < 150) soll die Bauchlagerung durch- geführt werden. Starke Empfehlung, Evidenz A.
5.4.1 Sauerstoff
Studien, die spezifisch die Sauerstofftherapie bei Patienten mit Pneumonie untersuchen,
sind nicht verfügbar. Studien bei beatmeten Patienten, die Pneumoniepatienten einschlossen,
verglichen eine liberale Sauerstoffgabe (Sauerstoffsättigungsziel < 95 %) mit einer
konservativen Strategie (Sauerstoffsättigung > 96 %). Es gab keinen Vorteil für die
höhere Dosis, in zwei Studien sogar einen Anstieg der Sterblichkeit bei höherer Sauerstoffzufuhr
[341 ]). Auch wenn die Studienlage die Festlegung von Grenzwerten zurzeit nicht erlaubt,
scheint eine Sauerstoffsättigung von 90–94 % (unter Beachtung des pCO2 ) momentan als Zielgröße ratsam [342 ].
5.4.2 Nichtinvasive Beatmung (NIV)
Bei leichter bis mittelschwerer respiratorischer Insuffizienz kann eine Behandlung
mit nichtinvasiver Beatmung versucht werden. Nur eine Studie [343 ] hat ausschließlich Patienten mit respiratorischem Versagen infolge einer Pneumonie
unter schwerer Immunsuppression untersucht, alle anderen randomisiert kontrollierten
Studien im Vergleich zu einer alleinigen Sauerstoffapplikation schließen Patienten
mit verschiedenen Erkrankungen ein, die zu einer hypoxämischen respiratorischen Insuffizienz
führen können. Patienten mit Pneumonie sind jedoch in allen diesen Studien eine wesentliche
Patientengruppe. zwei Meta-Analysen [344 ]
[345 ], die die Studien zu hypoxämisch respiratorischer Insuffizienz und NIV ausgewertet
haben, kommen zum selben Ergebnis, auch wenn die der Analyse zugrunde liegende Methodologie
und die eingeschlossen Studien unterschiedlich sind. NIV führt gegenüber der Sauerstoffapplikation
allein zu einem Rückgang der Intubationsrate und der Sterblichkeit. Der Vorteil im
Hinblick auf die Intubationsrate ist besonders ausgeprägt bei immunsupprimierten Patienten,
in zwei weiteren Meta-Analysen konnte jedoch kein Letalitätsvorteil für diese Patientengruppe
gefunden werden [346 ]
[347 ].
Bei ausgeprägterer Hypoxämie (per Definition einem pneumonischen ARDS) gibt es keinen
Hinweis auf einen Nutzen von NIV. Eine Studie zeigt eine höhere Sterblichkeit unter
NIV, wenn nicht rechtzeitig intubiert und beatmet wird [348 ].
Für die Einzelheiten der Durchführung der NIV wird auf die Leitlinien zur nichtinvasiven
und invasiven Beatmung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin
verwiesen [249 ]
[250 ].
5.4.3 High-Flow-Sauerstoff-Therapie (HFOT)
HFOT wurde in einer Studie bei Patienten mit akuter respiratorischer Insuffizienz
(mehr als 60 % bei CAP) mit herkömmlicher Sauerstoffapplikation und NIV-Therapie verglichen
und war hinsichtlich der Vermeidung von Intubation und der Sterblichkeit beiden anderen
Verfahren überlegen [351 ]. Kritisch muss angemerkt werden, dass die NIV-Therapie nicht entsprechend der im
deutschsprachigen Bereich gültigen Empfehlungen [350 ] durchgeführt wurde, die Zahl NIV-erfahrener Zentren war in der Studie limitiert.
In einer Meta-Analyse, die 9 RCTs mit HFOT im Vergleich zu Sauerstofftherapie alleine
einschloss, wurde ein Vorteil für HFOT im Hinblick auf die Intubationsrate, nicht
jedoch auf die Sterblichkeit gefunden [352 ].
Studien, in die COPD-Patienten mit hyperkapnischem Lungenversagen eingeschlossen wurden,
waren aus allen genannten Meta-Analysen ausgeschlossen, weil der Einsatz von NIV in
dieser Indikation als Standardtherapie angesehen wird. Aus gutem Grund gibt es weder
für NIV noch für HFOT Studien zur Pneumonie bei hyperkapnischen COPD-Patienten, weil
die Therapie davon abhängt, ob die durch die COPD bedingte hyperkapnische Komponente
oder die durch die Pneumonie bedingte hypoxämische Komponente im Vordergrund steht.
Prinzipiell kann ein Versuch mit NIV und möglicherweise auch mit HFOT [353 ] gestartet werden. Strikte Abbruchkriterien sollten bei beiden Verfahren definiert
werden, um rechtzeitig Intubation und Beatmung einzuleiten.
5.4.4 Invasive Beatmung und extrakorporale Verfahren
Die Entscheidung zu einer Intubation und Beatmung bei akuter respiratorischer Insuffizienz
muss individuell getroffen werden, verbindliche Grenzwerte für die Beatmungseinleitung
gibt es nicht. Klinisch müssen die Atemfrequenz, der Oxigenierungsindex, das pCO2 und der pH sowie der Bewusstseinszustand und die Funktion extrapulmonaler Organe,
v. a. des Kreislaufs und der Niere berücksichtigt werden.
Für die Einzelheiten der Durchführung der invasiven Beatmung wird auf die Leitlinie
zur nichtinvasiven und invasiven Beatmung der DGP verwiesen [349 ].
Zudem gibt die S3-Leitlinie „Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren
bei akuter respiratorischer Insuffizienz“ [354 ] Empfehlungen zur Beatmungseinstellung. Auch wenn diese allgemein für beatmete Patienten
mit respiratorischem Versagen gelten, können sie bei Patienten mit Pneumonie angewandt
werden. Die Empfehlungen entsprechen den Vorschlägen der Surviving Sepsis Campaign
zur Beatmung bei septischen Patienten [117 ].
Wesentliche Empfehlung ist dabei, die Kriterien der protektiven Beatmung zu befolgen:
ein Ziel-SaO2 von 90–94 %, ein ausreichender PEEP (ein Protokoll zur PEEP-Einstellung wird in der
Leitlinie vorgeschlagen), ein Zugvolumen (Vt) von 6–8 ml/kg (bei ARDS: Vt ≤ 6 ml/kg),
ein Pmax ≤ 30 cm H2 O und ein ΔP ≤ 15 cm H2 O. Bei schwerem ARDS (PaO2 /FiO2 < 150 mmHg) soll frühzeitig die Bauchlagerung erwogen werden und die Volumengabe
soll restriktiv erfolgen. Bei weiterer Verschlechterung sollte frühzeitig Kontakt
zu einem regionalen ARDS/ECMO-Zentrum gesucht werden.
5.4.5 Prolongiertes Weaning
Für die Entwöhnung von der Beatmung wird auf die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft
für Pneumologie und Beatmungsmedizin [355 ] verwiesen.
5.5 Wann ist eine Schocktherapie indiziert und wie sollte diese durchgeführt werden?
E48: Bei hospitalisierten Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie der Gruppen
1a und 1b sollen die Kriterien des septischen Schocks gemäß den Internationalen Konsensusdefinitionen
für Sepsis und septischen Schock [356 ] der schweren Sepsis (akuten Organdysfunktion) entlang der Kriterien der Sepsis-Leitlinie
überprüft werden. Starke Empfehlung, Evidenz A.
E49: Die erste Gabe der antimikrobiellen Therapie bei Pneumonie mit septischem Schock
soll innerhalb der ersten Stunde erfolgen. Starke Empfehlung, Evidenz A.
E50: Bei Vorliegen einer Niereninsuffizienz soll die erste Gabe der antimikrobiellen
Therapie in voller Dosierung erfolgen. Starke Empfehlung, Evidenz B.
Eine Sepsis liegt bei Infektion plus mindestens einem der folgenden Parameter vor
[105 ]:
Sepsis-induzierte Hypotonie (systolischer Blutdruck < 90 mmHg, mittlerer Blutdruck
< 65 mmHg oder Blutdruckabfall um > 40 mmHg)
erhöhtes Laktat > 1 mmol/l
Urinproduktion kleiner 0,5 ml/kg/h für mehr als 2 Stunden trotz adäquater Flüssigkeitsgabe
PaO2 /FIO2 < 200
Kreatinin > 2 mg/dl
Bilirubin > 2 mg/dl
Thrombozyten < 100 000 /µl
INR > 1,5
Der septische Schock geht mit einer hohen Mortalität einher und ist definiert als
aggravierte Form der Sepsis, bei der zugrundeliegende zirkulatorische, zelluläre und
metabolische Veränderungen mit einem höheren Mortalitätsrisiko assoziiert sind als
die Sepsis selbst.
Ein septischer Schock wird anhand der folgenden klinischen Kriterien identifiziert:
Notwendigkeit der Vasopressortherapie um einen mittleren Blutdruck von 65 mmHg aufrecht
zu erhalten
Serumlaktatspiegel > 2 mmol/l trotz adäquater Flüssigkeitstherapie [356 ]
Sepsis induzierte Hypotonie trotz adäquater Flüssigkeitsgabe
Die Sepsis und der septische Schock gehen mit einer hohen Letalität einher [104 ]. Eine frühzeitige Diagnosestellung und sofortiger Therapiebeginn sind für einen
guten Ausgang entscheidend. Die wichtigste Initialbehandlung bei Patienten mit schwerer
Sepsis und/oder septischem Schock besteht aus der Korrektur der Hypoxie und der Hypotension
sowie der sofortigen kalkulierten antimikrobiellen Therapie.
Gemäß den Internationalen Leitlinien zur Behandlung von Sepsis und septischem Schock
der „Surviving Sepsis Campaign“ [117 ] soll innerhalb höchstens einer Stunde nach Diagnose des septischen Schocks
die antimikrobielle Therapie begonnen werden,
mikrobiologisches Kulturmaterial abgenommen werden, sofern dies den Therapiestart
nicht verzögert,
bei Sepsis-induzierter Hypotonie oder Laktatwerten ≥ 4 mmol/l wenigstens 30 ml/kg
Körpergewicht kristalloider Flüssigkeit innerhalb der ersten 3 Stunden intravenös
infundiert, der hämodynamische Status engmaschig überwacht und bei hohem Flüssigkeitsbedarf
zusätzlich Albumin gegeben werden,
eine Vasopressortherapie begonnen werden, wenn trotz Flüssigkeitstherapie ein mittlerer
arterieller Blutdruck von 65 mmHg nicht erreicht wird.
Eine Normalisierung des Laktatspiegels sollte angestrebt werden. Bei septischem Schock
sollte eine initiale antimikrobielle Kombinationstherapie zur Abdeckung der wahrscheinlichsten
Erreger mit Deeskalation innerhalb der ersten Tage nach Therapiebeginn erwogen werden.
5.6 Welche anderen supportiven Maßnahmen sind indiziert?
E51: Stabile Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie sollen eine Frühmobilisation
erhalten. Starke Empfehlung, Evidenz B.
E52: Bei hospitalisierten Patienten mit bereits vorbestehender kardiovaskulärer Indikation
für Acetylsalicylsäure (ASS)(KHK, pAVK, Z. n. Schlaganfall) soll ASS im Rahmen der
Pneumonie fortgeführt oder (falls nicht vorbestehend) begonnen werden. Starke Empfehlung,
Evidenz B.
E53: Bei hospitalisierten Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie ohne vorbestehende
kardiovaskuläre Indikation für ASS, aber kardiovaskulären Risikofaktoren (inhalatives
Zigarettenrauchen, arterielle Hypertonie, Diabetes) kann ASS erwogen werden (z. B.
300 mg/d für 1 Monat). Schwache Empfehlung, Evidenz C.
E54: Patienten mit im Rahmen der Pneumonie zunehmender Obstruktion bei chronisch obstruktiver
Lungenerkrankung (COPD oder Asthma) sollen systemische Steroide adjuvant entsprechend
den üblichen Therapiestandards für 5 bzw. 7 Tage erhalten. Starke Empfehlung, Evidenz
B.
