Pneumologie 2020; 74(10): 678-683
DOI: 10.1055/a-1175-4122
Fallbericht

Septische Granulomatose als seltene Differenzialdiagnose rezidivierender pulmonaler Infektionen bei Erwachsenen

Chronic Granulomatous Disease: A Rare Differential Diagnosis in Recurrent Pulmonary Infections in Adults
J. Kleymann
1   Medizinische Klinik 1, Bereich Pneumologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden
,
C. Schütz
2   Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden
,
J. Körholz
2   Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden
,
F. Taube
3   Medizinische Klinik 1, Bereich Hämatologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden
,
M. Vogler
4   Fachkrankenhaus Coswig, Abteilung Innere Medizin und Pneumologie, Coswig
,
M. Halank
1   Medizinische Klinik 1, Bereich Pneumologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden
,
M. Kolditz
1   Medizinische Klinik 1, Bereich Pneumologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden
,
S. Langner
1   Medizinische Klinik 1, Bereich Pneumologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden
,
L. Geberzahn
2   Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden
,
O. Holotiuk
5   Pathologische Gemeinschaftspraxis Dr. Holotiuk, Dresden
,
J. Roesler
2   Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden
,
D. Koschel
1   Medizinische Klinik 1, Bereich Pneumologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden
4   Fachkrankenhaus Coswig, Abteilung Innere Medizin und Pneumologie, Coswig
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Die septische Granulomatose (engl.: chronic granulomatous disease, CGD) ist bei Kindern und Jugendlichen mit häufigen Infektionen durch bestimmte Erreger differenzialdiagnostisch zu berücksichtigen.

In vorliegender Kasuistik berichten wir über eine 64-jährige Patientin mit über Jahre zunehmenden bronchopulmonalen Infektionen, teilweise durch seltene Erreger, Autoimmunphänomenen, Malignomen und im weiteren Verlauf rezidivierenden organisierenden Pneumonien (OP) mit Nachweis von Granulomen. Ursächlich wurde bei der Patientin eine septische Granulomatose, Unterform p47phox-Defizienz diagnostiziert. Ein Überleben von Patienten mit einem primären Immundefekt (PID) bis ins hohe Erwachsenenalter wird trotz wiederholter Komplikationen in Einzelfällen beobachtet, insbesondere wenn die defekte Zellstruktur eine Restaktivität aufweist. Bei rezidivierenden bronchopulmonalen Infektionen insbesondere durch bestimmte seltene Erreger und in Kombination mit organisierend-granulomatösen Lungenreaktionen sowie Autoimmunphänomenen ist auch bei älteren Erwachsenen an eine CGD zu denken. Durch eine Diagnoseverzögerung kommt es oft zu einem erheblichen Anstieg der Morbidität und Mortalität.


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Abstract

Chronic granulomatous disease (CGD) should be considered as a differential diagnosis in children and adolescents with frequent infections, especially when caused by certain specific pathogens.

This case report describes a 64-year-old female with multiple recurrent and complicated bronchopulmonary infections, caused by common, but also rare pathogens, autoimmune phenomena, malignancies and recurrent organizing pneumonia (OP) with granulomas. Finally, the patient was diagnosed with p47phox-deficient chronic granulomatous disease (CGD).

Individuals with a primary immunodeficiency may survive multiple complications and may be diagnosed at an advanced age especially if the affected structure shows residual activity. When confronted with patients with recurrent bronchopulmonary infections, especially with certain specific rare pathogens, in combination with organizing pulmonary granulomas as well as autoimmune phenomena, CGD should be considered even in elderly patients. Delayed diagnosis significantly increases mortality and morbidity in such cases.


