Schlüsselwörter
Impfung - COVID-19 - BNT162b2 - mRNA-1273 - Anaphylaxie - Allergie
Key words
vaccination - Covid-19 - BNT162b2 - mRNA1273 - anaphylaxis - allergy
Einleitung
Impfstoffe sind der Goldstandard in der Immunprophylaxe zur Verhinderung von Infektionskrankheiten.
In der Vergangenheit waren Massenimpfstrategien durchaus erfolgreich und haben einige
Infektionskrankheiten bei Mensch und Tier vollständig ausgerottet, z. B. konnten die
Pocken und das Poliovirus nahezu vollständig eliminiert werden. In der SARS-CoV-2-Pandemie
beobachten wir Forschungsanstrengungen zur Aufklärung der Immunpathologie und Entwicklung
von Impfstoffen in einem nie zuvor bekannten Ausmaß und einer nie erreichten Geschwindigkeit
[1].
Im Dezember 2020 wurde der erste Impfstoff in Großbritannien zugelassen, kurze Zeit
später erfolgten die Zulassungen auch in den USA, Kanada, der EU und vielen anderen
Ländern weltweit sowie auch für einen weiteren Impfstoff [2]
[3].
Welche unterschiedlichen Arten von COVID-19-Impfstoffen gibt es?
Welche unterschiedlichen Arten von COVID-19-Impfstoffen gibt es?
Mehrere unterschiedliche Impfstoffe befinden sich in der Endphase klinischer Studien.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) befinden sich mit Stand vom 30.
Dezember 2020 214 Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 in unterschiedlichen Stadien der klinischen
Entwicklung [4]. Hierfür werden klassische Technologien verwendet, aber auch bislang noch niemals
für die Humanpharmakologie zugelassene Impfstoff-Varianten [4].
Der häufigste Applikationsweg der Impfstoffe ist die intramuskuläre Injektion, die
ein starkes Priming von dendritischen Zellen (DCs) induziert. Aber derzeit werden
auch Impfstoffe entwickelt, die andere Applikationswege nutzen und deren pharmakologische
Eigenschaften und Wirkungen hinsichtlich einer Immuninduktion abzuwarten sind [5].
Klassische Impfstoffe
In der „klassischen Gruppe“ von COVID-19-Impfstoffen gibt es 4 verschiedene Arten
von Impfstoffen:
-
Subunit-Impfstoffe,
-
inaktivierte Vollimpfstoffe,
-
abgeschwächte Lebendimpfstoffe und
-
Virus-like-Particle (VLP) -Impfstoffe.
Ad 1.)
Die
Subunit-Impfstoffe
bestehen aus viralen Oberflächenproteinen, die mit Adjuvanzien formuliert sind, um
starke neutralisierende Antikörperreaktionen hervorzurufen. Nach der Injektion werden
die Proteine von den antigenverarbeitenden Zellen (APCs) aufgenommen und ihre Epitope
werden von Rezeptoren der MHC-Klasse II präsentiert. Ein vergleichbar hergestellter
und kommerziell bereits erhältlicher Impfstoff ist ein Hepatitis-B-Impfstoff. Subunit-Impfstoffe
haben ein gutes Sicherheits- und Stabilitätsprofil, jedoch kann die induzierte Immunantwort
schwach ausfallen und häufig sind eine oder mehrere Auffrischungsimpfungen notwendig.
Für SARS-CoV-2 gibt es 2 Subunit-Impfstoffe in Studien der klinischen Phase II von
Sanofi und GSK: Sie verwenden das komplette Spike-Protein oder die Rezeptor-Bindungsdomäne
(Institute of Microbiology Chinese Academy of Science).
