ergopraxis 2021; 14(04): 12-14
DOI: 10.1055/a-1366-8448
Wissenschaft

Lockdown mindert Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen – Psychische Gesundheit

Maike Sarrasch
 

Eltern berichten von zunehmendem Stress, Depressionen und Angstzuständen bei Kindern und Jugendlichen aufgrund der sozialen Isolation in der COVID-19-Pandemie. Dies gilt besonders für Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen wie Autismus. Zu diesem Ergebnis kommt das Team um Katriona O’Sullivan vom Fachbereich Psychologie an der National University of Ireland.

Um die Auswirkungen des Lockdowns auf Kinder und Jugendliche zu verstehen, befragten die Forscher(innen) insgesamt 48 Familien (N = 96). Die Stichprobe umfasste zwei Elternteile, Alleinerziehende, Personen mit unterschiedlichen sozioökonomischen Hintergründen sowie aus ländlichen und städtischen Regionen. Die semistrukturierten Interviews fanden während der ersten Pandemiebeschränkungen in Irland statt. Darin reflektierten die Familien ihre Situation während des Lockdowns und berichteten zum Beispiel über ihr tägliches Familienleben oder wie sich die Maßnahmen auf das Homeschooling auswirkten.

Anhand der Angaben identifizierten die Forscher(innen) sieben Hauptthemen, welche die Familien als Auswirkungen der Beschränkungen beschrieben: soziale Isolation; Stress bezüglich Homeschooling; Kinder trugen die Hauptlast von COVID-19; Schwierigkeiten, im Haushalt eingesperrt zu sein; negative Verhaltensänderungen; Depression/Angst und negativer Einfluss auf die psychische Gesundheit von Kindern mit Autismus.

Sowohl Eltern als auch Kinder berichteten, dass die Erfahrung mit Einsamkeit und sozialer Isolation negative psychische Ergebnisse hervorrief. Ein 11-jähriges Kind gab zum Beispiel an, dass es den Fernunterricht schwierig fand und damit kämpfte, selbstständig zu arbeiten. Andere Kinder vermissten den kollaborativen Arbeitsstil des Klassenzimmers. Faktoren wie eine längere Quarantäne, Angst vor Infektion, Langeweile, unzureichender persönlicher Raum sowie die Trennung von Klassenkameraden und Lehrern verursachten Stress. Insgesamt bezeichneten Eltern ihre Kinder während der Pandemie als ängstlich und aufgeregt. Dies wurde durch die mediale Berichterstattung, eingeschränkte Freiheiten und den mangelnden Zugang zu Freunden und Familie verstärkt. Am häufigsten nannten sie als Fehlanpassungsverhalten bei Kindern unter 10 Jahren die verminderte Bindungssicherheit und die „Anhaftung“ gegenüber den Eltern. In Bezug auf Kinder mit Autismus beschrieben sie, dass gerade die Veränderung von Routinen Angst auslöste.

Die Forscher(innen) schlussfolgern, dass Kinder und Jugendliche dem Risiko psychischer Konsequenzen aufgrund des Lockdowns ausgesetzt sind. Sie sehen einen wachsenden Bedarf an Maßnahmen, die ihnen dabei helfen, die kurz- und langfristigen psychologischen Auswirkungen der Pandemie zu bewältigen.

ms

Int J Environ Res Public Health 2021; 18: 1062

Auswirkung auf die soziale Teilhabe hängt von vier Faktoren ab – Studierende mit chronischen Schmerzen

Neben dem Schmerzlevel wirken sich vier Faktoren auf die soziale Teilhabe von Studierenden mit chronischen Schmerzen aus: Persönlichkeit, Selbstbewusstsein, Stigmatisierung und Dominoeffekt. Zu diesem Ergebnis kommt ein Team um Karen McCarthy, Assistenzprofessorin Ergotherapie an der Dominican University of California, USA.

Im Rahmen einer qualitativ phänomenologischen Forschung analysierten die Wissenschaftler(innen) die Auswirkungen von chronischen Schmerzen auf die soziale Teilhabe von Studierenden. Sie interviewten 15 Personen (13 Frauen, 2 Männer) im Alter von durchschnittlich 21 Jahren, die seit mindestens sechs Monaten chronische Schmerzen hatten. Die 30–60-minütigen Interviews fanden persönlich oder über Videokonferenzen statt. Die theoretische Basis bildete das „Person-Environment-Occupation Model“ nach Law et al. (1996).

Anhand der Interviews identifizierten die Forscher(innen) vier Faktoren, welche die Auswirkung der Schmerzen auf die soziale Partizipation der Studierenden verdeutlichen.

  1. Persönlichkeit: Extroversion oder Introversion sowie Optimismus oder Pessimismus spielen eine bedeutende Rolle bei der Entscheidung für oder gegen eine soziale Betätigung. Zum Beispiel besuchte ein introvertierter Teilnehmer, unabhängig von seinem aktuellen Schmerzniveau, Freunde lieber zu Hause, als mit ihnen auszugehen.

  2. Stigmatisierung: Die Befragten empfinden es als schwierig, Beziehungen auf-zubauen oder aufrechtzuerhalten, weil Gleichaltrige wenig Verständnis für die (nach außen hin unsichtbaren) chronischen Schmerzen zeigen. Einige der Teilnehmenden fühlten sich vorverurteilt, da ihnen ihr Umfeld unterstellte, sie würden Schmerzen vortäuschen, sich Ausreden ausdenken oder sie wären faul.

