Schlüsselwörter
Kornea - okuläre Tumoren - Pathologie
Key words
cornea - ocular tumours - pathology
Einleitung
Die Ophthalmopathologie ist ein spezieller Bereich der allgemeinen Pathologie, der
– ähnlich wie die Dermatopathologie – in Deutschland eine lange Tradition hat. Die
Augenheilkunde ist ein visuelles Fach, das sich gut erfassen lässt und damit auch
die Korrelation des klinischen mit dem pathologischen Befund zulässt. Seit Jahrhunderten
wird die Ophthalmopathologie in Deutschland von spezialisierten Augenärzten praktiziert
und weiterentwickelt. Sie begleitet den Fortschritt in der Augenheilkunde nicht nur,
sondern ist seine Basis und zugleich in der Lage, diesen auch kritisch zu evaluieren.
Albrecht von Graefe erkannte die Bedeutung der Ophthalmopathologie zu einer Zeit,
als die Pathologie gerade von Virchow revolutioniert wurde [1]. In den Folgejahren konnte sich die Ophthalmopathologie als eigene Subdisziplin
etablieren – auch dank der Schüler von Graefes (Otto Becker, Julius von Michel und
Theodor Leber) [1], [2].
In Deutschland hat vor allem Naumann die moderne Ophthalmopathologie begründet. Aber
auch Völker, Vogel und Witschel waren Ordinarien mit ausgesprochener ophthalmopathologischer
Expertise [2]. Und auch im Jahr 2020 bestehen weiterhin hochqualifizierte ophthalmopathologische
Labore sowie an die allgemeine Pathologie angegliederte ophthalmopathologische Arbeitsgruppen
an den bedeutendsten deutschen Universitätskliniken.
Die Ophthalmopathologie steht auf 4 Säulen: (1) der Diagnostik, (2) der klinisch-pathologischen
Korrelation, die ihre Bedeutung vor allem in der Aus- und lebenslangen Weiterbildung
hat, (3) der Evaluation neuer Therapiemethoden sowie (4) der Forschung – wie im Folgenden
anhand ausgewählter Beispiele verdeutlicht wird.
Diagnostik
Selbstredend ist die histopathologische Diagnostik eine Hauptaufgabe der Ophthalmopathologie.
Dies spiegelt sich bspw. bei der mehrzeitigen Tumorchirurgie wider, wo die Ophthalmopathologie
nicht nur für die Diagnostik, sondern auch für die Schnittrandkontrolle wichtig ist
([Abb. 1], [Abb. 2]). Hier sind eine genaue Kenntnis der anatomischen Strukturen am Lid sowie entsprechende
Zuschneidetechniken notwendig, um ophthalmologisch verständliche Befunde zu erheben
und eine optimale chirurgische Versorgung zu gewährleisten.
Abb. 1 Noduläres Basalzellkarzinom vom medialen Lidwinkel (HE-Färbung; HE: Hämatoxylin-Eosin).
Der zentrale Zuschnitt zeigt, dass die chirurgischen Resektionsränder nasal, temporal
und zum Wundgrund tumorfrei sind (a, 40 ×). Nach superior sind die Wundränder ebenfalls tumorfrei (b, 40 ×). An den „glatten“ Schnitträndern (Pfeile in b und c), die durch den Zuschnitt entstanden sind, ist naturgemäß Tumor zu erkennen. Auch
inferior ist der Tumor vollständig im Gesunden exzidiert (c, 40 ×).
Abb. 2 Basalzellkarzinom am temporalen Unterlid des linken Auges (a). Histologische Aufarbeitung nach Keilexzision. Es zeigt sich ein Tumor aus basophilen
Zellen, der von der Epidermis ausgehend den Tarsus durchsetzt, jedoch nicht bis unter
die Bindehaut (Stern) reicht. Der temporale Rand wurde während des Zuschnitts mit
dem Skalpell markiert (b, Pfeil, HE-Färbung, 40 ×). In der höheren Vergrößerung zeigen sich Stränge aus basophilen
Zellen, die infiltrativ das Gewebe durchsetzen. Es handelt sich um ein fibrosierend
wachsendes Basalzellkarzinom (c, HE-Färbung, 100 ×).