Ad 2.) Inaktivierte Vollimpfstoffe
bestehen aus einem Virus, das physiochemisch behandelt wurde, um seine Pathogenität
zu hemmen, z. B. der inaktivierte Polio-Impfstoff nach Salk (IPV). Inaktivierte Vollimpfstoffe
sind leicht zu produzieren und weisen eine antigene Struktur auf, die weitgehend den
Viren bei der natürlichen Infektion ähnelt. Somit präsentiert dieser Impfstoff eine
Vielzahl verschiedener Proteine auf seiner Oberfläche und kann daher gut durch das
Immunsystem erkannt werden. Nach der Injektion werden die inaktivierten Viren von
antigenpräsentierenden Zellen (APCs) aufgenommen und verschiedene Epitope werden dem
Immunsystem präsentiert. Inaktivierte SARS-Vollimpfstoffe induzieren neutralisierende
Antikörper und hemmen die pulmonale SARS-Replikation im Mausmodell und bei Rhesusaffen
[6]; auch beim Menschen wurde die Bildung neutralisierender Antikörper und Stimulation
von antigenspezifischen T-Lymphozyten nachgewiesen [6]. Sie weisen meist ein gutes Sicherheitsprofil auf, allerdings benötigen sie eine
Booster-Strategie, um ein Immungedächtnis zu erzeugen. Die inaktivierten Impfstoffe,
die in klinischen Studien am weitesten fortgeschritten sind, werden von Sinovac und
Sinopharm entwickelt.
Ad 3.) Abgeschwächte Lebendimpfstoffe
stellen eine weitere wichtige Technologie dar. Diese Impfstoffe enthalten Viren,
die so modifiziert sind, dass ihre Replikation und Infektionsrate gehemmt werden.
Ein Beispiel ist der orale Polio-Impfstoff (OPV) nach Sabin. Solche Impfstoffe erzeugen
milde Virusinfektionen mit der entsprechenden antiviralen Reaktion und induzieren
starke Immun-Gedächtnisreaktionen, die keine Auffrischung erfordern. Dennoch können
sie bei immungeschwächten Patienten eine schwere Infektion verursachen. Außerdem können
diese Viren revertieren und dann auch schwerere Krankheitsverläufe verursachen [7]. Da ein umfangreiches Wissen über das Virus erforderlich ist, gibt es nach Kenntnis
der Autoren derzeit keine abgeschwächten SARS-CoV-2-Impfstoffe, die getestet werden.
Ad 4.) Virus-like Particles (VLPs)
bestehen aus einem oder mehreren viralen Proteinen, die zu einem Partikel ohne virales
genetisches Material zusammengesetzt sind. Als solche verursachen diese viralen Partikel
keine Krankheit, haben aber ein besseres Aufnahmeprofil und eine effizientere Zirkulation
zu den Lymphknoten. Dadurch erzeugen sie stärkere Immunantworten. Ein aktuelles Beispiel
sind die humanen Papillomavirus-Impfstoffe. Zu den Hauptproblemen gehören die Abhängigkeit
von den effizienten Expressionsplattformen und die Stabilität. Ein VLP-Impfstoff gegen
SARS-CoV-2 von Medicago befindet sich derzeit in Phase III der klinischen Prüfung.
Neue Impfstoffstrategien
In den letzten Jahren sind neue Impfstrategien in der Entwicklung, die für COVID-19
nun erstmals zur Anwendung außerhalb von Studien zugelassen wurden.
