Klin Padiatr 2020; 232(02): 62-67
DOI: 10.1055/a-1117-3672
Originalarbeit
© © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erythrodermie und hypernatriämische Dehydratation beim Neugeborenen – eine Fallbeschreibung des Netherton-Syndroms

Erythroderma and Hypernatraemic Dehydration in Newborn – A Case report of Netherton Syndrome
Verena Anneser
1   Klinik für Kinder und Jugendliche, KJF Klinik Sankt Elisabeth, Neuburg an der Donau
,
Fabian Mueller
1   Klinik für Kinder und Jugendliche, KJF Klinik Sankt Elisabeth, Neuburg an der Donau
,
Florian Wild
1   Klinik für Kinder und Jugendliche, KJF Klinik Sankt Elisabeth, Neuburg an der Donau
,
Dieter Metze
2   Klinik für Hautkrankheiten – Allgemeine Dermatologie und Venerologie, Münster, Universitätsklinikum Münster
,
Holm Schneider
3   Kinder- und Jugendklinik – Zentrums für Ektodermale Dysplasien und Molekulare Pädiatrie, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen
,
Martin Steinhoff
4   Department of Dermatology & Venerology, Hamad Medical Corporation, Qatar University, Doha, Qatar
,
Stephan Seeliger
1   Klinik für Kinder und Jugendliche, KJF Klinik Sankt Elisabeth, Neuburg an der Donau
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Publication Date:
10 March 2020 (online)

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Zusammenfassung

Hintergrund Das Netherton-Syndrom (NS) ist eine seltene, schwer verlaufende, autosomal rezessive Form einer kongenitalen Ichthyose, verbunden mit einem charakteristischen Defekt des Haarschaftes (Trichorrhexis invaginata), Erythrodermie und einer ausgeprägten Atopieneigung auf dem Boden eines veränderten Immunsystems mit erhöhten IgE-Werten. Seine Inzidenz wird mit 1:100 000 bis 1:200 000 angegeben. Die Ursache sind Mutationen im Gen SPINK5 (5q31-q32), das für den Serinprotease-Inhibitor LEKTI kodiert. Betroffene Neugeborene zeigen ein nicht einheitliches Bild einer generalisierten Erythrodermie mit Schuppung der Haut bis zum Vollbild eines Kollodiumbabys. Eine schwerwiegende Komplikation im Neugeborenenalter ist die hypernatriämische Dehydratation auf dem Boden der unzureichenden Barrierefunktion der Haut. Im Verlauf stehen rezidivierende Infekte, Atopieneigung, Diarrhoen und intestinale Malabsorption (Enteropathie) mit einer damit verbundenen Gedeihstörung im Vordergrund.

Patient/Methode Wir berichten über ein Neugeborenes mit NS, welches post partum neben einer ausgeprägten Erythrodermie durch eine schwer zu therapierende hypernatriämische Dehydratation auffiel.

Ergebnis Die Untersuchung einer Hautprobe unserer Patientin zeigte eine für das NS typische und richtungsweisende psoariasiforme Dermatitis mit Fehlen des LEKTI-Proteins. Die schweren rezidivierenden und behandlungsbedürftigen Elektrolytentgleisungen standen in der Neonatalperiode als lebensbedrohliche Komplikation im Vordergrund.

Schlussfolgerung Bei Neugeborenen mit Erythrodermie muss an das seltene Krankheitsbild eines NS gedacht werden, da die betroffenen Kinder durch Elektrolytentgleisungen sehr gefährdet sind und diese mit einer hohen Letalität einhergehen. Diagnose und Therapie des NS erfordern eine sehr gute interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Neonatologen, Intensivmedizinern, Dermatologen sowie im Verlauf Infektiologen und Allergologen. Eine engmaschige Weiterbetreuung bis in das Jugendalter ist unabdingbar.

Abstract

Netherton syndrome (NS) is a rare, severe, autosomal recessive form of congenital ichthyosis, associated with a characteristic defect in the hair shaft (Trichorrhexis invaginata), erythroderma, and a pronounced atopic disposition due to an altered immune system. Its incidence is about 1:100,000 to 1: 200,000. The disease is caused by mutations in the gene SPINK5 (5q31-q32) which codes for the serine protease inhibitor LEKTI. Affected newborns show a non-uniform picture of generalized erythroderma with scaling of the skin and sometimes even present as Collodion babys. A serious complication during early infancy is hypernatremic dehydration resulting from the inadequate barrier function of the skin. The mucocutaneous barrier dysfunction also leads to recurrent infections, atopy, diarrhea, and intestinal malabsorption with concomitant failure to thrive.