ergopraxis 2020; 13(04): 32-37
DOI: 10.1055/a-1092-6150
Ergotherapie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Der betätigungszentrierte ergotherapeutische Prozess – CPPF anhand eines Fallbeispiels

Julia Zeindl
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Publication Date:
06 April 2020 (online)

 

Ein klar definierter Prozess hilft Therapeuten und Klienten dabei, die Intervention strukturiert durchzuführen. So sind sich alle Beteiligten stets darüber im Klaren, wo sie momentan stehen und welche weiteren Schritte vor ihnen liegen.


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ABB. Das Canadian Practice Process Framework (CPPF) ist das Prozessmodell des Canadian Model of Occupational Performance and Engagement (CMOP-E).
Abb.: Canadian Practice Process Framework in Townsend E. & Polatajko H. 2007, Ottawa, ON, CAOT Publications ACE; Umsetzung: Thieme Gruppe [rerif]

Einer der bekanntesten ergotherapeutischen Prozesse ist das Canadian Practice Process Framework (CPPF). Das folgende Fallbeispiel verdeutlicht, wie es die Klientenzentrierung vom Beginn der Therapie bis zu deren Abschluss ins Zentrum stellt.

Gesellschaftlicher Kontext

Das Fallbeispiel findet in Deutschland und damit im Rahmen des deutschen Gesundheitssystems statt. Herr Fischer ist 72 Jahre alt und in Deutschland gesetzlich krankenversichert. Die Krankenversicherung zahlt seine Rehabilitation. Zunächst wurden drei Wochen in der Reha-Phase C genehmigt. Die Ergotherapeutin kann Herrn Fischer entsprechend den internen Richtlinien 3x/Woche für 30 Minuten ergotherapeutisch begleiten. Der gesellschaftliche Kontext bildet den Rahmen für den Praxiskontext.


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Praxiskontext

Der Klient

Herr Fischer ist berenteter Elektroingenieur, geschieden und lebt seit neun Jahren alleine. Er hat einen Sohn, der in der Nähe wohnt und zu dem er regelmäßig Kontakt hat. Hin und wieder passt er auf seinen dreijährigen Enkel auf. Herr Fischer wohnt in der Stadt in einer Mietwohnung im 3. Stock, ein Lift ist nicht vorhanden. Er geht 2x/Woche ins Fitnessstudio und mit einem Freund regelmäßig auf Radtour. Seine persönlichen Einstellungen und Lebenserfahrungen prägen ihn als Person. So hat er in seinem Leben bereits mehrfach die Erfahrung gemacht, dass sich mit Ehrgeiz und Wille viele Dinge erreichen lassen. Seine Freiheit und Unabhängigkeit sind ihm ebenso wichtig wie seine sozialen Beziehungen.


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Die Therapeutin

Die Ergotherapeutin ist 26 Jahre alt und seit vier Jahren in ihrem Beruf tätig. Sie arbeitet seit ihrem Examen in einer großen Rehaklinik im städtischen Raum. Das ergotherapeutische Team der Einrichtung umfasst zehn Personen und ist sehr gemischt in Bezug auf die Berufserfahrung. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Klinik ist gut, es wird viel Wert auf einen zielgerichteten Austausch und ein fachliches und menschliches Miteinander gelegt. Die räumliche und materielle Ausstattung der Ergotherapie ist recht umfangreich. So stehen Materialien zum funktionellen Training sowie eine Übungswohnung mit Schlafräumen, Wohnzimmer, Bad und Übungsküche zur Verfügung.


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Bezugsrahmen

Die Ergotherapeutin hat nach einem OTIPM-Kurs beschlossen, die Betätigungszentrierung noch mehr in ihr therapeutisches Handeln einfließen zu lassen. Für Herrn Fischer wählt sie einen betätigungszentrierten Bezugsrahmen mit dem Kanadischen Modell und Elementen aus dem OTIPM aus.


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Evaluationsphase

Aktionspunkt (AP) 1: Eintreten/initiieren

Herr Fischer erlitt vor einer Woche einen linkshemisphärischen Mediainfarkt und war bis gestern im Akutkrankenhaus. Er ist gerade in der Reha angekommen. Als Symptome weist er eine Hemiparese auf der rechten Seite und eine leichte Aphasie auf. Ein Gespräch mit dem Arzt fand bereits statt. Im Anschluss daran erhielt die Ergotherapeutin eine Verordnung, aus der sie beispielsweise Basisinformationen zur Sozialanamnese und der Krankheitsgeschichte erfährt. Nun steht Herr Fischers erster Termin in der Ergotherapie an.