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Einleitung

Die septische Granulomatose ist ein seltener primärer Immundefekt, der sich typischerweise in der Kindheit mit wiederholten Infektionen durch Staphylococcus aureus und Aspergillusarten sowie inflammatorischen Komplikationen präsentiert. Genmutationen können zum vollständigen (amorphe Mutationen) oder partiellen Verlust der Aktivität von betroffenen Genen (hypomorphe Mutationen) führen. Besteht trotz Mutation eine Restaktivität des Genprodukts, ist eine Manifestation erst im Erwachsenenalter möglich [1] [2]. Bei auffälliger Anamnese, insbesondere rezidivierenden organisierenden Pneumonien und granulomatösen Veränderungen, ist auch bei Erwachsenen eine CGD differenzialdiagnostisch in Betracht zu ziehen.


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Fallbericht

Anamnese und Diagnostik

Eine 64-jährige Patientin wurde aufgrund rezidivierender pulmonaler Infektionen, dem histopathologischen Nachweis einer organisierenden Pneumonie und in der Vorgeschichte mehrfach aufgetretenen akuten respiratorischen Insuffizienzen mit der Notwendigkeit einer Intubation und maschineller Beatmung unter dem Verdacht auf eine Systemerkrankung bzw. einen Immundefekt vorgestellt.

Seit 2 Jahren traten wiederholt febrile Episoden mit Dyspnoe, respiratorischer Insuffizienz, Anstieg des C-reaktiven Proteins (CRP) bis ca. 100 mg/l und progrediente pulmonale Verdichtungen in der Computertomografie (CT) des Thorax auf. Weitere CT-morphologisch auffallende Befunde waren eine Bronchiolitis mit sekundärer Mosaikperfusion, Konsolidierungen, noduläre Veränderungen, Bronchiektasen und kavernöse Strukturen ([Abb. 1 a – d]). Mittels bronchoskopischer Lungenbiopsie wurden mehrfach histologisch eine organisierende Pneumonie (OP) und in einer Probe vereinzelt Granulome nachgewiesen ([Abb. 2 a – d]). In der umfangreichen mikrobiologischen Diagnostik konnte zum Zeitpunkt der Vorstellung kein ursächlicher Erreger isoliert werden. Eine wiederholt durchgeführte systemische Prednisolontherapie bewirkte jeweils klinisch als auch bildmorphologisch immer eine rasche Befundbesserung: Entfieberung, Abfall des C-reaktiven Proteins, respiratorische Stabilisierung und partielle Rückbildung der pulmonalen Konsolidierungen ([Abb. 3 a – f]). Versuche einer Dosisreduktion von Prednisolon unter 20 mg/d scheiterten an Rezidiven der organisierenden Pneumonie mit bildmorphologischer und klinischer Verschlechterung, teils erneut mit Beatmungspflicht. Die letzten 2 Jahre verbrachte die Patientin überwiegend in stationärer Behandlung.

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Abb. 1 a – d Persistierende CT-morphologische Veränderungen: a Bronchiolitis im rechten Unterlappen, b Mosaikperfusion im linken Unterlappen, c Konsolidierungen und noduläre Veränderungen, Bronchiektasen, d Kaverne.
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Abb. 2 a – d Histologie transbronchiale Lungenbiopsie, mit freundlicher Genehmigung Praxis für Pathologie, Dresden (Dr. Holotiuk): a, b organisierende Pneumonie, c, d granulomatöse Entzündung.
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Abb. 3 a – f CT-Thorax-Veränderungen: a, c, e vor Prednisolon, b, d, f nach Prednisolon.

In der Vorgeschichte ist anzumerken, dass 3 Jahre zuvor die Behandlung einer nicht tuberkulösen Mykobakteriose mit M. avium erfolgte. Des Weiteren war in der Vorgeschichte der Nachweis von Burkholderia cepacia aus dem Bronchialsekret auffallend.

Zudem wurden erst auf mehrfaches Nachfragen häufige bronchopulmonale Infekte und Sinusitiden angegeben, die mindestens einmal im Jahr seit dem 20.  Lebensjahr auftraten.

