ergopraxis 2021; 14(03): 36-40
DOI: 10.1055/a-1300-6391
Therapie

Fall für Vier – Selbstständigkeit nach dem Sturz

Beate Lindemann
,
Anna Kroog
,
Julia Gugenhan
,
Ingrid Hendlmeier
 

Bei einem Sturz zog sich Frau Fischer eine Femurfraktur zu. Nach der Reha zeigte sich, dass der Sturz ihr Leben verändert hat: War sie zuvor im Alltag selbstständig, benötigte sie plötzlich mehr Hilfe als ursprünglich erwartet. Die Hausärztin, die Ergo- und die Physiotherapeutin sowie eine Pflegeberaterin berichten aus ihrer Sicht von dem Fall.


#

Dr. med. Beate Lindemann

Zoom Image

ist als hausärztliche Internistin mit Zusatzbezeichnung Klinische Geriatrie und Palliativmedizin in Stuttgart niedergelassen.

Anna Kroog

Zoom Image

Ergotherapeutin BSc (NL) und Gerontologin MSc, war seit 10 Jahre lang leitende Ergotherapeutin im Robert-Bosch-Krankenhaus in der Klinik für Geriatrische Rehabilitation. Seit 2017 ist sie in der Forschungsabteilung tätig, mit Schwerpunkt Aktivitätsförderung älterer Menschen im Alltag.

Julia Gugenhan

Zoom Image

Physiotherapeutin und MSc Therapiewissenschaften, arbeitet derzeit in einer Physiotherapiepraxis. Von 2016 bis 2020 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsabteilung der Klinik für Geriatrische Rehabilitation am Robert-Bosch-Krankenhaus mit den Forschungsschwerpunkten Sturzprävention sowie Förderung der körperlichen Aktivität und Trainingsinterventionen bei älteren Menschen.

Ingrid Hendlmeier

Zoom Image

Diplom-Sozialarbeiterin (FH), Diplom-Gerontologin, ist seit 1996 in der Altenhilfe tätig, seit 2001 als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Forschungsprojekten mit den Schwerpunkten Pflegeberatung, gerontopsychiatrische Epidemiologie und (Prozess-)Evaluation von komplexen Interventionen in ambulanten und stationären Versorgungssettings älterer Menschen.

Zoom Image
© Racle Fotodesign/stock.adobe.com (Symbolbild)

Der Fall

Die 82-jährige Frau Fischer[*] lebt allein in einer Dreizimmerwohnung im zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses ohne Aufzug. Bisher versorgte sie sich selbstständig, doch vor zwei Monaten stürzte sie beim Aufräumen. Sie spürte einen stechenden Schmerz im Hüftbereich und konnte ihr rechtes Bein nicht mehr bewegen. Es war ihr nicht möglich, aufzustehen. Erst abends kam ihre Tochter vorbei, die sofort den Notarzt alarmierte. Im Krankenhaus wurde eine subtrochantäre Femurfraktur rechts diagnostiziert. Die operative Versorgung mittels Gamma-Nagel erfolgte am nächsten Tag.

Der Tochter war schon vor dem Sturz die zunehmende Vergesslichkeit ihrer Mutter aufgefallen. Diese verschlechterte sich nach der Operation. Ein Delir wurde mittels Confusion Assessment Method ausgeschlossen [1]. Im Anschluss an die OP kam Frau Fischer für drei Wochen in eine geriatrische Reha-Klinik. Zu diesem Zeitpunkt war sie auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie konnte weder selbstständig stehen noch gehen. Der Mini Mental Status Test [2] bestätigte das Vorliegen kognitiver Einschränkungen (MMST = 23/30).

Frau Fischer machte in der Rehabilitation Fortschritte und trainierte motiviert. Bei Entlassung war sie mit dem Rollator auf Flurebene mobil und benötigte nur wenig pflegerische Unterstützung. Im Gespräch mit dem Sozialdienst sagte die Tochter zu, ihre Mutter nach deren Rückkehr in die Wohnung zu unterstützen. Frau Fischer wurde entlassen. Die Hausärztin verordnete nach der Vorlage des Entlassbriefes Physiotherapie und Ergotherapie im Hausbesuch.

