Mit einem 68Gallium-PSMA-PET/CT lassen sich Kopfspeicheldrüsen darstellen – warum auf einmal die
mediale Aufmerksamkeit?
Niederländische Kollegen um Mathijs H. Valstar vom Netherlands Cancer Institute in
Amsterdam berichten in der Fachzeitschrift Radiotherapy and Oncology unter dem Titel
„The tubarial salivary glands: A potential new organ at risk for radiotherapy“ [1]. Bei der Analyse von 68Gallium-PSMA-PET/CT-Untersuchungen ist den Autoren aufgefallen, dass der Tracer außer
den großen Kopfspeicheldrüsen auch regelmäßig eine Region im Nasenrachen direkt neben
dem Torus tubarius beidseitig markierte. Dies mag die Publikation in einem radiotherapeutischen
Journal und nicht etwa in einem anatomischen Journal erklären. PSMA steht für Prostata-spezifisches
Membranantigen (prostate-specific membrane antigen). Die 68Gallium-PSMA-PET/CT wird seit einigen Jahren in der Diagnostik von Prostatakarzinomen
eingesetzt [2]. Die niederländische Arbeitsgruppe hat bereits 2018 ausführlich die physiologische
PSMA-Expression im 68Gallium-PSMA-PET/CT auch in gesunden großen und kleinen Speicheldrüsen sowie in der
Tränendrüse beschrieben [3]. So ist das 68Gallium-PSMA-PET/CT auch geeignet, eine akzessorische Gl. parotis zu detektieren [4]. Die lokale Mehranreicherung in der exemplarischen Falldarstellung in der neuen
niederländischen Publikation zeigt einen lokal erhöhten PSMA-Uptake als Ausdruck einer
dichten Anhäufung von Drüsen. Dies wäre aber durchaus mit einer lokalen Akkumulation
einzelner Speicheldrüsen erklärbar. 68Gallium-PSMA-PET/CT-bildmorphologisch liegt hier nicht notwendigerweise ein neues
Organ vor und somit auch kein Beweis für ein mögliches neues, bislang nicht beschriebenes
eigenes Organ.
In der Arbeit der niederländischen Kollegen wurde histologisch an nur 2 Körperspendern
Speicheldrüsengewebe in der Schleimhaut am Torus tubarius nachgewiesen, das sich korrelierend
zu den Beobachtungen in der 68Gallium-PSMA-PET/CT immunhistochemisch mit PSMA markieren ließ. Die Kollegen sind
der Ansicht, eine neue Kopfspeicheldrüse, die „Tubendrüse“, entdeckt zu haben, was
sich jedoch mit den beschriebenen Befunden nicht belegen lässt. Dass hier tatsächlich
ein neues Organ entdeckt wurde, ist somit eher eine mediale Sensation, als dass wissenschaftlich
wesentliche neue, anatomisch-relevante Erkenntnisse über den Menschen gemacht wurden.
Auch im Nasenrachen sind kleine Speicheldrüsen lange bekannt
Ca. 800–1000 kleine Speicheldrüsen sind im Bereich der Schleimhaut von Lippen, Mundhöhle,
Pharynx einschließlich Nasopharynx, Nase und Nasennebenhöhlen, Larynx, Trachea, Tuba
auditiva und Mittelohr in unterschiedlicher Dichte verteilt. Sie sind in der anatomischen
Literatur im Nasopharynx gut beschrieben [5]
[6]. Kleine Speicheldrüsen in der Nasopharynx- und Tubenschleimhaut wurden bereits in
den anatomischen Lehrbüchern von Henle (1866) und Kopsch (1909) als Schleimdrüsen
ausführlich aufgeführt [7]
[8]. In moderneren Anatomiebüchern findet man Abbildungen von den Drüsen um die Tube;
sie werden als Glandulae tubariae beschrieben, aber ebenso wie die Drüsen etwa des
Gaumens nicht als eigenständiges Organ aufgefasst. Anton von Tröltsch benutzte den
Begriff der Tubendrüsen für die Beschreibung von Drüsen nahe des Paukenhöhlenostiums
(zitiert in: [7]).
Kleine Speicheldrüsen sind in der Regel nicht makroskopisch sichtbar. Nur an den Lippen,
wie es HNO-Ärzte von der Sjögren-Diagnostik kennen, kann man makroskopisch einzelne
Drüsen auf der Lippeninnenseite erahnen. Auch eine konventionelle Bildgebung ist nicht
in der Lage, diese Drüsen darzustellen. Auffällig werden diese kleinen Speicheldrüsen
nur im Fall einer Erkrankung, sei es bei einem Speicheldrüsentumor, einer Retentionszyste
oder einer Extravasationsmukozele. Beide, Tumoren und Zysten, kommen noch relativ
häufig in der Mundhöhle und hier vor allem am Gaumen mit einer bekannt hohen Dichte
an kleinen Speicheldrüsen vor; im Nasenrachen treten sie hingegen nur äußerst selten
auf [9]
[10]. In einer eigenen aktuellen Untersuchung (Ihrler et al., nicht publizierte Daten)
finden sich nur 8 von 378 Tumoren kleiner Speicheldrüsen (2,1 %) im Nasenrachen, jedoch
z. B. 47,6 % am Gaumen. Zahlen zur Häufigkeit von Tumoren kleiner Speicheldrüsen im
Nasenrachen sind überraschenderweise in der Literatur nicht existent.
Es spricht klar mehr dagegen als dafür, dass eine neue Kopfspeicheldrüse entdeckt
wurde
Wenn die mittels 68Gallium-PSMA-PET/CT dargestellte Anhäufung kleiner Speicheldrüsen in der Umgebung
der Tube ein eigenständiges Organ darstellen sollte, würde man statistisch wesentlich
mehr Erkrankungen erwarten. Die histologischen Abbildungen in der niederländischen
Publikation (dort als Abb. 3) zeigen das typische Bild der bekannten kleinen Speicheldrüsen
entsprechend der bestehenden anatomischen und pathologischen Erfahrung [11], aber kein mit den großen Speicheldrüsen vergleichbares eigenständig abgekapseltes
Organ.
Alle Überlegungen sprechen zusammenfassend dafür, dass in der vorliegenden Publikation
lediglich eine dichtere peritubare Anhäufung von histologisch regelhaften und in der
anatomischen, pathologischen und klinischen Literatur gut bekannten kleinen Speicheldrüsen
mit dem PSMA-PET/CT dargestellt wurde. Ausreichende Kriterien zur Annahme eines „neuen
Organs“ sehen wir damit jedoch nicht. Selbstverständlich sollte auch diese Gruppe
kleiner Speicheldrüsen – wie jedes Speicheldrüsengewebe – möglichst bei einer Bestrahlung
geschont werden.
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Die PSMA-PET/CT ist gut geeignet, um Speicheldrüsengewebe darzustellen.
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Es ist seit langem bekannt, dass sich auch im Nasenrachen und peritubar kleine Speicheldrüsen
finden.
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Eine intensivere PSMA-PET/CT-Darstellung von Speicheldrüsengewebe peritubar spricht
für eine Anhäufung von kleinen Speicheldrüsen, aber nicht für ein eigenständiges neues
Organ.
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Bei einer Bestrahlungsplanung könnte die PSMA-PET/CT genutzt werden, um gezielt die
Bestrahlung von Speicheldrüsengewebe zu vermeiden. Dies sollte in klinischen Studien
evaluiert werden.