Aktuelle Dermatologie 2021; 47(03): 96-98
DOI: 10.1055/a-1340-1412
Eine Klinik im Blickpunkt

Tiefe Trichophytie bei Tinea corporis

Deep Dermatophytosis combined with Tinea corporis
M. Mehwald-Göke
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Helios Klinikum Hildesheim
,
A. Kulberg
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Helios Klinikum Hildesheim
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Mykosen sind weit verbreitete Infektionskrankheiten, die durch unterschiedliche Erreger hervorgerufen werden und sich im klinischen Alltag unterschiedlich präsentieren können. Je nach Manifestationsort und Erreger kommen entsprechend unterschiedliche Behandlungsoptionen in Betracht. Wir stellen im Folgenden einen Patienten mit einer ungewöhnlichen tiefen Trichophytie bei Tinea corporis und Onychomykose vor. Der Patient wurde topisch und systemisch mit Terbinafin behandelt.

Diese Kasuistik ist insofern erwähnenswert, da es sich um eine durch zwei unterschiedliche Erreger hervorgerufene Mykose handelt, die möglicherweise durch den vorbestehenden Diabetes begünstigt wurde und eine besondere therapeutische Herausforderung darstellt.


Abstract

Fungal infections of the skin and adnexa are common in everyday dermatological practice. According to clinical manifestation, there are different therapy options available. We present a patient with deep granulomatous dermatophytosis combined with tinea corporis and onychomycosis. The case is remarkable because of the co-infection with two different fungal pathogens, potentially facilitated by pre-existing diabetes, representing a therapeutic challenge.


Einleitung

Mykosen sind durch unterschiedliche Erreger verursachte Infektionskrankheiten. Pathogene und nicht pathogene Pilze werden nach dem DHS-System in Dermatophyten, Hefen und Schimmelpilze klassifiziert.

Klinisch lassen sich 4 Gruppen unterscheiden: oberflächliche Mykosen, Dermatophytosen (Tinea), subkutane Mykosen sowie systemische Mykosen. Die letzte Gruppe wird i. d. R. selten von Dermatologen behandelt.

Die Diagnose wird oft zunächst klinisch gestellt und durch Histologie, Kultur und/oder PCR-Untersuchung und Bestimmung des Erregers bestätigt. Erreger der Dermatophytosen sind hierbei Pilze der Gattung Trichophyton, Epidermophyton und Microsporum.

Verschiedene Risikofaktoren begünstigen die Entstehung von Mykosen. Hierbei sind Immunsuppression, Diabetes, familiäre Disposition, Schwitzen und der Besuch öffentlicher Bäder vorrangig zu benennen. Je nach Erreger und befallener Körperregion (Haut, Haare, Nägel) entstehen unterschiedliche Krankheitsbilder.


Kasuistik

Ein 62-jähriger Patient wurde zu uns aufgrund einer lokaltherapeutisch erfolglos behandelten Tinea corporis und Onychomykose der Zehennägel überwiesen.

Ambulant war bereits eine histologische Sicherung vom linken Unterarm und von den Zehennägeln erfolgt und konnte die klinische Diagnose bestätigen.

Anamnestisch ist ein bisher diätetisch geführter Diabetes mellitus Typ II bekannt. Kontakt zu Tieren konnte nicht eruiert werden.

Klinisch sahen wir disseminierte, erythematöse, im Randbereich schuppende Plaques und einzelne Papeln am Stamm, an den Extremitäten ([Abb. 1], [Abb. 2]), Hals und Gesicht sowie eine Dystrophie und Dyschromasie aller Zehennägel mit subungualen Hyperkeratosen.

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Abb. 1 Im Bereich des Stammes erythematöse, im Randbereich schuppende Plaques.
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Abb. 2 Im Bereich der Extremitäten erythematöse, im Randbereich schuppende Plaques.

Auffällig war zudem ein etwa erbsengroßer kutan/subkutaner Knoten ohne epidermale Beteiligung am rechten Unterarm. Aus diesem wurde eine erneute Probebiopsie entnommen.

