Gesundheitswesen 2022; 84(03): 208-214
DOI: 10.1055/a-1378-8532
Originalarbeit

Der Einfluss von Elternstatus, erlebter Unterstützung und Befristung auf das Belastungserleben und die Karriereentwicklung von Ärztinnen und Ärzten am Ende der Weiterbildung

The Impact of Parenthood, Support, and Short-Term Contracts on Work-Family Conflict of Female and Male Residents‘ Career
Rüya Daniela Kocalevent
1   Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Universiätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
,
Nicole Grandke
2   Fachbereich Psychologie, Philipps-Universität Marburg, Marburg, Deutschland
,
Susan Selch
3   Institut für Biochemie und Molekulare Zellbiologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
,
Sarah Nehls
3   Institut für Biochemie und Molekulare Zellbiologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
,
Juliane Meyer
3   Institut für Biochemie und Molekulare Zellbiologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
,
Sigrid Boczor
1   Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Universiätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
,
Martin Scherer
1   Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Universiätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
,
Hendrik van den Bussche
3   Institut für Biochemie und Molekulare Zellbiologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
› Author Affiliations

Zusammenfassung

Hintergrund Trotz einer hohen Zahl an Abschlüssen in der Humanmedizin ist in Deutschland immer häufiger von einem Ärztemangel die Rede. Ein Grund ist die schwierige Vereinbarkeit von Kliniktätigkeit und Familienleben, die vor allem Ärztinnen als Hauptgrund für die spätere Arbeit im nicht-kurativen Bereich nennen.

Ziel der Arbeit Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Einfluss des Elternstatus von Ärztinnen und Ärzten auf ihre Karriereentwicklung und das Belastungserleben am Ende der Weiterbildung. Darüber hinaus betrachtet werden die Auswirkungen von befristeten Arbeitsverträgen und erlebter Unterstützung durch den Partner auf das Belastungserleben.

Material und Methoden Es wurden die Daten der KarMed-Studie, welche sich mit Karriereverläufen von Ärztinnen und Ärzten während der fachärztlichen Weiterbildung beschäftigt, ausgewertet. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der querschnittlichen Analyse des Erhebungszeitraums von Oktober 2015 bis Mai 2016. Zu diesem befanden sich 433 StudienteilnehmerInnen am Ende ihrer Weiterbildung. Eingesetzt wurden u. a. die Fragebögen Work-Family Conflict und Family-Work Conflict Skalen.

Ergebnisse Ärztinnen mit Kind unterbrechen die Weiterbildung fünfmal häufiger als ihre Kolleginnen ohne Kind und achtzehnmal häufiger als Ärzte mit Kind. Ärztinnen mit Kind sowie Ärzte mit Kind weisen signifikant höhere Werte auf der Family-Work Conflict Skala auf, Ärztinnen ohne Kind hingegen höhere Werte auf der Work-Conflict Skala. Bei Ärzten zeigt sich kein signifikanter Unterschied auf der Work-Family Skala. Weder ein befristeter Arbeitsvertrag noch die Verteilung von Kinderbetreuung zwischen Ärztinnen/Ärzten und ihren Partnern/-rinnen haben einen signifikanten Einfluss auf das Belastungserleben zur Folge.

Schlußfolgerung Es besteht ein Bedarf die Konflikte, die aus dem Familienleben auf das Arbeitsleben wirken insbesondere für Ärztinnen in Weiterbildung zu reduzieren.

Abstract

Background Work factors and work-family interference play an important role in physicians leaving clinical practice.

Objectives The purpose of this study was to examine residents‘ work-family conflict and family-work conflict in association with parental status, perceived support, and short-term contracts.

Material and Methods Data acquisition was carried out within the multi-centric and prospective “KarMed” study in Germany at the end of the postgraduate training in 2016 (N=433). The Work-Family Conflict and Family-Work Conflict scales were used. Further independent variables were gender, parental status, short-term contracts, and perceived support from partner. Results Female physicians with children interrupted postgraduate training five times more often then female physicians without children and 18 times more often than male physicians with children. Female as well as male physicians with children showed greater family-work conflicts, and female physicians without children scored higher on work-family conflict. Male physicians did not show significant results on work-family conflict. Neither short-term contracts nor perceived support from the partner had a significant influence on work-family or family work conflict.

Conclusions There is a need to reduce work-family conflicts and their associated factors in female resident physicians.



Publication History

Article published online:
21 April 2021

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Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

 
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