Schlüsselwörter
COVID-19 - Infektiologie - Behandlung - SARS-CoV-2-Serologie
Key words
COVID-19 - infectious Diseases - management - SARS-CoV-2 serology
Epidemiologie
Im Dezember 2019 gab es die ersten Fallberichte einer atypischen Pneumonie unklarer
Genese aus der Region um Wuhan in China. Am 7. Januar 2020 wurde der Erreger SARS-CoV-2
(SARS: Severe Acute Respiratory Syndrome), ein neuartiges Coronavirus, als Ursache
für die Erkrankung erkannt [1]. Der Ausbruch dieser v. a. respiratorischen Erkrankung, Coronavirus Disease 2019
(COVID-19), wurde nach rapider globaler Ausbreitung am 12. März 2020 von der Weltgesundheitsorganisation
zur Pandemie erklärt. Die Anzahl bisher bestätigter Fälle weltweit beträgt bisher
mehr als 4,7 Millionen mit mehr als 300 000 Todesfällen (Stand 18. Mai 2020, John
Hopkins COVID-19 Map).
Virologie
SARS-CoV-2 gehört zum Genus der Beta-Coronaviren. Humane Coronaviren verursachen meist
leicht verlaufende akute respiratorische Erkrankungen. Allerdings haben im 21. Jahrhundert
bereits 2 neuartige Coronaviren zu Epidemien mit schwerwiegenden akuten respiratorischen
Infektionen und hoher Letalität geführt: Im Jahr 2002 SARS-CoV aus Südchina und im
Jahr 2012 Middle East Respiratory Coronavirus (MERS-CoV) mit Ursprung in Saudi-Arabien.
Bei beiden Erkrankungen handelt es sich um Zoonosen. Das Genom von SARS-CoV-2 zeigt
eine 21 %ige Differenz zu SARS-CoV auf. Auch bei SARS-CoV-2 weisen genetische Analysen
auf Fledermäuse als das natürliche Reservoir von Coronaviren und andere Tiere als
potenzielle Zwischenwirte hin [2].
Coronaviren sind behüllte RNA-Viren mit dem derzeit größten bekannten RNA-Genom. Sie
weisen nach außen ragende Proteinstrukturen auf, die elektronenmikroskopisch an das
Bild einer Krone (lateinisch corona) erinnern. Für die Pathogenese und als Ansatzpunkte
für diagnostische Verfahren sowie potenzielle Therapeutika und Impfstoffe sind die
vom Virusgenom kodierten viralen Proteine wichtig. Hierzu gehört das auf der Virushülle
exprimierte Spike-Protein (S), das durch eine Rezeptorbindungsdomäne (RBD) das humane
Angiotensin-Converting-Enzym-2-Molekül (hACE2-Molekül) als Rezeptor usurpiert. ACE2
wird unter anderem von alveolären und intestinalen Epithelzellen exprimiert. Nach
der Bindung wird das S-Protein von einer auf den Membranen der Wirtszellen vorhandenen
Serinprotease, TMPRSS2 (transmembrane protease serine 2), gespalten. Dies wiederum
ermöglicht die Fusion mit der Wirtsmembran und somit den Eintritt des Virus in die
Zielzelle [3].
Transmission
Kaum ein für SARS-CoV-2 relevantes Thema hat solch kontroverse Diskussionen ausgelöst
wie die Frage der Übertragungswege. Zweifellos erfolgt die Übertragung hauptsächlich
über Tröpfchen. Infizierte sind bereits vor Beginn einer typischen Symptomatik infektiös
und können so unbemerkt das Virus verbreiten [4]
[5]. Experimentelle Studien, in denen mit SARS-CoV-2 angereicherte Aerosole, d. h. Partikel
mit einem Durchmesser < 5 µm, unter verschiedenen Bedingungen untersucht wurden, zeigten,
wie es zu einer Verteilung der Viren kommen kann. Diese Studien weisen darauf hin,
dass es potenziell zu einer Übertragung durch diese Mikrotröpfchen kommen kann, und
zwar v. a. dann, wenn kein Schutz durch eine Mund-Nasen-Maske vorhanden ist [6]. Aufgrund des Nachweises von SARS-CoV-2 auf unterschiedlichen Oberflächen ist derzeitig
auch von einer möglichen Kontaktübertragung auszugehen [7].