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AP 2: Erwartungen abklären

Damit gegenseitige Erwartungen abgeklärt werden können, ist es vonnöten, dass der Klient zunächst über den Aufgabenbereich der Ergotherapie informiert wird (DOWNLOAD, S.37). Meist wissen Klienten nicht, was sie erwartet. Häufig wird Ergotherapie auch mit einem anderen Berufsfeld verwechselt. Wenn hier der Grundstein gelegt wird, dass es darum geht, Aktivitäten aus dem alltäglichen Leben wieder selbstständiger und/oder selbstbestimmter auszuführen, gelingt die betätigungszentrierte Befundaufnahme einfacher.

Im Sinne der Klientenzentrierung nennt auch die Therapeutin ihre Erwartungen, zum Beispiel, dass Anliegen frei geäußert werden sollen. Auch lohnt es sich zu erwähnen, wie häufig die Behandlungen stattfinden werden, damit der Klient seine Erwartungen darauf abstimmen kann.

Termin 1

Die Ergotherapeutin führt zur Aufnahme des Anfangsbefunds das COPM mit Herrn Fischer durch. Hierbei geht sie die einzelnen Betätigungsbereiche mit ihm durch und fragt ihn, ob er schon Betätigungsprobleme bemerkt hat. Der Klient stellte bereits Schwierigkeiten in folgenden Bereichen fest:

  • bei der körperlichen Selbstversorgung (Waschen, Duschen, Anziehen, Toilettengang, Deoauftragen, Essenschneiden)

  • bei der Mobilität (aufstehen, weitere Strecken mit dem Rollstuhl zurücklegen, bei schönem Wetter alleine in den Park kommen)

  • Für die Regelung persönlicher Angelegenheiten ist zum aktuellen Zeitpunkt sein Sohn als Betreuer eingesetzt. Diesen Bereich sieht Herr Fischer momentan als für die Therapie nicht relevant an. Jedoch macht er sich Sorgen, wie das Einkaufen oder Behördengänge in der Zukunft wohl funktionieren werden.

  • Arbeit ist für Herrn Fischer als Bereich nicht relevant, er ist berentet und geht auch keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nach.

  • Im Bereich der Haushaltsführung erwartet er Probleme. Er ist aus dem Akutkrankenhaus direkt in die Rehabilitationseinrichtung gekommen und hat hierzu noch keine Erfahrungen gemacht. Er bittet jedoch, das Kochen, Putzen und Wäschemachen als potenzielle Probleme zu notieren, da er hierbei Schwierigkeiten vermutet.

  • Im Bereich der ruhigen Freizeit ist er nicht eingeschränkt. Ihm wichtige Tätigkeiten wie Zeitunglesen, Telefonieren und Fernsehen kann er ausführen.

  • In der aktiven Freizeit erwartet er Schwierigkeiten, da er vor seinem Schlaganfall gerne Fahrrad gefahren und regelmäßig ins Fitnessstudio gegangen ist.

  • Im Bereich soziale Kontakte rechnet er mit Schwierigkeiten, sich mit seinem Fahrradfreund und seinem Sohn weiterhin zu treffen. Er müsste hierzu nicht nur die Treppen von/zu seiner Wohnung im dritten Stock bewältigen, sondern auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren.

Im Anschluss an die Erhebung der Betätigungsprobleme stuft Herr Fischer ein, wie wichtig ihm diese Tätigkeiten sind ([TAB. 1] UND [2]). Anschließend wählt er einige Anliegen aus, an denen er als Erstes arbeiten möchte und die er in Hinblick auf Ausführungsqualität und Zufriedenheit bewertet ([TAB. 3]).

TAB. 1 COPM von Herrn Fischer. Teil 1: Problematische Betätigungs-bereiche im Klinikkontext

Betätigungsbereiche

Probleme

Wichtigkeit

körperliche Selbstversorgung

  • Waschen

8

  • Duschen

8

  • Anziehen

9

  • Toilettengang

10

  • Deo auftragen

7

  • Essen schneiden

9

  • Frühstück zubereiten

7

Mobilität

  • selbstständig das Bett verlassen

9

  • weitere Strecken mit dem Rollstuhl fahren

5

  • im Park unterwegs sein

7

TAB. 2 COPM von Herrn Fischer. Teil 2: Vermutete problematische Betätigungsbereiche im späteren häuslichen Kontext