E55: Instabile Patienten mit septischem Schock sollten bei fehlendem Ansprechen auf
Volumen- und Katecholamintherapie (entsprechend den Empfehlungen der Surviving Sepsis
Campaign) Hydrocortison erhalten. Moderate Empfehlung, Evidenz B.
E56: Bei hospitalisierten Patienten ohne im Rahmen der Pneumonie zunehmende Obstruktion
oder septischem Schock wird eine routinemäßige Therapie mit systemischen Steroiden
derzeit nicht empfohlen. Moderate Empfehlung, Evidenz C.
E57: Patienten mit schwerer Influenza-Pneumonie (ohne Asthma oder COPD) sollten keine
systemischen Steroide erhalten. Moderate Empfehlung, Evidenz A.
5.6.1 Frühmobilisation
Zur Frühmobilisation gibt es nur eine randomisierte Studie. In dieser wurde eine um
ca. einen Tag kürzere Hospitalisationszeit für Patienten mit erfolgter Frühmobilisation
im Vergleich zur Kontrollgruppe beschrieben. Sie ist definiert als ein Aufenthalt
außerhalb des Bettes für die Dauer von mindestens 20 Minuten innerhalb der ersten
24 Stunden nach Aufnahme [357 ]. Naturgemäß kann diese nur bei stabilen Patienten durchgeführt werden.
5.6.2 Therapie mit Acetylsalicylsäure (ASS)
V. a. in der Frühphase einer ambulant erworbenen Pneumonie treten in 12–18 % der hospitalisierten
Patienten kardiovaskuläre Komplikationen, auch in Form eines akuten Koronarsyndroms
(ACS), auf. Diese kardialen Ereignisse haben einen signifikanten Einfluss auf die
Hospitalletalität, aber auch die Langzeitprognose. Besonders gefährdet sind Patienten
mit schwerer Pneumonie und vorbestehenden kardiovaskulären Risikofaktoren (u. a. arterielle
Hypertonie, Diabetes und vorbekannte KHK) [86 ]
[358 ]
[359 ].
In einer multizentrischen prospektiven Studie (n = 185) konnte durch eine supportive
Therapie mit 300 mg ASS pro Tag (Therapiedauer 1 Monat) das ACS-Risiko und auch die
kardiovaskuläre Letalität bei hospitalisierten Patienten signifikant reduziert werden
[360 ]. In einer weiteren Untersuchung war eine bestehende ASS-Einnahme mit einer sinifikant
geringeren Hospital- und Langzeitletalität assoziiert [361 ]. Dagegen wirkten 100 mg ASS pro Tag in einer rezenten Studie nicht protektiv gegen
einen Myokardinfarkt im Rahmen der Pneumonie [362 ].
ASS scheint somit protektives Potenzial gegen kardiale Komplikationen im Rahmen der
Pneumonie zuzukommen. Die meisten Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko bzw.
kardialer Komorbidität nehmen allerdings bereits seit längerem ASS ein. Es ist aktuell
noch nicht möglich, das Ansetzen von ASS im Rahmen einer adjuvanten Therapie generell
zu empfehlen. Ebenso ist nicht geklärt, in welcher Dosis und bei welchen Patienten
eine adjuvante ASS-Therapie Vorteile bringt.
5.6.3 Therapie mit systemischen Glukokortikoiden (sGC)
Die supportive Therapie mit systemischen Steroiden ist bei einigen infektionsassoziierten
Krankheitsbildern anerkannter Therapiestandard (bakterielle Meningitis, ZNS-Tuberkulose,
Pneumocystis jirovecii-Pneumonie, septischer Schock) [363 ]. Gleiches gilt für Patienten mit Asthma oder COPD, die sich im Rahmen einer ambulant
erworbenen Pneumonie respiratorisch verschlechtern und systemische Steroide zur Behandlung
der gleichzeitig exazerbierten obstruktiven Lungenerkrankungen benötigen [364 ]
[365 ].
Für Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie beschränkte sich der Nutzen einer
supportiven systemischen Steroidtherapie trotz einer Vielzahl von klinischen Studien
(meist kleinerer Fallzahl), systematischen Reviews und Meta-Analysen bis 2013 auf
eine Verkürzung der Hospitalisationszeit. In den systematischen Reviews und Meta-Analysen
wurde aber wiederholt darauf hingewiesen, dass bei schwerer Pneumonie systemische
Steroide die Letalität möglicherweise vermindern können und zur Beantwortung der Frage
größere prospektive Studien notwendig sind [366 ]
[367 ]
[368 ]
[369 ]
[370 ]
[371 ].
2015 wurde die erste ausreichend große, doppelblinde, multizentrische RCT (n = 785
hospitalisierte Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie; 70 % PSI III–V; 20 %
Diabetiker, 17 % COPD) zum Thema veröffentlicht [372 ]. Durch eine 7-tägige Therapie mit 50 mg Prednison pro Tag konnten eine klinische
Stabilität (definiert als: 24 h Temperatur ≤ 37,8 °C, Herzfrequenz ≤ 100/min, Atemfrequenz
≤ 24/min, systolischer Blutdruck ≥ 90 mmHg, normale Vigilanz, orale Nahrungsaufnahme,
PaO2 ≥ 60 mmHg oder pSO2 ≥ 90 %) 1,4 Tage früher erreicht (3,0 vs. 4,4 Tage; HR 1,33; p < 0,001), die Patienten
einen Tag eher auf orale Antibiotika umgestellt (4,0 vs. 5,0 Tage, p = 0,011) und
einen Tag früher aus dem Krankenhaus entlassen werden (6,0 vs. 7,0 Tage, HR 1,19,
p = 0,012). Der beobachtete Nutzen der systemischen Steroidtherapie war unabhängig
vom primären CRP-Wert, PSI-Score, positiven Blutkulturen und einer vorbekannten COPD.
Unter systemischen Steroiden traten tendenziell weniger Pneumonie-assoziierte Komplikationen
auf (ARDS, Empyeme, u. a.; OR 0,46 (0,22 – 0,98), p = 0,05) und speziell Patienten
mit Sepsis schienen mehr von systemischen Steroiden zu profitieren (n.s.). Die Studie
war nicht für den Endpunkt Letalität ausgelegt. Insgesamt traten signifikant mehr
insulinpflichtige Hyperglykämien auf (19 vs. 11 %, OR 1,96, p = 0,001). Kritisch muss
eingewendet werden, dass die Patienten überwiegend leichtgradige Pneumonien aufwiesen.
Nur 4,8 % wurden auf der Intensivstation behandelt, die Letalität betrug nur 3,4 %.
Des Weiteren ist die Validität und klinische Relevanz der gefundenen Effekte zu hinterfragen.
In einer zweiten Studie aus Spanien erhielten 120 Patienten mit ambulant erworbener
Pneumonie und einer hohen inflammatorischen Reaktion, definiert als CRP > 15 mg/dL
2 × 0,5 mg/kg Methylprednisolon für 5 Tage innerhalb von 36 Stunden nach Krankenhausaufnahme
oder Placebo. Primärer Endpunkt war das klinische Therapieversagen, zusammengesetzt
aus 3 bzw. 5 Variablen (frühes Therapieversagen: Schock oder Beatmung im Verlauf oder
Tod binnen 72 Stunden; spätes Therapieversagen: radiologische Progredienz, persistierendes
respiratorisches Versagen, Schock oder Beatmung im Verlauf oder Tod nach 72–120 Stunden).
Ein Therapieversagen wurde in 13 % vs. 31 % der Patienten beobachtet (p = 0,02). Die
Letalität war numerisch mit 10 % vs. 15 % geringer, dieser Unterschied war jedoch
nicht signifikant. Eine Hyperglykämie entwickelte sich in 18 % vs. 12 %, p = 0,34
[373 ].
Auch diese Ergebnisse sind kritisch zu interpretieren. Die zusammengesetzte Variable
„Therapieversagen“ öffnet Raum für Fehldeutungen. Der signifikante Unterschied ergab
sich aus Unterschieden im späten Therapieversagen, v. a. aus der radiologischen Progredienz
sowie der Entwicklung eines septischen Schocks später als 72 Stunden nach Aufnahme.
Eine radiologische Progredienz reflektiert jedoch per se kein Therapieversagen, sondern
nur zusammen mit klinischer Instabilität. Die späte Entwicklung eines septischen Schocks
ist ein klinisch mehrdeutiges Ereignis, das nicht mehr ohne weiteres auf die Pneumonie
selbst zurückgeführt werden kann. Hier fehlen jedoch nähere Angaben in der Studie.
Schließlich wurden in knapp 8 Jahren aus drei großen Krankenhäusern gerade einmal
120 Patienten randomisiert, was die Möglichkeit eines Selektions-Bias eröffnet.
In den nächsten Jahren werden die Ergebnisse weiterer Studien erwartet, die mehr Informationen
zum Nutzen von systemischen Steroiden bei schwerer ambulant erworbener Pneumonie liefern
werden [374 ].
Kürzlich wurden die Ergebnisse der ADRENAL-Studie veröffentlicht [375 ]. 3800 Patienten mit septischem Schock wurden randomisiert, entweder in den Hydrokortison-Arm
(200 mg tgl. für 7 d) oder in den Placebo-Arm. Ca. ein Drittel der Patienten hatte
einen pneumogenen Fokus. Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied im primären
Endpunkt (90-Tage-Mortalität). Ähnlich wie bei früheren Studien zeigten die Patienten
unter Hydrokortison eine schnellere Regredienz des Schocks (3 Tage [interquartile
range (IQR), 2–5] vs. 4 Tage [interquartile range, 2–9]; hazard ratio, 1.32; 95 %
CI, 1.23–1.41; P < 0.001). Die Zeit der invasiven Beatmung war unter Hydrokortison
verkürzt (6 Tage [interquartile range, 3–18] vs. 7 Tage [interquartile range, 3–24];
hazard ratio, 1.13; 95 % CI, 1.05–1.22; P < 0.001). Nur sehr wenige Patienten entwickelten
eine Hyperglykämie.
Die australische IMPROVE-GAP-Studie hat in einer Cluster-randomisierten Studie den
Effekt Evidenz-basierter Bündel, unter denen auch eine Therapie mit Prednison 50 mg
war, für 7 Tage untersucht [376 ]. Es wurden 816 Patienten randomisiert; es zeigten sich kein signifikanter Vorteil
von Prednison gegenüber Placebo in Bezug auf den primären Endpunkt, die Hospitalisierungsdauer,
jedoch signifikant mehr gastro-intestinale Blutungen.
In den nächsten Jahren werden die Ergebnisse einer weiteren, bereits fertig rekrutierten
US-amerikanischen Studien erwartet, die mehr Informationen zum Nutzen von systemischen
Steroiden bei schwerer ambulant erworbener Pneumonie (ESCAPE) erwarten lassen [374 ].
Ein systematischer Review mit Meta-Analyse der STEP-Studiengruppe konnte individuelle
Patientendaten von 1506 individuellen Patienten aus 6 Studien erneut auswerten und
konnte den bekannten positiven Effekt auf die Hospitalisierungsdauer und die Zeit
bis zur klinischen Stabilität reproduzieren [377 ]. Es fand sich erneut kein Effekt auf die Letalität, jedoch ein erhöhtes Risiko für
CAP-relatierte Wiederaufnahmen und Hyperglykämien.
Eine spezielle Situation liegt bei Patienten mit Influenza-assoziierter ambulant erworbener
Pneumonie vor. Hier zeigte die überwiegende Zahl der Studien, dass eine supportive
Therapie mit systemischen Steroiden keinen Nutzen bzw. sogar eine höhere Komplikationsrate
und Letalität bedingt. Eine Ausnahme stellt eine japanische Studie dar, die einen
Vorteil von Kortison < 2 mg/kg bei Patienten mit einem PaO2 /FIO2 < 300 fand [378 ].
Die entsprechende Meta-Analyse von 2015 spricht sich gegen eine Steroid-Therapie bei
schweren Influenza-Erkrankungen aus und unterstreicht somit die WHO-Empfehlung von
2010 [379 ]
[380 ]. Auch die IDSA empfiehlt keine Steroide [381 ].
