Handchir Mikrochir Plast Chir 2021; 53(01): 67-71
DOI: 10.1055/a-1326-1950
Originalarbeit

Vereinfachte aktive Nachbehandlung nach Extensor-indicis auf Extensor-pollicis-longus-Sehnentransfer mit Seit-zu-Seit-Naht

Simplified active motion protocol following Extensor indicis to Extensor pollicis longus tendon transfer using a side-to-side suture
Philipp Christian Boucke
Kantonsspital Graubünden, Handchirurgie
,
Tim Cordier
Kantonsspital Graubünden, Handchirurgie
,
Mathias Häfeli
Kantonsspital Graubünden, Handchirurgie
,
Silvia Schibli
Kantonsspital Graubünden, Handchirurgie
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Hintergrund Die Ruptur der Extensor-pollicis-longus-Sehne wird in der Regel durch einen Transfer der Extensor-indicis-Sehne unter Verwendung einer Pulvertaft-Naht versorgt. In der Literatur besteht Uneinigkeit über die anschließende Nachbehandlung. Die Seit-zu-Seit-Sehnennaht weist eine höhere Reißfestigkeit als die Pulvertaft-Naht auf und bietet deshalb die Grundlage für eine aktive Nachbehandlung. Wir stellen ein neues aktives Nachbehandlungsschema vor, welches durch eine einfache Durchführbarkeit und verkürzte Dauer die Behandlung für Patient und Therapeut erleichtert.

Patienten und Methoden Zwischen 07/2016 und 08/2017 führten wir 10 Extensor-indicis-Transfers unter Verwendung der Seit-zu-Seit-Naht durch und behandelten die Patienten mit unserem neu entwickelten aktiven Behandlungsschema nach. Verlaufskontrollen fanden nach 2,4 und 8 Wochen statt. Bestimmt wurden jeweils der Bewegungsumfang des Daumens, Pinch- und Greifkraft sowie subjektive Befunde wie Schmerzen und allgemeine Zufriedenheit.

Ergebnisse Bei allen Patienten erholte sich der Bewegungsumfang des Daumens mit einer Retropulsion über die Palmarebene vollständig bereits nach 4 Wochen. Die Pinchkraft lag 4 Wochen postoperativ im Median bei 89 % und die Greifkraft bei 74 % der Gegenseite. Das aktive Nachbehandlungsprotokoll zeigte eine hohe Patientenzufriedenheit. Alle Patienten wurden ein Jahr postoperativ telefonisch kontaktiert. Im untersuchten Zeitraum kam es nicht zu einer sekundären Ruptur oder relevanten Verlängerung der Sehnennaht.

Schlussfolgerung Das vorgestellte aktive Nachbehandlungsprotokoll nach Extensor-indicis-Transfer unter Verwendung der Seit-zu-Seit-Naht hat sich in unserer Klinik zum Standardverfahren entwickelt, da es sicher und für den Patienten und die Therapeuten mit deutlich weniger Aufwand verbunden ist.


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Abstract

Background Ruptures of the Extensor pollicis longus tendon are commonly treated by Extensor indicis transfer using Pulvertaft suture technique. Current literature does not yet give evidence for a preferable post-operative therapy protocol. A side-to-side suture technique is significantly stronger than the Pulvertaft repair technique and therefore allows an immediate active postoperative treatment. We present a new postoperative protocol, which is simple, fast and safe, and should make treatment easier for patients and therapists.

Patients and methods We treated 10 patients with a transfer of the extensor indicis tendon between 07/2016 and 08/2017 according to the new active protocol. Patients were seen for follow-up at 2, 4 and 8 weeks. Thumb range of motion, pinch and grip strength as well as subjective parameters like pain and general satisfaction were measured.

Results All patients regained full function of their thumbs with retropulsion over the level of the palm at 4 weeks. Median pinch strength was 89 % and grip strength 74 % of the contralateral side at week 4. There was no secondary rupture of the reconstructed tendon over a one-year period. All patients were satisfied with the result of the operation and the protocol.

