Osteologie 2021; 30(02): 187-188
DOI: 10.1055/a-1467-6991
Osteoporose-Update

Leitlinie erklärt

Friederike Thomasius

Frakturrisikofaktoren, systemische Glukokortikoidtherapie und systemische entzündliche Erkrankungen

In der derzeitig geltenden Langfassung der Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der postmenopausalen Osteoporose und der Osteoporose des Mannes (2017) wird die Abhängigkeit der Frakturrisikoerhöhung von der Glukokortikoiddosis dargelegt. So erhöht eine niedrige orale Glukokortikoiddosis bis 2,5 mg Prednisolonäquivalent das Frakturrisiko nur gering bis moderat mit dem Faktor 1,17 für nichtvertebrale Frakturen, 0,99 für proximale Femurfrakturen und 1,55 für vertebrale Frakturen. In einer Dosis zwischen 2,5 mg und 7,5 mg liegen diese Risiken bereits bei 1,36 für nichtvertebrale Frakturen, 1,77 für proximale Femurfrakturen und 2,59 für vertebrale Frakturen. Noch mehr Frakturrisikosteigerung geschieht bei Glukokortikoiddosierungen von 7,5 mg und mehr Prednisolonäquivalent, dann mit adjustierten relativen Risiken von 1,64 für nichtvertebrale Frakturen, 2,27 für proximale Femurfrakturen und 5,18 für vertebrale Frakturen.

Die Einschätzung des Risikofaktors wird durch die systematische Literaturrecherche für den Risikorechner bestätigt, neuere Metaanalysen belegen den dosierungsabhängigen, im Ausmaß moderaten bis starken Frakturrisikofaktor Glukokortikiodtherapie, insbesondere im Zusammenhang der Therapie entzündlicher Erkrankungen.

Glukokortikoide werden zur Behandlung einer Vielzahl von Erkrankungen eingesetzt und gehören zu den wichtigsten und häufigsten verwendeten Medikamenten aus der Reihe der Immunsuppressiva. Wichtig ist alleine deswegen, den klinischen Zusammenhang, in dem eine Glukokotikoidtherapie notwendig wird, als zusätzlichen Frakturrisikofaktor zu beachten. Beispiel: Rheumatoide Arthritis. Die Gabe der Glukokortikoide verringert in diesem Falle das Ausmaß der Entzündungsaktivität, was wiederum zu einer Verminderung des Frakturrisikos führt, was bereits in den Empfehlungen der Leitlinie hervorgehoben wurde und in der Therapieentscheidung Berücksichtigung fand.

Die Rheumatoide Arthritis an sich erhöht aber unabhängig von der Glukokortiokidtherapie als entzündliche Systemerkrankung das Frakturrisiko. Glukokortikoide also als „Janusköpfiger“ Risikofaktor für Frakturen im Zusammenhang mit entzündlichen Grunderkrankungen, bei dem die Dosis und die Dauer den Ausschlag geben, in welche Richtung der „Januskopf“ zeigt. Ziel sollte zur Frakturrisikominimierung und Entzündungskontrolle sein: Glukokortikoide zur Entzündungskontrolle so kurz wie möglich und so gering wie möglich dosiert einzusetzen, wobei jedes mg zählt.

Die zugrundeliegende Erkrankung, die Ursache der notwendigen Glukokortikoidtherapie ist, ist der primäre Grund dafür, das Frakturrisiko näher abzuklären, und bleibt als Frakturrisikofaktor auch nach Wegfall der Glukokortikoidtherapie in der Abschätzung des individuellen Frakturrisikos zu berücksichtigen.

Die bisher hierzu für den Risikorechner untersuchten Frakturrisikofaktoren lauten Rheumatoide Arthritis, Systemischer Lupus Erythematodes, ankolysierende Spondylitis, Psoriasis (Arthritis), Entzündliche Darmerkrankungen (M. Crohn, Colitis ulcerosa), Sarkoidose. Das Vorliegen dieser Erkrankungen stellt eine Indikation zur Abklärung des Frakturrisikos dar, d.h. zur Messung der Knochendichte mittels Dualer-Röntgen-Absorptiometrie (DXA).

Und die aktuellen Leitlinienempfehlungen führen aus, dass bei der Hochdosis-Therapie mit oralen Glukokortikoiden bei postmenopausalen Frauen und Männern in einer Tagesdosis von ≥ 7,5 mg Prednisolonäquivalent eine spezifische Osteoporosetherapie angeboten werden soll, wenn die Glukokortikoidtherapie bereits 3 Monate vorgenommen wird und bereits bei Beginn der Therapie die absehbare Dauer der Therapie mehr als 3 Monate betragen soll, die Knochendichte < −1,5 SD erniedrigt liegt und/oder bereits Fragilitätsfrakturen vorliegen. Diese Empfehlung ist den Studiendaten geschuldet, die belegen, dass das Frakturrisiko im Zusammenhang mit Hochdosis-Therapien von Glukokortikoiden weitgehend unabhängig von den Knochendichtewerten erhöht liegt. Erklärungen hierfür sind ein erhöhtes Sturzrisiko, Glukokortikoid-induzierte Myopathie, Gebrechlichkeit und Veränderungen der Knochenmaterialeigenschaften, die nicht durch BMD-Messungen erfasst werden [1], [2].



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Article published online:
14 June 2021

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  • Literatur

  • 1 Kanis JA. et al. A meta‐analysis of prior corticosteroid use and fracture risk. J Bone Miner Res 2004; 19 (06) 893-899.
  • 2 Yu SF. et al. Beyond bone mineral density, FRAX-based tailor-made intervention thresholds for therapeutic decision in subjects on glucocorticoid: A nationwide osteoporosis survey. Med (Baltimore). 2017 Feb ; 96(5):
  • 3 Ton FN, Gunawardene SC, Lee H. et al. Effects of low-dose prednisone on bone metabolism. J Bone Miner Res 2005; 20 : 464-470.
  • 4 Smolen JS. et al. EULAR recommendations for the management of rheumatoid arthritis with synthetic and biological disease-modifying antirheumatic drugs: 2016 update. Ann Rheumatic Dis 2017; 76 (06) : 960-977.
  • 5 Rizzoli R, Biver E. Glucocorticoid-induced osteoporosis: Who to treat with what agent? Nat Rev Rheumatol 2015; 11: 98-109.
  • 6 Van Staa TP. et al. Use of oral corticosteroids and risk of fractures June, 2000. J Bone Miner Res 2005; 20: 1487-1494. discussion 1486