Klinik
Die ersten größeren Fallserien aus China enthielten v. a. Berichte von Patienten mit
schweren Pneumonien [8]. In weiteren Untersuchungen wurde gezeigt, dass ungefähr 80 % der Fälle mild verlaufen,
mit auch einem erheblichen Anteil asymptomatischer bis oligosymptomatischer Personen.
Allerdings benötigen bis zu 20 % der Patienten eine stationäre, darunter 6 % eine
intensivmedizinische Versorgung. In Italien betrug der Anteil an Patienten, die intensivmedizinisch
versorgt werden mussten, bis zu 12 %. Die klinischen Verläufe sind u. a. abhängig
von den lokalen demografischen Verhältnissen.
Die Erkrankung manifestiert sich als eine Infektion der Atemwege, die v. a. mit Fieber
und nichtproduktivem Husten einhergeht. Weitere Symptome umfassen eine teilweise ausgeprägte
Abgeschlagenheit, Myalgien, Kopfschmerzen sowie Verlust des Geruchs-/Geschmackssinns.
Letzteres wird sogar, wenn vorhanden, als besonders charakteristisches Symptom einer
COVID-19-Erkrankung erkannt. Die Oxygenierung, z. B. mittels Überwachung der peripheren
Sauerstoffsättigung sowie der Atemfrequenz, dient als wichtiges Maß zur angemessenen
Stratifizierung der Patienten. Die sogenannte „stille Hypoxie“ der Erkrankten ist
hier besonders hervorzuheben. Dabei sind Patienten trotz manifester Hypoxämie relativ
symptomarm und es kann bei peripheren Sauerstoffsättigungen von < 90 % zu einer sehr
rapiden respiratorischen Verschlechterung kommen. Diese Patienten erfordern eine engmaschige
stationäre Überwachung.
Risikogruppen
Alle bisher veröffentlichten internationalen Registeranalysen zeigen, dass das Vorliegen
von Herz- und Kreislauferkrankungen, v. a. Hypertonus, sowie Diabetes mellitus und
Übergewicht mit erhöhtem Risiko einer schweren Erkrankung nach Infektion mit SARS-CoV-2
einhergeht. Obwohl jede Altersgruppe betroffen sein kann, erkranken Patientengruppen
höheren Alters signifikant häufiger schwer. Weiterhin gibt es Hinweise darauf, dass
männliche Patienten schwerer erkranken als weibliche [8]. Außer kleineren Fallberichten gibt es bisher kaum Daten hinsichtlich immunsupprimierter
Patientenpopulationen und des Einflusses einer Immunsuppression auf den Krankheitsverlauf.
Pathogenese
Gegenwärtig wird der klinische Krankheitsverlauf in 2 Stadien unterteilt ([Abb. 1]). Ein Initialstadium mit viraler Replikation über mehrere Tage mit Aktivierung des
angeborenen Immunsystems zeigt sich mit klinisch milder Symptomatik. Anschließend
wird die adaptive Immunantwort ausgelöst und die Viruslast reduziert. Diese Reaktion
kann zu einer überschießenden inflammatorischen Reaktion mit starkem Anstieg von Zytokinen
wie IL-6 und IL-1RA führen, einem sogenannten Zytokinsturm [9]. Trotz der v. a. im Lungenparenchym auffälligen Schädigung ist von einer pathologischen
generalisierten Entzündung auszugehen. In einer Autopsie-Studie konnte virale RNA
in Zellen zahlreicher Organe nachgewiesen werden, u. a. auch in Niere, Leber und Herz
[10].
Abb. 1 Schema des COVID-19-Krankheitsverlaufs.
Diagnostik
Direkter Erregernachweis von SARS-CoV-2-RNA
Der Goldstandard zur Diagnose einer neuen Infektion ist der Nachweis von SARS-CoV-2-Nukleinsäuren.
Dies erfolgt nach entsprechender Probenaufbereitung, Extraktion der Nukleinsäuren
und anschließender Reverse-Transkriptase-PCR-spezifischer Zielsequenzen des Genoms.