Conclusion Our new active postoperative protocol for extensor indicis transfer using a side-to-side suture has proven to be safe and less strenuous for patients and therapists and has been established as standard treatment in our clinic.


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Einleitung

Die Ruptur der Sehne des Extensor pollicis longus ist eine häufige Sehnenverletzung, welche nach vernachlässigter Teilverletzung, konservativ oder operativ behandelter Radiusfraktur, durch stumpfe Gewalteinwirkung oder auch spontan auftreten kann. Als Ursachen werden mechanische Irritationen durch Knochenfragmente [1], Osteosynthesematerial wie dorsal liegende Platten [2] oder vorstehende Schraubenspitzen [3] beschrieben. Spontanrupturen können als Folge von Durchblutungsstörungen, Synovialitiden, z. B. im Rahmen einer rheumatologischen Erkrankung, oder wiederholten Mikrotraumata auftreten. Es konnte gezeigt werden, dass die Extensor-pollicis-longus(EPL)-Sehne auf Höhe des Tuberculum Listeri eine schlechte Durchblutung aufweist [4], wodurch ein besonderes Risiko einer Nekrose der Sehne auf dieser Höhe durch Druckanstieg im Sehnenkompartiment besteht [5].

Ein Ausfall der Extensor-pollicis-longus-Funktion führt nicht nur zu einem Streckausfall im Interphalangealgelenk des Daumens, sondern auch zu einem Ausfall der Retropulsion und zu einem Stabilitätsverlust im Daumengrundgelenk [6]. Somit ist eine Rekonstruktion der EPL-Funktion meist notwendig.

Bei einer degenerativen Sehnenruptur ist eine Direktnaht aufgrund der häufig retrahierten Sehnenstümpfe oder des Sehnendefekts nicht möglich. Zur Rekonstruktion stehen die motorische Ersatzoperation durch Sehnentransposition [7] oder eine Rekonstruktion mittels Sehnentransplantat [8] zur Verfügung. Zur Sehnentransplantation wird meist die Palmaris-longus-Sehne verwendet. Dieses Verfahren wird vor allem für Patienten, die auf eine isolierte, kräftige Zeigefingerextension angewiesen sind (z.B. Musiker), empfohlen [8]. Dabei ist das Zeitintervall zwischen Ruptur und Rekonstruktion zu beachten, da ein Verlust der Muskelfunktion des Extensor pollicis longus nach längerer Inaktivitätszeit nicht auszuschließen ist.

In der Literatur werden verschiedene Sehnentransfers zur Rekonstruktion der Daumenextension beschrieben, so z. B. die Transposition der Sehne des M. extensor carpi radialis longus [9], des M. extensor carpi radialis brevis [10] oder des M. abductor pollicis longus [7]. Die am weitesten verbreitete Methode zur Rekonstruktion der Streckfunktion des Daumens ist jedoch der Transfer der Sehne des M. extensor indicis (EI-Transfer). Diese Technik wurde erstmals 1925 von Mensch [11] vorgeschlagen und hat sich bis heute bewährt [12], [13]. Meist wird zur Sehnenvereinigung eine Pulvertaft-Naht angewandt. 2008 beschrieben Fridén und Mitarb. eine Seit-zu-Seit-Sehnennahttechnik [14], die auch bei unterschiedlichen Sehnendurchmessern eine höhere Reissfestigkeit aufweist als die traditionelle Sehnennahttechnik nach Pulvertaft [15], [16]. Die Seit-zu-Seit-Naht wird bei rekonstruktiven Eingriffen bei Tetraplegikern, bei denen multiple Sehnentransfers gleichzeitig durchgeführt werden, mit guten Resultaten angewandt [14], [17]. Wir haben die Seit-zu-Seit-Nahttechnik in unserer Klinik für den EI-Transfer seit mehreren Jahren übernommen. Die Seit-zu-Seit-Naht stellt aufgrund ihrer hohen Reissfestigkeit die Grundlage für eine frühfunktionelle aktive Nachbehandlung dar.