Histologisch zeigte sich im mittleren Korium des entnommenen Knotens eine teils suppurative, teils granulomatöse Gewebereaktion ([Abb. 3]) mit Nachweis von Pilzelementen in der Grocott-Silberfärbung ([Abb. 4]). Es erfolgte eine PCR-Untersuchung vom Biopsat (Labor für medizinische Mikrobiologie, Prof Dr. P. Nenoff, Dr. C. Krüger) zur genaueren Erregerbestimmung. Hier konnte eine Infektion mit Trichophyton mentagrophytes diagnostiziert werden.

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Abb. 3 Histologie, Hämatoxylin-Eosin-Färbung (10 × 10). Teils suppurative, teils granulomatöse Gewebereaktion in der Dermis.
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Abb. 4 Histologie, Grocott-Silberfärbung (20 × 20). Schwarz gefärbte, septierte, teilweise quergeschnittene Pilzhyphen im dermalen Entzündungsinfiltrat.

Zudem erfolgten mykologische und histologische Untersuchungen des linken Großzehennagels. Das Nagelpräparat war ebenso positiv. Die kulturelle Untersuchung von Nagel- und Schuppenmaterial zeigte einen Befall mit Trichophyton rubrum.

Wir leiteten eine Systemtherapie mit Terbinafin Tab. 250 mg ein. Diese erfolgte zunächst 1 × täglich für 2 Wochen, nachfolgend Reduktion auf eine wöchentliche Einmalgabe. Lokaltherapeutisch wurde ein ciclopiroxhaltiges Externum verordnet.

Bei der Wiedervorstellung 6 Wochen nach Therapiebeginn waren der Hautbefund und das subjektive Befinden deutlich gebessert. Eine Fortführung der topischen und systemischen Therapie für weitere 3 Monate wurde empfohlen. Im Gespräch wurde der Patient im Hinblick auf eine Rezidiv-Verhütung sensibilisiert. Faktoren wie Gewichtsreduzierung, das Meiden feuchter Wärme und gründliches Abtrocknen nach Kontakt mit Wasser (Duschen, Schwimmen etc.) wurden besprochen.


Diskussion

In unserer Kasuistik zeigte sich eine interessante Kombination aus Tinea corporis, Onychomykose der Zehennägel und Vorliegen einer tiefen granulomatösen Mykose. Bei dem Patienten waren außer einem diätetisch geführten Diabetes mellitus Typ II keine immunsupprimierenden Erkrankungen bekannt. Nebenbefundlich ist er kardiovaskulär und pulmonal vorerkrankt.

Überraschenderweise ließen sich zwei unterschiedliche Erreger detektieren, was eine diagnostische Herausforderung im klinischen Alltag darstellt.

Zum einen Trichophyton rubrum (antropophiler Pilz), zum anderen Trichophyton mentagrophytes (zoophiler Pilz). Anthropophile Dermatophyten (T. rubrum, T. tonsurans, E. floccosum) verursachen oberflächliche entzündliche Reaktionen. Trichophyton rubrum ist der häufigste Erreger von Nagelpilz. Tr. mentagrophytes als zoophiler Dermatophyt verursacht eine stärker ausgeprägtere Entzündungsreaktion und führt häufiger zu Favus (Tinea capitis) und tieferem Haarfollikelbefall. Beide sind weltweit verbreitet und können sowohl Haut als auch Hautanhangsgebilde befallen.

Die Identifikation von Dermatophyten basiert auf phänotypischen Merkmalen der jeweiligen Kolonien, die am häufigsten in Sabouraud-Glukose-Agar wachsen. Des Weiteren gibt es mikroskopische Besonderheiten. Diese Kriterien sind aus verschiedenen Gründen für eine präzise Bestimmung des Erregers nicht immer zuverlässig genug [1].