Zu Hause stellte sich heraus, dass Frau Fischer auf mehr Hilfe angewiesen war als vermutet. Sie traute sich nicht, das Haus allein zu verlassen. Ihre Tochter kam täglich vor der Arbeit vorbei, um sie bei der Morgenroutine zu unterstützen, das Frühstück zu richten sowie die Medikamenteneinnahme zu begleiten. Sie kochte ihrer Mutter Mittagessen vor, ging einmal in der Woche einkaufen und unterstützte sie bei anderen Erledigungen rund um den Haushalt. Abends kam die Tochter noch einmal vorbei und half ihrer Mutter beim Zubettgehen. Frau Fischer wollte auf keinen Fall in ein Pflegeheim, gleichzeitig aber auch der Tochter nicht zur Last fallen. Die Tochter merkte, dass sie durch die zeitaufwendige Betreuung an ihre Belastungsgrenze kam. Beide suchten erneut Rat bei der Hausärztin, die den Besuch einer Pflegeberatungsstelle empfahl.

Michaela Groß (Physiotherapeutin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart)


#

Hausärztliche Versorgung

Zoom Image
ABB. 2 Ein Baustein in der hausärztlichen Versorgung ist die medikamentöse Beratung zur erfolgreichen Schmerztherapie. © Pixel-Shot/stock.adobe.com (Symbolbild) © Racle Fotodesign/stock.adobe.com (Symbolbild)

Nachdem die Tochter den Entlassbrief in der Praxis vorlegte, erhielt sie Verordnungen für Physio- und Ergotherapie mit Hausbesuch. Der Medikationsplan aus der Reha wurde übernommen und die entsprechenden Rezepte wurden ausgestellt.

Schmerzfreies Gehen gibt Sicherheit

Da Frau Fischer nur mit Mühe die Wohnung verlassen konnte, plante ich einen Hausbesuch in Anwesenheit der Tochter ein. Die Wundinspektion zeigte eine reizlos verheilte Naht nach Implantation eines Gamma-Nagels nach subtrochantärer Femurfraktur. Frau Fischer konnte aus dem Sessel aufstehen und mit dem Rollator ein paar Schritte gehen. Beim Auftreten hatte sie Schmerzen. Die bei Entlassung empfohlenen Schmerzmittel (Novaminsulfon 4 x 2 Tabletten) hatte sie nicht eingenommen. Es seien ihr viel zu viele Tabletten. Im Gespräch klärten wir, dass das Gehen ohne Schmerzen mehr Sicherheit geben könne und damit auch einen größeren Bewegungsradius. Wir besprachen, die Schmerztherapie mit zunächst 4-mal täglich 1 Tablette Novaminsulfon umzusetzen. In spätestens vier Wochen sollte eine Reevaluation stattfinden. Der Tochter empfahl ich, einen ambulanten Pflegedienst zum Richten und Verabreichen der Medikamente in Anspruch zu nehmen. Diese Leistung übernimmt die Krankenkasse, unabhängig davon, ob ein Pflegegrad vorliegt.

Die Tochter erklärte sich bereit, sobald Frau Fischer die Wohnung verlassen kann, einen Termin beim Orthopäden zur Knochendichtemessung zu vereinbaren. Bis dahin wurde als Basistherapie mit Vitamin D 1000 I.E. (= 25 Mikrogramm) pro Tag behandelt.


#

Abklärung Sturzgefährdung und Demenz

Gemeinsam versuchten wir, den Sturzhergang zu rekonstruieren. Es gab wenig Hinweise für eine Synkope oder ein Kreislaufproblem. Der Blutdruck lag bei 140/85 mmHg, was formal etwas hoch ist. Wir vereinbarten, die bisherige Blutdruckmedikation mit einem ACE-Hemmer und einem Calciumantagonisten in mittlerer Dosis fortzusetzen. In vier Wochen sollte eine Verlaufskontrolle über den Pflegedienst stattfinden. Mutter und Tochter berichteten, dass Stolperfallen nach der Beratung durch die Ergotherapeutin beseitigt wurden, jedoch weitere Hilfsmittel im Bad benötigt werden. Ich betonte die Wichtigkeit weiterer Physio- und Ergotherapie und bot Folgerezepte an.