Betätigungsbereiche

Probleme

Wichtigkeit

Regelung pers. Angelegenheiten

  • Einkaufen

8

  • Behördengänge

5

Haushaltsführung

  • Kochen

8

  • Putzen

4

  • Wäsche machen

4

Aktive Freizeit

  • Fahrrad fahren

8

  • Fitnesstraining im Studio

6

Soziale Kontakte

  • mit Sohn und Freund treffen (Bus/Treppen)

9

TAB. 3 Anliegen von Herrn Fischer und Erstbewertung

Betätigungsperformanzprobleme

erste Erhebung Performanz

erste Erhebung Zufriedenheit

selbstständiger Toilettengang

2

1

selbstständig das Bett verlassen

5

4

im Zimmer Frühstück zubereiten

1

1

Im klinischen Setting haben die Klienten oft noch keine Erfahrungen mit Betätigungen im häuslichen Bereich gemacht. Es lohnt sich daher in solchen Fällen, gemeinsam zu erproben, ob es vielleicht Probleme in relevanten Betätigungsbereichen geben könnte. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der reale Kontext zu Hause nicht einem nachgestellten Klinikkontext gleicht, auch wenn Möglichkeiten zum Alltagstraining vorhanden sind. Dies ist kein Ausschlussgrund, um zum Beispiel Kochen in der Übungsküche der Ergotherapie zu erproben. Es ist jedoch wichtig, sich über mögliche Unterschiede im Klaren zu sein und dies mit dem Klienten transparent zu besprechen.


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AP 3: Erheben und Bewerten

Nachdem Betätigungsprobleme festgestellt wurden, wird entschieden, ob weitere Tests notwendig sind. Es ist jedoch nur nötig, das zu erheben, was in der Therapie in Bezug auf das jeweilige Ziel relevant ist (Beispiel: Es muss nicht die Gehgeschwindigkeit gemessen werden, wenn der Klient sich im Sitzen seinen Pullover besser anziehen können möchte).

In vielen Fällen eignet sich an dieser Stelle eine Betätigungs- und Performanzanalyse. Hier wird eine Performanzanalyse in Anlehnung an das OTIPM benutzt. Die Teilschritte der Betätigung werden über Anstrengung, Sicherheit, Effizienz und Hilfe beurteilt.

Termin 2

Herr Fischer und seine Ergotherapeutin haben sich darauf verständigt, gleich den Toilettengang zur Performanzanalyse zu verwenden. Diesen führt der Klient momentan normalerweise im Bad seines Zimmers auf der Station mit Hilfe der Pflegekraft aus. Da er in dieser Situation verständlicherweise nicht gefilmt werden wollte, wurde die Beobachtung und Analyse ohne Videoaufnahme gemacht.

Vor der Durchführung wurden Herr Fischer und seine Pflegerin instruiert, dass sie den Toilettengang wie gewohnt durchführen sollen und die Therapeutin lediglich in der Rolle der Beobachterin fungiert und sich ggf. Notizen macht. Da der Toilettengang ja eigentlich etwas ist, bei dem man nicht unbedingt beobachtet werden möchte, besprach die Ergotherapeutin mit Herrn Fischer, was von ihr beobachtet werden darf und soll. Zudem legten sie gemeisam fest, mit welchem Schritt die Beobachtung beginnt und mit welchem sie endet.

Sie einigen sich darauf, dass die Beobachtung beginnt, wenn Herr Fischer im Zimmer ist, und endet, wenn er nach dem Toilettengang im Bad wieder in seinem Rollstuhl sitzt. Die Ergotherapeutin darf und soll für die gesamte Dauer der Betätigung mit im Raum bleiben. Sie macht sich während der Aufgabenausführung Notizen zu ihren Beobachtungen ([TAB. 4], S. 36). Diese kann sie in einem späteren Schritt bewerten. Es lohnt sich, dass der Klient bei der Analyse der Situation zuerst zu Wort kommt. Erkennen Klienten selbst Schwierigkeiten, sind sie eher geneigt, Routinen und Abläufe zu ändern.

TAB. 4 Performanzanalyse mit Bewertungskriterien

Teilschritte

Beobachtung der Therapeutin

Sicherheit/Effizienz/Anstrengung/Hilfe

Im Rollstuhl zur Toilette fahren

Herr Fischer wird von der Pflegekraft zur Toilette gefahren. Sie stellt ihm die Fußstützen hoch. Herr Fischer beginnt, mit nicht festgestellten Bremsen aufzustehen. Die Pflegekraft stellt ihm die Bremsen am Rollstuhl fest.