Das Basalzellkarzinom ist der häufigste maligne Tumor der okulären Adnexe. Die Therapie
der Wahl ist die vollständige chirurgische Exzision (R0-Resektion). Der Sicherheitsabstand
sollte unter Berücksichtigung des histologischen Typs (solide vs. fibrosierend) und
der lokalen Gegebenheiten gewählt werden, um eine funktionelle (und kosmetisch ansprechende)
Rekonstruktion der okulären Adnexe zu ermöglichen [3]. Eine Sonderform des Basalzellkarzinoms ist das regressive Basalzellkarzinom, das
sich histologisch verschiedenartig manifestieren kann [4]. Die aktive Regression ist histologisch leicht zu diagnostizieren, da hier der Tumor
von Entzündungszellen durchsetzt und abgebaut wird. Reste des Basalzellkarzinoms sind
i. d. R. noch sichtbar. Nach der erfolgten Regression ist u. U. nur noch Narbengewebe
nachweisbar, ohne dass Tumorherde sichtbar sind ([Abb. 3]). Engmaschige klinische
Verlaufskontrollen sind hier notwendig, um ein mögliches Rezidiv von außerhalb
des Resektionsrandes verbliebenen Tumorinseln rechtzeitig zu identifizieren. Dies
muss dem Kliniker im Befund entsprechend kommuniziert werden. Eine Diagnose „Narbengewebe,
kein Nachweis von Tumor“ ist sicherlich unvollständig und deckt die Komplexität des
Befundes nicht ausreichend ab. Es sollte zumindest der Verdacht auf ein regressives
Basalzellkarzinom mit der Notwendigkeit engmaschiger Nachkontrollen explizit ausgewiesen
werden.
Abb. 3 Regressives Basalzellkarzinom. In der Übersicht zeigt sich Hautgewebe mit narbigem
Bindegewebe, Muskulatur, einer umschriebenen Entzündungsreaktion (Stern) sowie Hautanhangsgebilden
(b, HE-Färbung, 40 ×). Höhere Vergrößerung des Narbengewebes mit ungeordneten Kollagenfibrillen,
neu gebildeten Gefäßen und chronischen Entzündungszellen (b, HE-Färbung, 100 ×). Aufgrund des klinischen Bildes, das den Verdacht auf einen malignen
epithelialen Tumor nahelegte, sowie des Verlaufs mit klinisch gesichertem Basalzellkarzinom
zu einem späteren Zeitpunkt [4], konnte unter Berücksichtigung dieser Aspekte die Diagnose eines regressiven Basalzellkarzinoms
gestellt werden.
Eine weitere speziell ophthalmopathologische Herausforderung ist die Diagnostik von
Talgdrüsenkarzinomen. Sie erfordert nicht nur klinisch, sondern auch histologisch
sehr detaillierte Kenntnisse und Erfahrung von/mit Tumoren der okulären Adnexe. Dem
Ophthalmopathologen[*] ist diese Entität histologisch präsent ([Abb. 4]), ebenso wie deren charakteristische klinische Eigenschaften [5]. Gut differenzierte Talgdrüsenkarzinome sind histologisch durch eine entsprechende
Talgdrüsendifferenzierung charakterisiert. Diese können auch am formalinfixierten
paraffinierten Gewebe mittels Immunfärbungen für Adipophilin nachgewiesen werden [6]. Außerdem können immunhistochemische Färbungen gegen das epitheliale Membranantigen
(EMA), den Androgenrezeptor und Perforin hilfreich sein [7], [8], [9]. Je
undifferenzierter das Talgdrüsenkarzinom ist, desto schwieriger ist die Abgrenzung
zum Plattenepithelkarzinom. Eine Assoziation des Tumors mit Talgdrüsen sowie ein pagetoides
Wachstum weisen auf ein Talgdrüsenkarzinom hin. Bei letzterem Wachstumsmuster müssen
Landkartenbiopsien der Bindehaut gewonnen werden, die im Verlauf auch ggf. wiederholt
werden müssen (z. B. zur Kontrolle des Therapieerfolges).