Im Gespräch fiel auf, dass Frau Fischer unsicher in ihren Antworten war. Die Tochter berichtete über die beobachteten Gedächtnisprobleme und die Sorge vor einer demenziellen Entwicklung. Wir besprachen entsprechend der S3-Leitlinie Demenz [3] die Konsultation eines Neurologen, allerdings würde man dafür 6–8 Wochen abwarten, um Frau Fischer die Möglichkeit zu geben, sich im häuslichen Umfeld einzugewöhnen. Auch waren leichte delirante Bilder (Durchgangssyndrom) trotz negativem Delir-Screening nicht auszuschließen, sodass möglicherweise eine Besserung zu erwarten war. Die laborchemische Abklärung zum Ausschluss sekundärer Ursachen einer Demenz (TSH, B12) wurde in der Reha durchgeführt, leider keine craniale Computertomografie (CCT), die ich zur Vorbereitung des Besuchs beim Neurologen ambulant veranlasste.


#

Weitere Entlastung ermöglichen

Die Tochter berichtete, dass sie der hohe Hilfebedarf der Mutter nach der Reha überrascht hatte und sie an ihre Grenzen stoße. Ich empfahl einen Beratungstermin beim Pflegestützpunkt, um die Entlastungsmöglichkeiten zu besprechen, die ich kurz vorstellte [4]. Ein weiterer Hausbesuch in 4–5 Wochen wurde vereinbart. Ich bot der Tochter an, sich per E-Mail oder über die Arzthelferinnen in der Praxis zu melden, wenn Fragen oder Probleme auftauchen.

Beate Lindemann


#
#

Ergotherapie

Zoom Image
ABB. 3 Der Patientin war es wichtig, sich selbstständig zu versorgen. In der Ergotherapie übte sie unter anderem das Zubereiten einfacher Mahlzeiten. © Thieme Group/Kirsten Oborny (Symbolbild)

Mein erster Kontakt mit Frau Fischer und ihrer Tochter fand zwei Wochen nach der Entlassung aus der Reha statt. Im Gespräch fiel es ihr schwer, ihre Krankengeschichte und den Rehabilitationsverlauf in Worte zu fassen. Sie benötigte die Unterstützung der Tochter.

Unsicherheit bei vielen Alltagshandlungen

Frau Fischer war im Umgang mit dem Rollator unsicher und verließ das Haus aktuell nicht, was ihre Teilhabe erheblich einschränkte. Die Tochter berichtete über kognitive Schwierigkeiten im Alltag. Da während der stationären Reha ein Mini Mental Status Test [2] durchgeführt wurde, verzichtete ich auf die erneute kognitive Testung. Mittels Bewegungsausführung der Arme und der Hand schätzte ich die Beweglichkeit der oberen Extremitäten ein und erfragte, ob Schmerzen auftraten (VAS Score). Ich prüfte beidseits die Sensibilität der Hände, Handkraft, Temperaturempfinden und Oppositionsgriffe. Im Falle von Auffälligkeiten hätte ich spezifisch nachgetestet. Das Bewegungsausmaß beider Schultergelenke war gut, Frau Fischer gab keine Schmerzen an. Es zeigten sich Kraftdefizite in beiden Händen, und die Oppositionsgriffe waren nur verlangsamt und mit visueller Kontrolle durchzuführen. Durch rheumatische Veränderungen in den Fingergelenken hatte die Klientin bei Bewegungen leichte Schmerzen (VAS Score 3–4). Sie berichtete von Schwierigkeiten während alltäglicher Abläufe, etwa bei der Zubereitung von einfachen Mahlzeiten.

Ich bat Frau Fischer, mithilfe des Rollators einen Sitz-Stand-Transfer vom Sessel und einen Liegen-Sitz-Stand-Transfer vom Bett durchzuführen. Zudem beobachtete ich das Rollatorhandling in der gesamten Wohnung. Bei Drehungen und Transfers hatte sie Angst vor Stürzen und kam mit dem Bremsen nicht gut zurecht. An Engstellen war sie unsicher. Das beeinträchtigte den selbstständigen Toilettengang und die morgendliche Routine im Bad.

