PiD - Psychotherapie im Dialog 2021; 22(02): 119
DOI: 10.1055/a-1215-1070
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Wer sagt eigentlich, dass Griechenland aus weißen Häusern und blauem Meer besteht?

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(Quelle: Hans-Ulrich Wilms)

Waren Sie schon mal in Griechenland? Welche Bilder entstehen vor Ihrem inneren Auge, wenn Sie an eine mögliche Reise dorthin denken? Oder erinnern Sie eher das Drama um Schulden und Europa und jenen vorwitzig wirkenden Minister, der eine Zeit lang die Medien mit ungewöhnlich mutigen Forderungen beschäftigte? Welche Farben assoziieren Sie außer dem Blau und dem Weiß der Nationalflagge?

Zugegeben, als wir vor Jahren auf die Idee kamen, unseren Urlaub in Griechenland zu verbringen, hatten wir überaus kompetente Hilfe, all das nicht zu verfolgen: Ein Kollege, Sohn griechischer Einwanderer, stand uns mit Tipps und Tricks zur Seite. Er ermutigte uns eindrücklich, den Norden des Landes zu bereisen, und sprach über Orte, von deren Existenz ich noch nie gehört, geschweige denn in Reiseprospekten gelesen hatte. So fanden wir die tiefste Schlucht der Welt und sind heute immer noch fasziniert davon, dass es der Grand Canyon eben nicht ist. Völlig gegen alle Vernunft – und insbesondere unseren Trainingszustand – konnten selbst wir dem Versuch einer ausgiebigen Wanderung nicht widerstehen. Mit Schmerzen in Gegenden unseres Körpers, wo wir bisher keine Muskeln vermutet hatten, saßen wir am Ende des Tages glücklich auf der Terrasse unserer Pension bei Teilen eines gebratenen Zickleins, und waren mit uns und der Welt zufrieden.

Dennoch waren die wirklichen „Fundorte“ andere. Zum Beispiel die unglaublichen Brücken in der Dörfer-Gemeinde Zagori: teilweise im 18. Jahrhundert erbaut, oft so zugewachsen, dass sich selbst mit Beschilderung der Weg dorthin einigermaßen abenteuerlich gestaltete und einer kleinen Expedition ins Ungewisse ähnelte. Oder jene gar nicht mal kleine Kirche in einem winzigen Ort am Ende einer Sackgasse, die eine einzige Baustelle war. Restauratoren waren dabei, die Wandmalereien zu retten, und zeigten uns, wie sie vorgingen. Nebenan ein Mini-Café, in dem kein Mensch irgendein Wort Englisch oder gar Deutsch sprach und wir erst mithilfe eines Griechisch lernenden Briten unsere Wünsche nach einem Kaffee an den Mann bringen konnten. Was mit dem Kaffee unaufgefordert kam, war unglaubliches Gebäck (der Begriff „Keks“ verbietet sich an dieser Stelle), von dem jedes einzelne Teil für sich ein kleines Meisterwerk war. Ein bisschen wie die sakrale Kunst nebenan, deren Schönheit mit so viel Akribie gerade wiederhergestellt wurde – aber definitiv vergänglicher.

Dr. Bettina Wilms, Querfurt



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Article published online:
26 May 2021

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