Hier gibt es bereits mehrere kommerzielle Testsysteme. Verwendet wird hierfür Material,
das aus den oberen und unteren Atemwegen, z. B. mit einem nasopharyngealen Abstrich,
gewonnen wird. Trotz negativer Initialdiagnostik sollte bei weiterhin bestehendem
klinischem und/oder radiologischem Verdacht eine fortführende Diagnostik mit Wiederholung
der Tests durchgeführt werden. Dies ist v. a. wichtig bei stationären Patienten, um
eine mögliche nosokomiale Weiterverbreitung zu vermeiden. Generell war und bleibt
die größte Herausforderung hierbei allerdings weiterhin der steigende Bedarf an zeitnaher
Testung und Analyse einer größeren Anzahl an Personen bei noch limitierter Testkapazität.
Verlängerter Nachweis von SARS-CoV-2-RNA
Gelegentlich lassen sich bei einer Gruppe von genesenen Patienten nach durchgemachter
Infektion in den Atemwegen sowie im Stuhl wiederholt noch virusspezifische Nukleinsäuren
nachweisen. Beschrieben ist eine Zeitdauer von bis zu 60 Tagen nach Symptombeginn
[11]. Bisher gibt es keine klinischen oder epidemiologischen Hinweise auf eine potenzielle
persistierende Infektiosität. Detaillierte virologische und immunologische Untersuchungen
an der ersten Kohorte in Deutschland weisen darauf hin, dass es sich hierbei lediglich
um RNA-Fragmente und nicht um infektiöses, replizierenden Virus handeln könnte [12]. Auch bei anderen Viren, wie Masern, Ebola oder Zika, lässt sich nach durchgemachter
Infektion virale RNA bis zu 6 Monate später detektieren [13].
Nachweis von SARS-CoV-2-spezifischen Antikörpern
Der Nachweis von SARS-CoV-2-spezifischen Antikörpern kann zur Bestätigung einer durchgemachten
Infektion und letztendlich Abschätzung der Seroprävalenz in bestimmten Kohorten sowie
der allgemeinen Bevölkerung dienen. Verschiedene kommerzielle Anbieter bieten inzwischen
Antikörpertests für SARS-CoV-2 an. Der ELISA der Firma Euroimmun AG (Lübeck) weist
IgG spezifisch für die S1-Domäne des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 sowie relevante
Teile der bereits erwähnten Rezeptorbindungsdomäne (RDB) nach und hat eine Spezifität
von 99,1 % und eine Sensitivität von 90,9 %. Für SARS-CoV-2-IgA derselben Firma wird
eine 100 %ige Sensibilität und 88 %ige Spezifität angegeben.
Diese IgG/IgA-ELISA wurden in einer bereits publizierten Untersuchung sowie weiteren
in Deutschland stattfindenden Studien benutzt [14]
[15]. Seit Anfang Mai bietet die Fa. Roche (Penzberg, Deutschland) einen weiteren ELISA
(Elecsys® Anti-SARS-CoV-2-Immunoassay) an, der eine Sensibilität von 100 % und Spezifität von
99,8 % verspricht und in die laufenden Studien integriert werden wird.
Wichtig bei der Verwendung und Beurteilung von Antikörpertests für SARS-CoV-2 ist
auch der Zeitpunkt der Untersuchung: Nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 kommt es
ca. 1–3 Wochen später zur nachweisbaren Produktion von IgA-Antikörpern, die typischerweise
bei Infektionen der Schleimhäute gebildet werden. Etwas später erst können IgG-Antikörper
nachgewiesen werden ([Abb. 2]). So kann die Sensibilität eines ELISA-Tests zu niedrig angegeben werden, wenn die
Untersuchung zu einem zu frühen Zeitpunkt stattgefunden hat.
Abb. 2 Schema der SARS-CoV-2-Antikörperantwort.
Nachdem erste Berichte über COVID-19 hauptsächlich auf Patienten im Krankenhaus mit
schwerem Verlauf fokussiert waren, gibt es inzwischen Berichte von oligosymptomatischen
SARS-CoV-2-Infizierten. Dabei wurden Patienten beschrieben, die trotz gesichertem
PCR-Nachweis von SARS-CoV-2 keine Antikörper gegen das Virus gebildet hatten. Ob bei
diesen Patienten ein anderer Weg der Immunantwort vorrangig aktiv war und z. B. eine
T-Zell-vermittelte Immunität ausgebildet wurde, ist Teil laufender Studien. Oligosymptomatische
Patienten scheinen im Vergleich mit hospitalisierten Patienten erst Tage bzw. Wochen
später Antikörper zu produzieren. Der Schweregrad einer COVID-19-Erkrankung war in
einer Studie assoziiert mit der Höhe der IgG-Antikörper gegen SARS-CoV-2 [16].