Abb. 4 Talgdrüsenkarzinom. Papillomatöser Tumor auf der tarsalen Bindehaut (a). Histologisch zeigt sich ein Tumor aus polymorphen Zellen mit teils bizarren Mitosen
bei insgesamt deutlich erhöhter Mitoserate. Einige Tumorzellen weisen eine Talgdrüsendifferenzierung
mit kleinen Lipideinschlüssen auf (b, HE-Färbung, 200 ×).
Auch die Diagnostik einer Keratitis ist oft eine Herausforderung. Nicht selten sind
die mikrobiologischen Abstriche (Kultur und PCR [polymerase chain reaction]) ergebnislos.
Dann kann ggf. die histologische Untersuchung von Abstrichmaterial nicht nur Bakterien
(Gram-Färbung) nachweisen, sondern auch Pilze (PAS-Reaktion [PAS: periodic acid Schiff],
Grocott-Färbung), Akanthamöben (PAS-Reaktion, Calcofluor white) und Mikrosporidien
(HE-Färbung [HE: Hämatoxylin-Eosin], modifizierte Ziehl-Neelsen-Färbung). Die Diagnose
kann in einigen Fällen allerdings erst an Keratoplastikmaterial gestellt werden, insbesondere
wenn die Erreger nur im posterioren Stroma zu finden sind. Vor allem die Pilzkeratitis
([Abb. 5]) stellt nicht nur therapeutisch, sondern auch diagnostisch eine besondere Herausforderung
dar [10]. Selbst bei eindeutigem histologischem Befund ist ein mikrobiologischer Nachweis
oft nicht erfolgreich. Daher sollte bei
klinischem Verdacht auf eine Pilzkeratitis auch immer ein scharfer Hornhautabstrich
([Abb. 5]) durchgeführt und das gewonnene Material zusätzlich mittels der PAS-Reaktion untersucht
werden. Dies gewährt einen zuverlässsigen und schnellen Erregernachweis innerhalb
weniger Stunden.
Abb. 5 Pilzkeratitis. Klinisches Bild eines weißlichen, flauschigen Hornhautinfiltrats (a). Ein scharfer Abstrich ermöglichte den Nachweis PAS-positiver Fadenpilze, obwohl
in der mikrobiologischen Untersuchung keine Erreger nachgewiesen werden konnten (b, PAS-Reaktion, 200 ×). Längere Zeit bestehendes Hornhautulkus mit Superinfektion
durch Pilze (c). Im Paraffinschnitt erkennt man zahlreiche PAS-positive Pilzelemente. Die mikrobiologische
Untersuchung ergab Aspergillus flavus (d, PAS-Reaktion, 200 ×).
Beim Aderhautmelanom sind die zur Bestimmung des Risikoprofils im Hinblick auf die
Metastasierung histologischen Parameter wie u. a. Zelltyp und das Vorhandensein von
„Vasculogenic Mimicry“ durch die genetischen Nachweismethoden (wie der Chromosom-3-Status
und das Genexpressionsprofil) abgelöst worden. Ein Parameter, der mit der Monosomie
3 und somit einer hohen Metastasierungswahrscheinlichkeit eng korreliert, ist die
BRCA1-associated-Protein-1-Mutation (BAP1-Mutation) [11]. Immunhistochemisch lässt sich eine BAP1-Mutation anhand des Verlustes der nukleären
BAP1-Färbung nachweisen ([Abb. 6]) [12], [13], [14], [15]. Diese immunhistochemische Nachweismethode ist – im Gegensatz zu einer genetischen
Untersuchung – schnell und günstig, wenn auch die Interpretation nicht immer ganz
eindeutig ist [16]. Dennoch wird derzeit diskutiert, inwieweit die BAP1-Immunfärbung in das diagnostische
Panel beim Aderhautmelanom aufgenommen werden sollte.