Für Asthmatiker und COPD-Patienten, die im Rahmen einer Influenza-Infektion eine Zunahme
der Obstruktion erfahren, darf diese Schlussfolgerung nicht unkritisch übernommen
werden. Diese Patienten benötigen zur respiratorischen Stabilisierung auch im Rahmen
einer Influenza-Infektion systemische Steroide [382 ].
Der Stellenwert von systemischen Steroiden bei schweren Influenza-Erkrankungen mit
septischem Schock oder ARDS kann aktuell noch nicht beurteilt werden.
6 Therapieversagen
E58: Ein Therapieansprechen soll klinisch anhand von Stabilitätskriterien bestimmt
werden, die in einem (schweregradabhängigen) Zeitkorridor erreicht sein sollten. Serielle
Bestimmungen des CRP bzw. PCT initial und 3–4 Tage nach Beginn der antimikrobiellen
Therapie sollen zusätzlich zur Bestimmung des Therapieansprechens gemessen werden.
Starke Empfehlung, Evidenz B.
E59: Bei Therapieversagen soll folgendes diagnostisches Vorgehen erfolgen. Starke
Empfehlung, Evidenz B.
1. Erneute Anamnese, klinische Untersuchung, Einbeziehung epidemiologischer Daten
2. Überprüfung der bisherigen antimikrobiellen Substanzauswahl und -dosierung
3. Suche nach infektiösen Komplikationen
4. Suche nach nicht infektiösen Komplikationen (dekompensierte Komorbidität)
5. Suche nach einem extrapulmonalen Infektionsfokus
E60: Folgende Prinzipien sollen bei der antimikrobiellen Therapie der progredienten
Pneumonie beachtet werden. Starke Empfehlung, Evidenz B.
1. Umstellung auf eine antimikrobielle Therapie gemäß den Empfehlungen dieser Leitlinie
im Falle einer nicht leitliniengerechten initialen kalkulierten Behandlung
2. Wechsel der antimikrobiellen Substanz
3. Überprüfung der initialen antimikrobiellen Therapie auf bestehende Lücken im antimikrobiellen
Spektrum
4. Kombinationstherapie unter Beibehaltung einer Aktivität gegen S. pneumoniae und
mit einem breiten antimikrobiellen Spektrum unter Einschluss von „atypischen Erregern“,
Enterobakterien und P. aeruginosa
5. parenterale Verabreichung
6.1 Wie ist ein Therapieversagen definiert und wie wird es diagnostiziert?
6.1.1 Definitionen
6.1.1.1 Kriterien des Therapieansprechens
Klinische Stabilität ist definiert durch Erreichen der Stabilitätskriterien (siehe
4.9.1) [124 ]
[235 ]
[383 ]. Die mediane Zeit zum Erreichen klinischer Stabilität bei hospitalisierten Patienten
ist abhängig vom Schweregrad und beträgt für PSI I–IV 3 Tage, für PSI V 5 Tage [178 ]
[235 ].
6.1.1.2 Klassifikation des Therapieversagens
In der Literatur finden sich mehrere Definitionen des Therapieversagens, aus denen
eine Klassifikation abgeleitet werden kann [95 ]
[178 ]
[384 ]
[385 ]
[386 ]
[387 ]
[388 ]
[389 ]
[390 ]
[391 ]
[392 ]. Dabei wird zwischen primärem und sekundärem Therapieversagen unterschieden, beim
primären Therapieversagen ergeben sich drei verschiedene Formen. Diese Klassifikation
impliziert unterschiedliche diagnostische und therapeutische Vorgehensweisen je nach
Typ des Therapieversagens.
Primäres Therapieversagen: progrediente Pneumonie (progressive pneumonia). Eine progrediente Pneumonie ist definiert als klinische
Zustandsverschlechterung mit Entwicklung einer respiratorischen Insuffizienz und/oder
anderen schweren Organdysfunktionen oder eines septischen Schockes trotz adäquater
initialer antimikrobieller Therapie [124 ].
Ein Krankheitsprogress tritt meist innerhalb der ersten 72 Stunden nach Therapiebeginn
ein und ist bei hospitalisierten Patienten mit einer hohen Letalität assoziiert [178 ]
[385 ]. Ein radiologischer Progress der Infiltrate weist nur bei gleichzeitig progredienter
klinischer Symptomatik auf ein Therapieversagen hin. Deshalb wird eine kurzfristige
radiologische Verlaufskontrolle innerhalb der ersten 3 Tage nach Therapiebeginn nur
bei klinischer Verschlechterung empfohlen.
Primäres Therapieversagen: verzögert ansprechende Pneumonie (nonresponding pneumonia). Eine verzögert ansprechende Pneumonie ist definiert als
fehlendes Erreichen klinischer Stabilität (Definition siehe oben) nach 72 Stunden
antimikrobieller Therapie, jedoch ohne Progredienz.
Primäres Therapieversagen: persistierende Pneumonie . Eine persistierende Pneumonie liegt vor, wenn eine vollständige Rückbildung des
Infiltrats in der Röntgenthoraxaufnahme > 30 Tage nach Ausbildung der Pneumonie ausbleibt
[124 ].
Die Rückbildungszeiten sind abhängig von Lebensalter, Komorbidität, Schweregrad der
Pneumonie und ursächlichem Erreger und mit 2–16 Wochen entsprechend variabel. Das
prämorbide Niveau des Wohlbefindens und der Leistungsfähigkeit wird allerdings in
der Mehrzahl der Fälle nicht vor Ablauf von mindestens 30 Tagen und gelegentlich sogar
erst nach bis zu 6 Monaten erreicht. Nach schweren Verlaufsformen kann eine vollständige
restitutio ad integrum auch ausbleiben [393 ]
[394 ]
[395 ]
[396 ]
[397 ].
Sekundäres Therapieversagen. Nach Definition handelt es sich hier um eine Verschlechterung
der klinischen Symptomatik nach initialer klinischer Stabilisierung.
Für die Diagnose eines Therapieversagens kann die sequenzielle Bestimmung des C-reaktiven
Proteins (CRP) bzw. des Procalcitonins (PCT) hilfreich sein; in der externen Qualitätssicherung
wird die Bestimmung eines der beiden Parameter gefordert. Hier handelt es sich um
eine Untersuchung, die das klinische Urteil unterstützen soll.
Dabei gelten folgende Regeln: Ein Abfall des CRP am 4. Tag um > 50 % vom Ausgangswert
geht mit einer günstigen Prognose einher und kann helfen, Patienten mit einem verzögerten
Ansprechen von Patienten mit einem Therapieversagen (CRP-Abfall nach 72 Stunden Therapie
25–50 % vom Ausgangswert) zu unterscheiden [238 ]. Ebenso sind ansteigende Werte des PCT mit einer erhöhten Letalität, abfallende
Werte mit einem günstigen Ausgang verbunden [398 ]
[399 ]
[400 ]. Ein persistierend erhöhtes CRP oder PCT allein reicht für die Diagnose eines Therapieversagens
keinesfalls aus, sondern muss im Kontext der klinischen Situation interpretiert werden.
6.2 Inzidenz und Prognose des Therapieversagens
In der Literatur finden sich für das Therapieversagen Inzidenzraten von 6–31 % [95 ]
[386 ]
[387 ]
[392 ]
[401 ], wobei 5 – 13 % aller Patienten mit hospitalisierter ambulant erworbener Pneumonie
eine progrediente Pneumonie entwickeln [95 ]
[178 ]
[385 ]. Nach Erreichen klinischer Stabilität sinkt die Rate auf annähernd 1 % [235 ]. Eine progrediente Pneumonie führt zu einer bis zu 10-fach erhöhten Letalität bei
hospitalisierten Patienten [178 ]
[385 ]
[385 ]
[392 ]. Besonders hoch ist die Letalität auch bei Therapieversagen infolge einer sekundären,
nosokomial erworbenen Pneumonie [384 ]
[402 ].
6.3 Welche Ursachen sind für ein Therapieversagen in Betracht zu ziehen?
Die möglichen Gründe für ein Therapieversagen beinhalten infektiöse und nicht infektiöse
Ursachen (siehe [Tab. 16 ]) [124 ]
[178 ]. In etwa ⅔ der Fälle mit definierten Gründen liegen infektiologische Erklärungen
für ein Therapieversagen vor, wobei bei jeweils 10–20 % der Patienten neu diagnostizierte
Erreger (initial ohne Erregernachweis), persistierende Erreger oder neu identifizierte
nosokomiale Erreger ursächlich in Frage kommen [178 ]
[384 ]. Bei bis zu 80 % der Patienten mit Therapieversagen im Sinne einer progredienten
Pneumonie ist das Versagen direkt auf die pulmonale Infektion und die damit verbundene
systemische Inflammation (schwere Sepsis bzw. septischer Schock) zurückzuführen [95 ]. Je nach klinischem Erscheinungsbild des Therapieversagens (progrediente Pneumonie;
verzögert ansprechende Pneumonie) und zeitlichem Verlauf kommen unterschiedliche Ursachen
für das Therapieversagen in Frage.
Eine bisher unerkannte HIV-Infektion kann ebenfalls Ursache für eine progrediente
Pneumonie sein [403 ]. Ein klinischer Progress später als 72 Stunden nach Krankenhausaufnahme ist häufig
mit einem komplizierten parapneumonischen Erguss bzw. Empyem, einer nosokomialen Superinfektion
(sekundäres Therapieversagen) oder einer nichtinfektiösen Ursache assoziiert [124 ]. Darüber hinaus kommt auch Begleiterkrankungen eine Bedeutung zu, da sie im Rahmen
der akuten systemischen Inflammation exazerbieren können. Dies kann wie ein Nichtansprechen
auf die Therapie imponieren. Aus mehreren Studien ist bekannt, dass es gerade in der
Akutphase einer ambulant erworbenen Pneumonie gehäuft zum Auftreten von akuten Koronarsyndromen
bis hin zu akuten Myokardinfarkten kommen kann [404 ]
[405 ]. In der [Tab. 16 ] sind Typen und Ursachen eines Therapieversagens zusammengefasst.
Tab. 16
Typen und Ursachen eines Therapieversagens.
Typen des Therapieversagens
Ursachen
inadäquate initiale Therapie
falsche Zuordnung innerhalb der Pneumonie-Triade
Nichteinhalten von Leitlinien der Therapie
bei ambulanten Patienten schlechte Therapiecompliance
erregerassoziiertes Therapieversagen
Komplikationen
Sonderformen der Pneumonie
Aspirationspneumonie
Retentionspneumonie
seltene Erreger
verzögerte Abheilung durch Wirtsfaktoren, Erregerfaktoren und Schweregrad
Pseudo-Therapieversagen („mimics“)
Als Risikofaktoren für ein Therapieversagen wurden in Studien neben einem höheren
Lebensalter das Vorliegen eines höheren Pneumonieschweregrades, multilobärer oder
abszedierender Infiltrate, eines Pleuraergusses, einer Leukopenie, einer Thrombopenie,
einer Lebererkrankung oder Herzinsuffizienz, der Nachweis von Legionellen oder Enterobakterien
sowie eine inadäquate initiale antimikrobielle Therapie identifiziert [95 ]
[178 ]
[385 ].
6.4 Welche Diagnostik ist bei einem Therapieversagen indiziert?
Jedes Therapieversagen sollte eine systematische Differenzialdiagnose entlang genannter
Definitionen und Ursachen nach sich ziehen. Allerdings dürfen bei klinisch instabilen
Patienten die diagnostischen Maßnahmen oder das Warten auf Befunde unter keinen Umständen
eine Therapieanpassung verzögern, da jede Verzögerung mit einer Erhöhung der Letalität
einhergeht [113 ].
Im Einzelnen richtet sich das diagnostische Vorgehen nach dem klinischen Erscheinungsbild
des Therapieversagens.