Außerdem berichtete die Patientin, dass bei ihr im Alter von 41 Jahren ein therapierefraktäres nässendes Ekzem am rechten Handgelenk auftrat. Dieses wurde nach histologischer Untersuchung als kutaner Lupus gewertet. Diese Hautveränderung wurde zunächst systemisch mit Prednisolon (über 1 Jahr) und später mit Azathioprin (über 3 Jahre) behandelt. Bemerkenswert ist, dass während der Therapie mit Azathioprin eine deutliche Stabilisierung der Infektsituation zu verzeichnen war.

Mit 44 Jahren wurde bei der Patientin ein Mammakarzinom diagnostiziert, weshalb die Therapie mit Azathioprin beendet wurde. Nach operativer und strahlentherapeutischer Behandlung trat kein Tumorrezidiv auf.

Mit 45 Jahren entwickelte die Patientin eine Immunthrombozytopenie, die mit Prednisolon über 17 Jahre behandelt wurde. Vor 2 Jahren wurde eine Umstellung auf Eltrombopag, einen Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten vorgenommen.

Familienanamnestisch waren keine weiteren Auffälligkeiten zu eruieren. Die Patientin hatte 2 gesunde Kinder. Eine allergische Prädisposition lag nicht vor. Sie war immer Nichtraucherin und übte eine Bürotätigkeit aus.


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Zeitachse

Ereignisse auf einem Zeitstrahl ([Abb. 4]): Bei Aufnahme zeigte sich die Patientin in stark reduziertem Allgemeinzustand, ECOG 3, und reduziertem Ernährungszustand (BMI 20 kg/m2) mit ausgeprägter allgemeiner Muskelschwäche und Sprechdyspnoe trotz High-Flow-Sauerstoff-Therapie. Auskultatorisch war ein exspiratorisches Giemen und beidseits basal ein inspiratorisches Knistern auffällig. In der erweiterten laborchemischen Diagnostik zeigte sich ein leicht erhöhtes CRP (12,6 mg/l), normwertige Immunglobuline (G, M, A, E) und IgG-Subklassen 1 – 4, eine negative Immunfixation im Serum und Urin und eine unauffällige Immunserologie (ANA und ANCA). In Sputum, BAL, Blut und Urin konnten keine Erreger nachgewiesen werden. Im CT des Thorax stellten sich bipulmonal Bronchiektasen, fleckig-noduläre Veränderungen und im Verlauf regrediente Konsolidierungen links basal und rechts im Oberlappen paramediastinal dar.

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Abb. 4 Ereignisse auf einem Zeitstrahl.

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Therapie und Verlauf

Bei der Patientin zeigte sich zunächst unter höheren Dosierungen von Prednisolon eine stabile respiratorische Situation, allerdings mit Notwendigkeit einer fortgesetzten Sauerstofftherapie. Im interdisziplinären Konsil mit den klinischen Immunologen wurde der Verdacht auf einen Immundefekt geäußert und eine weiterführende Diagnostik veranlasst. Dabei wurde aufgrund der typischen Keime (B. cepacia und atypische Mykobakterien) und der als kutanen Lupus gewerteten Hautveränderung eine septische Granulomatose vermutet. Der Dihydrorhodamin-Test (DHR-Test) und eine ergänzende Chemolumineszenz zeigten eine stark erniedrigte Produktion von reaktiven Sauerstoffmetaboliten durch neutrophile Granulozyten. Die p47phox-Defizienz als Unterform einer septischen Granulomatose wurde durch eine genetische Untersuchung mit Nachweis der häufigsten Mutation im NCF1-Gen (c.75-76del GT) bestätigt.