Eine dieser neuen Strategien sind
rekombinante Virusimpfstoffe,
die aus viralen Vektoren bestehen, die Proteine des Zielvirus enthalten. Der Vorteil
dieses Ansatzes ist die nahezu vollständige Nachahmung der natürlichen Virusinfektion,
wodurch eine starke Immunreaktion gegen sie ausgelöst wird. Ein rekombinanter Virusimpfstoff
besteht aus lebenden, sich replizierenden Viren mit der Fähigkeit, eine effiziente
Immunreaktion durch T- und B-Lymphozyten zu induzieren, da er antigenpräsentierende
Zellen (APCs) direkt infizieren kann. Dieser Impfstoff produziert Zielproteine innerhalb
der Wirtszelle, die als Antigenfragmente von MHC I exprimiert und anschließend den
CD8 +-T-Zellen präsentiert werden. Virale Vektorimpfstoffe kombinieren viele der positiven
Aspekte von DNA-Impfstoffen mit denen von attenuierten Lebendimpfstoffen. Ähnlich
wie bei DNA-Impfstoffen übertragen virale Vektorimpfstoffe DNA in die Wirtszelle zur
Erzeugung antigener Proteine, die eine Vielzahl von Immunantworten auslösen können,
darunter Antikörperbildung, Induktion von T-Helferzellen (CD4 +-T-Zellen) und zytotoxischen
T-Lymphozyten (CTLs). Im Gegensatz zu DNA-Impfstoffen haben virale Vektorimpfstoffe
das Potenzial, aktiv Wirtszellen anzugreifen und sich in ihnen zu vermehren, ähnlich
wie ein attenuierter Lebendimpfstoff. Daher besteht der virale Vektorimpfstoff im
Allgemeinen aus einem abgeschwächten Lebendvirus, das gentechnisch so verändert wurde,
dass es DNA in die Wirtszelle übertragen kann. Für einige Krankheiten werden virale
Vektoren in Kombination mit einer anderen Strategie angewendet, dem sogenannten heterologen
Prime-Boost-Ansatz [6]. Ein Impfstoff wird als Priming-Schritt verabreicht, gefolgt von einem alternativen
Impfstoff als Booster [6]. Die heterologe Priming-Boost-Strategie zielt darauf ab, eine robustere Immunantwort
zu erzielen [6].
Allerdings hat der Vektor ein Reversionspotenzial und kann bei immungeschwächten Patienten
gefährlich sein. Rekombinante Virusimpfstoffe werden derzeit von AstraZeneca, Janssen,
Cansino und dem Gamaleya Research Institute getestet. Alle verwenden das Spike-Protein
als Expressionsmolekül und als indifferente Vektoren ein Schimpansen-Adenovirus (ChAdOx)
[8].
Einige zusätzliche Bedenken umfassen die Möglichkeit eines geringeren Immunprimings
für den Fall, dass jemand bereits eine Immunität gegen den Vektor besitzt, und eine
mögliche Rekombination mit anderen viralen Erkrankungen. Der ersten Sorge wurde mit
einem intelligenten und personalisierten Design begegnet, z. B. durch die Verwendung
eines Virus, das in der Zielpopulation nicht zirkuliert (Janssen und Cansino verwenden
einen Vektor, der in Europa bzw. Asien nicht weit verbreitet ist [9]
[10]), die Verwendung von 2 verschiedenen viralen Vektoren in derselben Formulierung
(Gamaleya Research Institute [11]) oder die Verwendung eines viralen Vektors, der beim Menschen nicht vorkommt (AstraZeneca
[8]). Sicherheitsbedenken dieser Vektoren sollten sorgfältig berücksichtigt werden.
AstraZeneca und Janssen mussten ihre klinischen Studien aufgrund unerwarteter unerwünschter
Wirkungen vorübergehend unterbrechen.
Der mit Abstand erfolgreichste neue Ansatz für die Impfstoffentwicklung zur Vorbeugung
von COVID-19 sind nach gegenwärtigem Stand die
RNA-basierten Impfstoffe
. Sie bringen RNA, die virale Zielproteine kodiert, in menschliche Zellen ein. Diese
produzieren dann virale Proteine und, wenn eine Polymerase kodiert ist, replizieren
sie sich auch selbst. Auf diese Weise imitieren RNA-basierte Impfstoffe die virale
Infektion einschließlich der Aktivierung von Toll-like-Rezeptoren und der Interferon-Produktion.
Zu den RNA-basierten Impfstoffen mit mRNA für das Spike-Protein gehören die unten
ausführlich dargestellten Impfstoffe BNT162b2 von BioNTech/Pfizer und mRNA-1273 von
Moderna, mit denen international und auch in Deutschland und Europa inzwischen die
Massenimpfungen begonnen haben, aber auch der mRNA-Impfstoff des Tübinger Unternehmens
CureVac, dessen Phase-IIb/III-Studie bereits begonnen hat [6]. RNA-basierte Impfstoffe sind relativ kostengünstig und vergleichsweise schnell
skalierbar, also auch in großer Menge herzustellen. Außerdem sind sie leichter zu
modifizieren als andere Ansätze, wenn das natürlich vorkommende Virus signifikant
mutiert. Dies erscheint besonders wichtig unter dem Wissen der nun v. a. in UK, Brasilien
und Südafrika aufgetretenen Mutationsvarianten der SARS-CoV-2-Viren. Zu den Nachteilen
gehören die noch geringen Langzeit-Erfahrungen mit diesen Impfstoffen, die Möglichkeit
einer kurzen Halbwertszeit der viralen mRNA in der Zelle, was die Bildung eines langfristigen
Immungedächtnisses reduzieren könnte, und die teilweise erschwerte Logistik aufgrund
der Notwendigkeit von Lagerung und Transport unter Tieftemperatur-Bedingungen (–70 °C).