Durch eine kurze Besichtigung der Wohnung verschaffte ich mir einen Überblick über die Barrierefreiheit: An einigen Stellen gab es Stolperfallen durch Türschwellen und durch Teppiche, die im Flur und im Wohnzimmer auslagen. Zudem waren die Möbel so angeordnet, dass ein sicheres Umfahren mit dem Rollator erschwert war. Gemeinsam wurden Ziele für die weitere Behandlung formuliert. Frau Fischer war es wichtig, sich in der Wohnung wieder selbst versorgen zu können, insbesondere sich selbstständig zu waschen und anzuziehen sowie Mahlzeiten zuzubereiten.


#

Selbstversorgung und selbstständige Körperpflege

Bei den folgenden Hausbesuchen führte ich mit Frau Fischer Wasch- und Anziehtrainings durch (Einsatz von Anziehhilfen). Wir übten das Rollatorhandling bei Transfers aus dem Sitz und beim Gehen. Zudem trainierten wir das Zubereiten von leichten Mahlzeiten in der Küche und das Decken des Tisches mithilfe des Rollators. Wir führten ein kognitives Training durch, um die Merkfähigkeit und Aufmerksamkeit zu verbessern, und übten den Umgang mit Orientierungshilfen (Kalendereinträge, Visualisierung). Des Weiteren wurde Krafttraining für die Hände mit verschiedenen Materialien durchgeführt und die Klientin wurde in Übungen angeleitet, um die Schmerzen in den Fingergelenken zu verringern. Die Teppiche im Flur und Wohnzimmer waren mit ihrem Einverständnis beim ersten Hausbesuch aufgerollt worden.

Da Frau Fischer bei der Therapie gut mitmachte, waren die Ziele realistisch und der Fortschritt gut zu beobachten. Weitere Schwerpunkte waren die Wohnungsanpassung durch Umräumen des Mobiliars sowie der Kontakt mit dem Sanitätshaus, um Schwellen anzupassen und Hilfsmittel im Bad zu ergänzen. Für die nächsten Termine planten wir, zum nahe gelegenen Einkaufsmarkt zu gehen und das Besorgen von Lebensmitteln zu erproben.

Anna Kroog


#
#

Physiotherapie

Zoom Image
ABB. 4 Funktionelle Kraft-übungen wie das Treppensteigen trainierte Frau Fischer in der Physiotherapie. © toa555/stock.adobe.com (Symbolbild)

Mein erster Hausbesuch fand in der zweiten Woche nach der Entlassung aus der Reha statt. Frau Fischer wünschte sich, den Haushalt und vor allem das Einkaufen wieder selbstständig zu erledigen. Allerdings hatte sie Angst, die Wohnung zu verlassen. Verstärkt wurden ihre Bedenken durch belastungsabhängige Schmerzen, die bei langem Stehen und auch bei kurzen Gehstrecken auftraten. In ihrer Wohnung war Frau Fischer mühsam mit Rollator unterwegs.

Sturzgefahr ermitteln

Im Gespräch erzählte mir die Patientin, dass sie im letzten Jahr hin und wieder in der Wohnung gestolpert war. Sie war bis dahin aber nie gestürzt und hatte sich nie verletzt. Durch den vorausgegangenen verletzungsbedingten Sturz, das häufige Stolpern im letzten Jahr und die bestehende Sturzangst bei Tätigkeiten des alltäglichen Lebens schloss ich auf eine erhöhte Sturzgefahr. Hinzu kamen kognitive Einschränkungen, von denen mir die Tochter bereits telefonisch berichtet hatte. Zur funktionellen Testung führte ich den Timed-up-and-go-Test (TUG) und die Short Physical Performance Battery (SPPB) durch [5]–[7]. Die Schmerzintensität erhob ich mittels Visueller Analogskala (VAS).

Die erhobenen Daten aus der Anamnese (vorausgegangene Stürze, Sturzangst, kognitive Einschränkungen) sowie die Werte aus der funktionellen Testung zeigten eine erhöhte Sturzgefahr (TUG: 14 Sekunden; SPPB: 6/12). Die Schmerzen im rechten Bein waren beim Gehen erhöht (VAS: 5/10). In Ruhe gab Frau Fischer kaum Schmerzen an (VAS: 1/10).