Daraufhin wurden eine antibakterielle und antimykotische Prophylaxe zum Schutz gegen opportunistische Infektionen begonnen. Da hohe Prednisolondosen zur Krankheitskontrolle der im Vorfeld nachgewiesenen organisierenden Pneumonie erforderlich waren, wurde eine Umstellung auf eine immunsuppressive Basismedikation vorgenommen. Mangels randomisierter Studien für OP [4] [5] erfolgte diese mit Mycophenolat mofetil (MMF), in Anlehnung an eine Fallbeschreibung über erfolgreiche Anwendung der Substanz bei schwerer akuter fibrosierender OP mit ventilatorischem Versagen [6]. Nach Beginn der Therapie mit MMF (2 × tgl. MMF 1 g) war eine langsame Dosisreduktion von Prednisolon auf 5 mg/d möglich.

Unter o. g. Maßnahmen gelang eine deutliche und stabile Rückbildung der CT-morphologischen Veränderungen ([Abb. 5 a – d]). Die Patientin konnte klinisch deutlich stabilisiert werden, sodass eine Entlassung mit anschließender Rehabilitation erfolgte.

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Abb. 5 a – d CT Thorax nach Initiierung MMF, antibakterieller und antimykotischer Prophylaxen.

Ein als Zufallsbefund in einer Gastroskopie bioptisch gesicherter submuköser neuroendokriner Tumor (NET) des Magens wurde bei fehlenden Hinweisen auf eine Fernmetastasierung im PET-CT 7 Monate später endoskopisch vollständig reseziert.

Über einen Zeitraum von nunmehr 15 Monaten nach Diagnosestellung zeigt sich eine anhaltende klinische, bildmorphologische und respiratorische Stabilisierung ohne erneute Infektionen oder Hospitalisierungen.


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Diskussion

Die septische Granulomatose gehört zu den primären Defekten des angeborenen Immunsystems (PID). Die verantwortlichen Mutationen können in 5 verschiedenen Genen lokalisiert sein. Der Erbgang ist entweder X-chromosomal-rezessiv (in 70 % der Fälle, bei Mutation im CYBB-Gen, gp91phox) oder autosomal-rezessiv (in 30 % der Fälle, Mutationen in CYBA [p22phox], NCF1 [p47phox], NCF2 [p67phox] oder NCF4 [p40phox]) [7]. Diese Mutationen führen zu einem Fehlen oder einer Funktionsstörung von Komponenten des sog. NADPH-Oxidase-Multienzym-Komplexes (Nicotinamide Adenine Dinucleotide Phosphate Oxidase). Dieses Enzym ist wichtig für die Produktion reaktiver Sauerstoffmetabolite, die für die Abtötung phagozytierter Erreger wichtig sind.

Von der häufigsten, X-chromosomal-rezessiven Form der CGD sind vorwiegend Jungen betroffen. Sie kann jedoch auch bei weiblichen Konduktorinnen mit Autoimmunphänomenen in Erscheinung treten bzw. bei ungünstiger Lyonisierung (X-Inaktivierung) zu verminderter Granulozytenfunktion und somit erhöhter Infektanfälligkeit führen [8]. Von der autosomal-rezessiven Form sind Mädchen und Jungen gleich betroffen [9].

Die p47phox-Defizienz hat immer eine gewisse Restaktivität des mutierten Genprodukts, alle übrigen Formen, einschließlich der X-chromosomal-rezessiven Form, haben je nach Mutation (meist Missense-Mutation) manchmal eine Restaktivität [9].

Die Inzidenz der CGD liegt bei ca. 1:250 000 [10]. Das klinische Bild der septischen Granulomatose kann sehr variabel sein, sodass die Diagnosestellung oft eine Herausforderung darstellt [2]. Für diese Erkrankung sind rezidivierende und schwere Infektionen mit erkrankungstypischen Erregern (Mykobakterien, Aspergillus spp., S. aureus, Serratia marcescens, Burkholderia cepacia, Nocardia spec.), eine gestörte Inflammation (häufig granulomatöse Entzündung, in allen Organen möglich) und Autoimmunphänomene charakteristisch, wie sie auch bei der vorgestellten Patientin auftraten. Das Überleben von Patienten, die nur konservativ behandelt oder überhaupt erst im fortgeschrittenen Alter diagnostiziert werden, ist mit der residuellen Produktion von reaktiven Sauerstoffderivaten assoziiert [10], wobei auch epigenetische Faktoren und andere modifizierende Gene eine Rolle spielen können [9].