Die in der Literatur beschriebenen Nachbehandlungsschemata nach EI-Transfer sind sehr unterschiedlich. So werden 3- bis 6-wöchige Ruhigstellungen [18], [19] oder eine Nachbehandlung mittels dynamischer Schiene über 3 [20] oder 4 [12] Wochen beschrieben.

Giessler und Mitarb. [21] und Megerle und Mitarb. [20] publizierten 2008 erstmals Resultate nach einer frühen aktiven Nachbehandlung nach EI-Transfer, konnten dabei jedoch keinen Vorteil gegenüber einer dynamischen Nachbehandlung finden.

Unter der Voraussetzung, dass die Seit-zu-Seit-Naht eine frühe aktive Nachbehandlung erlaubt, wurde in unserer Klinik in Zusammenarbeit mit den Ergotherapeuten ein einfaches Nachbehandlungsprotokoll nach EI-Transfer mit Seit-zu-Seit-Naht erarbeitet ([ Tab. 1 ]). Dabei sollen die Patienten die Übungen in Eigenregie sicher anwenden können. Ziel dieser Pilotstudie ist die Evaluation der Umsetzbarkeit des Nachbehandlungsprotokolls sowie der Zuverlässigkeit der Seit-zu-Seit-Naht in Kombination mit dem aktiven Nachbehandlungsprotokoll.

Tab. 1

Nachbehandlungsprotokoll.

Postoperative Woche

Instruktion für die Patienten und die Therapeuten

2.-3. Tag:

Anfertigung einer langen Daumen-Lagerungsschiene inkl. Einschluss des IP-Gelenkes

1. Woche:

unmittelbar postoperativ: aktive Daumenopposition bis zur Fingerkuppe IV und aktive Daumenextension

ab 2. Woche:

aktive Daumenopposition bis zur Fingerkuppe V und aktive Daumenextension

ab 3. Woche:

Daumenopposition steigern

ab 4. Woche:

keine Schiene mehr notwendig, Kraftaufbau

ab 6. Woche:

volle Belastung erlaubt


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Patienten und Methoden

Zwischen 07/2016 und 08/2017 behandelten wir in Serie 10 Patienten im Alter zwischen 18 und 70 Jahren (Altersmedian 52 Jahre) nach EPL-Ruptur. Behandelt wurden 6 Männer und 4 Frauen, wobei in 3 Fällen die dominante rechte Hand, in 7 Fällen die adominante linke Hand betroffen war.

7 Rupturen traten nach einer distalen Radiusfraktur auf, wobei 5 der Frakturen operativ und 2 konservativ behandelt wurden. Eine Ruptur entstand durch Insuffizienz einer Direktnaht, eine weitere nach iatrogener Verletzung bei einer Handgelenksarthroskopie und eine Ruptur war idiopathischer Genese.

Die Sehnenrekonstruktion erfolgte bei allen Patienten mittels Transfer der Extensor-indicis-Sehne, wobei zur Sehnennaht immer die Technik nach Fridén angewandt wurde ([ Abb. 1 ]). Die Schnittführung über dem ersten Mittelhandknochen erfolgte dabei eher schräg als längs, um eine Inzision über dem geplanten Sehnenverlauf zu vermeiden. Nach einmaliger Durchflechtung wurden die Sehnenenden aufeinandergelegt und mittels beidseitiger, fortlaufender Kreuzstichnaht mit 3–0 Ti-Cron (Covidien/MedTronic, New Haven, CT 06511, USA) adaptiert. Dabei wurde auf eine maximale Überlappung der Sehnenenden geachtet, welche mindestens 3 cm betragen soll.

Zoom Image
Abb. 1 Verbindung der EI- mit der EPL-Sehne mittels Seit-zu-Seit-Naht nach Fridén.