#

Sturzrisiko reduzieren

Zunächst führte ich mit ihr zweimal wöchentlich ein intensives Trainingsprogramm durch, welches auf die Reduzierung des Sturzrisikos abzielte. Besonders effektiv sind Programme, in deren Mittelpunkt das individuell herausfordernde progressive Gleichgewichts- und Funktionstraining steht [8]. Um die Balance zu verbessern, wählte ich statische Gleichgewichtsübungen mit Verkleinerung der Unterstützungsfläche (Tandem-/Einbeinstand), außerdem dynamische und reaktive Übungen (Tandemgang) sowie sogenannte Dual-Task-Aufgaben (Fangen eines Luftballons im Tandemstand). Außerdem führte ich funktionelle Kraftübungen mit Frau Fischer durch wie Treppensteigen oder Kräftigungsübungen des Beines im Stand (Schwerpunkt rechtes Bein). Um die Sturzangst zu reduzieren, wurde sie nach der Schmerzlinderung zu einem systematischen Boden-Aufsteh-Training (Backward Chaining) angeleitet [9].

Wir besprachen die Bedeutung der allgemeinen Steigerung von körperlicher Aktivität im Alltag und planten die individuelle Umsetzung [10]. Hierzu übten wir, mit Begleitung in den Garten zu gelangen. Um eine ausreichende Trainingsdosierung langfristig zu erreichen, stand in jeder Therapieeinheit das Anleiten zum selbstständigen Üben im Vordergrund.


#

Kontinuierlich trainieren mit Unterstützung

Der Patientin fiel es wegen der kognitiven Einschränkungen nicht leicht, selbststrukturiert zu trainieren. Um eine ausreichende Trainingsadhärenz und -kontinuität zu gewährleisten, war eine Begleitung des Trainings notwendig. Für die Tochter war diese zusätzliche Aufgabe zu den bereits existierenden Betreuungsaufgaben nicht zumutbar. Ich informierte über die Möglichkeit eines ehrenamtlichen Besuchsdienstes mit Schwerpunkt Aktivierung und Mobilitätsförderung und empfahl, sich an den Pflegestützpunkt zu wenden. Im weiteren Verlauf ist geplant, dass Frau Fischer zu Fuß in die nahe gelegene Physiotherapiepraxis kommt, um das Gleichgewicht, die Kraft und somit ihre Selbstständigkeit weiter zu verbessern.

Julia Gugenhan


#
#

Pflegeberatung

Zoom Image
ABB. 5 In der Pflegeberatung informierten sich Frau Fischer und ihre Tochter über Pflegeleistungen und beantragten einen Pflegegrad nach SGB XI. © agenturfotografin/stock.adobe.com (Symbolbild)

Die aufsuchende Beratung in Frau Fischers Wohnung fand im Beisein der Tochter und fünf Wochen nach der Reha statt. Das Assessment mittels Pflegeberatungsinventar [11] zeigte, dass die Klientin im Alltag Unterstützung durch ihre Tochter benötigte. Frau Fischer wünschte sich einen Notrufknopf für den Fall eines erneuten Sturzes. Die Tochter erzählte von der Idee eines ehrenamtlichen Besuchsdienstes zur Begleitung der physiotherapeutischen Übungen. Zudem wünschte sie sich eine Beratung zum Umgang mit der Hilfebedürftigkeit der Mutter, zu Vorsorgeverfügungen sowie zu konkreten Unterstützungsangeboten beim Duschen und eines Mahlzeitenlieferdienstes.

Versorgungsplan

Im Gespräch ging es um die Entscheidungsfindung: Welche Themen im Unterstützungs-/Versorgungsplan sollen priorisiert werden? Dafür wurden erste Informationen vermittelt, Lösungsideen gesammelt sowie die weiteren Schritte und ausführenden Personen festgelegt.

Mahlzeiten liefern: Aus einer Liste der örtlichen Mahlzeitendienste wählte Frau Fischer eine Metzgerei aus. Die Tochter vereinbarte die Lieferung eines Mittagessens von Montag bis Samstag.