Neben der Überprüfung der korrekten Wahl und Dosierung sowie regelmäßigen Verabreichung
bzw. Einnahme der antimikrobiellen Substanzen kann in Abhängigkeit von der Klinik
eine erweiterte bildgebende Diagnostik (Thorax-CT, Sonografie, Echokardiografie) sowie
eine Bronchoskopie mit BAL und/oder transbronchialer Biopsie bzw. transthorakaler
Lungenbiopsie indiziert sein [406 ]
[407 ]
[408 ]
[409 ]
[410 ]. Im Falle des sekundären Therapieversagens sind v. a. ein komplizierter parapneumonischer
Erguss bzw. ein Empyem, eine nosokomiale Pneumonie sowie nicht infektiöse Ursachen
auszuschließen.
Folgende Untersuchungen können im Einzelfall erwogen werden:
Mikrobiologische Sputumdiagnostik bei purulentem Sputum und Gewährleistung der notwendigen
logistischen Voraussetzungen mit Gramfärbung, Kultur und Empfindlichkeitsprüfung,
abhängig von klinischer Situation und Vorgeschichte, Färbungen und Spezialkulturen
auf seltene Erreger wie Mykobakterien, Nokardien oder Pilze
Entnahme von mindestens zwei Blutkulturen (2 × 2 Flaschen) von unterschiedlichen Lokalisationen,
Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage mit Gramfärbung, quantitative Bakterienkultur
mit Empfindlichkeitsprüfung, abhängig von klinischer Situation und Vorgeschichte,
Färbungen und Spezialkulturen sowie ggf. Einsatz molekulargenetischer Verfahren zum
Nachweis seltener Erreger wie Mykobakterien, Legionellen, Pilzen, Viren, Nokardien
[384 ]
[410 ]
L. pneumophila-Antigen-Nachweis (Serogruppe 1) aus Urin
Nachweis von NAT und/oder IgM-Antikörpern gegen M. pneumoniae
diagnostische Pleuraergusspunktion bei Vorliegen eines Pleuraergusses. Aufarbeitung
klinisch-chemisch (pH, Eiweiß, LDH), zytologisch, mikrobiologisch (Gramfärbung, Bakterienkultur
und Empfindlichkeitsprüfung, abhängig von klinischer Situation und Vorgeschichte,
Färbungen und Spezialkulturen und ggf. molekulargenetische Verfahren zum Nachweis
von Mykobakterien)
Bildgebung: Computertomografie des Thorax [411 ]
[412 ], transthorakale Echokardiografie
ggf. transbronchiale bzw. transthorakale Lungenbiopsie oder videoassistierte Thorakoskopie
Ausschluss einer immunsupprimierenden Erkrankung (z. B. HIV-Test)
Autoimmun-Erkrankungsdiagnostik (Serologie)
6.4.1 Progrediente Pneumonie
Bei der progredienten Pneumonie stehen das intensivmedizinische Management zur Stabilisierung
bzw. Sicherstellung der Organfunktion und die rasche Umstellung der antimikrobiellen
Therapie im Vordergrund. Diagnostische Maßnahmen dürfen die Therapieoptimierung nicht
verzögern. Die Diagnostik sollte sich bei progredienter Pneumonie vorwiegend auf infektiöse
Ursachen konzentrieren [95 ]
[384 ]. Als Erreger progredienter Pneumonien kommen in erster Linie in Betracht: S. pneumoniae,
Legionella spp., S. aureus (selten MRSA), Enterobakterien und P. aeruginosa [385 ]
[406 ]
[407 ]. Komplikationen wie Pleuraempyem und Abszessbildung müssen ausgeschlossen werden.
Darüber hinaus gilt es, mögliche extrapulmonale Infektionsfoci aufzuspüren.
6.4.2 Verzögert ansprechende Pneumonie
Bei Nichtansprechen auf eine initiale Therapie ohne klinische Progression liegt in
der Hälfte der Fälle lediglich eine verzögert abheilende Pneumonie vor, bei den übrigen
Patienten sind vorwiegend seltene oder ungewöhnliche Erreger wie Mykobakterien, Pilze,
Nokardien und nicht infektiöse Ursachen zu annähernd gleichen Teilen nachweisbar.
6.5 Welche Patienten sollten eine kalkulierte antimikrobielle Therapie des Therapieversagens
erhalten, und welche sollte das sein?
6.5.1 Progrediente Pneumonie
Im Vordergrund stehen die Überwachung und rasche Stabilisierung der Organfunktionen
sowie die prompte parenterale Verabreichung einer adäquaten kalkulierten antimikrobiellen
Kombinationstherapie entsprechend der Empfehlungen für einen schweren Verlauf.
6.5.2 Verzögert ansprechende Pneumonie
Bei fehlender klinischer Stabilität nach 72 Stunden sollte sich die Therapie an den
Ergebnissen der initialen und im Rahmen der Evaluation des Therapieversagens durchgeführten
diagnostischen Maßnahmen orientieren.
7 Lungenabszess und Pleuraempyem
7 Lungenabszess und Pleuraempyem
E61: Bei Nachweis von einschmelzenden Infiltraten oder eines Abszesses soll über die
Standarddiagnostik hinaus die Durchführung einer thorakalen Sonografie sowie einer
Computertomografie des Thorax zur Beurteilung der Abszesslokalisation und ggf. differenzialdiagnostischen
Abklärung erfolgen. Starke Empfehlung, Evidenz C.
E62: Zusätzlich sollte eine Bronchoskopie zum mikrobiologischen Erregernachweis sowie
zum Ausschluss einer poststenotischen Genese erfolgen. Moderate Empfehlung, Evidenz
C.
E63: Die kalkulierte antimikrobielle Initialtherapie soll primär parenteral mit einer
der geprüften Optionen Aminopenicillin plus Betalaktamasehemmer, Clindamycin plus
Cephalosporin (Cefuroxim, Ceftriaxon, Cefotaxim) oder Moxifloxacin erfolgen. Starke
Empfehlung, Evidenz B.
E64: Die Therapie soll nach radiologischem Ansprechen bis zur Ausheilung der Abszedierung
fortgeführt werden. Eine orale Sequenztherapie bei klinischem und radiologischem Ansprechen
soll erfolgen. Starke Empfehlung, Evidenz B.
E65: Bei Versagen der antimikrobiellen Therapie sollte nach erneuter differenzialdiagnostischer
Klärung die interne oder externe Drainageanlage unter Steuerung durch bildgebende
Verfahren oder die Resektion erwogen werden. Moderate Empfehlung, Evidenz B.
E66: Bei sekundärer Abszessgenese soll eine kausale Therapie angestrebt werden. Starke
Empfehlung, Evidenz C.
E67: Bei allen Patienten mit einem parapneumonischen Pleuraerguss soll eine frühe
Thorakozentese erfolgen. Starke Empfehlung, Evidenz A.
E68: Es soll eine makroskopische Beurteilung und eine bakteriologische Analyse angeschlossen
werden sowie bei allen nicht eitrigen Ergüssen eine Bestimmung des pH-Wertes. Starke
Empfehlung, Evidenz C.
E69: Die systemische antimikrobielle Therapie soll das Erregerspektrum pleuraler Infektionen
umfassen; dieses schließt auch Anaerobier mit ein. Bei Vorliegen bakterieller Kulturergebnisse
soll die Therapie ggf. angepasst werden. Starke Empfehlung, Evidenz B.
E70: Bei klarem Erguss mit einem pH < 7,2, Hinweisen auf eine Organisation, der Aspiration
von Eiter, dem pleuralen Nachweis von Bakterien oder bei Vorliegen eines Pleuraempyems
soll unverzüglich eine effektive Drainage durchgeführt werden. Starke Empfehlung,
Evidenz B.
E71: Bei einem septierten Erguss und ineffizienter Drainage oder einem Empyem soll
bei funktionell operablen Patienten eine interdisziplinäre Diskussion mit der Thoraxchirurgie
hinsichtlich einer VATS erfolgen. Ist keine VATS indiziert oder erwünscht, soll ein
Therapieversuch mit intrapleuraler Applikation von t-PA oder DNAse erfolgen. Starke
Empfehlung, Evidenz B.
7.1 Wie wird ein Lungenabszess diagnostiziert und behandelt?
7.1.1 Häufigkeit
Lungenabszesse stellen eine schwerwiegende Komplikation der ambulant erworbenen Pneumonie
dar. Bei ausbleibender Lokalisierung der Infektion entsteht eine nekrotisierende Pneumonie
bis hin zur Lungengangrän. Eine strikte Abgrenzung ist häufig jedoch nicht möglich,
vielmehr handelt es sich um ein Kontinuum. So fand sich in einer Studie bei Patienten
mit Pneumokokken-Pneumonie in 6,6 % ein Nachweis nekrotisierender Infiltrate in der
CT, ohne dass Schweregrad und Letalität signifikant beeinflusst wurden [413 ]. Auch für Legionellenpneumonien wurden abszedierende Verläufe bei bis zu 23 % der
Patienten beschrieben [414 ].
7.1.2 Pathogenese
Unterschieden werden primäre und sekundäre Abszesse [415 ]
[416 ]. Die Pathogenese der primären Lungenabszesse beruht hauptsächlich auf Mikroaspirationen
bei gestörter Clearance oder einer hohen Virulenz der Erreger [413 ]
[415 ]
[416 ]. Risikofaktoren für die Aspiration sind neurologische Erkrankungen, Bewusstseinstrübungen,
Alkoholabusus, Sedativa, Schluckstörungen, ösophageale Pathologien und eine eingeschränkte
Dentalhygiene [416 ]
[417 ]
[418 ]
[419 ]
[420 ]
[421 ]
[422 ]
[423 ]. Sekundäre Lungenabszesse finden sich bei bronchialer Obstruktion durch Neoplasien
oder Fremdkörper mit poststenotischer Pneumonie, durch Einschmelzung und Superinfektion
von Infarktpneumonien und selten auch bei Bakteriämien z. B. im Rahmen von Trikuspidalklappen-Endokarditiden.
In 2 deutschen Studien konnte in 4–6 % der Fälle einer Aspirationspneumonie oder abszedierenden
Pneumonie bronchoskopisch ein Lungenkarzinom nachgewiesen werden [424 ]
[425 ].
7.1.3 Diagnostik
Zum Ausschluss einer sekundären Genese ist daher eine erweiterte diagnostische Abklärung
erforderlich. Die Anfertigung einer CT des Thorax ist indiziert, um die Lokalisation
und die Größe der Abszesse sowie ihre Nähe zu angrenzenden Strukturen (Pleura) beurteilen
zu können und diagnostische (Bronchoskopie) sowie ggf. therapeutische (Abszessdrainage)
Interventionen zu planen. Auch aus differenzialdiagnostischen Erwägungen zur Abgrenzung
von nicht infektiösen kavitären Lungenerkrankungen (nekrotisierende Karzinome, Lungeninfarkte,
Einschmelzungen im Zusammenhang mit Autoimmun-Erkrankungen wie rheumatoider Arthrits
oder Vaskulitiden) oder seltenen Ätiologien (z. B. Aspergillus spp., atypischen Mykobakterien)
kann die CT-Bildgebung hilfreich sein [426 ]
[427 ]
[428 ]
[429 ]
[430 ]
[431 ]
[432 ]
[433 ]
[434 ]. Ferner ist im Regelfall zum Ausschluss einer endobronchialen Obstruktion und zur
mikrobiologischen Erregergewinnung eine bronchoskopische Diagnostik erforderlich [416 ]
[424 ]
[425 ].
7.1.4 Erregerspektrum
Die Ätiologie des Lungenabszesses ist fast ausschließlich bakteriell. Mischinfektionen
wurden in 21–55 % der Fälle mit Erregernachweis gefunden [424 ]
[425 ]
[435 ]
[436 ]
[437 ]
[438 ]
[439 ]. Aktuelle Studien zur bakteriellen Ätiologie sind jedoch meist durch Einschränkungen
in der mikrobiologischen Diagnostik bei bestehender antimikrobieller Vortherapie limitiert.
Zwei neuere deutsche Studien zeigten bei einem gemischten Patientenkollektiv mit Aspirationspneumonie
oder Lungenabszess grampositive Erreger in 59 – 88 %, gramnegative Erreger in 72 – 74 %
und anaerobe Erreger in 13 – 43 % der Fälle, am häufigsten wurden S. pneumoniae und
S. aureus nachgewiesen [424 ]
[425 ]. Seltene Erreger wie „community acquired“ MRSA, Aktinomyzeten, Nokardien, Mykobakterien,
Echinokokken oder nekrotisierende Aspergillus-infektionen müssen im Einzelfall auch
bei immunkompetenten Patienten in Betracht gezogen werden.