Zur Einstellung der Sehnenspannung wurde das Handgelenk in Neutralstellung und der Daumen in maximaler Extension gehalten [22]. Intraoperativ wurde eine provisorische Daumenschiene angelegt.

Nachbehandlungsprotokoll

Das eigenentwickelte Nachbehandlungsprotokoll basiert auf einem einfachen Controlled-Active-Motion-Schema ([ Tab. 1 ]).

Postoperative Kontrollen fanden nach 2, 4 und 8 Wochen statt. Als objektive Parameter wurden bei jeder Kontrolle der aktive Bewegungsumfang des Daumens mit Flexion und Extension im Interphalangealgelenk, Opposition und Retropulsion des Daumens über die Palmarebene (Abheben des Daumens von der Tischplatte) gemessen. Zudem wurde die Greifkraft im Seitenvergleich mit einem Jamar-Dynamometer (Baseline Hydraulic Hand Dynamometer, Fabrication Enterprises Incorporated, White Plains, New York 10602, USA) sowie die Kraft des Spitzgriffes mit einem Kneif-Dynamometer (Baseline Pinch-Gauge 13.6 kg, Fabrication Enterprises Incorporated, White Plains, New York 10602, USA) erfasst.

Erhoben wurden außerdem subjektive Befunde wie Schmerzen anhand einer visuellen Analogskala (VAS 0–10) und die allgemeine Zufriedenheit mit dem Verlauf.

Primärer Endpunkt war der uneingeschränkte Einsatz der operierten Hand im Alltag oder das Eintreten einer Komplikation, definiert als Sehnenruptur oder relevante Bewegungseinschränkung.


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Resultate

Nach 4 Wochen zeigten 10 Patienten eine Retropulsion des Daumens bis zur oder über die Palmarebene hinaus. Sechs Patienten erreichten eine Daumenopposition bis Kapandji 9 oder 10. Ein Patient wies noch eine eingeschränkte Opposition von Kapandji 6 auf.

4 Wochen postoperativ lag die Pinch-Kraft im Median bei 89 % (53–100 %) der Gegenseite, die Grobkraft betrug 74 % (33–99 %) der Gegenseite. Für die vergleichenden Kraftmessungen musste ein Patient aufgrund einer Verletzung der Gegenseite mit deutlicher Krafteinschränkung ausgeschlossen werden.

Eine Patientin konnte bei der 4-Wochen-Kontrolle bereits wieder ihrer Arbeitstätigkeit als Kleinkindererzieherin nachgehen, eine weitere Patientin konnte nach 5,5 Wochen und zwei manuell stark beanspruchte Patienten vor Abschluss der 8 Wochen wieder in die Arbeitswelt zurückgeführt werden. Drei weitere Patienten nahmen die Arbeitstätigkeit 8 Wochen postoperativ wieder auf. Drei Patienten waren zum Zeitpunkt der Behandlung bereits im Ruhestand, 2 waren jedoch 4 Wochen und der dritte 8 Wochen postoperativ im Alltag subjektiv nicht mehr eingeschränkt.

Bis zur Verlaufskontrolle nach 8 Wochen erholte sich der Bewegungsumfang des Daumens bei allen Patienten mit einer Retropulsion über die Palmarebene vollständig. Die Extension des IP-Gelenkes war zum Zeitpunkt der Abschlusskontrolle bei allen Patienten bis mindestens 0° möglich. Die Daumenopposition gelang allen Patienten bis Kapandji 9 bzw. 10, lediglich ein Patient erreichte nur eine Opposition bis Kapandji 8.

Die Pinchkraft lag bei der letzten Verlaufskontrolle 8 Wochen postoperativ im Median bei 89 % (39–114 %) der Gegenseite, während sich die Grobkraft auf 93 % (45–113 %) verbesserte.