Abb. 6 BAP1-Immunfärbung beim Aderhautmelanom. Nukleäre BAP1-Expression im Aderhautmelanom
vereinbar mit BAP1-Wildtyp (a, 400 ×). Zwei der gefärbten Zellkerne sind exemplarisch mittels Pfeilen markiert.
Fehlen der nukleären BAP1-Expression (Pfeile und zytoplasmatische Färbung) vereinbar
mit BAP1-Mutation (b, 400 ×). Bei einer negativen BAP1-Immunreaktion sind die Zellkerne nicht angefärbt.
Wichtig ist daher, dass eine positive interne Kontrolle (intratumorale Gefäße, Entzündungszellen
oder retinale Zellen) vorhanden ist, um ein Nichtfunktionieren der Färbung auszuschließen.
Zudem kann (dies ist aber nicht obligat) eine zytoplasmatische Färbereaktion auftreten,
da eine BAP1-Mutation zu einem veränderten Genprodukt führt, das auch die Fähigkeit
verloren haben kann, in den Zellkern eingeschleust zu werden und somit im Zytoplasma
nachweisbar ist [53].
Klinisch-pathologische Korrelation
Klinisch-pathologische Korrelation
Die klinisch-pathologische Korrelation ist das Herzstück der Ophthalmopathologie.
Das ophthalmopathologische Grundwissen unterstützt die klinische Untersuchung durch
gedanklichen Transfer des klinischen Bildes an der Spaltlampe in ein histologisches
Bild sowie umgekehrt den Transfer des histologischen Befundes in den klinischen Befund.
Daraus resultiert eine bessere Einschränkung der Differenzialdiagnosen einhergehend
mit einer verbesserten Beratung des Patienten hinsichtlich der weiteren Therapie sowie
eine bessere Planung des evtl. notwendigen operativen Vorgehens.
Ein klassisches Beispiel für eine klinisch-pathologische Korrelation findet sich bei
der Evaluation melanozytärer Läsionen der Bindehaut, Plica und Karunkel. Der klassische
Nävus an diesen Lokalisationen – ob pigmentiert oder unpigmentiert – weist Bindehautepithelimplantationszysten
auf, die sowohl klinisch als auch histologisch sichtbar sind ([Abb. 7]). Die Zysten sind meist sehr klein, können aber auch eindrückliche Ausmaße annehmen.
Insbesondere bei kleinen, unpigmentierten Läsionen sind die Bindehautzysten wegweisend
für einen Nävus. Bei der primär erworbenen Melanose/konjunktivalen melanozytären intraepithelialen
Neoplasie (C-MIN) und dem Bindehautmelanom finden sich diese Zysten typischerweise
nicht.
Abb. 7 Karunkelnävus. Teils pigmentierte, teils unpigmentierte Läsion der Karunkel mit Zysten
(a). Histologisch zeigen sich nestförmig angeordnete Nävuszellen ohne Zellatypien sowie
zahlreiche Bindehautimplantationszysten (Pfeile; b, HE-Färbung, 100 ×).
Bei der primär erworbenen Melanose mit Atypie zeigt sich histologisch ein gänzlich
anderes Bild mit intraepithelialer Nestbildung. Die von Coupland und Damato publizierte
C-MIN-Klassifikation [17], [18] stellt eine deutliche Verbesserung zur Klassifikation der primär erworbenen Melanose
(PAM, primary acquired melanosis) [19] dar, die in PAM ohne und mit Atypie eingeteilt wird. Dies ist eine sehr vereinfachte
Darstellung und Übergänge werden nicht berücksichtigt. Die C-MIN-Klassifikation beruht
auf einem Score für die horizontale und vertikale Ausdehnung der atypischen Melanozyten
sowie der Zellmorphologie. Ziel der klinisch-pathologischen Korrelation ist es nun,
Cut-off-Werte zu definieren, ab denen eine C-MIN mit lokaler Chemotherapie behandelt
werden sollte.