Momentan werden Antikörpertests vorrangig durchgeführt, um zu überprüfen, ob es in
der Vergangenheit zu einer SARS-CoV-2-Infektion gekommen ist. Aussagen zur Immunität
gegen SARS-CoV-2, gerne gesehen als Freibrief für risikoreiche Tätigkeiten, lassen
sich daraus nicht ableiten.
Zur Frage, ob die Antikörper gegen eine erneute SARS-CoV-2-Infektion schützen, werden
Neutralisationstests durchgeführt, in denen Plasma von Rekonvaleszenten mit Virus
inkubiert und dann die Infektiosität dieser Mischung auf Zellen getestet wird. Erste,
noch nicht publizierte Ergebnisse der laufenden Studien weisen darauf hin, dass es
Patienten mit nachgewiesener SARS-CoV-2-Infektion und messbaren spezifischen IgG-Antikörpern
gibt, denen die Fähigkeit zur Neutralisation fehlt [14]. Aber selbst wenn neutralisationsfähige IgG-Antikörper dokumentiert werden konnten,
kann über die Dauer dieses potenziellen Immunschutzes derzeit nur spekuliert werden.
Verlaufsuntersuchungen von Patienten nach Infektion, sogenannte COVID-19-Genesene,
könnten in Zukunft auf nationaler und internationaler Ebene hierzu neue Erkenntnisse
schaffen,
SARS-CoV-2-unabhängige Erregerdiagnostik
Zusätzlich zu der standardisierten SARS-CoV-2-Diagnostik sollte bei stationären Patienten
abhängig vom klinischen Schweregrad eine weiterführende mikrobiologische Diagnostik
durchgeführt werden. Koinfektionen mit alternativen respiratorischen Erregern wie
Influenza, RSV und Mykoplasmen sind beschrieben. Entsprechende Untersuchungen von
Blut und respiratorischem Material sollten hier zum Basisprogramm gehören.
Bei bestimmten Risikogruppen, v. a. solchen unter intensivmedizinischer Behandlung,
sollten auch invasive Pilzinfektionen als nosokomial erworbene Infektionen erwogen
und mit entsprechender Diagnostik abgeklärt werden [17]. Weiterhin ist eine differenzierte erweiterte Erregerdiagnostik bei allen immunsupprimierten
Patienten mit COVID-19 zwingend.
Laborparameter
Besonderheiten bei der Messung von Laborparametern sind eine Erhöhung der inflammatorischen
Parameter (CRP, IL-6, Ferritin) sowie das Auftreten einer Lymphopenie und Eosinopenie
im peripheren Blutbild. Im klinischen Alltag ist die regelmäßige Überwachung dieser
Parameter gegebenenfalls unter Zunahme der LDH sowie der D-Dimere von Bedeutung und
könnte zusätzlich zu anderen Scores zur Risikoabschätzung dienen.
Bildgebung
Interessanterweise lassen sich auch bei Patienten mit milden Verläufen typische Veränderungen
in der pulmonalen Bildgebung demonstrieren, bei mindestens 60 % im konventionellen
Röntgenbild und bei 85 % in der CT-Untersuchung der Lunge. Zu den typischen beschriebenen
Veränderungen gehören multifokale, peripher gelegene milchglasartige Infiltrate („ground
glass“), meistens bilateral, die im Verlauf der Erkrankung als sogenannte „crazy paving“-Konsolidierung
dominieren können (s. unten) [18]
[19]. Während diese Veränderungen eine hohe Sensitivität vorweisen, sind sie keineswegs
spezifisch für COVID-19. Zunehmend werden auch bettseitige Ultraschalluntersuchungen
der Lunge zur Diagnostik und v. a. zur Verlaufskontrolle von fokalen konfluierenden
B-Linien durchgeführt. Unsere bisherigen Erfahrungen zeigen, dass diese radiologischen
Veränderungen nach durchgemachter Infektion regredient sind.