Die Extension des Zeigefingers war bei 4 von 10 Patienten 2 und 4 Wochen postoperativ leicht abgeschwächt, erholte sich bei allen Probanden aber bis zur Abschlussuntersuchung vollständig.

Der Mittelwert der Schmerzangabe auf der visuellen Analogskala lag bei der ersten postoperativen Verlaufskontrolle bei 0,5 (0–2), nach 4 Wochen bei 0,3 (0–1) und nach 8 Wochen bei 0,3 (0–1,5), wobei die meisten Patienten vollständig beschwerdefrei waren.

Subjektiv waren alle Patienten mit dem Operationsergebnis und dem Verlauf sehr zufrieden. Sie konnten die vorgegebenen Übungen problemlos selbständig durchführen.

Im untersuchten Zeitraum kam es zu keiner Ruptur oder einer funktionsrelevanten Elongation der Sehnennaht. Die Nachbehandlung konnte bei 8 der 10 Patienten nach 8 Wochen beendet werden, da die Patienten wie oben erwähnt ihre Arbeitstätigkeit in vollem Pensum wieder aufgenommen hatten oder im Alltag vollständig beschwerdefrei waren. Eine Patientin klagte noch über Beschwerden im distalen Radioulnargelenk, die nicht mit dem Sehnentransfer in Verbindung standen. Bei einer weiteren Patientin bestand ein Flexionsdefizit des Zeigefingers, welches aber in der Nachkontrolle 4 Monate nach dem Transfer vollständig reversibel war.

Alle Patienten wurden telefonisch 12 Monate postoperativ nochmals kontaktiert. Dabei berichteten alle über ein sehr zufriedenstellendes Resultat, Spätkomplikationen traten keine auf.


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Diskussion

Der Extensor-indicis-Transfer zur Wiederherstellung der Daumenfunktion bei Ruptur der Extensor-pollicis-longus-Sehne ist eine bewährte Methode. Bezüglich der Nachbehandlung besteht jedoch kein Konsens. Häufig erfolgt eine Ruhigstellung über 3–6 Wochen oder eine Behandlung mittels dynamischer Zügelung, was einen erheblichen Aufwand für die behandelnden Therapeuten bedeutet. Eine Belastungsaufnahme erfolgt häufig erst nach 6–8 Wochen [19], [23].

Unsere Arbeit beschreibt erstmalig die Verwendung der Seit-zu-Seit-Naht für den EI-Transfer in Kombination mit einem einfachen aktiven Nachbehandlungsprotokoll.

Eine frühe aktive Nachbehandlung kann das das Risiko von Adhäsionen vermindern und erleichtert die Rekrutierung des Donormuskels. Die sofort sichtbare wiederhergestellte Daumenextension kann zudem ein wichtiger Motivationsfaktor für den Patienten in der Nachbehandlungsphase sein [14].

Giessler und Mitarb. [21] und Megerle und Mitarb. [20] publizierten 2008 erstmals Resultate nach einer frühen aktiven Nachbehandlung nach EI-Transfer unter Verwendung der Pulvertaft-Naht. Dabei wird ein relativ kompliziertes aktives Nachbehandlungsprotokoll mit Limitation der aktiven Flexion im IP-Gelenk durch einen an der Schiene befestigten Block beschrieben. Die Resultate im Vergleich zu einer dynamischen Nachbehandlung mittels Zügelung zur passiven Extension des Daumens zeigten zwar keine höhere Komplikationsrate, jedoch nach 8 Wochen auch keinen Vorteil sowohl in Bezug auf den aktiven Bewegungsumfang als auch die Greifkraft.

