Schlüsselwörter
Nährstoffe - orthomolekulare Medizin - Immunsystem - virale Infekte - Vitamin A -
Vitamin C - Vitamin D - Selen - Zink - Omega-3-Fettsäuren
Key words
Nutrients - orthomolecular medicine - immune system - viral infections - vitamin A
- vitamin C - vitamin D - selenium - zinc - omega-3 fatty acids
Die berühmte heiße Zitrone wird gern bei beginnender Erkältung getrunken, ist aber
überschätzt: Die Dosis von ca. 50 mg Vitamin C lässt keine immunstimulierende Wirkung
erwarten, zudem ist das Vitamin sehr thermolabil. (Quelle: Kirsten Oborny/Thieme Gruppe)
Um welche Nährstoffe geht es hauptsächlich?
Um welche Nährstoffe geht es hauptsächlich?
Sicher beeinflussen noch mehr Nährstoffe in gewissem Maße unterschiedliche Funktionen
des Immunsystems. Die hier vorgestellten sechs Substanzen stellen für mich aber das
„Sixpack unseres Immunsystems“ dar, ohne die es einfach gar nicht geht.
Kurz nach Ausbruch von Covid-19 in Wuhan erschien in einem virologischen Fachjournal
eine Übersichtsarbeit mit für das Immunsystem wichtigen Substanzen, wobei nicht nur
Orthomolekularia, sondern auch Phytotherapeutika diskutiert wurden. Grundlage des
Reviews waren dabei keine Interventionsstudien, die es zu diesem Zeitpunkt bei Covid-19
noch gar nicht geben konnte, sondern Überlegungen aufgrund von Grundlagenstudien sowie
anhand der bei anderen viralen Infekten durchgeführten klinischen Studien. Interessanterweise
hoben die Autoren genau dieselben sechs Nährstoffe hervor, die ich selbst aufgrund
meiner Kenntnis der Datenlage und der eigenen praktischen Erfahrung ausgewählt hätte,
nämlich die Vitamine A, C und D, die Spurenelemente Zink und Selen sowie die maritimen
Omega-3-Fettsäuren EPA/DHA [1].
Vitamin A – das Haut- und Barrierevitamin
Vitamin A – das Haut- und Barrierevitamin
Vitamin A ist in der orthomolekularen Medizin eigentlich ein alter Hut, den (fast)
niemand mehr auf der Agenda hat. Dabei spielt Vitamin A bzw. sein Derivat, die Retinolsäure,
eine wichtige Rolle insbesondere bei der Regulation des Immunsystems, insbesondere
an unseren Grenzflächen zur Außenwelt, nämlich Haut und Schleimhaut, wie in einer
Übersichtsarbeit überzeugend dargestellt wird [2]. In einem weiteren Review wird dargestellt, an welchen Stellen des zellulären (z. B.
TH1-, TH2- und TH17-Zellen) und des humoralen Immunsystems (z. B. IL-4, –6, –10, –15
und –21) die Retinolsäure im Sinne einer Balancierung des Immunsystems eingreift [3].
Zufuhrempfehlung für das Immunsystem Der übliche Tagesbedarf von ca. 3000 IE kann unbedenklich zusätzlich zugeführt werden.
Es wird wegen möglicher teratogener Effekte hoher Dosen zwar nicht ganz zu Unrecht,
aber in weit übertriebenem Ausmaß vor der Gefährlichkeit von Vitamin A gewarnt. Bis
10 000 IE Vitamin A aus Nahrung plus Supplementen gelten als sicher. Eine Zufuhr von
9000 IE zur Aufsättigung bei vermuteter ungenügender Nahrungszufuhr für einige Wochen
mit anschließender Erhaltungsdosis von 3000–6000 IE kann keine Schäden anrichten.
In Zeiten erhöhter Infektgefahr, z. B. im Rahmen einer Pandemie oder in der Winterzeit
bei erhöhter individueller Infektneigung, kann sicher auch über einige Wochen eine
Dosierung in Höhe von 6000–9000 IE je nach sonstiger Zufuhr über die Nahrung eingenommen
werden.
Während vor potenziellen Überdosierungen gewarnt wird, geschieht dies nicht bei der
Gefahr einer Unterversorgung bestimmter Bevölkerungsgruppen, die aufgrund ihrer Ernährung
kein (Veganer) oder fast kein Vitamin A (Vegetarier) zu sich nehmen. Vitamin A kann
zwar aus Beta-Carotin selbst synthetisiert werden, was aber nicht immer gewährleistet
erscheint. Die empfohlenen Dosierungen können auch ohne Labormessung eingenommen werden.
