Berlin – Einen Tee einschenken oder Haare kämmen – wenn die Hände unkontrollierbar
zittern, werden einfachste Aufgaben zur Herausforderung. Patienten mit solchen Symptomen
leiden oft an einem essenziellen oder an einem Parkinson-Tremor, chronisch fortschreitenden
Bewegungsstörungen mit unwillkürlichem Zittern. Die Standardtherapie mit Medikamenten
ist nur selten ausreichend und mit erheblichen Nebenwirkungen behaftet. Bei der operativen
Therapie, der sogenannten „tiefen Hirnstimulation“ (THS), werden Elektroden in der
Tiefe des Gehirns platziert, was mit einer Eröffnung des Schädels einhergeht. Eine
neue Therapie, bei der die tief im Gehirn liegenden Störherde mittels Magnetresonanztomografie-gesteuertem
fokussiertem Ultraschall (MRgFUS) ausgeschaltet werden, kann die Beschwerden auch
ohne offene Chirurgie deutlich lindern. Eine aktuelle Studie – in der Zeitschrift
„Neurology“ erschienen – belegt, dass das Zittern bei den Teilnehmern auch 3 Jahre
nach dem Eingriff noch deutlich verbessert war. Die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall
in der Medizin (DEGUM) empfiehlt den Einsatz der neuen Methode, da sie schonend und
präzise angewandt werden kann.
Ein Tremor tritt am häufigsten an Händen oder Armen auf, aber auch der Rumpf oder
der Kopf können betroffen sein. „Die Bewegungsstörung entsteht im Groß- und Zwischenhirn
in Bereichen, die an der Bewegungssteuerung beteiligt sind“, sagt DEGUM-Experte Professor
Dr. Ullrich Wüllner, Leiter der Sektion Bewegungsstörungen an der Klinik für Neurologie
des Universitätsklinikums Bonn. Die Aktivität dieser Hirnareale ist zwar prinzipiell
über Medikamente beeinflussbar, die Mittel wirken jedoch längst nicht bei jedem Patienten.
Die operative Therapie war bislang ein stereotaktischer Eingriff, bei dem die betreffenden
Hirnareale mithilfe fest implantierter Elektroden und elektrischen Impulsen aus einem
Batterie-Aggregat – ähnlich einem Herzschrittmacher – moduliert werden. Bei diesem
als tiefe Hirnstimulation bezeichneten Verfahren muss jedoch der Schädel des Patienten
geöffnet werden, dadurch entsteht die Gefahr von Hirnblutungen oder Infektionen.
Eine schonendere Alternative bietet der Magnetresonanztomografie-gesteuerte fokussierte
Ultraschall (MRgFUS): „Das neuartige Verfahren funktioniert ohne operativen Eingriff.
Es legt von außen gezielt nur diejenigen Hirnareale lahm, die für das Zittern verantwortlich
sind“, erläutert Wüllner. „Die Ultraschallwellen werden genau auf den Zielpunkt gesendet
und dort wie bei einem Brennglas gebündelt.“ Eine MRT-gesteuerte Neuronavigation stellt
dabei sicher, dass nur der gewünschte Bereich im Gehirn inaktiviert wird. Zudem erfassen
die behandelnden Ärzte bereits während der Behandlung die optimale Tremor-Kontrolle.
Die aktuelle Studie aus der angesehenen Zeitschrift „Neurology“ bestätigt die Langzeitwirkung
des Verfahrens. Forscher um Dr. Casey H. Halpern von der Stanford-Universität haben
das moderne Ultraschallverfahren bei 76 Patienten mit therapieresistentem essenziellem
Tremor angewendet. Selbst 3 Jahre nach der Behandlung war das Zittern bei der Hälfte
der Studienteilnehmer noch deutlich verbessert. Auch Behinderungen und die Lebensqualität,
die durch die chronische Bewegungsstörung vor dem Eingriff stark eingeschränkt war,
hatten sich bei vielen Patienten noch gebessert (56 und 42 %). Da der Eingriff – trotz
des schonenden Verfahrens – eine umschriebene, dauerhafte Schädigung im Gehirngewebe
hinterlässt, können als Nebenwirkungen Gefühls-, Gang- und Gleichgewichtsstörungen
auftreten. Im Vergleich zu den Nebenwirkungen eines operativen Eingriffs sind diese
jedoch eher gering.
DEGUM-Experte Wüllner macht selbst positive Erfahrungen mit dem fokussierten Ultraschallverfahren:
Seit 1,5 Jahren führt er dieses in seiner Bonner Neurologie-Abteilung durch – und
konnte damit bereits 35 Patienten erfolgreich behandeln. „Bei Parkinson-Patienten,
deren Tremor medikamentös nicht in den Griff zu bekommen war, zeigt die Therapie sehr
gute, anhaltende Erfolge“, sagt der Neurologe. Bei Patienten mit essenziellem Tremor
tritt der Tremor bei etwa 30 % der Patienten im Verlauf abgeschwächt wieder auf. Dieser
Langzeitverlauf wird auch in Bonn im Rahmen einer Beobachtungsstudie am Deutschen
Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) genau studiert. Aufgrund der guten
Erfahrungswerte, die nun erstmals auch langfristig nachgewiesen werden konnten, fordert
die DEGUM eine Aufnahme der modernen Ultraschalltherapie in den Katalog der gesetzlichen
Krankenkassen. Die Kosten dafür werden von diesen derzeit noch nicht regelhaft übernommen.