Die Vereinigung der Sehnenenden mittels Seit-zu-Seit-Naht nach Fridén erlaubt aufgrund der nachgewiesenen hohen Reißfestigkeit und Überlegenheit gegenüber der Pulvertaft-Naht eine frühe aktive Nachbehandlung [15], [16]. Das von uns erarbeitete einfache aktive Nachbehandlungsprotokoll war gut anzuwenden und zeigte eine hohe Patientenzufriedenheit. Die Rückmeldungen der betreuenden Therapeuten fielen ebenfalls durchwegs positiv aus. Die einfachere Konstruktion der Schiene im Vergleich mit einem dynamischen Protokoll wurde besonders hervorgehoben. Außerdem wurde über eine erhöhte Patientenmotivation zur Durchführung der Übungen berichtet, da die Anwendung im Vergleich zu einer dynamischen Schiene deutlich einfacher bewertet wurde.

Bereits 4 Wochen postoperativ wiesen alle Patienten eine gute Daumenfunktion mit Retropulsion über die Palmarebene und Extension im IP-Gelenk über die 0° auf. Die Pinch-Kraft erholte sich nach 8 Wochen im Mittel auf 89 % der Gegenseite. Verglichen mit den Zahlen von Giessler und Mitarb., die unabhängig vom Nachbehandlungsschema nach 8 Wochen eine Pinch-Kraft von 71 bzw. 73 % beschreiben [21], lässt sich unser Ergebnis als sehr gut einordnen.

Im Durchschnitt gelang unseren Patienten nach 53 Tagen der Wiedereinstieg in ihre vormalige Arbeitstätigkeit. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ist damit vergleichbar mit dem dynamischen Protokoll in der Arbeit von Germann und Mitarb., wo der Durchschnitt bei 55 Tagen lag [24]. Herauszuheben sind aber 2 handwerklich tätige Patienten, denen der Wiedereinstieg vor Abschluss der 8 Wochen gelang.

In unserem Patientenkollektiv kam es über den Beobachtungszeitraum von 12 Monaten trotz des im Vergleich zur Literatur offensiven Nachbehandlungsschemas [21], [23], [25] weder zu einer Ruptur noch zu einer Sehneninsuffizienz. In der Arbeit von Giessler und Mitarb. [21], welche ein konservativeres Nachbehandlungsschema verfolgte, wird eine Ruptur nach 5 Monaten, eine Sehneninsuffizienz sowie eine Sehnenverklebung bei 21 mit Pulvertaft-Naht behandelten Patienten aufgeführt.

Die Limitationen unserer Studie sind die fehlende Kontrollgruppe mit einem konventionellen Nachbehandlungsschema und die geringe Größe des Patientenkollektivs.

Trotzdem hat sich das verkürzte Nachbehandlungsschema in Kombination mit der Seit-zu-Seit-Naht in unserem Haus als Standard durchgesetzt. Seit Ende des Studienzeitraums werden alle Patienten mit einer EPL-Sehnenruptur entsprechend nachbehandelt. Unsere Studie weist ausserdem auf eine raschere Rückkehr der Patienten an ihre Arbeitsstelle hin. Ob sich dies erhärten lässt, ist Gegenstand einer Folgestudie.

Den verminderten Aufwand für die Handtherapeuten und die einfach durchzuführenden Übungen für den Patienten erachten wir als bedeutsame Vorteile unseres aktiven Behandlungsschemas.


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Schlussfolgerung

Das von uns neu entwickelte aktive Nachbehandlungsschema nach Sehnentransfer EI auf EPL ermöglicht in Verbindung mit der von Fridén entwickelten Nahttechnik eine rasche und einfache Nachbehandlung ohne erhöhtes Risiko von Sekundärrupturen und führt zu hoher Patientenzufriedenheit.

Ethikantrag

Die Studie wurde von der Kantonalen Ethikkommission Zürich bewilligt (BASEC-Nr. 2020–00857).


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. Silvia Schibli
Kantonsspital Graubünden, Handchirurgie
Chur
Schweiz   

Publication History

Received: 29 July 2020

Accepted: 13 November 2020

Article published online:
15 February 2021

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Abb. 1 Verbindung der EI- mit der EPL-Sehne mittels Seit-zu-Seit-Naht nach Fridén.