Hinweise auf primäre Immundefekte sind eine pathologische Infektionsanfälligkeit und eine Immundysregulation. Diese beiden Symptomkomplexe werden in der AWMF-Leitlinie „Diagnostik auf Vorliegen eines primären Immundefekts“ mit einem Akronym zur besseren Einprägung möglicher klinischer Zeichen bzw. Befunde verdeutlicht: ELVIS beschreibt Merkmale pathologischer Infektionsanfälligkeit (= pathognomonische Erreger, atypische Lokalisation, protrahierter Verlauf, Intensität und Summe der Infekte) und GARFIELD umschreibt die gestörte Immunregulation (= Granulome, Autoimmunität, Rezidivierendes Fieber, ungewöhnliche Ekzeme, Lymphoproliferation, chronische Darmentzündung). Zusätzliche Manifestationen primärer Immundefekte sind auch maligne Erkrankungen, insbesondere Lymphome. Bei auffälliger Infektanamnese, gerade in Kombination mit Autoimmunität und malignen Erkrankungen sollte daher stets auch an einen Immundefekt gedacht werden.

Die primären Immundefekte werden laut der International Union of Immunologic Societes (IUIS) in 9 Untergruppen eingeteilt [11]. Die häufigsten sich im Erwachsenenalter manifestierenden Immundefekte stammen aus der Gruppe der Antikörpermangelerkrankungen. Die Gruppe der Granulozytenfunktionsstörungen macht ca. 8 % der in Deutschland auftretenden primären Immundefekte aus [12]. Zur Primärdiagnostik bei Immundefekten kann die AWMF-Leitlinie herangezogen werden [2]. Bei Verdacht auf einen primären Immundefekt wird ein Differenzialblutbild, eine Eiweißelektrophorese und die Bestimmung der Immunglobulinkonzentration (IgG, IgA, IgM, IgE) als Basisdiagnostik empfohlen. Eine Erweiterung der Diagnostik umfasst die Bestimmung der IgG-Subklassen, eine Komplementtestung, eine Überprüfung der Impfantwort auf verschiedene Impfstoffklassen (Totimpfstoffe, Lebendimpfstoffe und Konjugatimpfstoffe) sowie eine Lymphozytentypisierung [2]. Wichtig ist, dass die Lymphozytentypisierung naive und unreife T-Zellen und je nach Fragestellung auch Subtypen von B-Zellen, insbesondere den Anteil an klassengewechselten Subtypen von B-Zellen, die verschiedene Antikörperklassen produzieren, abbilden sollte. Da die Normwerte altersabhängig variieren und einige PID-Entitäten inklusive CGD nicht mittels „konventioneller“ Diagnostik nachzuweisen sind, sollten die Befunde stets interdisziplinär veranlasst und bewertet werden.

Die Diagnose einer septischen Granulomatose wird durch eine Messung der reaktiven Sauerstoffmetabolite in Granulozyten gestellt. Geeignet ist der Dihydrorhodamin-Test (DHR-Test). Ein Bestätigungstest aus einer zweiten Blutprobe ist immer erforderlich, z. B. durch den Nitro-Blue-Tetrazolium-Test (NBT-Test) [13] oder eine Chemilumineszenzmessung. Auch die Differenzialdiagnose des vollständigen Fehlens der Myeloperoxidase (MPO) wird dadurch mit erfasst. Durch eine genetische Analyse kann die Diagnose ebenfalls gesichert werden. Sie ist auch für eine genetische Beratung und ggf. für eine Gentherapie erforderlich.