  3. Dominoeffekt: Müdigkeit und Schmerztoleranz verursachen einen Dominoeffekt, der die Entscheidung beeinflusst, Betätigungen auszuführen. Demnach führen Schmerzen und Schlafmangel zu weniger Energie, um Betätigungen auszuüben. Wunschbetätigungen wie die Teilnahme am Campusleben oder an Events können durch die Symptome nicht ausgeführt werden. Das führt dazu, dass sich die Teilnehmenden ausgeschlossen fühlen.

  4. Selbstbewusstsein: Bedingt durch den Dominoeffekt legten die Befragten häufiger Pausen ein. Sie entwickelten ein Bewusstsein für ihre Grenzen und lernten, ihre Schmerztoleranz bei Betätigungen einzuschätzen. Sie wissen zum Beispiel, dass sie nur für eine bestimmte Zeit mit Freunden ausgehen können, bevor sich ihre Schmerzen verschlimmern.

Vier
Faktoren beeinflussen soziale Teilhabe: Persönlichkeit, Selbstbewusstsein, Stigmatisierung und Dominoeffekt.

Die Forscher(innen) fordern Ergotherapeut(inn)en sowie das soziale Umfeld dazu auf, sich bewusst zu machen, dass sich chronische Schmerzen auf alle Betätigungen auswirken können. Des Weiteren empfehlen sie für die Zusammenarbeit mit dieser Klientel, Betätigungen auf Basis der Interessen anzupassen, zu priorisieren und zu planen, um Partizipation zu fördern und eine Verschlechterung der Symptome zu verhindern.

ms

Open J Occup Ther 2021; 9: 1–12; doi:10.15453/2168-6408.1711


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Protektive Persönlichkeitsmerkmale stärken – Gesundheit und Lebenszufriedenheit von Heranwachsenden

Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale können wichtige Indikatoren für die subjektive Gesundheit und Lebenszufriedenheit junger Heranwachsender sein. Zu diesem Ergebnis kommt ein Team um Kristina Heilmann vom Institut für Medizinische Soziologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Introvertierte und emotional stabile Menschen empfinden die Pandemie als weniger stressig im Vergleich zu extravertierten und neurotischen Menschen.

Pers Individ Dif 2021; 175: 110694

Die Datengrundlage für die Studie bildete das Nationale Bildungspanel (NEPS), welches alle Schulen in Deutschland umfasst. Im Rahmen des NEPS werden Schüler(innen) der 7. Klasse an Regelschulen betrachtet. Insgesamt umfasste die Stichprobe Daten von insgesamt 5.440 Schüler(inne)n im Durchschnittsalter von 12,5 Jahren. Sie besuchten das Gymnasium, die Hauptschule, Realschule oder andere Schulformen wie eine Grund- oder Gesamtschule. Die untersuchten Persönlichkeitsmerkmale Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus und Offenheit entstammen dem „Big Five Inventory-10“ (BFI-10). Hierzu bewerteten die Schüler(innen) Aussagen über ihre Persönlichkeit wie „Ich bin entspannt, lasse mich durch Stress nicht aus der Ruhe bringen“ oder „Ich gehe aus mir heraus, bin gesellig“. Darüber hinaus wurden die subjektive Gesundheit sowie die selbstberichtete Lebenszufriedenheit, ein Indikator für das subjektive Wohlbefinden, ermittelt.

Die Ergebnisse zeigen, dass Persönlichkeitsmerkmale sowohl die selbstberichtete Gesundheit als auch die Lebenszufriedenheit der Heranwachsenden beeinflussen. Schüler(innen) mit ausgeprägten Persönlichkeitsmerkmalen weisen folgende Auffälligkeiten auf:

  • Neurotizismus: höheres Risiko für eine schlechte Gesundheitseinschätzung und niedrigere Lebenszufriedenheit

  • Extraversion: höhere Lebenszufriedenheit, jedoch keine bessere Gesundheitseinschätzung

  • Verträglichkeit: höhere Lebenszufriedenheit, jedoch keine bessere Gesundheitseinschätzung

  • Gewissenhaftigkeit: verringertes Risiko für eine schlechte Gesundheitseinschätzung und geringe Lebenszufriedenheit

  • Offenheit: hängt weder mit der selbstberichteten Gesundheit noch mit der Lebenszufriedenheit zusammen

Die Forscher(innen) schlussfolgern, dass Persönlichkeitsmerkmale als mögliche Schutz- bzw. Risikofaktoren für das Wohlbefinden und die Gesundheit von Heranwachsenden relevant sind. Sie empfehlen, Schüler(innen) mit vulnerablen Persönlichkeitseigenschaften (ängstlich, reizbar, Schwierigkeiten mit Disziplin oder Strukturierung) besonders zu fördern. Darüber hinaus sollten protektive Persönlichkeitseigenschaften wie Extravertiertheit, Geselligkeit oder positive Emotionen gestärkt und unterstützt werden.

ms

Gesundheitswesen 2021; 83: 8–16


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Publication History

Article published online:
25 March 2021

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