Von der klinisch-pathologischen Korrelation lassen sich auch Aspekte im Bezug auf
das chirurgische Vorgehen ableiten [20]. Ein pyogenes Granulom ist eine reaktive benigne Gewebsneubildung, die am häufigsten
nach Trauma oder Chalazion auftreten kann, selten aber auch im Rahmen von Tumoren.
Bei Letzterem ist insbesondere die Inspektion des das pyogene Granulom umgebenden
Gewebes wichtig. Hier bestimmt das histopathologische Wissen das klinische Handeln.
So ist ein papillomatöser Aspekt des umgebenden Oberflächenepithels verdächtig auf
einen neoplastischen Prozess – eine konjunktivale intraepitheliale Neoplasie oder
ein Plattenepithelkarzinom – an der Basis bzw. der Umgebung des pyogenen Granuloms
([Abb. 8]) [20]. Daher sollte auch jedes exzidierte Material histologisch untersucht und pyogene
Granulome sollten immer mit der Basis abgetragen werden, damit ein potenziell malignes
Geschehen nicht
übersehen wird. Wurde die Basis chirurgisch nicht reseziert, kann die exakte Diagnose
histologisch nicht gestellt werden, da letztendlich nur das eingesandte Material untersucht
werden kann.
Abb. 8 Pyogenes Granulom mit konjunktivaler intraepithelialer Neoplasie (CIN). Zwei kleine
noduläre, weißlich-rötliche Bindehauttumoren (a). Das histologische Bild zeigt ein klassisches pyogenes Granulom, bestehend aus lockerem
Bindegewebe mit einem chronischen gemischtzelligen Entzündungszellinfiltrat, das von
radiär angeordneten Gefäßen durchsetzt ist. Die Epithelbedeckung fehlt stellenweise
(b, HE-Färbung, 40 ×). In der höheren Vergrößerung zeigt sich eine Reifungsstörung mit
Verlust von Becherzellen des umgebenden Bindehautepithels. Das Epithel ist zudem verdickt
und von polymorphen entarteten Epithelzellen durchsetzt (Stern). An der Basis des
pyogenen Granuloms lassen sich ebenfalls dysmorphe Epithelzellproliferate (Pfeil)
nachweisen (c, HE-Färbung, 100 ×).
Die klinisch-pathologische Korrelation von Hornhautdystrophien ist wichtiger Bestandteil
der Ophthalmopathologie. Auch wenn neuere bildgebende Verfahren – zusammen mit der
Spaltlampenuntersuchung – eine Verbesserung der klinischen Diagnostik darstellen,
so sichert die Ophthalmopathologie nicht nur die spezifische Diagnose, sondern das
histologische Bild der Dystrophien hat auch Einfluss auf das Operationsverfahren.
Beispielsweise ist bei der makulären Dystrophie auch das Endothel betroffen, was erklärt,
warum eine DALK (deep anterior lamellar keratoplasty) mit einer höheren Rezidivrate
der makulären Dystrophie einhergeht als eine perforierende Keratoplastik [21].
Die Map-Dot-Fingerprint-Dystrophie ist eine der häufigeren Hornhautdystrophien. Meist
führen konservative Behandlungsstrategien mit unkonservierten Tränenersatzmitteln
und Applikation pflegender Augensalben zu einer deutlichen Linderung der Beschwerden.
Bei deutlicher Visusminderung durch zentrale Veränderungen oder Heilungsstörungen
der Hornhautoberfläche kann auch eine fokale Abrasio corneae therapeutisch in Erwägung
gezogen werden. Histologisch können die entsprechenden Veränderungen nachvollzogen
werden, die durch Basalmembraneinschlüsse im Epithel zu erklären sind ([Abb. 9]).
Abb. 9 Map-Dot-Fingerprint-Dystrophie. Hornhaut mit klassischen punktförmigen Trübungen
sowie linienartigen Veränderungen (a). Histologie des Hornhautabradats mit fokalen Einschlüssen von PAS-positiver Basalmembran
(Pfeile, b, PAS-Reaktion, 200 ×).