  • Sicherheit: deutliche Gefahr

  • Effizienz: deutliche Desorganisiertheit

  • Anstrengung: keine Anstrengung

  • Hilfe: durchgehende Hilfe

Aufstehen

Herr Fischer versucht aufzustehen, schafft es nicht, schnauft stark. Die Pflegekraft hilft ihm in den Stand. Er wackelt.

  • Sicherheit: mäßige Gefahr

  • Effizienz: keine Desorganisiertheit

  • Anstrengung: deutliche Anstrengung

  • Hilfe: durchgehende Hilfe

Hose runterziehen und auf Toilette setzen

Herr Fischer dreht sich im Stand um. Dabei sackt er mit dem rechten Knie immer wieder ein und dreht sich über seinen rechten Fuß. Pflegekraft greift ein und nimmt sein rechtes Bein mit. Sie zieht ihm im Stand die Hose runter.

  • Sicherheit: deutliche Gefahr

  • Effizienz: deutliche Desorganisiertheit

  • Anstrengung: deutliche Anstrengung

  • Hilfe: durchgehende Hilfe

Urin ablassen

Herr Fischer lässt Urin ab und säubert im Sitzen seinen Intimbereich.

  • Sicher/effizient/keine Anstrengung oder Hilfe

Aufstehen und Hose hochziehen

Herr Fischer steht ohne Hilfe von der Toilette auf. Er möchte die Hose im Stand hochziehen und kippt dabei nach vorne. Die Pflegekraft greift ein, bittet ihn, sich nur auf das Stehen zu konzentrieren, und zieht ihm die Unterhose und die Hose hoch.

  • Sicherheit: deutliche Gefahr

  • Effizienz: deutliche Desorganisiertheit

  • Anstrengung: minimale Anstrengung

  • Hilfe: durchgehende Hilfe

In den Rollstuhl setzen

Herr Fischer dreht sich stehend mit dem Gesäß Richtung Rollstuhl um. Er verdreht hierbei ein wenig das betroffene Bein und lässt sich in den Rollstuhl plumpsen.

  • Sicherheit: minimale Gefahr

  • Effizienz: minimale Desorganisiertheit

  • Anstrengung: mäßige Anstrengung

  • Hilfe: unabhängig


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Klient

Herr Fischer stellt fest, dass zum Toilettengang nicht nur das Ablassen von Urin etc. und das Abputzen dazugehört (beides funktionierte ohne Probleme), sondern auch das Hoch-/Runterziehen der Hose und das Hinfahren zur Toilette. Beides wurde in der Situation von der Pflegekraft übernommen. Er bemerkte, dass er fast gestürzt wäre, als er beim Hochziehen der Hose mithelfen wollte. Zudem gibt er an, dass alles recht anstrengend für ihn war.


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Pflegekraft

Der Pflegekraft wurde im Gespräch bewusst, dass Herr Fischer eventuell schon alleine zur Toilette fahren könnte. Sie beschließt, ihn diesen Teilschritt in Zukunft in Absprache selbstständiger durchführen zu lassen. Sie findet jedoch den Toilettengang an sich wegen der bestehenden Sturzgefahr noch unsicher und würde sich nicht trauen, Herrn Fischer dabei schon alleine zu lassen.


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Ergotherapeutin

Der Ergotherapeutin fiel auf, dass Herr Fischer besonders beim Hochziehen der Hose sturzgefährdet war. Im Stehen beugte er sich nach vorne, um nach dem Hosenbund am Knöchel zu greifen. Die Pflegekraft griff an dieser Stelle ein, da er das Gleichgewicht verlor. Ein weiteres Problem in der beobachteten Situation war, dass Herr Fischer noch sehr wenig Kraft beim Aufstehen vom Rollstuhl hatte und Hilfe benötigte (das Aufstehen von der etwas höheren Toilette gelang ihm selbstständig). Im Stand drehte er sich vor der Toilette auf sehr engem Raum und stolperte fast über seine Füße, wobei die Pflegekraft auch aus Sicherheitsgründen eingreifen musste. Zudem hatte er die Bremsen am Rollstuhl nicht festgestellt, dies wurde von der Pflegekraft erledigt.