Vitamin C – das Anti-Skorbut-Vitamin
Vitamin C – das Anti-Skorbut-Vitamin
Vitamin C gilt gerade unter Laien als das „Immunvitamin“ par excellence. Patienten
sind aber immer wieder sehr erstaunt, wenn sie erfahren, dass die berühmte „heiße
Zitrone“ praktisch keinen Nutzen bei einer beginnenden Erkältung entfalten kann. Erstens
enthält eine Zitrone mit ca. 50 mg Vitamin C eine Dosis von der kaum eine immunstimulierende
Wirkung zu erwarten ist. Zweitens wird selbst dieses wenige im Zitronensaft enthalten
thermolabile Vitamin C bei Temperaturen nahe 100 °C praktisch völlig zerstört. Wenn
man sich der „heißen Zitrone“ bedient, die aufgrund der Wärmezufuhr, die in der Phase
den Infektbeginns mit Frösteln und der positiven Besetzung der Zitrone sicher sinnvoll
ist, dann sollte heißes Wasser in Trinktemperatur verwendet werden.
Diese Wirkungen von Vitamin C auf das Immunsystem gelten laut Grundlagenliteratur
als gesichert:
-
Hauptoxidans des Surfactant der Lunge
-
Leukozytenproliferation ↑
-
NK-Zellaktivität ↑
-
Antimikrobielle Aktivität ↑
-
Hinweise auf direkte antivirale Wirkungen
-
Regeneration des Tocopherol-Radikals
-
Bestandteil des Redoxsystems
Um diese Wirkungen zu erzielen, sind aber Dosierung im Grammbereich notwendig. Entgegen
der Erwartungen gibt es zu Vitamin C bei weitem nicht so viele klinische Studien wie
etwa zu Vitamin D oder Zink. In einer beispielhaften Untersuchung erhielten 168 Probanden
kontrolliert, randomisiert und doppelblind über 60 Wintertage täglich 1 g Vitamin
C oder Placebo. In der Verumgruppe kam es im Vergleich zu Placebo zu signifikant weniger
Erkältungen (–26 %) und signifikant weniger Krankheitstagen (–44 %) [4].
Zufuhrempfehlung für das Immunsystem Präventiv macht man mit 1–2 g Vitamin C als Pulver oder Tablette sicher nichts verkehrt.
Auch höhere Dosen in akuten Infektphasen dürfen vorübergehend genommen werden. Bei
Auftreten weicher Stühle aufgrund eines salinischen Effektes, da bei steigender Dosis
die Resorptionsrate relativ immer weiter absinkt, sollte die Dosis reduziert werden.
Nach Einnahme von Vitamin C in Form von Pulver in Saft oder Wasser oder als Brausetablette
sollte der Mund mit klarem Wasser gespült werden, um schädliche Auswirkungen der Ascorbinsäure
auf den Zahnschmelz zu vermeiden. Wird die Ascorbinsäure vonseiten des Magens nicht
gut toleriert, so sollten retardiertes Vitamin C, Ascorbate oder Vitamin-C-Ester bevorzugt
werden. Wegen erhöhter Bioverfügbarkeit sollte letzteres ohnehin favorisiert werden.
Über Vitamin C in der Akutphase wird am Ende des Artikels berichtet werden.
Eine Messung des Vitamin-C-Spiegels ist nicht erforderlich, da es hier nicht um einen
Mangelausgleich geht, sondern darum, „pharmakologische Wirkungen“ zu erzielen.
Vitamin D – das Sonnenvitamin
Vitamin D – das Sonnenvitamin
Jedem Laien ist bekannt, dass ein regelmäßiger Aufenthalt in der Sonne immunstärkend
wirkt (lediglich Sonnenexzesse können zu immunsuppressiven Effekten führen). Das „Vitamin-D-Fenster“,
innerhalb dessen relevante Mengen Vitamin D in der Haut synthetisiert werden können,
ist – je nach Breitengrad in Deutschland (nördlicher etwas kürzer, südlicher etwas
länger) – nur von ca. April bis Oktober offen – um den 21.6. herum von ca. 9–18 Uhr,
im April oder Oktober – je nach Längengrad etwas früher oder später) – nur wenige
Minuten vor und nach ca. 12:30 Uhr. Wenn wir optimale Vitamin-D-Spiegel erzielen wollen,
kommen wir um eine großzügige Substitution – besonders in den Wintermonaten – nicht
herum.