Die Hydrolyse von Urea in Urea-Agar erleichtert die Unterscheidung zwischen T. rubrum und T. mentagrophytes. Laut einer Studie waren 75 % von T. mentagrophytes-Stämmen in 10 Tagen Urease-positiv, 5 % in 20 Tagen, jedoch waren 20 % negativ. Im Gegensatz hierzu waren 10 % der T. rubrum-Stämme nach 10 Tagen positiv, 70 % nach 20 Tagen, und 20 % konnten als negativ detektiert werden. Hierbei ist es wichtig das Auslesen der Ergebnisse innerhalb von 48 – 72 h durchzuführen [2].

Der zuverlässigste Test, um zwischen beiden Erregern zu unterscheiden, ist der sog. „In-vitro-Haarperforationstest“. Der Test ist preiswert und einfach in der Durchführung, jedoch zeitintensiv und benötigt 1–4 Wochen, um ausgewertet zu werden. Das ist ein Nachweisverfahren zum Nachweis bestimmter Dermatophyten, die in der Lage sind, perforierende (eindringende) Organe an Haaren auszubilden. Es wird v. a. zum Nachweis von Dermatophytosen durch zoophile Dermatophyten wie Trichophyton mentagrophytes eingesetzt. Für den Haarperforationstest werden blonde, feine menschliche Haare in etwa 3 cm lange Stücke geschnitten, autoklaviert und in Petrischalen mit sterilem Wasser gegeben. Anschließend werden einige Tropfen einer wässrigen Hefeextrakt-Lösung hinzugegeben und schließlich Myzel aus einer Reinkultur des zu untersuchenden Dermatophyten. Nach 2–4 Wochen bilden sich bei positivem Nachweis zapfen- oder keilförmige Hohlräume, die Haarperforationsorgane, welche lichtmikroskopisch nachweisbar sind [3].

In den letzten Jahren wurden molekularbiologische Methoden entwickelt, um eine präzisere und schnellere Diagnostik zu gewährleisten. Die enge phylogenetische Verwandtschaft klinisch wichtiger Dermatophytenspezies benötigt das Anwenden von den sog. „highly variable genetic target regions“ bspw. ITS („internal transcribed spacer“) und das Topoisomerase II-Gen [4]. Diese wurden benutzt, um RT-PCR- und PCR-ELISA-Tests zu entwickeln [5].

Im Regelfall erfolgt bei Tinea corporis und Onychomykose eine Lokaltherapie. Eine systemische Therapie ist indiziert bei ausgedehntem Befall, Therapieresistenz und begünstigenden Grunderkrankungen sowie bei den tieferen Formen. Lokaltherapeutisch werden Wirkstoffe aus den folgenden Gruppen angewandt: Azole, Hydroxypyridone, Allylamine und Morpholine. Je nach Lokalisation und Ausprägung wird die passende galenische Form ausgewählt. Systemisch werden Griseofulvin, Azole und Terbinafin (Allylamin) angewandt [6].

In unserem Fall haben wir uns aufgrund des protrahierten Verlaufes und des Vorliegens einer tiefen granulomatösen Mykose für eine Systemtherapie entschieden. Es erfolgte wie oben beschrieben eine perorale Therapie mit Terbinafin. Darunter zeigte sich eine sowohl subjektive als auch objektive Besserung des Befundes.

Bei einem therapieresistenten Befund sollte nicht nur an Nebenerkrankungen gedacht werden, sondern an das Vorliegen unterschiedlicher klinischer Formen und Erreger.



Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Aleksandra Kulberg
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Helios Klinikum Hildesheim
Senator-Braun-Allee 33
33135 Hildesheim
Deutschland   

Publication History

Article published online:
10 March 2021

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Abb. 1 Im Bereich des Stammes erythematöse, im Randbereich schuppende Plaques.
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Abb. 2 Im Bereich der Extremitäten erythematöse, im Randbereich schuppende Plaques.
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Abb. 3 Histologie, Hämatoxylin-Eosin-Färbung (10 × 10). Teils suppurative, teils granulomatöse Gewebereaktion in der Dermis.
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Abb. 4 Histologie, Grocott-Silberfärbung (20 × 20). Schwarz gefärbte, septierte, teilweise quergeschnittene Pilzhyphen im dermalen Entzündungsinfiltrat.