Die klinische Beurteilung retinaler Erkrankungen wurde durch die optische Kohärenztomografie
(OCT) revolutioniert. Es handelt sich jedoch – auch wenn der Nutzen der OCT unbestritten
ist – um eine „Pseudohistologie“ [22]. Daher ist es besonders wichtig, die klinisch und in der OCT beobachteten Veränderungen
mit der echten Histologie zu korrelieren, da nur umfassende morphologisch-pathologische
Grundlagenkenntnisse eine adäquate und hoffentlich korrekte Interpretation des OCT-Bildes
erlauben. Interessante Aspekte haben sich z. B. bei der Beurteilung von Laserkoagulationseffekten
[23], aber auch bei der Darstellung von Veränderungen im Rahmen der altersabhängigen
Makuladegeneration ergeben [24]. Die bereits von Sarks [25] beschriebenen Ablagerungen zwischen der RPE-Basalmembran und der RPE-Zellmembran
([Abb. 10]), die sich signifikant von
den üblichen Drusen unterscheiden [26], korrelieren möglicherweise mit den retikulären Pseudodrusen, die durch die Fundusautofluoreszenz
und die OCT viel Aufmerksamkeit erweckt haben. Auch die neuerdings mittels OCT aufgefallenen
„outer retinal tubulations“ ([Abb. 11]) sind dem Ophthalmopathologen schon seit Langem als unspezifisches Phänomen (degenerative
Netzhautrosetten) im Rahmen degenerativer Netzhauterkrankungen bekannt. Es bleibt
spannend zu sehen, inwieweit die noch sehr spärlichen Korrelationen zwischen Bildgebung
und Histologie des menschlichen Auges uns hier zu weiterführenden Erkenntnissen verhelfen.
Abb. 10 Konfluierende Ablagerungen bei einer 83-jährigen Frau mit altersabhängiger Makuladegeneration.
Semidünnschnitt von konfluierenden Ablagerungen (Sterne) zwischen der Bruch-Membran
(Pfeil) und dem retinalen Pigmentepithel (RPE, a, Toluidinblau). Korrespondierendes elektronenmikroskopisches Bild mit Ablagerungen
(Stern) zwischen der Basalmembran des RPE (Pfeile) und dem RPE (b).
Abb. 11 Outer retinal Tubulations. Histologisches Bild einer degenerativen Netzhautrosette
bei altersabhängiger Makuladegeneration (a, HE-Färbung, 100 ×). SD-OCT-Aufnahme eines anderen Patienten mit altersabhängiger
Makuladegeneration (b).
Evaluation neuer Therapiemethoden
Evaluation neuer Therapiemethoden
Auch in der Therapie neuerer Therapieverfahren hat die Ophthalmopathologie ihren Stellenwert.
Besonders eindrücklich ist dies im Bereich der Hornhautchirurgie. Der Weg der radiären
Keratotomie ist längst verlassen, neuere Verfahren haben hier Einzug gehalten. Die
Evaluation dieser Verfahren erfolgt durch die klinische Kontrolle an der Spaltlampe,
die In-vivo-Bildgebung (z. B. mittels Vorderabschnitts-OCT und konfokaler Mikroskopie)
sowie die histologische Untersuchung von entsprechendem Keratoplastikgewebe. Dies
kann im Rahmen von experimentellen Vorversuchen [27], [28] oder auch im Rahmen von Komplikationen [29], [30], [31] oder einer Keratoplastik nach vorangegangenen Eingriffen [32], [33] erfolgen. So wurde bei 11 von 12 publizierten Fällen [29], [34], [35] von Keratoplastikmaterial nach Crosslinking (CXL) ein persistierender Keratozytenverlust
histologisch nachgewiesen ([Abb. 12]), und zwar in einem Zeitraum nach CXL, der deutlich über der Zeitspanne liegt, in
der nach pathophysiologischem Keratozytenverlust normalerweise die Repopularisierung
erfolgt. Das klinische Korrelat scheint eine Trübung der Hornhaut zu sein [35], [36]. In einem Fall kam es zu einer Hornhautperforation nach fokaler bakterieller Infektion,
wobei der persistierende Keratozytenverlust möglicherweise einen begünstigenden Faktor
dargestellt hat [35]. Die Risikofaktoren für den persistierenden Keratozytenverlust sind bislang nicht
bekannt. Hier ist die Untersuchung weiterer Fälle wünschenswert, um dieses Phänomen
weitergehend zu untersuchen.