Die Versorgungslage mit Vitamin D ist laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts
in Deutschland katastrophal [5]. 61,5 % der Erwachsenen weisen Spiegel unter 50 nmol/l auf (befinden sich also dauerhaft
in einem Vitamin-D-Mangel), 30,2 % liegen sogar ständig unter 30 nmol/l (haben also
„unterirdische“ Vitamin-D-Spiegel). Im Winter befinden sich aber über 50 % unter 30 nmol/l
und sogar über 80 % unter 50 nmol/l. Mit diesen Werten wird der Entstehung von viralen
Infekten massiv Vorschub geleistet, wie wir gleich sehen werden.
In einer epidemiologischen Metaanalyse [6] zu Infekten der oberen Atemwege fand sich bei den niedrigsten Vitamin-D-Spiegeln
im Bereich von ca. 30 nmol/l ein um 86 % erhöhtes (nahezu verdoppeltes!) Risiko für
Atemwegsinfekte im Vergleich zu einer relativ guten Versorgung mit Werten um die 75 nmol/l.
Der Anstieg ist jedoch nicht linear, sondern zeigt bei 60 und bei 37,7 nmol/l nochmals
einen Knick nach oben. Das Infektionsrisiko steigt also nicht nur mit sinkendem Vitamin-D-Spiegel,
sondern es steigt mit tieferen Spiegeln immer steiler an ([
Abb. 1
]).
Abb. 1 Hohes Risiko für Atemwegsinfekt bei niedrigen Vitamin-D-Spiegeln mit immer steiler
ansteigendem Risiko bei tiefen Spiegeln [6].
Für Vitamin D existiert sogar eine interventionelle Metaanalyse [7]. Unter einer Vitamin-D-Einnahme gab es im Vergleich zu Placebo immerhin 12 % weniger
Atemwegsinfekte. Führte man hingegen eine Subgruppenanalyse durch, so hatten die Probanden,
die täglich Vitamin D nahmen, sogar 19 % weniger Infekte im Vergleich zu denen, die
Vitamin D als Bolus nahmen mit nur 3 % weniger (nicht signifikant!). Betrachtete man
die Gruppe derer, die einen Spiegel von weniger als 25 nmol/l aufwiesen (laut der
Robert-Koch-Studie sind das im Winter immerhin ca. 50 %), profitierten diese mit 42 %
weniger Infekten sogar besonders gut. Wir sehen aus dieser Vitamin-D-Metaanalyse,
die wirklich jeder niedergelassene Arzt (und derzeit jeder Virologe!) kennen müsste,
dass Vitamin D bei Atemwegsinfekten protektiv wirkt, aber nur, wenn man es täglich
substituiert, und umso besser, je schlechter der Ausgangswert liegt. Wir dürfen davon
ausgehen, dass gerade Risikopersonen wie Ältere, Heimbewohner und Patienten mit chronischen
Erkrankungen besonders niedrige Werte aufweisen und umso eher einer guten Vitamin-D-Substitution
bedürfen.
Eine Autorengruppe hat in der renommierten Zeitschrift „Nutrients“ für die Corona-Krise
im April 2020 gefordert [8]:
-
präventive Einnahme von 10 000 IE Vitamin D für einige Wochen
-
dann 5000 IE Vitamin D als Dauergabe während der Phase mit Infektionsrisiko
-
Zielwert: 40–60 ng/ml (100–150 nmol/l)
Das ist genau das, was erfahrene Vitamin-D-Therapeuten in vielen Teilen der Welt (der
Autor eingeschlossen) seit langem fordern.
Zufuhrempfehlung für das Immunsystem Ich schließe mich den im Review [8] gemachten Empfehlungen vorbehaltlos an. Viele Erwachsene kommen mit 5000 IE als
Erhaltungsdosis gut aus. Bei Untergewicht oder guter Sonnenexposition (Auftragen von
Sonnencremes erst 10 Minuten nach Beginn der Exposition) können auch 2000 IE ausreichend
sein, bei Übergewicht und/oder Meiden von Sonne können auch 8000 IE und mehr erforderlich
sein, um auf den gewünschten Spiegel zu gelangen.
Wichtig
-
Vitamin D immer mit einer fetthaltigen Mahlzeit (etwa ein 1 EL Fett oder Öl in der
Mahlzeit) zuführen, um eine gute Resorption zu gewährleisten!
-
Keine wöchentliche oder gar monatliche Einnahme, sondern tägliche (alle zwei Tage
geht zur Not auch, aber nicht seltener)!