Im Vergleich zu anderen Ansätzen haben mRNA-basierte Therapien mehrere Vorteile. mRNA-Impfungen
sind sicherer als die Verabreichung ganzer Viren oder von DNA, da mRNA nicht infektiös
ist und nicht in das Wirtsgenom integriert werden kann. Während DNA den Zellkern erreichen
muss, um entschlüsselt zu werden, wird mRNA direkt im Zytosol verarbeitet. mRNA hat
eine sehr kurze Halbwertszeit. Die vielfach geäußerte Befürchtung, mRNA könnte Langzeit-Nebenwirkungen
durch Verbleib im Organismus oder Veränderungen der Erbinformation beim Empfänger
erzeugen, ist nach Stand des etablierten biologisch-medizinischen Wissens als falsch
zu bewerten – im Gegenteil ist das Problem nicht eine zu lange, sondern eher eine
zu kurze Wirkung von mRNA, weshalb die Halbwertszeit durch molekulares Design (siehe
unten) reguliert werden muss.
Hintergrundwissen zu mRNA-Impfstoffen
Hintergrundwissen zu mRNA-Impfstoffen
Die Bildung von mRNA dient als Zwischenschritt zwischen der Translation der Protein-kodierenden
DNA und der Proteinbiosynthese durch Ribosomen im Zytoplasma. Die mRNA wird für die
Impfung so konstruiert, dass sie vollständig ausgebildeten reifen mRNA-Molekülen ähnelt,
wie sie natürlicherweise im Zytoplasma eukaryotischer Zellen vorkommen.
Normalerweise wird „nackte“ mRNA schnell durch extrazelluläre Enzyme (RNasen) abgebaut
und nicht effizient in die Zellen aufgenommen. Daher besteht ein wesentlicher Fortschritt
der mRNA-Impfstoffentwicklung für die COVID-19-Impfung in der Entwicklung von sogenannten
Transfektionsreagenzien, die die zelluläre Aufnahme von mRNA erleichtern und sie vor
Abbau schützen. Therapeutisch verabreichte mRNA muss in dendritische Zellen aufgenommen
werden und hierfür die Barriere der Lipidmembran durchdringen. Sobald die mRNA in
das Zytosol gelangt, produziert die dort vorhandene zelluläre Translationsmaschinerie
ein Protein, das nach einigen Anpassungsschritten (posttranslationale Modifikationen)
ein korrekt gefaltetes, voll funktionsfähiges Protein darstellt. Die mRNA-Pharmakologie
ist somit der wesentliche Fortschritt bei der Verabreichung von mRNA-Impfstoffen.
Für den sicheren und effizienten Transport und die Aufnahme über die zelluläre Plasmamembran
nutzen die COVID-19-mRNA-Impfstoffe BNT162b2 und mRNA-1273 als Träger Lipid-Nanopartikel.
Sie sind mit positiv geladenen Lipiden angereichert, wodurch die mRNA stabiler und
resistent gegen Abbau durch extrazelluläre RNase-Enzyme wird. Hierdurch bilden sich
jedoch auch Partikel in Virusgröße, die leichter die Lipid-Doppelmembran der Zellhülle
durchdringen können.