Die Ergotherapeutin überlegt, ob die Probleme der beobachteten Situation eher im Kontext, auf Ebene der Betätigung und/oder im Bereich der Körperfunktionen gelegen haben. Sie stellt fest, dass der Großteil der Schwierigkeiten auf Ebene der Betätigung (Planung, Strategien, Sicherheitsaspekte) und auf Ebene der Körperfunktion (Beinkraft, Standstabilität) lag. Im Kontext bestand lediglich das Problem, dass Herrn Fischer auch in Teilbereichen geholfen wurde, bei denen er vermutlich selbstständig hätte agieren können.


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AP 4: Sich auf Ziele einigen/planen

Die Ergotherapeutin bespricht mit Herrn Fischer seine genauen Ziele. Gemeinsam stellen sie einen Ziele- und Maßnahmenplan auf ([TAB. 5], S. 36). Die Pflegekraft wurde im Vorfeld gefragt, ob auch sie Ziele hätte. Ihr war es einfach wichtig, dass sie sich keine Sorgen machen muss, dass Herr Fischer stürzen könnte.

TAB. 5 Ziele- und Maßnahmenplan

Ziel

Maßnahmen

Wer

Bis wann?

In zwei Wochen bin ich beim Toilettengang in der Klinik selbständig.

  • Schulung im Umgang mit Rollstuhl (Bremsen)

Klient

Ergotherapeutin

Nächster Termin (übermorgen)

  • Geeignete Position für Rollstuhl vor Toilette erproben

Klient

Ergotherapeutin

Nächster Termin (übermorgen)

  • Strategien zum sicheren und effizienten Hochziehen der Hose erarbeiten

Klient

Ergotherapeutin

In einer Woche

  • Strategien zum sicheren und effizienten Umdrehen vor der Toilette erarbeiten

Klient

Ergotherapeutin

In einer Woche

  • Trainieren von Oberkörpervorlage, Standstabilität und Gleichgewicht

Klient

Physiotherapeutin

In 2 Wochen

  • Erlerntes beim alltäglichen Toilettengang umsetzen

Klient

Pflegekraft

Mehrmals täglich, je nach Notwendigkeit


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Interventionsphase

AP 5: Umsetzung des Plans

Termin 3

Die Ergotherapeutin und Herr Fischer beschließen, die Teilschritte der Betätigung gemäß dem Ablauf der Betätigung zu trainieren. Das heißt, sie beginnen in der nächsten Einheit damit, dass der Klient lernt, wie die Bremsen an seinem Rollstuhl zu bedienen sind und dass es wichtig ist, vor dem Aufstehen stets beide Bremsen festzustellen. Die Ergotherapeutin erklärt ihm, dass er von einer feststehenden Sitzfläche besser aufstehen könne und der gebremste Rollstuhl ihm Sicherheit gibt, falls er sich schnell hinsetzen oder abstützen muss. Zudem zeigt sie ihm, wie er die Fußstützen hochklappen oder zur Seite schwenken kann. Von beiden Varianten besprechen sie die Vor- und Nachteile. Daraufhin erkennt Herr Fischer, dass er noch mehr Platz vor der Toilette hat, wenn die Fußstützen zur Seite geschwenkt sind, und entscheidet sich, dies bei zukünftigen Transfers beizubehalten. Beide besprechen, was ein guter Abstand vor der Toilette sein könnte, um sich noch ausreichend drehen zu können, und probieren dies aus. Der Klient stellt fest, dass er nicht mit den Knien an die Toilettenschüssel anstoßen darf, wenn er sich davor positioniert.

Die Grundstruktur des Prozesses: Evaluation, Intervention und Outcome/Reevaluation

Da Herr Fischer in der Einheit noch sehr motiviert und aufnahmefähig ist, beschließt die Ergotherapeutin, noch Strategien für das Hochziehen der Hose mit ihm zu erarbeiten. Hierbei war er in der Beobachtungssituation sehr sturzgefährdet. Die Therapeutin fragt ihn, ob er Ideen hätte, wie er diesen Teilschritt sicherer durchführen könnte. Daraufhin versucht Herr Fischer, sich im Stand ganz langsam nach vorne zu beugen, um an den Hosenbund zu kommen. Hierzu setzt er sich mit Hilfe der Therapeutin zunächst auf die Toilette. Er steht auf und versucht, sich mit engmaschiger Unterstützung der Ergotherapeutin nach vorne zu beugen und an den Hosenbund zu gelangen. Dabei kommt er stark ins Wanken, und die Therapeutin muss aus Sicherheitsgründen eingreifen. Sie schlägt vor auszuprobieren, ob er sich die Hose auch schon im Sitzen bis über die Knie ziehen könnte, damit er sich im Stand nicht so weit nach vorne bücken müsse. Dies war bei der anschließenden Erprobung sicher und effizient. Herr Fischer stellt fest, dass er sich nach dem Hochziehen der Unterhose wieder hinsetzen muss, um im Sitzen die Hose über die Knie ziehen zu können.