Zink – das Immunmineral
Kein Mineralstoff übt so vielfältige Funktionen im Immunsystem aus:
-
T-Zelldifferenzierung und T-Zellreifung ↑
-
Aktivität der T-Helfer-, T-Killer- und NK-Zellen ↑
-
T-Lymphozyten: IL-2-Sekretion ↑
-
IL-2 (T-Zellwachstum, Aktivität der B-Lymphozyten und NK-Zellen) ↑
Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe an klinischen Studien, die sowohl die Wirksamkeit
in der Prävention als auch bei akuten Infektionen unter Beweis gestellt haben. In
einem Cochrane Review wurden 2 präventive und 13 therapeutische Studien eingeschlossen.
In den präventiven Studien lag das relative Risiko für das Eintreten eines akuten
Erkältungsinfektes um ⅓ (RR 0,66) niedriger. Die Abwesenheitstage von der Schule (p = 0,0003)
und die Verschreibung von Antibiotika (p < 0,00001) waren in der Zinkgruppe hochsignifikant
niedriger. Gab man Zink erst bei Krankheitsbeginn, so waren Krankheitsdauer (Effektstärke
–0,097, p = 0,001) und Symptomstärke (Effektstärke –0,39, p = 0,04) in der Zinkgruppe
deutlich vermindert [9].
Abb. 2 Rückgang der Krankheitssymptome unter Placebo und Zink [10].
In einer beeindruckenden Studie erhielten 100 Patienten mit beginnendem Infekt der
oberen Atemwege innerhalb von 24 Stunden nach Krankheitsbeginn alle 2 Stunden 13,3 mg
Zink (als Zinkglukonat), solange die Symptome anhielten.
Der Median bis zum kompletten Verschwinden von Krankheitssymptomen betrug in der Verumgruppe
4,4 Tage, in der Placebogruppe hingegen 7,6 Tage. Bei einzelnen Symptomen wie Tage
mit Husten (2 gegen 4,5), Kopfschmerzen (2 gegen 3), Heiserkeit (2 gegen 3), nasale
Verstopfung (4 gegen 6 Tage), Nasenlaufen (4 gegen 7 Tage) und Halsschmerzen (1 gegen
3 Tage) gab es signifikante Vorteile in der Zinkgruppe [10]. Die oft kolportierte Binsenweisheit, ein Schnupfen dauere ohne Behandlung 7 Tage
und mit Behandlung eine Woche, konnte so klar ins Reich der Fabel verwiesen werden.
Zufuhrempfehlung für das Immunsystem In der Prävention reichen in der Regel ca. 15 mg Zink pro Tag aus. Eine Zinkmessung
im Serum kann sinnvoll sein, um einen Mangel zu erkennen. Dann können vorübergehend
je nach Mangelzustand auch mal 30 mg gegeben werden. Ein Spiegel im mittleren bis
oberen Normbereich ist anzustreben (zur Akuttherapie s. u.).
Im Gegensatz zu den fettlöslichen Nährstoffen ist es beim Zink extrem wichtig, dass
es streng nüchtern eingenommen wird. Ich rate meinen Patienten dazu, es mindestens
eine halbe Stunde vor einer Mahlzeit oder drei Stunden danach zu nehmen; der Magen
muss auf jeden Fall leer sein, da es sonst sehr viel schlechter resorbiert wird. Eine
Einnahme kurz vor dem Zubettgehen ist auch möglich, wenn in den drei Stunden zuvor
kein abendlicher Snack mehr verzehrt wurde.
Selen – das Antioxidations-Mineral
Selen – das Antioxidations-Mineral
Selen selbst wirkt nicht antioxidativ, aber als Schlüsselmineral in antioxidativen
Enzymen wie der Glutathionperoxidase. In einer Übersichtsarbeit [11] postulieren die Autoren folgende Wirkungen:
-
Es gibt 25 Selenoproteine.
-
Diese regulieren u. a. die Funktionen von Immunzellen.
-
Ein Mangel kann zu Infektionen und Autoimmunkrankheiten führen.
Selen moduliert also das Immunsystem in beide Richtungen. In einer anderen Übersichtsarbeit
[12] wird Folgendes festgestellt:
-
Virale Infektionen erhöhen den Nährstoffbedarf.
-
Virale Infektionen erhöhen den oxidativen Stress.
-
Selen spielt eine wichtige Rolle in der antioxidativen Abwehr.
-
Selenmangel erhöht die Pathogenität verschiedener Viren.