CT-morphologische Veränderungen, die suggestiv für eine COVID-19-Pneumonie sind*:
-
frühe dominante Milchglastrübungen
-
späte dominante „crazy paving”-Konsolidierung
-
organisierende Pneumonie
-
Lokalisation: peripher und posterior
-
Verteilungsmuster: bilateral, multifokal
-
intraläsional erweiterte Blutgefäße
-
keine mediastinale oder hiläre Lymphadenopathie
*bei hoher lokaler Prävalenz und/oder individueller Prä-Test-Wahrscheinlichkeit
Therapie
Supportive Maßnahmen
Aufgrund fehlender Evidenz für Substanzen mit direkter SARS-spezifischer Wirksamkeit
und der bisher enttäuschenden Berichte über die bisher eingesetzten Substanzen beruht
die Behandlung von COVID-19-Patienten v. a. auf den Prinzipien der „Best Standard
of Care“ in Kombination mit intensivmedizinischen Maßnahmen. Alle weiteren unten aufgezählten
Substanzen sollten unseres Erachtens im Rahmen von klinisch kontrollierten Studien
und nur in Einzelfällen auf der Basis eines Off-Label-Versuchs verabreicht werden.
Antimikrobielle Therapie
Der unsachgemäße Einsatz von Antibiotika führt zu einer stetigen Zunahme von Resistenzen
sowie Veränderung des Mikrobioms. Zusammenfassende Analysen zeigen, dass eine antimikrobielle
Therapie bei bis zu 72 % der Patienten mit COVID-19 verschrieben wurde [20], obwohl eine bakterielle oder mykotische Koinfektion lediglich bei 8 % der Patienten
vorlag. Daten zur Erregerdiagnostik fehlen. In der Studie von Zhou et al. war die
Rate an Sekundärinfektionen im Vergleich signifikant höher in der Gruppe mit erhöhter
Mortalität trotz einheitlichem Einsatz von Antibiotika in beiden Gruppen [8].
Im klinischen Alltag kann die Bestimmung des Procalcitonins vor Erwägung einer antibiotischen
Therapie angepasst an die lokalen Therapieempfehlungen hilfreich sein. Zu erwähnen
ist auch der vermehrte Einsatz des Makrolidantibiotikums Azithromycin aufgrund potenzieller
SARS-CoV-2-spezifischer Wirksamkeit ähnlich wie das inzwischen sehr kontrovers diskutierte
Mittel Hydroxychloroquin; die endgültigen Ergebnisse laufender randomisierter Studien
werden hierzu Klarheit bringen [21]
[22].
Potenzielle Anti-SARS-CoV-2-Therapie
Erfahrungen aus China zur Bewältigung der lokalen Epidemie haben vielseitige Erfahrungsberichte
mit unterschiedlichen Therapieansätzen, aber ohne klare Evidenz erbracht. Mehrere
Wirkstoffe zeigen in vitro eine Aktivität gegen SARS-CoV-2 und sind Gegenstand weiterer
Untersuchungen. Obwohl die Ergebnisse größerer kontrollierter Studien, wie dem RECOVERY-Trial,
noch ausstehen, gibt es vermehrte Berichte über die fehlende Wirksamkeit von Therapeutika
wie den HIV-Protease-Inhibitor Lopinavir/Ritonavir sowie Hydroxychloroquin.
Das Nukleosid-Analogon Remdesivir hemmt neben Coronaviren auch andere Viren. Die Ergebnisse
einer kontrollierten Studie zur Therapie von Ebola-Fieber zeigten keinen Effekt auf
die Mortalität [23]. In einer chinesischen Studie wurde auch kein eindeutiger Vorteil einer Behandlung
mit Remdesivir gezeigt. Aktualisierte Daten aus weiteren Studien hierzu werden erwartet.
Weitere derzeit in Prüfung befindliche Ansatzkonzepte basieren auf der Therapie mit
immunmodulatorischen Substanzen wie Tocilizumab, einem monoklonalen Antikörper, der
spezifisch die Bindung von Interleukin 6 an den Rezeptor hemmt. Auf „machine learning“
basierende Algorithmen zeigten außerdem, dass Inhibitoren der Janus-Kinase (JAK),
insbesondere Ruxolitinib, die Endozytose des Virus durch den ACE2-Rezeptor hemmen.