Die konservative Standard-Therapie besteht aus einer lebenslangen antibakteriellen Prophylaxe mit Cotrimoxazol (tgl. 5 mg Trimethoprim/kg, max. 320 mg/d, verteilt auf 2 Gaben pro Tag, entsprechend 800/160 mg Cotrimoxazol 2-mal tgl.) und einer Prophylaxe gegen Pilzinfektionen (mit Itraconazol 5 – 10 mg/kg/d, maximal 200 mg/d ggf. Posaconazol) [10]. Einige gefährliche Manifestationen können initial ohne Beschwerden verlaufen, z. B. Leberabszesse. Deshalb werden die Patienten regelmäßig alle 3 – 6 Monate kontrolliert (klinische Untersuchung, Bestimmung der Entzündungsparameter, Ultraschalluntersuchung des Abdomens, Lungenfunktionsprüfung, in größeren Abständen CT ggf. MRT der Lunge). Eine kurative allogene Stammzelltransplantation (HSZT) ist im frühen Kindesalter indiziert, falls ein geeigneter Spender vorhanden ist. Auch im Jugendalter und bei (jungen) Erwachsenen wird diese Möglichkeit stets geprüft. Die HSZT wird auch international empfohlen. Da die transplantationsassoziierte Mortalität mit steigendem Alter zunimmt, sollte die Möglichkeit einer Stammzelltransplantation so früh wie möglich evaluiert werden [14]. Für die CGD wurden intensitätsreduzierte Konditionierungs-Protokolle erarbeitet, die dank reduzierter Toxizität die Prognose deutlich verbessert haben [14].

Eine Gentherapie mit einem selbstinaktivierenden lentiviralen Vektor zeigte in den ersten Studien erfolgversprechende Resultate, wobei der langfristige Verlauf noch evaluiert werden muss [15]. Da man auch für die Gentherapie eine Konditionierung benötigt und man durch die HSZT dem Patienten eine bessere Produktion von reaktiven Sauerstoffmetaboliten als bei der Gentherapie ermöglicht, ist zurzeit die HSZT zu bevorzugen.


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Fazit für die Praxis

Bei erwachsenen Patienten mit pathologischer Infektionsanfälligkeit, granulomatösen Veränderungen, rezidivierenden organisierenden Pneumonien und/oder Autoimmunphänomenen als Ausdruck einer Immundysregulation sollte großzügig eine Analyse der Granulozytenfunktion erfolgen. Auch andere primäre Immundefekte können erst im Erwachsenenalter manifest werden. Die detaillierte Anamnese ist häufig der Schlüssel zur Diagnosestellung. Eine interdisziplinäre Betreuung solcher komplexer Patienten ist zur Optimierung der Diagnostik und Therapie sinnvoll und empfehlenswert.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Janina Kleymann
Medizinische Klinik 1, Bereich Pneumologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Fetscherstr. 74, 01307 Dresden
Deutschland   

Publication History

Received: 14 May 2020

Accepted: 18 May 2020

Article published online:
08 July 2020

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Abb. 1 a – d Persistierende CT-morphologische Veränderungen: a Bronchiolitis im rechten Unterlappen, b Mosaikperfusion im linken Unterlappen, c Konsolidierungen und noduläre Veränderungen, Bronchiektasen, d Kaverne.
Zoom Image
Abb. 2 a – d Histologie transbronchiale Lungenbiopsie, mit freundlicher Genehmigung Praxis für Pathologie, Dresden (Dr. Holotiuk): a, b organisierende Pneumonie, c, d granulomatöse Entzündung.
Zoom Image
Abb. 3 a – f CT-Thorax-Veränderungen: a, c, e vor Prednisolon, b, d, f nach Prednisolon.
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Abb. 4 Ereignisse auf einem Zeitstrahl.
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Abb. 5 a – d CT Thorax nach Initiierung MMF, antibakterieller und antimykotischer Prophylaxen.