Abb. 12 Persistierender Keratozytenverlust nach Crosslinking bei Keratokonus. Histologisch
zeigt sich ein nahezu vollständiger Verlust von Keratozyten im posterioren Stroma
(im Gegensatz dazu sind die Keratozyten im anterioren Stroma deutlich sichtbar; HE-Färbung,
100 ×). Beim kornealen Crosslinking sollte bei Anwendung des Dresdener Protokolls
und einer Mindesthornhautdicke nach Abrasio von 400 µm ein Keratozytenverlust im anterioren
Stroma erwartet werden. Bei den bislang veröffentlichten Fällen von Keratoplastikmaterial
nach Crosslinking (bislang erfreulicherweise eine Ausnahme) zeigten sich verschiedene
Lokalisationen des Keratozytenverlusts – im anterioren Stroma, im gesamten Stroma
und auch im posterioren Stroma. Ob ein posteriorer Keratozytenverlust möglicherweise
mit einem bestimmten Protokoll assoziiert sein könnte, ist bei geringer Fallzahl zum
derzeitigen Zeitpunkt nicht eindeutig zu klären.
Auch die ophthalmopathologische Evaluation von Material nach Rekeratoplastik oder
Re-DMEK ermöglicht, die entsprechenden Probleme, die zur erneuten Operation geführt
haben, weitergehend zu analysieren [31]. So kann nach einer perforierenden Keratoplastik bei Transplantatversagen nach einem
Zeitraum von mehreren Jahren eine DMEK (Descemet endothelial keratoplasty) mit etwas
größerem Transplantatdurchmesser unter vollständiger Entfernung der Descemet-Membran
des ersten Transplantats plus kleinem Wirtsanteil entfernt werden (persönliche Kommunikation
Prof. Geerling, Universitäts-Augenklinik Düsseldorf), da die von den Endothelzellen
neu gebildete Descemet-Membran offensichtlich stabil genug ist, der Descemetorhexis
standzuhalten (noch nicht veröffentlichte Daten). Es zeigt sich aber auch, dass die
Wundränder an anderen Stellen überlappen können und dann deutlich instabiler sind.
Die Wundheilung (insbesondere die Adaptation der posterioren Wundränder) und evtl.
damit verbundene Komplikationen nach perforierender Keratoplastik oder DMEK können
auch an enukleierten Augen untersucht werden ([Abb. 13]).
Abb. 13 Histologische Aufarbeitung des entnommenen Materials bei Rekeratoplastik nach Transplantatversagen
infolge einer Endophthalmitis nach Kataraktoperation. Dargestellt ist der Übergang
zwischen Hornhautspendergewebe und Wirt (a, HE-Färbung, 40 ×). Der Wundrand (Pfeil) ist gut sichtbar, ebenso der Faden im mittleren
Stroma und subepithelial. Zudem zeigt sich eine retrokorneale Membran (b, HE-Färbung, 200 ×).