Der Einsatz von Rekonvaleszentenplasma gilt als einer der vielversprechendsten verfolgten
Ansätze. Hier wird das Plasma mit Antikörpern von genesenen COVID-19-Patienten zur
Behandlung von schweren Verläufen eingesetzt. Einzelne Fallberichte mit jeweils 5
und 10 Patienten zeigen, dass eine einzelne Infusion, auch in der Frühphase der Erkrankung
eingesetzt, zu einer Verkürzung der Erkrankungsdauer und verbesserten Oxygenierung
führen könnte [24]
[25].
Zusammenfassung
Die besonderen Herausforderungen, die SARS-CoV-2 als Erreger dieser Pandemie an die
Gesellschaft im Allgemeinen, aber auch an die Infektiologie stellt, sind enorm und
vielfältig. Die Infektiosität von asymptomatischen Trägern stellt eine besondere Herausforderung
für die Kontrolle der Pandemie dar. Zudem ist abschließend zu bemerken, dass wir bisher
keinen aktiven Impfstoff gegen die Familie der Coronaviren vorzuweisen haben.
Die intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit auf allen Ebenen weist hier allerdings
bereits Erfolg versprechende erste Resultate auf.
Offene Fragen
Trotz der Fülle an Veröffentlichungen über COVID-19 bestehen sehr viele offene Fragen,
die für die Infektiologie dringliche Relevanz haben:
-
Mutationen: Bisher fehlen eindeutige Hinweise auf eine wesentliche, klinisch relevante
genetische Veränderung von SARS-CoV-2. Engmaschige phylogenetische Analysen hierzu
könnten wichtig für die weitere Epidemiologie und das Design von Impfstoffen sein.
-
Diagnostik: Wie weit sind wir in der Entwicklung von Schnelltests, die mit hoher Sensitivität
und Spezifität patientennah und auch im Feld eingesetzt werden können?
-
Immunität: Welches sind die Korrelate einer protektiven Immunität? Welche Charakteristiken
weisen diese in Patienten mit schweren, aber auch leichten Verläufen auf? Wie lange
besteht diese Immunität und welche Rolle spielt eine potenzielle Kreuzimmunität zu
anderen Coronaviren in der Pathogenese von COVID-19?
-
Prolongierte SARS-CoV-2-PCR-Positivität: Welche Daten werden ausreichen, um die Dauer
der Infektiosität und somit notwendiger Isolation besser zu definieren?
-
Biomarker: Welche Biomarker werden sich zur Stratifizierung und Behandlung von Patientenkohorten
etablieren?
-
Langzeitprognose: Was ist die Pathophysiologie und v. a. die Prognose von Patienten
mit persistierender Symptomatik nach durchgemachter Infektion?
-
Die Behandlung von Patienten mit COVID-19 erfordert ein hohes Maß an interdisziplinärer
Zusammenarbeit auf allen Ebenen.
-
Eine besondere Herausforderung stellt die Infektiosität von infizierten Personen vor
dem Auftreten von Symptomen dar.
-
Der Krankheitsverlauf kann biphasisch verlaufen mit einer initialen Phase der viralen
Replikation mit meist milder bis moderater Symptomatik. Dies kann gefolgt sein von
einer klinisch schwer verlaufenden inflammatorischen Phase, ausgelöst durch eine überschießende
Immunreaktion.
-
Zu den therapeutischen Ansätzen gehören Substanzen wie Remdesivir, Tocilizumab sowie
die Gabe von Rekonvaleszentenplasma.
-
Die Frage der Immunität nach abgelaufener Infektion ist ebenso wie viele andere Aspekte
dieser neuartigen viralen Infektion Gegenstand laufender Untersuchungen.
COVID-19 aus Sicht der Infektiologie
Khatamzas E, Rothe C, Kroidl I. COVID-19 aus Sicht der Infektiologie. Dtsch Med Wochenschr
2020; 145: 1051–1056. doi:10.1055/a-1164-3960
Im oben genannten Artikel wurde die englische Übersetzung des Artikel-Titels geändert.
Die korrekte Übersetzung ist: COVID-19: Questions and answers from Infectious Diseases
Specialty.