7.1.5 Therapie
Die Therapie von Lungenabszessen beruht auf folgenden Grundlagen:
Beseitigung der Ursache bei sekundärer Genese (z. B. Beseitigung einer Obstruktion,
Therapie eines Aspirationssyndroms oder Optimierung der Immunfunktion)
prolongierte antimikrobielle Therapie und
ggf. interne/externe Drainage einer Abszesshöhle bei Therapieversagen
Die Studienlage zur antimikrobiellen Therapie von abszedierenden Pneumonien ist begrenzt.
Das Spektrum der kalkulierten Therapie sollte grampositive, gramnegative und anaerobe
Bakterien einschließen, eine Wirksamkeit gegen Pneumokokken und S. aureus muss stets
berücksichtigt werden. Initial sollte eine intravenöse Therapie erfolgen [424 ]
[425 ].
Clindamycin war in älteren Studien einer Therapie mit Penicillin oder Metronidazol
überlegen [440 ]
[441 ]
[442 ]. Es sollte, wenn eine Empfindlichkeit gegenüber S. aureus gegeben ist, zur Erfassung
gramnegativer Bakterien z. B. mit einem Cephalosporin kombiniert werden [424 ]. Ein Aminopenicillin in Kombination mit einem Betalaktamase-Inhibitor oder Moxifloxacin
sind als gleichwertige Alternativen anzusehen [424 ]
[425 ]
[443 ]
[444 ].
Die Dauer der antimikrobiellen Therapie muss individuell gesteuert werden. Grundsätzlich
sollte sie bis zur klinischen Ausheilung in Kombination mit einer radiologischen Befundrückbildung
fortgesetzt werden. Dies bedeutet häufig eine Therapiedauer von 4–8 Wochen, in einzelnen
Fällen aber auch von 3–6 Monaten [424 ]
[425 ]
[444 ]. Nach klinischem Ansprechen und radiologisch dokumentierter Rückbildung der Größe
des Abszesses kann auf eine orale Therapie umgestellt werden [424 ]
[425 ]
[444 ]. Die antimikrobielle Therapie eines Lungenabszesses führt in 75–90 % der Fälle zur
Ausheilung [416 ]
[424 ]
[425 ]
[441 ]
[442 ]
[443 ]
[444 ]
[445 ].
Die Drainage von Abszesshöhlen geschieht meist spontan nach intern. Eine Option zur
Behandlung von Therapieversagen unter konservativer Therapie und ohne nachweisbare
endogene Drainage bieten interne und externe Drainagen. Die Katheter-Einlageverfahren
sind vielfältig und umfassen bronchoskopische Verfahren [446 ]
[447 ] sowie das Einlegen unter Durchleuchtungs- oder CT-Kontrolle [448 ]
[449 ]
[450 ]
[451 ]. Eine transpulmonale Drainage sollte jedoch wegen des hohen Risikos eines Empyems
vermieden werden. Die Erfolgsrate dieser Verfahren ist hoch. Eine mögliche Option
bei dickflüssigen Abszessen stellt die Gabe von DNAse dar [452 ].
Die chirurgische Therapie hat nur noch wenige Indikationen: die chirurgische Sanierung
von Komplikationen (pulmonale Blutung, Empyem durch Fistelbildung, konservativ nicht
beherrschbare Sepsis), der Verdacht einer malignen Genese bei fehlendem Therapieansprechen
und die Entfernung großer, unter konservativer Therapie nicht schließender Resthöhlen
[453 ]
[454 ].
7.2 Wie wird ein Pleuraempyem diagnostiziert und behandelt?
7.2.1 Pathogenese und Risikofaktoren
Bei 20–50 % der Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie wird bei Diagnosestellung
oder im Verlauf ein begleitender Pleuraerguss diagnostiziert [455 ]
[456 ]
[457 ]
[458 ]. Der Erguss bildet sich aufgrund einer entzündlich bedingt erhöhten Kapillarpermeabilität
oder nach Übergreifen der Pneumonie auf die Pleura visceralis [459 ]. Bei einem Teil dieser Erkrankungen entwickelt sich dann durch bakterielle Pleurainvasion
eine pleurale Infektion bis hin zur eitrigen Pleuritis (Pleuraempyem). Eine pleurale
Infektion verlängert die Dauer der Erkrankung und des Krankenhausaufenthaltes und
kann mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit einer Aufnahme auf der Intensivstation
und einer erhöhten Letalität assoziiert sein [458 ]
[460 ]
[461 ]. Risikofaktoren dieser Komplikation sind Diabetes mellitus, systemische Kortikosteroidtherapie,
gastroösophagealer Reflux und Alkohol- oder i. v. Drogenmissbrauch [458 ]
[461 ]
[462 ]. Angaben zur Bakteriologie der pleuralen Infektion variieren mit dem Schweregrad,
der Komorbidität und den Nachweismethoden [462 ]. Streptokokken (S. pneumoniae und Streptokokken der viridans-Gruppe), S. aureus,
Enterobakterien und Anaerobier sind die häufigsten Isolate. Sie umfassen bis zu 90 %
des Erregerspektrums [462 ].
Im Gefolge des pleuralen Bakterieneintrittes kommt es im Erguss zur Akkumulation von
sauren Metaboliten (Abfall des pH-Wertes), zur Glukoseutilisation (Abfall der Glukosekonzentration)
und zum Anstieg der Leukozytenzahl und der Konzentration der Laktatdehydrogenase (LDH)
[456 ]
[459 ]. Reaktiv folgt eine vermehrte Fibroneogenese bis hin zum Fibrothorax. Der Übergang
vom unkomplizierten para-pneumonischen Erguss zur pleuralen Infektion ist gekennzeichnet
durch einen Anstieg der Protein-konzentration und einen Abfall des pH-Wertes im Erguss
auf < 7,20 und der Glukosekonzentration [455 ]
[456 ]
[463 ]. Das Vorliegen einer Pleurainfektion sollte bei allen Patienten mit ambulant erworbener
Pneumonie und fortgesetzten systemischen Entzündungszeichen (klinisch oder laborchemisch),
bei Nachweis eines Pleuraergusses im Röntgenbild und bei jeder stationären Aufnahme
geklärt werden. Es soll eine Röntgenaufnahme des Thorax und eine thorakale Sonografie
erfolgen.
7.2.2 Diagnostik
Bei sonografischem Nachweis einer Ergusslamelle ipsilateral zum Infiltrat muss unter
sonografischer oder ersatzweise unter Durchleuchtungskontrolle bei fehlender Kontraindikation
und ausreichender Flüssigkeitsmenge eine diagnostische Pleuraergusspunktion ohne Verzögerung
durchgeführt werden. Eine Echogenität der Ergussflüssigkeit und Befunde der Ergussorganisation
(Septierung, Pleuraverdickung, Fibrose) sind zuverlässige Hinweise auf eine pleurale
Infektion.
Der gewonnene Erguss wird makroskopisch beurteilt, dabei sichern die Trübung oder
der Eiternachweis die Pleurainfektion. Aus einem nicht eitrigen Erguss soll unverzüglich
der pH-Wert bestimmt werden [460 ]
[464 ]. Obligat ist bei jedem Punktat die Durchführung einer bakteriellen Kultur (aerob
und anaerob) sowie eine Gramfärbung. In einer randomisierten Studie zu pleuralen Infektionen
waren bei 54 % der Patienten die Pleuraergusspunktate Kultur-positiv, dagegen die
Blutkultur in 12 % [462 ]. Zudem sollten Proteinkonzentration, Glukose sowie die LDH im Erguss bestimmt werden
und eine zytologische Diagnostik erfolgen. Im seltenen Fall einer auf diese Weise
technisch nicht durchführbaren Ergussgewinnung kann sie bei fortbestehendem Verdacht
CT-gesteuert erfolgen. Die Unterschreitung des pH-Grenzwertes von 7,2 ist prädiktiv
für eine pleurale Infektion [456 ]
[460 ]. Ein unkomplizierter Begleiterguss sollte im Verlauf sonografisch kontrolliert werden.
Bei einem klinisch relevanten Volumen sollte die Flüssigkeit zur Entlastung mittels
Parazentese entfernt werden. Die intravenöse antimikrobielle Therapie erfolgt entsprechend
dem Schweregrad der Pneumonie. Eine Synopsis der Diagnostik und die sich daraus ergebende
Klassifikation gibt [Tab. 17 ].
Tab. 17
Synopsis der Diagnostik des parapneumonischen Pleuraergusses bzw. Empyems und die
sich daraus ergebende Klassifikation. PMN = polymorphkernige Leukozyten.
Klassifikation parapneumonischer Pleuraergüsse/Empyeme
Unkomplizierter PPE
Komplizierter PPE
Empyem
pleurale Morphologie
dünn, permeabel
Fibrinexsudation, Septierungen
verdickt, Granulationsgewebe, Septen und Kammern
Pleurapunktat
klar
trüb
eitrig
pH
> 7,3
7,1–7,2 (7,3)
< 7,1
Laktathydrogenase
< 500
> 1000
> 1000
Glukose mg/dL
> 60
< 40
< 40
Zytologie
PMN +
PMN + +
PMN + + +
Mikrobiologie
steriles Punktat
gelegentlich positiv (mikroskopisch und kulturell)
häufig positiv (mikroskopisch und kulturell)
7.2.3 Therapie
Bei pleuraler Infektion soll die kalkulierte antimikrobielle Therapie mit Substanzen
erfolgen, die das beschriebene bakterielle Spektrum erfassen. Dazu eignen sich Aminopenicilline
plus β-Laktamase-Inhibitoren, Cephalosporine der Gruppe II oder III in Kombination
mit Clindamycin oder bei Unverträglichkeit oder Misserfolg ein Pneumokokken-aktives
Fluorchinolon mit guter Anaerobier-wirksamkeit (Moxifloxacin).
Die antimikrobielle Therapie der zugrunde liegenden Pneumonie kann nach 7 Tagen abgesetzt
werden, sofern eine suffiziente Drainage der infizierten Pleurahöhle erfolgt und die
inflammatorische Reaktion rückläufig ist.
Bei Nachweis eines komplizierten Ergusses oder eines Empyems oder nach Identifizierung
eines pathogenen Bakterienstammes aus dem Erguss ist die unverzügliche Einlage einer
Pleuradrainage indiziert, um den Erguss möglichst komplett zu entfernen [456 ]
[460 ]. Vorteile bestimmter technischer Details der Drainagetherapie sind nicht belegt
(Durchmesser des Tubuslumens, kontinuierlicher Sog vs. intermittierende vs. kontinuierliche
Spülung). Die Einlage sollte unter Kontrolle bildgebender Verfahren durchgeführt werden.
Die Funktionalität des Drainage-Schlauchs (Lage und Durchgängigkeit) und die Effektivität
der Drainage soll mindestens einmal täglich geprüft werden.
Die alleinige Drainagetherapie ist häufig nicht erfolgreich. Eine verzögerte Eskalation
zur VATS impliziert eine verlängerte Hospitalisation [465 ], wenngleich die Hospital-Letalität nicht unterschiedlich zu sein scheint [466 ]. Daher ist bei Empyemen frühzeitig die Indikation zu einer VATS zusammen mit der
Thoraxchirugie zu prüfen. Alternativ kann eine medizinische Thorakoskopie erwogen
werden.
Hinsichtlich der chirurgischen Verfahren ist die VATS der Thorakotomie überlegen in
Hinblick auf postoperative Schmerzkontrolle, geringeren Blutverlust, geringere respiratorische
Beeinträchtigung, Reduktion der postoperativen Komplikation sowie die 30-Tage-Letalität
[467 ].
Die Datenlage im Hinblick auf die Durchführung der intrapleuralen Fibrinolysetherapie
via Drainage mit Urokinase, Streptokinase oder Alteplase in kontrollierten Studien
mit größeren Populationen ist widersprüchlich [462 ]
[468 ]
[469 ]
[470 ]
[471 ]
[472 ]
[473 ]. Die Studien zeigen eine unterschiedliche Methodik und differente Einschlusskriterien.
