physiopraxis 2020; 18(06): 20-26
DOI: 10.1055/a-1158-5480
Wissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Internationale – Studienergebnisse

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Publication Date:
15 June 2020 (online)

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Karpaltunnelsyndrom – Weniger OPs durch Physiotherapie

Das Karpaltunnelsyndrom (CTS) ist die häufigste Einklemmungsneuropathie, bei der Ärzte häufig einen chirurgischen Eingriff empfehlen. Mit einer Lebenszeitprävalenz von > 3 % sind diese Eingriffe die häufigste orthopädische Operation der oberen Extremität [1]. Es wird prognostiziert, dass sich die Nachfrage nach CTS-Operationen bis 2030 verdoppeln wird, was eine ernsthafte Herausforderung für die Gesundheitssysteme werden könnte [2].

Um eine optimale Versorgung zu gewährleisten und OPs und dadurch Kosten zu vermeiden, sind klinische Studien nötig. In einer multizentrischen, randomisierten Studie fragten sich australische Forscher, wie sich Karpaltunneloperationen durch einen therapeutisch geführten Behandlungsprozess mit Edukation, Übungen und Schienenversorgung reduzieren lassen.

Die Forscher rekrutierten 105 Patienten mit Karpaltunnelsyndrom, die elektrodiagnostisch bestätigt waren und auf eine Operation warteten, und teilten sie in eine Interventions- (n = 52) und eine Kontrollgruppe (n = 53) ein. Die Interventionsgruppe erhielt eine einmalige Edukation über Schienenversorgung und Übungen zum Nerven- und Sehnengleiten. Die Kontrollgruppe erhielt keine Behandlung und blieb auf der OP-Warteliste. Als Primäroutcome hatten die Autoren die Anzahl der durchgeführten Operationen nach 24 Wochen, die GRoC (Global Rating of Change) und die Patientenzufriedenheit definiert. Sekundäroutcomes waren Symptomschwere und funktionelle Einschränkungen.

Nach 24 Wochen ließen sich 59 % der Interventions- und 80 % der Kontrollgruppe operieren. Das OP-Risiko sank demnach durch Edukation, Übungen und Schienenversorgung um 21 %. Nach 6 Wochen zeigten Probanden, die einen GRoC-Score von ≥ 5 hatten, in der Interventionsgruppe 9/46 (20 %) und in der Kontrollgruppe 2/48 (4 %). Nach 24 Wochen war das Ergebnis statistisch nicht mehr signifikant. Die Intervention galt auch als vorteilhaft bei einigen Maßen der Patientenzufriedenheit, Symptomschwere und funktionellen Einschränkungen. Zudem gab es keine schweren Nebenwirkungen. Unklar ist, inwieweit eine größere Population die Behandlung als nützlich einordnen würde.

Kommentiert von Physio Meets Science

Fazit für die Praxis

Eine Kombination aus Edukation, Nachtschienen und Heimübungen war gegenüber dem Verbleib auf der OP-Warteliste effektiver. Sie führte zu einer 21 %igen Verringerung des OP-Risikos mit einer 15 % größer wahrgenommenen Verbesserung und einer 12 % höheren Zufriedenheit. Die Verbesserungen variierten stark.

PMS

J Physiother 2020; 66: 97–104