Laryngorhinootologie 2021; 100(01): 30-37
DOI: 10.1055/a-1250-8639
Originalarbeit

Auditive Verarbeitung und Wahrnehmung bei Kindern und Jugendlichen mit Gaumenspalte

Auditory processing in children and adolescents with cleft palate
Susanne Hofer-Martini
1   Pädiatrie, MVZ Praxisverbund Leipziger Land/Markranstädt, Leipzig, Germany
,
Mathias Hofer
2   HNO-Praxis Lindenauer Markt, Leipzig, Germany
4   Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Leipzig AöR, Leipzig, Germany
,
Alexander Hemprich
3   Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum Leipzig AöR, Leipzig, Germany
,
Thomas Berger
4   Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Leipzig AöR, Leipzig, Germany
5   Sektion Phoniatrie und Audiologie der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Leipzig, Germany
,
Michael Fuchs
4   Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Leipzig AöR, Leipzig, Germany
5   Sektion Phoniatrie und Audiologie der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Leipzig, Germany
,
Sylvia Meuret
4   Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Leipzig AöR, Leipzig, Germany
5   Sektion Phoniatrie und Audiologie der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Leipzig, Germany
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Zusammenfassung

Hintergrund Patienten mit Gaumenspalte haben sehr häufig im Kindesalter einen binauralen Paukenerguss. Die konsekutive Schallleitungsschwerhörigkeit gilt als Risikofaktor für die Entwicklung einer auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung. In der internationalen Literatur finden sich nur wenige Studien über die auditive Verarbeitung und Wahrnehmung bei dieser Population. Daher hatte diese Untersuchung das Ziel, ein eigenes Patientenklientel mit vorhandener Spalte unterschiedlicher Ausprägung hinsichtlich Auffälligkeiten auditiver Leistungen zu bewerten und in Kontext mit der vorhandenen Studienlage zu setzen.

Material und Methoden In die Studie konnten 48 Patienten im Alter von 5–16 Jahren eingeschlossen werden. Alle hatten eine nichtsyndromale Gaumenspalte und zum Zeitpunkt der Untersuchung ein peripheres Normalgehör. Bei allen Patienten wurde eine HNO-ärztliche und audiologische Untersuchung durchgeführt (Ohrmikroskopie, Reintonaudiogramm, Tympanometrie, Sprachverständnis im Störschall, dichotische Diskrimination, auditives Kurzzeitgedächtnis) sowie ein Elternfragebogen (DGPP-AVWS-FB) erhoben.

Ergebnisse Die Mehrzahl der Eltern gab im DGPP-AVWS-FB keine Auffälligkeiten hinsichtlich der Leistungen der auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung ihrer Kinder an. Das Hören im Störschall war bei 69 % auffällig, das auditive Kurzzeitgedächtnis sowie auch die dichotische Diskrimination bei 16,7 %. Insgesamt zeigte sich in der Altersverteilung, dass sowohl beim auditiven Gedächtnis als auch beim dichotischen Hören vor allem die jüngeren Kinder Defizite hatten. Kinder mit Auffälligkeiten beim Hören im Störschall waren über alle Altersgruppen verteilt.

Schlussfolgerung Kinder und Jugendliche mit einer Gaumenspalte haben ein erhöhtes Risiko, Probleme im Bereich der auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung zu entwickeln. In der vorliegenden Studienpopulation war vor allem das Hören im Störschall auffällig. 90 % der Kinder hatten bereits eine Sprachtherapie absolviert, die bereits mögliche Probleme im Bereich der auditiven Merkfähigkeit oder des dichotischen Hörens therapiert/kompensiert haben könnte, jedoch weniger das Hören im Störschall.

Abstract

Background Patients with cleft palate often suffer from recurrent otitis media chronica with effusion during infancy. The consecutive binaural conductive hearing loss is seen as a risk factor for developing auditory processing disease. Since there are just a few studies examining auditory processing in this population this study aimed to investigate on an own patient cohort with different cleft manifestations in terms of auditory processing disorders in context to given studies.

Material and methods This study included 48 patients (5–16 years): all patients had a non-syndromic cleft palate and normal peripheral hearing at the time of examination. The protocol included otoscopy, pure tone audiogram, speech intelligibility in noise, dichotic speech discrimination, auditory short-term memory and a parental questionnaire.

Results The majority of the parents did not indicate problems in the parental questionnaire. 69 % of the participants showed conspicuous results in the speech intelligibility in noise, whereas the dichotic speech discrimination and the auditory short-term memory were suspicious in 16.7 % only. The results in both tests proved mainly a problem in younger children. Noticeable results in speech intelligibility in noise were found in all age groups.

Conclusion Children and adolescents with cleft palate are at risk to develop auditory processing disorders. In this study population speech intelligibility in noise was the most common problem. 90 % of the children had received a speech therapy which could have already compensated problems concerning dichotic speech discrimination and the auditory short-term memory but not problems in speech intelligibility in noise.



Publication History

Received: 04 March 2020

Accepted: 29 August 2020

Article published online:
06 October 2020

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