Daher sind die bislang in westlichen Ländern (vorläufig) zugelassenen 2 mRNA-COVID-19-Impfstoffe
von Pfizer/BioNTech und Moderna beides sog. Lipid-Nanopartikel-formulierte, Nukleosid-modifizierte
mRNA-Impfstoffe, die das Präfusions-Spike-Glykoprotein von SARS-CoV-2 kodieren. Sie
werden in einer Impfstoffserie aus 2 Dosen verabreicht, die intramuskulär appliziert
werden:
-
Pfizer/BioNTech (30 µg, je 0,3 ml): im Abstand von 3 Wochen (21 Tagen)
-
Moderna (100 µg, 0,5 ml): im Abstand von einem Monat (28 Tagen)
Die zweite Dosis sollte so nah wie möglich an dem empfohlenen Intervall verabreicht
werden. Es gibt jedoch für beide Impfstoffe keinen maximalen Abstand zwischen der
ersten und zweiten Dosis.
Die mRNA-COVID-19-Impfstoffe sind nicht untereinander oder mit anderen COVID-19-Impfstoffprodukten
austauschbar. Beide Dosen der Impfserie sollten mit demselben Produkt verabreicht
werden, auch wenn es bislang keine Hinweise auf unerwünschte Wirkungen bei versehentlicher
Gabe von 2 Dosen verschiedener mRNA-COVID-19-Impfstoffprodukte gibt. Die Notwendigkeit
und der Zeitpunkt von Auffrischungsimpfungen für mRNA-COVID-19-Impfstoffe sind nicht
bekannt. Aktuell werden keine zusätzlichen Dosen über die Primärserie mit 2 Dosen
hinaus empfohlen.
Vor der Impfung sollten Ärzte die Empfänger des mRNA-COVID-19-Impfstoffs sowohl über
die zu erwartenden lokalen (z. B. Schmerzen, Schwellung, Erythem an der Injektionsstelle,
lokalisierte axilläre Lymphadenopathie auf der gleichen Seite wie der geimpfte Arm)
und systemischen (z. B. Fieber, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Myalgie,
Arthralgie) Symptome als auch über mögliche, aber seltene anaphylaktische Reaktionen
nach der Impfung aufklären. Je nach Impfstoffprodukt (BioNTech/Pfizer vs. Moderna),
Altersgruppe und Impfstoffdosis entwickeln etwa 80–89 % der Geimpften mindestens ein
lokales Symptom und 55–83 % mindestens ein systemisches Symptom nach der Impfung.
Die meisten systemischen Symptome nach der Impfung sind leicht bis mittelschwer, treten
innerhalb der ersten 3 Tage nach der Impfung auf und klingen innerhalb von 1–3 Tagen
nach dem Auftreten ab. Diese Symptome sind häufiger und schwerer nach der zweiten
Dosis und bei jüngeren Personen im Vergleich zu älteren Personen (d. h. > 55 Jahre
für den Pfizer/BioNTech- oder ≥ 65 Jahre für den Moderna-Impfstoff).
Ergebnisse aus klinischen Studien zum mRNA-COVID-19-Impfstoff
Ergebnisse aus klinischen Studien zum mRNA-COVID-19-Impfstoff
BNT162b2
BNT162b2 ist ein an Lipid-Nanopartikel (LNP) -formulierter, Nukleosid-modifizierter
mRNA-Impfstoff. Während die LNPs dazu beitragen, die mRNA vor enzymatischem Abbau
zu schützen und eine effiziente zelluläre Aufnahme zu gewährleisten, dämpft die Nutzung
modifizierter Basen, wie z. B. N-Methylpseudouridin (m1Ψ)-Nukleosidmodifikation, die
Immunaktivierung-Erkennung und damit Deaktivierung durch das Immunsystem und unterstützt
die erhöhte RNA-Translation in vivo. Der Impfstoff kodiert in voller Länge für das
SARS-CoV-2-Spike-Glykoprotein [12].
In der Phase-I-Studie zeigte sich eine gute Sicherheit für BNT162b2 mit leicht bis
mäßig ausgeprägten Lokalreaktionen (Schwellung und Schmerzen an der Injektionsstelle)
und milden systemischen Reaktionen (meist Fieber bei bis zu 17 % der Teilnehmer) [13].