Eine Meta-Analyse zu 7 randomisierten Studien ergab, dass die Notwendigkeit chirurgischer
Interventionen durch lokale Einbringung von Fibrinolytika reduziert werden kann [472 ]. Allerdings ist die mit Abstand größte Studie negativ; die zweitgrößte Studie zeigt
einen Effekt nur in einer Kombination von lysierenden Substanzen (Alteplase und DNase)
([Tab. 18 ]). Eine Therapie mit intrapleuralen Fibrinolytika ist daher vorzugsweise bei Patienten
zu erwägen, die einer VATS nicht zugänglich sind oder diese ablehnen. Eine Indikation
zur Video-assistierten Thorakoskopie (VATS) mit dem Ziel des Debridements liegt vor
bei einem gekammerten Erguss mit fortgeschrittener Organisation, wenn die Einlage
der Drainage nicht gelingt oder bei einem großvolumigen Empyem. Bei fortgeschrittenem
Fibrothorax kann eine Spätdekortikation nach Abklingen der Entzündungsaktivität indiziert
sein [474 ].
Tab. 18
Randomisierte Studien zur intrapleuralen Lysetherapie von komplizierten Ergüssen und
Empyemen nach dem Jahr 2000 [467 ].
Zitat
Anzahl Patienten
Drainage
Intervention
Endpunkte
Ergebnisse (Intervention vs. Kontrolle)
[475 ]
49
24–36
Urokinase 100 000 1 ×/d über 3 Tage
Drainagemenge
höher (1,8 ± 1,5 vs. 0,8 ± 0,8 l)
Hospitalisationszeit
kürzer (14 ± 4 vs. 21 ± 4 d)
Rate chirurgischer Therapien
geringere Dekortikationsrate (29 vs. 60 %)
[469 ]
53
24–28
Streptokinase 250 000 1 ×/d über 7 Tage
Erfolgsrate
höher (82 vs. 48 %)
Rate chirurgischer Therapien
geringer (9 vs. 45 %)
Langzeitergebnis nach 6 Monaten
kein Unterschied
[473 ]
127
28–32
Streptokinase 250 000 1 ×/d über 3 Tage
Erfolgsrate
höher (88 vs. 67 %)
Hospitalisationszeit
länger 7 ± 1,7 vs. 15,5 ± 4
[462 ]
454
12 (12–20)
Streptokinase 250 000 1 ×/d über 3 Tage
Hospitalletalität
kein Unterschied
Hospitalisationszeit
kein Unterschied
Rate chiurgischer Therapien
kein Unterschied
[471 ]
210
< 15
Alteplase 10 mg 2 ×/d und DNase 5 mg 2 ×/d über jeweils 3 Tage
% Hämothorax
geringer
Hospitalisationszeit
geringer
Rate chirurgischer Therapien
geringer (4 vs. 6 %) (jeweils nur die Kombinaton, nicht Alteplase oder DNase allein)
[470 ]
68
14–28
Alteplase 25 mg 1 ×/d über 3 Tage
Rate chirurgischer Therapien
geringer (12 vs. 95 %)
8 Aspirationspneumonie und Retentionspneumonie
8 Aspirationspneumonie und Retentionspneumonie
E72: Die antimikrobielle Therapie der Aspirationspneumonie sollte parenteral begonnen
werden und primär mit Ampicillin/ß-Laktamaseinhibitor, alternativ Clindamycin plus
Cephalosporin der Gruppen II und III oder mit Moxifloxacin erfolgen. Moderate Empfehlung,
Evidenz B.
E73: Retentionspneumonien durch Tumore sollten bei Risikopatienten (z. B. Rauchern)
und spezifischen radiologischen Verschattungsmustern erwogen und abgeklärt werden.
Moderate Empfehlung, Evidenz C.
E74: Die Therapiedauer bei Retentionspneumonien sollte sich nach der Aussicht auf
Beseitigung einer Retention richten. Kann die Stenose absehbar beseitigt werden, sollte
die Therapie i. d. R. 7 Tage erfolgen. Ist dies nicht der Fall, können längere Gaben
auch über Wochen erwogen werden, insbesondere auch dann, wenn eine Nekrotisierung
bzw. Abszedierung erkennbar wird. Moderate Empfehlung, Evidenz C.
8.1 Welche Besonderheiten sind bei Patienten mit Aspirationspneumonie zu beachten?
Es gibt nur wenig Evidenz zur Diagnostik und Therapie der Aspirationspneumonie. Risikofaktoren
finden sich in [Tab. 19 ] zusammengefasst. Diese wurden in einer großen rezenten Untersuchung identifiziert
bzw. bestätigt [476 ]. Immerhin knapp 30 % hatten jedoch keine Risikofaktoren für eine Aspiration.
Tab. 19
Risikofaktoren für Aspirationspneumonie [483 ].
männliches Geschlecht
Untergewicht
enterale Ernährung
neurologische Grunderkrankung
zerebrovaskuläre Erkrankungen
neurodegenerative Erkrankungen (u. a. Demenz)
Epilepsie
Stenosen im oberen Gastrointestinaltrakt
oropharyngeale Neoplasien, Hypopharynxkarzinom
Ösophaguskarzinom
Zenker-Divertikel
Achalasie
Bettlägerigkeit
Intoxikationen
Allgemein akzeptierte Diagnosekriterien liegen nicht vor. Meist werden Patienten mit
Pneumonie bei erhöhtem Aspirationsrisiko ([Tab. 19 ]) unter dieser Diagnose zusammengefasst [477 ]. Die Häufigkeit so definierter Aspirationspneumonien liegt bei 13–15 % [477 ]
[478 ]
[479 ], in Subgruppen von Pflegeheim-bewohnern bei bis zu 50 % [480 ].
Bei beobachteter Aspiration zu unterscheiden sind: a) Aspirationen von Mageninhalt
mit Pneumonien als Folge davon sowie b) schleichende Mikroaspirationen. Erstere sind
selten, da die Aspiration sauren Mageninhalts i. d. R. zwar zu einem Aspirationssyndrom
führt, jedoch keine Pneumonien zur Folge hat; eine Ausnahme stellen Patienten unter
suffizienter Therapie mit Protonenpumpenhemmern dar. Eine erhöhte Frequenz von Aspirationspneumonien
liegt auch bei rezidivierenden Pneumonien vor [481 ]. In den meisten vergleichenden Studien findet sich bei ambulant erworbener Pneumonie
und Aspirationsverdacht eine erhöhte Nachweisrate von S. aureus und Enterobakterien
[477 ], teils auch von Anaerobiern, soweit diese überhaupt untersucht wurden [424 ]
[477 ]
[482 ]. In der oben zitierten rezenten Studie waren Gram-negative Erreger häufiger, Anaerobier
kamen praktisch nicht vor.
Zur Indikation einer bronchoskopischen Pneumoniediagnostik gibt es keine kontrollierten
Studien. Allerdings ist nach Makroaspiration eine zeitnahe therapeutische Bronchoskopie
unter Beachtung von Kontraindikationen zur Beseitigung von Aspirationsmaterial anzustreben,
auch wenn hierfür keine evidenzbasierten kontrollierten Studien vorliegen. Spülungen
sollten bei Säureaspiration möglichst unterbleiben.
2 randomisierte, offene Studien zur Therapie von Aspirationspneumonien oder primären
Lungenabszessen zeigten eine vergleichbare Effektivität der initial parenteralen Therapie
mit Ampicillin/Sulbactam gegenüber dem Vergleichsstandard Clindamycin/Cephalosporin
der Gruppe II bzw. gegenüber Moxifloxacin [424 ]
[425 ]. Die Umstellung auf orale Therapie und die Gesamttherapiedauer wurde in Abhängigkeit
von der klinischen und radiologischen Rückbildung gesteuert.
8.2 Welche Besonderheiten sind bei Patienten mit Retentionspneumonie zu beachten?
Zur Retentionspneumonie liegen nur sehr wenige Daten vor. Sie wurde erst 2016 erstmals
systematisch mit Pneumonien ohne bronchiale Obstruktion verglichen [484 ]. Patienten mit Retentionspneumonie hatten häufiger einen subakuten Verlauf, Gewichtsverlust,
Einschmelzungen und eine Leukozytose. Trotz vergleichbarem Pneumonie-Schweregrad bestand
eine vierfach erhöhte Letalität.
Mit diesen Einschränkungen kann bei der klinischen und bildgebenden Diagnose der Retentions-pneumonie
von einem breiten Erregerspektrum ausgegangen werden, das außer Streptokokken, S. aureus,
H. influenzae und Enterobakterien auch Nonfermenter wie P. aeruginosa und Anaerobier
umfasst. Da zur Klärung und ggf. auch Behebung der Ursache einer Retention i. d. R.
eine Bronchoskopie erforderlich ist, sollte eine Bronchoskopie mit Erregerdiagnostik
mittels Aspirat, BAL sowie ggf. histologischer Abklärung der zugrunde liegenden Pathologie
angestrebt werden.
Zur kalkulierten antimikrobiellen Therapie können Aminopenicilline mit Betalaktamase-Inhibitor
empfohlen werden, nach antimikrobieller Vorbehandlung ist eine Therapie mit einem
Pseudomonas-wirksamen Betalaktam, z. B. Piperacillin/Tazobactam, in Erwägung zu ziehen.
Daten zur Notwendigkeit einer Kombinationstherapie liegen nicht vor. Bei der Auswahl
der Substanz sollten vorausgegangene Therapien berücksichtigt werden. Nach Erhalt
der Ergebnisse der mikrobiologischen Diagnostik sollte wenn möglich auf eine gezielte
Monotherapie umgestellt werden. Zur Therapiedauer existieren ebenfalls keine Daten
aus kontrollierten Studien. Falls die Ursache der Retention kurzfristig behoben werden
kann, sollte in dieser Hinsicht in Analogie zu den generellen Therapieempfehlungen
der ambulant erworbenen Pneumonie verfahren werden. Bei weiterbestehender Stenose
und/oder Abszedierung kann eine verlängerte Therapiedauer von mehreren Wochen erforderlich
sein.
9 Palliative Therapie
E75: Bei Patienten, die eine schwere Grunderkrankung mit einer infausten Prognose
aufweisen, soll eine Palliativversorgung mit dem Ziel einer optimalen Symptomlinderung
erfolgen. Dabei handelt es sich i. d. R. um Patienten, die an einer oder mehreren
schweren Komorbiditäten leiden, und bei denen die Pneumonie als akutes terminales
Ereignis angesehen werden kann. Starke Empfehlung, Evidenz C.
E76: Die Entscheidung für eine Palliativversorgung mit dem Fokus auf Leidenslinderung
und möglichen Verzicht auf kausale Behandlungsansätze soll auf einer Objektivierung
des Schweregrades der Pneumonie sowie der prognostischen Einschätzung der Komorbidität
begründet sein. Starke Empfehlung, Evidenz C.
E77: Die Entscheidung zur Therapiebegrenzung mit Verzicht auf krankheitsspezifische
Therapieansätze und Fokussierung auf Palliativversorgung soll im Einklang mit dem
Willen bzw. mutmaßlichen Willen des Patienten bzw. seines Betreuers erfolgen und entsprechend
dokumentiert werden. In Zweifelsfällen soll das Therapieziel wiederholt Gegenstand
der Evaluation werden. Starke Empfehlung, Evidenz C.
E78: Die Gabe von Sauerstoff sollte bei Vorliegen einer Hypoxämie erfolgen. Moderate
Empfehlung, Evidenz B.
E79: Bei Patienten mit palliativem Therapieziel soll Morphin zur symptomatischen Behandlung
der Dyspnoe eingesetzt werden. Die Dosierung sollte einschleichend erfolgen. Starke
Empfehlung, Evidenz A.
E80: Bei Patienten mit kurativem Therapieziel kann Morphin zur symptomatischen Behandlung
der therapierefraktären Dyspnoe parallel zur krankheitsspezifischen Therapie eingesetzt
werden. Schwache Empfehlung, Evidenz A.