Eine weitere ophthalmopathologisch relevante neue Therapie ist die intraarterielle
Chemotherapie mit Melphalan beim Retinoblastom. Hier wird das Chemotherapeutikum in
die A. ophthalmica injiziert, um so die Nebenwirkungen und Folgeschäden einer systemischen
Chemotherapie zu umgehen. Die histopathologische Untersuchung von Augen, die im Verlauf
dennoch (u. a. aufgrund einer ausbleibenden Tumorremission) enukleiert werden mussten,
ergab intravaskuläre Fremdkörpergranulome und thrombotische Ereignisse anderer Genese,
die auf die Chemotherapie zurückzuführen sind [37]. Auch konnte eine ischämische Atrophie der Netzhaut (und Aderhaut) nachgewiesen
werden [37]. Dies stellt nicht automatisch eine Einschränkung zur Anwendung dieses Verfahrens
dar, aber mögliche Folgen – wie z. B. eine Entzündungsreaktion mit Folgeschäden –
sollten im klinischen Verlauf berücksichtigt und gezielt ausgeschlossen werden.
Forschung
Nicht zuletzt liegt ein weiterer Schwerpunkt der Ophthalmopathologie in der Forschung.
Ihre Rolle besteht zum einen in der Evaluation von Tier- oder anderen Modellen im
Hinblick auf die klinische Situation beim Menschen. Beispielhaft seien hier die Tiermodelle
zur altersabhängigen Makuladegeneration und zu intraokularen Tumoren genannt [38], [39], [40], [41], [42]. Zum anderen ist natürlich die Untersuchung von humanem Gewebe (nach Abschluss der
histopathologischen Routineuntersuchung) für akademische Fragestellungen äußerst relevant.
In Bezug auf das Aderhautmelanom konnte die Korrelation von histologischen Parametern
– darunter Zelltyp (spindelzellig vs. epitheloid) und „Vasculogenic Mimicry“ – mit
der Überlebensprognose des Patienten gezeigt werden [43], [44], [45]. Pathogenetische Bedeutung haben das Vorhandensein von Makrophagen vom M2-Typ und
T-Lymphozyten, die ebenfalls prognostische Relevanz haben [46], [47], [48].
Die ophthalmopathologische Aufarbeitung fetaler Augen [49] führte neben weiteren Erkenntnissen hinsichtlich der physiologischen Entwicklung
[50] auch zur Charakterisierung von Artefakten [51], die in verschiedenen okulären Strukturen die Beurteilung erschweren und bei der
Linse sogar eine Katarakt vortäuschen können ([Abb. 14]) [52].
Abb. 14 Formalinfixierte fetale Linse mit ausgeprägten Artefakten (a, HE-Färbung, 40 ×). Es zeigen sich kugelartige Artefakte (Pfeil), subkapsuläres proteinreiches
Material und Vakuolen (b, HE-Färbung, 100 ×).
Zusammenfassend lässt sich anhand dieser wenigen Beispiele zeigen, dass die Ophthalmopathologie
nicht nur ein Fach der Vergangenheit, sondern vor allem ein Fach der Zukunft ist.
Die Ophthalmopathologie entwickelt sich mit dem medizinischen und ophthalmologischen
Fortschritt weiter und dient auch dazu, diesen zu evaluieren. Insbesondere die klinisch-pathologische
Korrelation ist ein unschätzbares Gut für die nachhaltige Qualität der Augenheilkunde.
Die Ophthalmopathologie bietet zweifelsohne mehr dar als die reine Diagnostik, und
Kliniken mit ophthalmopathologischen Laboren profitieren nachweislich von einer verbesserten
Aus- und Weiterbildung und umfangreicheren Forschungsaktivitäten, was sich auch –
aber nicht allein – in der Zahl der Publikationen widerspiegelt [2]. Nicht alle diese Parameter sind unmittelbar messbar. Gerade deshalb ist es wichtig,
dass nicht nur die Ophthalmopathologen selbst, sondern auch die Ordinarien sich der
Bedeutung der
Ophthalmopathologie bewusst bleiben, damit nicht weitere Labore – wie in der Vergangenheit
geschehen – aufgrund ökonomischer Zwänge geschlossen werden. Letzteres würde sich
kurz-, mittel- und langfristig auf die gesamte Ophthalmologie auswirken und diese
in verschiedenen Bereichen ihrer Exzellenz berauben. Die Ophthalmopathologie war,
ist und wird weiterhin der Goldstandard bei vielen ophthalmologischen Fragestellungen
bleiben.