Die BNT162b2-Phase-II/III-Studie begann im Juli 2020 mit ursprünglich geplanten 30 000 Teilnehmern im Alter von 18–85 Jahren,
wurde durch eine Protokolländerung dann jedoch auf eine Rekrutierungszahl von 44 000
Teilnehmern erweitert und die Einschlussgrenze auf 12 Jahre gesenkt [14]
[15]
[16]
[17].
Der primäre Endpunkt der Phase-II/III-Studie bewertete das Auftreten von bestätigten
COVID-19-Erkrankungen mit Beginn mindestens 7 Tage nach der zweiten Dosis bei Studienteilnehmern
[17].
In der Kohorte der Teilnehmer ohne Hinweise auf eine bestehende oder frühere SARS-CoV-2-Infektion
(n = 36 258) trat dieser primäre Endpunkt bei 8 Verum- und 162 Placebo-Patienten auf,
was einer vordefinierten Wirksamkeit von 95 % (95 %-KI 90,3–97,6 %) entspricht [17].
Eine schwere COVID-19-Erkrankung trat bei 4 Studienteilnehmern nach der zweiten Dosis
auf (1 in der Verum-Gruppe und 3 in der Placebo-Gruppe) und bei 10 Studienteilnehmern
nach der ersten Dosis (1 in der Verum-Gruppe und 9 in der Placebo-Gruppe) [17]. Aufgrund der geringen Anzahl schwerer COVID-19-Erkrankungsfälle konnte keine statistische
Signifikanz für die Wirksamkeit zur Vermeidung schwerer COVID-19-Erkrankungen nachgewiesen
werden; der numerische Trend war jedoch eindeutig zugunsten von BNT162b2 (66,4 %;
95 %-KI -124,8–96,3 %).
In der Sicherheitsanalyse wurden lokale und systemische unerwünschte Ereignisse, die
innerhalb von 7 Tagen nach Erhalt des Impfstoffs oder Placebos auftraten, durch Selbstauskunft
in einem elektronischen Tagebuch ausgewertet.
Die häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen waren Reaktionen an der Injektionsstelle
(84,1 %), Müdigkeit (62,9 %), Kopfschmerzen (55,1 %), Muskelschmerzen (38,3 %), Schüttelfrost
(31,9 %), Gelenkschmerzen (23,6 %) und Fieber (14,2 %) [17].
Schmerzen an der Injektionsstelle waren die häufigste unerwünschte Lokalreaktion und
klangen innerhalb von 1–2 Tagen ab.
An systemischen Nebenwirkungen traten Müdigkeit (3,8 %) und Kopfschmerzen (2,0 %)
am häufigsten auf [17].
In Großbritannien wurden nach der Impfung mit BNT162b2 2 Fälle von Anaphylaxie gemeldet.
Der National Health Service warnt nun vor einer Impfung bei Patienten mit einer signifikanten
allergischen Reaktion auf einen Impfstoff, ein Medikament oder ein Lebensmittel. Die
FDA hat erklärt, dass sie die Überwachung auf anaphylaktische Reaktionen in ihren
Pharmakovigilanzplan aufnehmen wird.
mRNA-1273
mRNA-1273 ist ein Nukleotid-basierter Impfstoffkandidat, der für eine präfusionsstabilisierte
Form des SARS-CoV-2-Spike (S)-Proteins in voller Länge kodiert. Aufgrund der labilen
Natur der mRNA wird sie eingekapselt und über einen Lipid-Nanopartikelträger (LNP)
abgegeben. Nach der Injektion des Impfstoffs in den Muskel nehmen die Myozyten den
LNP-Träger auf und geben die mRNA zur Translation in das S-Protein ins Zytoplasma
frei.
Das klinische Entwicklungsprogramm für mRNA-1273 besteht aus 3 Studien: einer Phase-I-
(NCT04283461), einer Phase-II- (NCT04405076) und einer Phase-III (NCT04470427)-Studie.
Die klinische Phase-I-Studie mit Moderna begann am 16. März 2020 und Studienergebnisse
hierzu wurden veröffentlicht [18].