Der letzte Punkt wird von den Autoren ausführlicher skizziert. Im Selenmangel kommt
es zu mehr Mutationen beim Virus, was zu einer erhöhten Pathogenität beitragen kann.
Der Schutz des Virus vor Mutationen durch Selen schützt also indirekt den Wirtsorganismus.
Als Beispiel wird ein Experiment angeführt, bei dem Mäuse mit normalem Selenstatus
bzw. im Mangel mit Influenza H3N2 infiziert werden. Bei den gut mit Selen versorgten
Mäusen fanden sich nur wenige, bei den Selenmangel-Mäusen aber viel mehr Mutationen.
Bei den Selenmangel-Mäusen fanden sich darüber hinaus viel weniger Immunzellen, eine
längere Dauer der Lungenentzündung und eine schwerere Pathologie des Lungengewebes.
Das könnte möglicherweise auch auf andere Spezies und Viren zutreffen, vielleicht
sogar auf den Menschen und Covid-19 – aber das wissen wir nicht, solange es noch keine
konkreten Studien dazu gibt.
Zufuhrempfehlung für das Immunsystem Mitteleuropa ist ein Selenmangelgebiet. Die Zufuhr über die Nahrung reicht in der
Regel für eine optimale Zufuhr nicht aus, wenn nicht große Mengen an Meeresprodukten
verzehrt werden, was heute aus ökologischen und toxikologischen Gründen (Belastung
der Fische mit Schwermetallen, lipidlöslichen Toxinen und Mikroplastik) nicht mehr
empfehlenswert ist.
Die meisten benötigen 50–100 µg täglich, um auf gute Spiegel zu kommen. Auch hier
favorisiere ich die Messung, wobei die Vollblutuntersuchung wohl etwas günstiger zu
sein scheint als die Serumuntersuchung, auch wenn die Unterschiede hier nicht so groß
sind wie etwa bei Kalium oder Magnesium.
Normwert für Serum: 60–120 µg/l
Normwert für Vollblut: 90–150 µg/l
(kleine Abweichungen je nach Labor möglich)
Ich strebe hier aber Werte an der oberen Normgrenze oder leicht darüber an. Anorganische
Selenverbindungen wie Selenit oder Selenat scheinen günstiger zu sein, wenn ich rasche
Anstiege in den antioxidativen Enzymsystemen anstrebe. Selen sollte auch eine ½ Stunde
präprandial verzehrt werden und auf keinen Fall direkt zusammen mit Vitamin C, um
eine gute Resorption zu gewährleisten.
Omega-3 – Schutz auch vor Viren?
Omega-3 – Schutz auch vor Viren?
Omega-3-Fettsäuren sind für mich seit vielen Jahren bei der Therapie von Autoimmunkrankheiten
unverzichtbar. Die Fettsäuren EPA/DHA regulieren ein überschießendes Immunsystem herunter.
Dass Omega-3 aber auch das Immunsystem gegenüber Viren zu stärken vermag, war selbst
für mich bis vor kurzem unbekannt. Erst als ich im Zusammenhang mit der Corona-Krise
von Patienten gezielt danach gefragt worden bin, habe ich mich damit auseinandergesetzt
und zumindest aussagefähige Tierversuche gefunden.
In einem Tierversuch, der im renommierten Journal „Cell“ veröffentlicht wurde, wurden
Mäuse mit dem Omega-3-Derivat Protectin D1 behandelt oder nicht. Die Tiere wurden
dann mit H5N1-Influenzaviren infiziert. Dabei wurde festgestellt, dass der Virus-RNA-Export
aus der Zelle unter Protectin D1 inhibiert wird – das Virus kann sich also nicht mehr
so gut vermehren bzw. verbreiten. Unter den Mäusen mit dem Protectin D1 gab es außerdem
weniger schwere Fälle und auch eine geringere Mortalität [13].
In einem anderen Tierversuch wurden junge Wachteln in 5 Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe
diente als unbehandelte Kontrollgruppe. Eine Gruppe wurde mit Newcastle-Disease-Virus
infiziert, eine Gruppe erhielt zusätzlich Omega-3. Eine Gruppe wurde mit H9N2-Influenzavirus
infiziert, eine Gruppe erhielt zusätzlich Omega-3. Die Ergebnisse sind in [
Tab. 1
] aufgeführt.