E81: Die NIV kann zur Therapie der Dyspnoe mit ventilatorischer Insuffizienz eingesetzt
werden, wenn medikamentöse Maßnahmen allein nicht ausreichend erscheinen und der Patient
von einer NIV zur Reduktion von Dyspnoe profitiert. Schwache Empfehlung, Evidenz C.
E82: Eine High-Flow-Therapie kann zur Therapie der Dyspnoe bei respiratorischer Insuffizienz
angeboten werden, wenn medikamentöse Maßnahmen allein nicht ausreichend erscheinen
und der Patient von einer High-Flow-Therapie zur Reduktion von Dyspnoe profitiert.
Schwache Empfehlung, Evidenz C.
E83: Bei unheilbarer Grunderkrankung und deutlich begrenzter Prognose kann auf eine
antimikrobielle Therapie verzichtet werden, wenn hierdurch die Symptomlast nicht gemindert
werden kann. Schwache Empfehlung, Evidenz C.
9.1 Welchen Patienten soll eine Palliativversorgung mit dem Therapielziel einer Leidenslinderung
angeboten werden?
„Palliativmedizin/Palliativversorgung verfolgt das Ziel, die Lebensqualität von Patienten
mit einer lebensbedrohenden Erkrankung und ihren Angehörigen zu verbessern oder zu
erhalten. Dies erfolgt mittels Prävention und Linderung von Leiden, durch frühzeitiges
Erkennen und Behandeln von Problemen im physischen, psychischen, sozialen und spirituellen
Bereich. Palliativmedizin/Palliativversorgung bejaht das Leben und sieht das Sterben
als natürlichen Prozess; weder beschleunigt noch zögert sie den Tod hinaus“ [485 ].
Seit der Verfügbarkeit von wirksamen antimikrobiellen Substanzen wird eine bakterielle
Pneumonie als heilbare akute Erkrankung angesehen. Die Pneumonie als mögliches terminales
Ereignis auf dem Boden einer schweren Komorbidität ist erst in jüngerer Zeit in den
Blick gekommen.
Die ambulant erworbene SARS-CoV-2-Pneumonie geht mit einer hohen Letalität bei älteren
und vorerkrankten Patienten einher. Bzgl. der Vorgehensweise aus palliativer Perspektive
wird auf die entsprechenden Handlungsempfehlungen verwiesen [486 ].
Residenz in einem Seniorenheim und Bettlägerigkeit sind mit einer erheblichen Letalität
der ambulant erworbenen Pneumonie assoziiert. Zudem wird bei der Mehrzahl der Patienten,
die heute in Deutschland an einer ambulant erworbenen Pneumonie versterben, vor dem
Tode nicht das gesamte Spektrum einer intensivierten Therapie ausgeschöpft (ICU, Organersatztherapie)
[162 ]. Diese Daten lassen darauf schließen, dass die ambulant erworbene Pneumonie als
terminales Ereignis häufig ist. Im Rahmen der Behandlung einer ambulant erworbenen
Pneumonie muss daher ein Bewusstsein dafür bestehen, dass diese als akute, potenziell
kurativ behandelbare Erkrankung dennoch das terminale Ereignis einer schweren Komorbidität
darstellen kann. Der Palliativversorgung mit dem Ziel einer möglichst hohen Lebensqualität
und der optimalen Linderung von belastenden Symptomen kommt in diesen Situationen
eine besondere Bedeutung zu.
Das Angebot einer Palliativversorgung für Patienten mit einer unheilbaren Grunderkrankung
darf nicht mit einem Therapieverzicht gleichgesetzt werden. Es impliziert jedoch eine
Reflexion über das erreichbare bzw. gewünschte Therapieziel; ein solches kann den
Verzicht auf verschiedene Stufen der Therapie-Eskalation implizieren.
9.2 Welche Kriterien zur Entscheidungsfindung und Therapiezielfindung gibt es und
wie werden diese dokumentiert?
Hinsichtlich der Therapiezielfindung und Kriterien zur Entscheidungsfindung wird auf
die S3-Leitlinie „Palliativmedizin“ verwiesen, die sich als Querschnittsleitlinie
im Kapitel 7 mit diesen Themen vertiefend befasst [485 ]. Betont werden soll an dieser Stelle, dass bei der Einleitung, der Fortführung oder
der Beendigung einer Therapiemaßnahme die aktuelle Krankheitssituation, die zur Disposition
stehenden Therapieoptionen sowie die Wünsche, Werte und Ziele des Patienten berücksichtigt
werden müssen.
Grundsätzlich sollen bei allen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie zuerst
der Schweregrad der Pneumonie und die bestehende Komorbidität erfasst und dokumentiert
werden. Ohne eine solche Erfassung und Dokumentation kann kein Therapieziel angemessen
definiert werden. Denn die akute Erkrankung der Pneumonie kann zu einer drastischen
Verschlechterung eines Allgemeinzustandes (und auch der Prognose) führen, ohne dass
eine infauste Prognose besteht, die es rechtfertigt, von einem terminalen Ereignis
zu sprechen. Ein wesentliches Element in der Entscheidungsfindung besteht demnach
darin, die Komorbidität prognostisch adäquat einzuschätzen und diese Einschätzung
von der Erhebung des Schweregrads der Pneumonie zu trennen.
Besteht die Einschätzung, dass die Pneumonie ein terminales Ereignis bei schwerer
Komorbidität mit infauster Prognose darstellt, ist zunächst ein Gespräch mit dem Patienten
(am besten in Anwesenheit des/der engsten Angehörigen) zu führen. Besteht aus ärztlicher
Einschätzung keine Indikation zur Einleitung oder Fortführung einer konkreten Therapiemaßnahme,
ist dies zu kommunizieren und zu dokumentieren [487 ]
[488 ]
[489 ].
Naturgemäß kann die Einschätzung, ob eine infauste Prognose vorliegt, bei einer akuten
Erkrankung wie der Pneumonie zunächst schwierig bis unmöglich zu treffen sein. Schwierigkeiten
können sich angesichts unvollständiger Informationen über die Komorbiditäten und ihren
Verlauf ergeben, aber auch aufgrund der unaufhebbaren Unschärfe im Begriff der „infausten
Prognose“. In solchen Zweifelsfällen ist zunächst die Einleitung einer krankheitsspezifischen
Therapie mit dem Ziel der Kuration angezeigt. Solange Zweifel über das Therapieziel
jedoch fortbestehen, sollte täglich ein neuer Versuch gemacht werden, zu einer angemessenen
Einschätzung der prognostischen Situation des Patienten nach den aufgezeigten Grundregeln
zu kommen. Das Therapieziel wird dann ggf. sekundär hin zur Symptomkontrolle verändert.
Häufig wird die Entscheidung zum Wechsel des Therapieziels erst nach einem Therapieversagen
getroffen. Auch in diesen Fällen gelten die aufgezeigten Regeln der Entscheidungsfindung
und -dokumentation.
Nicht selten ist der Patient aufgrund einer Pneumonie-bedingten Bewusstseinstrübung
bzw. einer komorbiditätsbedingten Hirnleistungsschwäche nicht selbstständig entscheidungsfähig.
In diesen Fällen ist das Gespräch mit den Angehörigen bzw. dem Betreuer des Patienten
zu führen. Der mutmaßliche Wille des Patienten ist als Entscheidungsgrundlage dabei
maßgeblich (Ermittlung bereits bei Aufnahme, ob eine Patientenverfügung vorliegt,
ob der Patient seinen Willen mündlich geäußert hat, grundsätzliche Behandlungswünsche
vorliegen oder Informationen zur Ermittlung des mutmaßlichen Willens gewonnen werden
können).
9.3 Welche Therapieoptionen zur Linderung von belastenden Symptomen stehen im Rahmen
der Palliativversorgung zur Verfügung?
Grundsätzlich gelten die Behandlungsgrundsätze der Palliativmedizin auch für die akute
Erkrankung der ambulant erworbenen Pneumonie.
Wesentliche Inhalte der Palliativversorgung umfassen bei der ambulant erworbenen Pneumonie
als terminalem Ereignis die Symptomkontrolle, v. a. die Linderung von Dyspnoe, Unruhe
und ggf. Schmerzen. Hinsichtlich der Behandlungsgrundsätze wird besonders auf das
Kapitel 8 „Atemnot“ der S3-Leitlinie „Palliativmedizin“ verwiesen; weitere Kapitel
derselben Leitlinie widmen sich den Symptomen Unruhe, Angst und Schmerzen [485 ].
Voraussetzung zur adäquaten Behandlung von Dyspnoe ist ihre angemessene Erfassung.
Diese ist definiert als „eine subjektive Erfahrung einer unangenehmen Atmung“ [490 ]. Objektive Messverfahren (wie z. B. Bestimmung der Blutgasanalyse oder Sauerstoffsättigung)
stehen nur unzureichend mit dem subjektiven Erleben von Atemnot in Beziehung und sind
nicht passend für die Erfassung von Dyspnoe [491 ].
Die Gabe von Sauerstoff ist indiziert, wenn eine Hypoxämie (pO2 < 55 mmHg) zusammen mit Dyspnoe vorliegt [492 ]. Es gibt jedoch keinen Nachweis für die Wirksamkeit von Sauerstoff zur symptomatischen
Therapie der Dyspnoe bei nicht hypoxämischen Patienten [493 ]. Oxymetrische Sauerstoff-Sättigungswerte von ca. 90 % sind ausreichend, niedrigere
Werte können bei Beherrschung der Dyspnoe akzeptiert werden. Die Ursachen der Dyspnoe
sind vielfältig. Manche sind kausal behandelbar (z. B. dekompensierte Herzinsuffizienz,
obstruktive Lungenerkrankungen).
Opioide sind die einzige Medikamentengruppe mit einer ausreichenden Studienevidenz
bzgl. der symptomatischer Linderung von Luftnot und stellen die wichtigste Pharmakotherapie
dar [494 ]
[495 ]. Die mittlere, effektive Dosis zur Linderung von Dyspnoe liegt i. d. R. niedriger
als zur Linderung von Schmerz [496 ]. Die Opioid-Therapie zur Linderung von Dyspnoe sollte deshalb mit einer niedrigen
Dosis begonnen werden, wie z. B. 2,5–5 mg Morphinsulfalt alle 4 Stunden mit anschließender
Titration bis zum gewünschten Effekt. Bei Verwendung von retardierten Opioiden scheint
die Reduktion der Atemnot größer zu sein als bei schnell freisetzenden Opioiden [497 ]. Für alternative Opioide wie Oxycodon und Hydromorphon zur Linderung von Dyspnoe
ist die Studienlage aktuell nicht ausreichend, die klinische Erfahrung spricht für
vergleichbare Effekte. Wenn die Behandlung mit Opioiden nicht ausreichend wirksam
ist, können Benzodiazepine zusätzlich eingesetzt werden [498 ]
[499 ].
Erfahrungen mit einer nichtinvasiven Beatmung (NIV) zur Therapie der Dyspnoe sind
begrenzt, sprechen aber dafür, dass ihr Einsatz außerhalb der Sterbephase erwogen
werden kann, wenn die Dyspnoe bei Patienten mit ventilatorischer Insuffizienz anders
nicht ausreichend beherrscht werden kann [500 ]
[501 ]. Bei Patienten mit hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz kann zur Reduktion
von Dyspnoe eine High-Flow-Sauerstofftherapie angeboten werden. Diese bietet auch
bei Patienten, die eine sehr eingeschränkte Prognose haben und im Sterben begleitet
werden einen besseren Komfort als eine nichtinvasive Beatmung [500 ]
[501 ]
[502 ]
[503 ].
10 Qualitätssicherung
E84: Es sollte ein Bündel für die Behandlung der ambulant erworbenen Pneumonie formuliert,
implementiert und regelmäßig auditiert werden. Moderate Empfehlung, Evidenz B.
E85: Der Fokus der Qualitätssicherung der hospitalisierten Patienten mit ambulant
erworbener Pneumonie sollte auf der Letalitätsrate von Patienten mit Pneumonie plus
Sepsis liegen. Moderate Empfehlung, Evidenz B.
