Kardiologie up2date 2020; 16(04): 331-341
DOI: 10.1055/a-1166-2647
Spezialthemen

Polypharmazie – Medikamente und QTc-Zeit. Was ist zu beachten?

Martin Duckheim
,
Meinrad Gawaz

Das erworbene Long-QT-Syndrom ist eine seltene Erkrankung. Allerdings ist die Inzidenz bei Patienten mit Polypharmazie deutlich erhöht. Das Risiko für QTc-Verlängerung als auch für Torsade-de-Pointes-Tachykardien wird durch die gleichzeitige Einnahme mehrerer QTc-Zeit-verlängernder Medikamente exponentiell größer. Dieser Artikel zeigt, welche Mechanismen hinter der Erkrankung stecken und wie das Risiko für potenziell tödliche Rhythmusstörungen gesenkt werden kann.

Kernaussagen
  • Knapp die Hälfte aller 65-Jährigen nehmen gleichzeitig mehr als 5 Medikamente ein.

  • Patienten mit Polypharmazie haben ein deutlich erhöhtes Risiko für ein medikamentenassoziiertes Long-QT-Syndrom.

  • Medikamente mit QTc-Zeit-verlängernder Wirkung variieren in ihrem Risiko für Arrhythmien. Eine stets aktualisierte Liste mit entsprechender Risikoklassifikation kann über die AZCERT-Datenbank abgerufen werden.

  • Risikofaktoren für ein erworbenes Long-QT-Syndrom sind Alter, weibliches Geschlecht, Herzerkrankungen, Elektrolytentgleisungen, Niereninsuffizienz, Bradykardie sowie die Behandlung mit > 1 QTc-Zeit-verlängernden Medikament.

  • Klinisch tritt das Long-QT-Syndrom nur in Erscheinung, sofern es zu Rhythmusstörungen kommt.

  • Ursache der QT-Verlängerung beim angeborenen Long-QT-Syndrom ist die Hemmung des repolarisierenden Kaliumkanals (hERG-Kanal).

  • Bei jeder Initiierung eines potenziell QTc-Zeit-verlängernden Medikaments sollte eine sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen.

  • Zeichen einer drohenden TdP-Tachykardie nach Beginn eines QTc-Zeit-verlängernden Medikaments sind ein Ansteigen der QTc-Zeit um mehr als 60 ms, eine absolute Verlängerung auf mehr als 500 ms sowie neu auftretende ventrikuläre Extrasystolen und nicht anhaltende ventrikuläre Tachykardien.

  • Bei Auftreten von TdP-Tachykardien werden das sofortige Absetzen der auslösenden Medikation, ein intensivmedizinisches Monitoring, die intravenöse Gabe von Magnesium, ein temporäres Pacing sowie das Anheben des Kaliumspiegels empfohlen.



Publication History

Article published online:
08 December 2020

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