Eine Phase-II-Studie wurde im Mai 2020 begonnen als Dosisfindungsstudie mit mRNA-1273
50 mcg oder 100 mcg gegen Placebo [19].
Die Phase-III-Studie begann im Juli 2020 und liegt als Zwischenanalyse vor. Die endgültige
Stichprobengröße beträgt 30 000 Teilnehmer.
Die (Notfall-) Zulassung von mRNA-1273 basierte auf Studien der frühen Phasen I und
II [20]
[21] und der Überprüfung der Ergebnisse einer laufenden Phase-III-Studie mit 33 000 erwachsenen
Probanden, die im Verhältnis 1:1 randomisiert wurden, um den mRNA-1273-Impfstoff in
2 Dosierungen oder Placebo zu erhalten.
Die Bewertung der Phase-III-Studie zeigte, dass der Impfstoff 14 Tage nach Verabreichung
der zweiten Dosis zu 94,1 % wirksam für die Prävention von COVID-19 war. Für die Wirksamkeitsanalyse
wurden 196 Fälle ausgewertet, von denen 185 Fälle von COVID-19 in der Placebo-Gruppe
gegenüber 11 Fällen in der mRNA-1273-Gruppe beobachtet wurden. Der sekundäre Endpunkt
umfasste die Bewertung von schweren Fällen von COVID-19 und schloss 30 Individuen
ein. Alle diese schweren Fälle traten in der Placebo-Gruppe auf und keiner davon in
der mit mRNA-1273 geimpften Gruppe [8].
Die Sicherheitsergebnisse der Phase I zeigten nach der ersten Dosis unerwünschte systemische
Ereignisse wie Arthralgie, Müdigkeit, Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Myalgie
und Übelkeit (leicht bis mittelschwer ausgeprägt). Lokale Nebenwirkungen (Rötung/Erythem,
Verhärtung/Schwellung, Schmerzen an der Injektionsstelle) wurden sowohl nach der ersten
als auch nach der zweiten Dosis überwiegend als leicht bis mittelschwer eingestuft.
Mit mehr als 50 % der Teilnehmer waren Müdigkeit, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Myalgien
und Schmerzen an der Injektionsstelle bei beiden Impfstoffdosen häufige unerwünschte
Ereignisse [22].
In der Phase-III-Studie traten unerwünschte Ereignisse häufiger nach der zweiten Dosis
auf und die Mehrzahl der gemeldeten Ereignisse klang schnell ab. Häufigste Ereignisse
waren nach der ersten Dosis Schmerzen an der Injektionsstelle (2,7 %) und nach der
zweiten Dosis Müdigkeit (9,7 %), Myalgie (8,9 %), Arthralgie (5,2 %), Kopfschmerzen
(4,5 %), Schmerzen (4,1 %) und Erytheme/Rötungen an der Injektionsstelle (2,0 %) [20]
[21]
[23].
Diskussion und Zusammenfassung
Diskussion und Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich der Bereich der Impfstoffe aufgrund der
umfangreichen Kooperationen zwischen Wissenschaft und Industrie mit einer noch nie
dagewesenen Geschwindigkeit weiterentwickelt. Weniger als ein Jahr nach der Entdeckung
der SARS-CoV-2-Virussequenz wurden neue Impfstoffplattformen genutzt, umfassend und
lege artis in klinischen Studienprogrammen geprüft und nach gründlicher Prüfung durch
die regulatorischen Behörden teils vorläufig oder konditional zugelassen.