Pflegegrad beantragen: Wir schätzten gemeinsam den aktuellen Unterstützungsbedarfs in den für den Pflegegrad (PG) relevanten Bereichen ein. Zudem informierte ich über die Leistungen (z. B. ambulanter Pflegedienst als Pflegesachleistung, Finanzierung Hausnotrufdienst) sowie über den Prozess [12], [13]. Der Antrag wurde vor Ort ausgefüllt. Zur Vorbereitung des MDK-Besuchs empfahl ich der Tochter, die geleistete Unterstützung sowie ihren Zeitbedarf zu notieren, um eventuell als Pflegeperson anerkannt zu werden.

Pflegezeit: Die Tochter beriet ich über die Möglichkeit der kurzzeitigen Arbeitsfreistellung zur Organisation der Pflege (bis zu zehn Arbeitstage, Pflegeunterstützungsgeld für die Ausfallzeiten) [12], [13].

Besuchsdienste: Die Kosten für Unterstützungsangebote im Alltag können über den Entlastungsbetrag §45a SGB XI beglichen werden. Ich übernahm die Aufgabe, die zwei in Frage kommenden Besuchsdienste anzurufen und einen Erstbesuch in die Wege zu leiten.

Vorsorgeverfügung: Mit einer Vorsorgevollmacht kann eine andere Person bevollmächtigt werden, Angelegenheiten in den festgelegten Bereichen zu regeln, sobald man dazu selbst nicht mehr in der Lage ist [14]. Frau Fischer wünschte sich, dass ihre Tochter Entscheidungen für sie treffen kann. Wegen der bereits bestehenden Vergesslichkeit empfahl ich diese bald zu realisieren und überreichte eine Vorlage.

Subjektive Belastung: Mit der Tochter vereinbarte ich einen weiteren Beratungstermin, um ihre Belastungssituation mittels des Problemlösetrainings in der Pflegeberatung [15] zu thematisieren.


#

Monitoring und Ausblick

Etwa einmal im Monat telefoniere ich mit Frau Fischer. Sie erhielt den Pflegegrad 2 befristet auf ein Jahr. Zusätzlich zur Medikamentengabe kommt der ambulante Pflegedienst täglich zum abendlichen Zubettgehen und einmal wöchentlich zum Duschen. Der Hausnotrufdienst wurde eingerichtet. Für die Begleitung der Bewegungsübungen besucht eine ehrenamtliche Mitarbeiterin der Nachbarschaftshilfe zweimal wöchentlich Frau Fischer. Die Rechnungen reichte die Tochter bei der Pflegekasse zur Erstattung ein. Das mit der Tochter begonnene Problemlösetraining unterstützte deren Umgang mit der Hilfebedürftigkeit der Mutter, den eigenen Erwartungen und der neuen Rolle und entlastete sie deutlich.

Ingrid Hendlmeier


#
#
#

1 *Name von der Redaktion geändert.



Publication History

Article published online:
23 February 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


Zoom Image
Zoom Image
Zoom Image
Zoom Image
Zoom Image
© Racle Fotodesign/stock.adobe.com (Symbolbild)
Zoom Image
ABB. 2 Ein Baustein in der hausärztlichen Versorgung ist die medikamentöse Beratung zur erfolgreichen Schmerztherapie. © Pixel-Shot/stock.adobe.com (Symbolbild) © Racle Fotodesign/stock.adobe.com (Symbolbild)
Zoom Image
ABB. 3 Der Patientin war es wichtig, sich selbstständig zu versorgen. In der Ergotherapie übte sie unter anderem das Zubereiten einfacher Mahlzeiten. © Thieme Group/Kirsten Oborny (Symbolbild)
Zoom Image
ABB. 4 Funktionelle Kraft-übungen wie das Treppensteigen trainierte Frau Fischer in der Physiotherapie. © toa555/stock.adobe.com (Symbolbild)
Zoom Image
ABB. 5 In der Pflegeberatung informierten sich Frau Fischer und ihre Tochter über Pflegeleistungen und beantragten einen Pflegegrad nach SGB XI. © agenturfotografin/stock.adobe.com (Symbolbild)