Tab. 1
Antikörperbildung und Mortalität bei H5N1-Influenza-infizierten Wachteln mit und ohne
Omega-3-Gabe [14].
|
Antikörper gegen NDV/H9N2
|
Sterblichkeit in %
|
Kontrollgruppe
|
0
|
0
|
NDV ohne Omega-3
|
4,2
|
45
|
NDV mit Omega-3
|
7,2
|
15
|
H9N2 ohne Omega-3
|
4,1
|
20
|
H9N2 mit Omega-3
|
6,2
|
0
|
In den beiden Gruppen mit den infizierten Wachteln gab es deutlich bessere Antikörperanstiege
(HI log2 titers DPI), wobei sogar eine logarithmische Skala gewählt wurde. Bei den
Gruppen mit NDV-Infektionen sank die Sterblichkeit unter Omega-3 relativ um ⅔ und
bei den Influenza-Gruppen unter Omega-3 relativ sogar um 100 % [14].
Es ist natürlich nicht sicher, ob diese Ergebnisse auf den Menschen bzw. auf andere
Viren übertragen werden können, berechtigt aber zur Hoffnung, dass auch das humane
Immunsystem mit Omega-3 unterstützt werden könnte.
Zufuhrempfehlungen für das Immunsystem Menschen mit normalem Körpergewicht und durchschnittlicher
Ernährung (z. B. 3–4 × pro Woche Fleisch und 1 × pro Woche Fisch) erzielen mit 2 g
EPA/DHA täglich gute Omega-3-Werte im Blut. In einer Fettsäureanalyse, die nicht im
Serum erfolgen sollte, sondern die Fettsäuren in der Erythrozytenmembran berücksichtigt
(deutliche geringere Störanfälligkeit gegenüber dem Serum), sind folgende Level anzustreben:
-
AA/EPA-Quotient: ca. 2,5
-
Omega-3-Index: 8–11 %
Der Omega-3-Index stellt die Summe aus EPA/DHA im Vergleich zu allen Fettsäuren dar.
Von der pflanzlichen Omega-3-Fettsäure ALA (z. B. aus Leinöl) sind mir keine Studien
bekannt, die zur Senkung der Entzündlichkeit bei Autoimmunkrankheiten oder zur Stärkung
des Immunsystems beitragen. Omega-3 sollte zur Resorptionssteigerung immer mit einer
fetthaltigen Mahlzeit eingenommen werden. Die 2 g EPA/DHA entsprechen 1 EL Fisch-
oder 1 TL Algenöl oder 15 herkömmlichen Fischölkapseln oder 5–7 großen Fischöl- oder
3–4 großen Algenölkapseln. Bei höherem Körpergewicht oder schlechteren Fettsäurewerten
in der Analyse sind die Dosen entsprechend anzupassen.
AKUT-IMMUNPROGRAMM – POWER FÜR DAS IMMUNSYSTEM
Auch ohne dass entsprechende Studien existieren, ist von Synergismen der einzelnen
Nährstoffe untereinander auszugehen. Die drei wichtigsten „Akut-Nährstoffe“ für das
Immunsystem sind nach meiner Meinung Vitamin C, D und Zink. Für Zink gibt es dabei
die beste Datenlage. Die Wirkung ist umso sicherer, je schneller die Therapie nach
Infektbeginn startet [10]. Durch Vitamin C und D ist vermutlich eine Verstärkung möglich, was aber nicht wissenschaftlich
abgesichert ist, sondern nur auf Empirie beruht:
-
10–15 mg Zink
-
500–1000 mg Vitamin C
-
5000 IE Vitamin D
Diese Nährstoffe sollten gleich nach Auftreten der ersten Symptome eines Infekts alle
zwei Stunden am ersten Tag des Infektes genommen werden (die Nüchterneinnahme von
Zink ist dabei am ersten Tag genauso wenig zu gewährleisten wie die Einnahme von Vitamin
D zu den Mahlzeiten). An den nächsten Tagen reicht es aus, diese Dosen dreimal täglich
zu nehmen. Wenn irgend möglich, ist eine Vitamin-C-Infusion am ersten Tag von 7,5–15 g
sehr sinnvoll. Die Erfahrung zeigt, dass viele Infekte damit kupiert werden können
und entweder gar nicht richtig ausbrechen, weniger lang dauern oder weniger schwer
verlaufen.
Alles Gute für Ihre Gesundheit und die Ihrer Patienten!
Schmiedel V. Omega-3 – Öl des Lebens. Lenzburg: FONA-Verlag; 2017
Schmiedel V. Nährstofftherapie – Orthomolekulare Medizin in Prävention, Diagnostik
und Therapie. Stuttgart: Thieme; 2019