E86: Der Anteil der beatmeten an den im Krankenhaus verstorbenen Patienten mit ambulant
erworbener Pneumonie sollte zusätzlich überprüft werden. Moderate Empfehlung, Evidenz
B.
10.1 Welches „bundle“ sichert die Umsetzung der wesentlichen Aussagen der Leitlinie
und welche strukturellen Maßgaben sind für die Implementierung eines solchen „bundles“
erforderlich?
10.1.1 Definitionen
Unter „bundles“ sollen Bündel von Maßgaben verstanden werden, die in der Praxis implementiert
werden, um die Prozess- und/oder Ergebnisqualität der Behandlung von Patienten mit
ambulant erworbener Pneumonie zu sichern. Dafür ist die Etablierung bestimmter Strukturen
notwendig (= Strukturqualität).
Mehrere randomisierte Arbeiten haben zeigen können, dass strukturierte Behandlungspfade
(„pathways“) zu einem verbesserten klinischen Ergebnis führen [334 ]
[504 ]
[505 ]
[506 ]. Behandlungspfade können die Vorgabe eines vollständigen Behandlungswegs [504 ]
[505 ]
[506 ], aber auch nur einzelner Maßnahmen umfassen [334 ]; letztere entsprechen eher einem Bündel. Vollständige Behandlungswege zu etablieren
ist jedoch aufwendig und diese müssen im eigenen Behandlungssetting sowohl validiert
als auch kontinuierlich reevaluiert werden.
Bündel weisen zwei Vorteile auf: Zum einen muss nicht für jedes einzelne Element eines
Bündels ein Wirksamkeitsnachweis vorliegen, zum anderen ist die Implementierung eines
Bündels wesentlich einfacher als die eines Behandlungspfads.
10.1.2 Mögliche Endpunkte einer Prozess- und Ergebnisqualität
Um die Effektivität eines Bündels zu belegen, müssen die relevanten Endpunkte definiert
werden, die eine gute Ergebnisqualität reflektieren. Diese können sein:
Krankenhaus- oder 30-Tage-Letalität [14 ]
[507 ]
stationäre Wiederaufnahmerate [508 ]
stationäre Behandlungsdauer [509 ]
Zeit bis zur klinischen Stabilität [235 ]
[510 ]
Alle Endpunkte sind problematisch. Die Krankenhaus- oder 30-Tage-Letalität scheint
der härteste Endpunkt zu sein, ist jedoch schwer zu interpretieren aufgrund der Langzeitletalität
der ambulant erworbenen Pneumonie (Einfluss der stationären Behandlungsqualität wahrscheinlich
gering) sowie der unterschiedlichen Praxis hinsichtlich des Wechsels der Therapieziele
bei schwer komorbiden Patienten. Die Implementierung eines individualisierten Schulungsprogramms
im Rahmen des Entlass-managements für Patienten bei Krankenhausentlassung nach ambulant
erworbener Pneumonie und dessen Auswirkungen auf erneute Arztbesuche und die 30-Tages-Wiederaufnahmerate
an 207 Patienten aus Spanien ergab eine signifikante Reduktion erneuter Interaktionen
mit dem Gesundheitssystem von 43 % auf 24 % (–19,4 %, 95 % KI –6,5 %– –31,2 %; p = 0,003)
und der 30-Tages-Wiederaufnahmerate von 17,1 % auf 4,9 % (–12,2 %, 95 % KI –3,7 %– –21 %;
p = 0,007) [511 ]. Die stationäre Wiederaufnahmerate ist für das einzelne Krankenhaus schwer zu erfassen,
da diese auch in anderen Krankenhäusern erfolgen kann. Die stationäre Behandlungsdauer
hängt stark von innerklinischen Besonderheiten der Versorgung sowie der Rate der Patienten
mit Notwendigkeit sozialtherapeutischer Versorgung ab. Schließlich unterliegt die
Zeit bis zur klinischen Stabilität einer Reihe von Einflussfaktoren, die außerhalb
von Studienbedingungen nur bedingt kontrolliert werden können. Von der BQS/Aqua/IQTIC
(Institute, die in Deutschland dem Auftrag der externen Qualitätssicherung der Behandlung
aller mit ambulant erworbener Pneumonie hospitalisierten Patienten nachgehen) wurden
2 Ergebnisparameter definiert: neben der Krankenhausletalität zusätzlich die Erfüllung
von 6 der 7 Stabilitätskriterien vor Entlassung. Die poststationäre Wiederaufnahme-
und Letalitätsrate wird in Zukunft zusätzlich zu berücksichtigen sein [512 ]. Zurzeit liegen jedoch noch keine Interventionsstudien vor.
Als Indikatoren der Prozessqualität sind folgende Parameter belegt worden:
rasche Einleitung der antimikrobiellen Therapie (außerhalb des Settings einer schweren
Sepsis bzw. eines septischen Schocks tatsächlich ein Prädiktor guter Prozessqualität,
nicht aber einer, der als solcher zu einem besseren Behandlungsergebnis führt) [513 ]
[514 ]
Abnahme von Blutkulturen [513 ]
Messung der Sauerstoffsättigung bei Aufnahme [235 ]
Einsatz eines validierten Instruments der Schweregraderfassung [66 ]
Gabe einer leitlinienkonformen antimikrobiellen Therapie [515 ]
[516 ]
[517 ]
Von der BQS/Aqua/IQTIC wurden insgesamt 8 Prozessvariablen definiert, darunter Bestimmung
der Atemfrequenz, Blutgasanalyse (BGA) oder Pulsoximetrie innerhalb der ersten 8 Stunden
nach Aufnahme, Beginn der antimikrobiellen Therapie innerhalb der ersten 8 Stunden
nach Aufnahme, Frühmobilisation, Verlaufskontrolle durch CRP oder PCT, Anpassung der
Behandlung bei fehlendem Ansprechen, Bestimmung der klinischen Stabilitätskritieren
sowie die Dokumentation der palliativen Therapienentscheidung.
10.1.3 Bündel in der Behandlung der ambulant erworbenen Pneumonie
Aktuell sind nur wenige Daten zu Bündeln bei ambulant erworbener Pneumonie publiziert.
Diese zeigen jedoch ein hohes Potenzial der Verbesserung des Behandlungsergebnisses
bei Patienten mit schwerer ambulant erworbener Pneumonie bzw. schwerer Sepsis [176 ]
[518 ]. Angesichts der schmalen Datenlage können Elemente des Bündels heute nicht evidenzbasiert
begründet werden. Die Leitliniengruppe schlägt unter dieser Einschränkung folgende
Elemente eines Bündels bei hospitalisierten Patienten zur möglichen Umsetzung der
wesentlichen Punkte dieser Leitlinie vor:
CRB-65 als Instrument der Schweregradbestimmung
mindestens einmal tägliche Bestimmung der Vitalparameter Atemfrequenz, Blutdruck,
Puls, Temperatur sowie der Sauerstoffsättigung bei allen hospitalisierten Patienten
mit Schweregradkriterien (nach CRB-65 bzw. IDSA/ATS)
Formulierung eines lokalen Kurz-Standards der antimikrobiellen Therapie entsprechend
der vorliegenden Leitlinie
initiale Kombinationstherapie β-Laktam/Makrolid bei Patienten mit schwerer ambulant
erworbener Pneumonie
Gabe der antimikrobiellen Therapie binnen 8 Stunden (bei Patienten mit schwerer Pneumonie
bzw. schwerer Sepsis/septischem Schock möglichst binnen einer Stunde)
rasche Flüssigkeitstherapie, Ausgleich einer Elektrolytstörung und Hyperglykämie,
Thromboseprophylaxe, Evaluation instabiler Komorbiditäten v. a. kardialer Art
tägliche Bestimmung der Stabilitätskriterien und Verlaufskontrolle des CRP oder PCT
innerhalb von 3–4 Tagen nach Beginn der antimikrobiellen Therapie zur Überprüfung
des Therapieansprechens bei stationären Patienten
Protokoll zur Sequenztherapie und Beendigung der antimikrobiellen Therapie; z. B.
prospektive Anordnung der Therapiedauer und -applikation in der Kurve
Suche nach Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankung
Die im BQS/Aqua(IQTIC-Protokoll geforderten Variablen sind durch dieses Bündel weitreichend
erfasst. Über diese hinaus wird die Behandlungsqualität auch inhaltlich erfasst.
10.1.4 Erforderliche strukturelle Maßgaben
An erster Stelle steht die Bestimmung einer Person oder einer Gruppe von Personen,
die die Implementation (und Auditierung) des Bündels verantworten soll. Durch diese
sollten folgende Strukturen sichergestellt werden:
schriftliche Hinterlegung des Bündels, des CRB-65, des Kurz-Standards sowie der Stabilitätskriterien
im Intranet sowie zusätzlich Hinterlegung als Ausdruck in Notaufnahmen, IMC und ICU
Ausstattung aller Stationen mit Pulsoximetrie-Geräten oder anderen Monitor-Geräten,
die geeignet sind, die Sauerstoffsättigung zu bestimmen
Anwendung des Entlassungsmanagements (v. a. Früherkennung sozialmedizinischer Probleme)
regelmäßige Schulungen aller mit der Behandlung von Patienten mit ambulant erworbener
Pneumonie befassten Ärzte und Pflegenden
regelmäßige Auditierung und Besprechung der Audit-Ergebnisse
10.2 Welche Dokumentation ist geeignet, die Ergebnisqualität Krankenhausletalität
zu reflektieren?
In Deutschland ergeben die Daten des externen Qualitätssicherungsprogramms gleichzeitig
das Benchmark für die Bewertung des eigenen Ergebnisses. Private Träger wie z. B.
der Helios-Konzern legen als Benchmark aus Routinedaten ihrer Standorte allein Altersklassen
an.
Die Ergebnisse der Berechnung eines prognostischen Instrumentes durch das Aqua-Institut
aus den Daten der Qualitätssicherung (multivariates Modell, das eine „O:E-Ratio“,
das Verhältnis von beobachteter und erwarteter Letalität ergibt) sprechen dafür, dass
das Alter zwar ein wichtiger prognostischer Faktor ist, jedoch durch eine Reihe weiterer
Kriterien adjustiert werden muss, um die Krankenhausletalität korrekt einzuschätzen
[519 ]. Zudem bedarf es der Korrektur durch die Anzahl an Fällen, die einen Therapiezielwechsel
zur palliativen Therapie erfahren haben.
Es ist jedoch seit Einführung des Qualitätssicherungsprogramms 2005 zunehmend fraglich
geworden, ob die Gesamt-Krankenhausletalität ein geeigneter Parameter für die Ergebnisqualität
ist. Die Mehrzahl der Patienten (ca. 80–85 %) weist ein geringes bis mittleres Letalitätsrisiko
auf; eine signifikante Verringerung der Letalität durch Qualitätsmaßnahmen ist hier
schwer zu erzielen. Andererseits haben Patienten mit septischem Schock eine sehr hohe
Letalität; hier ist eine signifikante Verringerung schwer zu erreichen und statistisch
allenfalls dann erkennbar, wenn die Analyse auf diese Fälle beschränkt wird. Das höchste
Potenzial der Prognoseverbesserung verbirgt sich in der Gruppe mit schwerer Sepsis
nach alter Definition. Diese ist mit ca. 15–20 % relativ häufig, eine gut strukturierte
Therapie mit definierten Zielen anhand eines Sepsisbündels verbessert die Prognose
deutlich [97 ]
[137 ]. Leider ist die neue Definition der Sepsis außerhalb der ICU nicht operationalisiert.
Daher scheint eine Fokussierung der Sepsis im Rahmen des Qualitätsmanagements aktuell
nur schwer möglich.
Es gibt Hinweise darauf, dass Patienten, die während des Krankenhausaufenthalts versterben,
möglicherweise zu selten im Laufe der stationären Behandlung eine Beatmungstherapie
erhalten [162 ]. Daher ist auch der Anteil der beatmeten an den verstorbenen Patienten und eine
Analyse der Gründe für die unterlassene Beatmungstherapie geeignet, die Qualität der
Versorgung zu überprüfen.