Beide (vorläufig) zugelassenen mRNA-Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 basieren auf der gleichen
lipidbasierten Nanopartikelträgertechnologie; die Lipidkomponente des Impfstoffs von
Pfizer/BioNTech unterscheidet sich jedoch von der des Moderna-Impfstoffs. In den nächsten
Monaten könnten mehrere solcher Impfstoffe zugelassen werden, und es ist unvermeidlich,
dass in den kommenden Monaten unerwünschte Arzneimittelwirkungen auftreten werden,
die in den zur Zulassung durchgeführten Studien nicht beobachtet wurden. Auch in Bezug
auf die Wirksamkeit werden Real-life-Daten eine erhebliche Rolle spielen. Allergische
Reaktionen als unerwünschte Ereignisse wurden bei 0,63 % der Teilnehmer der klinischen
Studie von Pfizer/BioNTech und 1,5 % der Teilnehmer der klinischen Studie von Moderna
beobachtet, verglichen mit 0,51 % bzw. 1,1 % in den Placebo-Gruppen. Anaphylaxie nach
der Impfung wurde in den klinischen Studien weder mit dem Pfizer/BioNTech- noch mit
dem Moderna-Impfstoff beobachtet. Anaphylaktische Reaktionen nach Verabreichung beider
Impfstoffe traten jedoch zu Beginn der Massenimpfungen außerhalb der klinischen Studien
in UK, den USA und Kanada auf [24]
[25]
[26]
[27].
Wir kennen allergische und anaphylaktische Reaktionen auf Wirk- und Zusatzstoffe von
jeder Art von Impfstoffen, aber auch von Biologika und vielen anderen Medikamenten
[28]
[29]
[30]
[31]
[32]
[33]
[34]
[35]
[36]
[37]
[38]
[39]
[40]
[41]
[42]
[43]
[44].
In den mRNA-Impfstoffen könnten diese Reaktionen ausgelöst worden sein durch das Polyethylenglykol
(PEG), das in beiden Impfstoffen in den PEGylierten Lipid-Nanopartikeln verwendet
wird [24]
[25]
[26]
[27].
Auf die zugrunde liegende Immunreaktion gehen wir in Teil 1 dieser Artikelserie ein
[45]. Die Impfstoffsicherheit erfordert einen pro-aktiven Ansatz, um das Vertrauen der
Öffentlichkeit zu erhalten und die Zurückhaltung bei der Impfung zu verringern. Wachsamkeit,
sorgfältige Reaktion, Dokumentation und Charakterisierung dieser Ereignisse sind notwendig,
um die Definition von Mechanismen und geeigneten Ansätzen zur Vorhersage, Prävention
und Behandlung zu ermöglichen. Ein systematisches Vorgehen bei einer unerwünschten
Reaktion auf einen Impfstoff erfordert eine klinische Erkennung und eine angemessene
Erstbehandlung, gefolgt von einer detaillierten Anamnese und Kausalitätsbewertung
[46]. Nichtimmune Sofortreaktionen wie vasovagale Reaktionen sind häufig und manifestieren
sich typischerweise mit Schwitzen, Übelkeit, Blässe und Bradykardie, im Gegensatz
zu Flush, Pruritus, Urtikaria, Angioödem, Dyspnoe, Tachykardie und Larynxödem, wie
sie bei Anaphylaxie auftreten. Die Ursachen für solche anaphylaktischen Reaktionen
werden derzeit untersucht. Eine schwere allergische Reaktion (z. B. Anaphylaxie) in
der Vorgeschichte auf einen anderen Impfstoff oder eine Injektionstherapie (Medikamentengabe
z. B. intramuskulär, intravenös oder subkutan) sollte daher als relative Kontraindikation
mit Notwendigkeit für eine erhöhte Vorsicht und mindestens 30-minütige ärztliche Überwachung
nach der Impfung, nicht aber als absolute Kontraindikation angesehen werden. Diese
Personen können trotzdem mit dem mRNA-COVID-19-Impfstoff geimpft werden; sie sollten
jedoch über die unbekannten Risiken einer schweren allergischen Reaktion aufgeklärt
werden und diese Risiken gegen den Nutzen der Impfung abwägen [45]. Eine vorangehende Prick-Testung mit PEG kann zusätzliche Sicherheit bringen.
Die Entwicklung eines erfolgreichen SARS-CoV-2-Impfstoffs sollte begleitet werden
von Studien zur Entwicklung wirksamer antiviraler Medikamente. Auch diese werden zur
Beherrschung der SARS-CoV-2-Pandemie voraussichtlich benötigt werden. Spätestens aber
werden wir diese für ein anderes Coronavirus oder ein unweigerlich auftretendes Virus
X benötigen.