Die Strategie war also: Die Unterhose im Sitzen bis über die Knie ziehen, dann aufstehen und die Unterhose fertig anziehen. Dann wieder hinsetzen und die Trainingshose bis über die Knie hochziehen, wieder aufstehen und die Trainingshose fertig anziehen. Da die Trainingshose einen engen Gummizug hatte, rutschte sie beim Aufstehen nicht gleich wieder herunter, und die Strategie funktionierte somit effizient und sicher. Die Therapeutin fragt, ob Herr Fischer momentan auch andere Hosen trage, was er verneint. Später müsse man evtl. auch an das Anziehen von Jeans denken, meint er, aber nicht hier in der Reha. Alle erarbeiteten Aspekte werde er bei den nächsten Toilettengängen zusammen mit der Pflegekraft trainieren.


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Termin 4

Herr Fischer berichtet von seinen letzten Erfahrungen. Da er täglich mehrmals auf die Toilette muss, habe er viel Gelegenheit zum Üben gehabt. Weil ihm klar war, worauf es ankommt, konnte er der Pflege vermitteln, was er weiter alleine üben wollte und wobei er Hilfe benötigte. Herr Fischer bat die Therapeutin, mit ihm noch einmal den günstigsten Abstand für den Transfer zu erproben, da er sich hierbei noch nicht sicher war. Zusammen probierten sie unterschiedliche Abstände zur Toilette und das Drehen im Anschluss aus. Herr Fischer stellte fest, dass es ein guter Abstand für ihn war, wenn er sitzend im Rollstuhl etwa eine Unterarmlänge von der Toilette entfernt stand. Dies überprüfte er zu Beginn mit seinem Arm von seinem Knie aus. Diese Strategie konnte er in der Therapie gut umsetzen und beim täglichen Toilettengang weiter üben.


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Termin 5

Herr Fischer war mittlerweile im Umgang mit dem Rollstuhl und beim Positionieren des Rollstuhls selbstständig. Am Aufstehen arbeitete er weiterhin in der Physiotherapie. In der Ergotherapie ging es nun weiter darum, das Drehen im Stand zur und von der Toilette effizienter zu gestalten. In der Therapieeinheit wurde erarbeitet, was Herrn Fischer leichter fällt: sich über die rechte oder die linke Seite zu drehen. Er stellte fest, dass es ihm leichter fiel, sich im Uhrzeigersinn zu drehen, da er dann stets mit der linken Hand nach dem nächsten Haltegriff greifen konnte. Die Therapeutin wies darauf hin, dass es seinem rechten Fußgelenk auf Dauer ggf. nicht guttue, regelmäßig verdreht zu werden. Herr Fischer war dies gar nicht so bewusst, aber der Aspekt leuchtete ihm ein. Er versuchte beim erneuten Drehen, seinen rechten Fuß bewusst durch Gewichtsverlagerung mit zu setzen, was ihm gelang.

Ein einheitlicher Prozess unterstützt dabei, die Berufsidentität zu stärken.

Die Ergotherapeutin und Herr Fischer besprachen, ob die Strategien auch zu Hause klappen könnten. Hierzu wären Haltegriffe in der Wohnung gut, meinte Herr Fischer, und die Ergotherapeutin beriet ihn zum Ablauf einer möglichen Hilfsmittelversorgung.


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AP 6: Überprüfen/verändern

Termin 6

Bei AP 5 „Plan umsetzen“ wurde bereits beschrieben, dass das Vorgehen kontinuierlich angepasst wird. Dies ist ein fortlaufender Prozess, der sich auch innerhalb einer Einheit wiederholen kann. Herr Fischer stellte im weiteren Verlauf fest, dass die erarbeiteten Strategien nicht gut klappen, wenn er schon sehr dringend auf die Toilette muss. Dann ist er zu hektisch und macht Fehler. Daher nahm er sich vor, zu regelmäßigen Zeiten auf die Toilette zu gehen, damit er die gelernten Schritte in Ruhe ausführen kann. In Absprache mit der Physiotherapie arbeitete Herr Fischer in der nächsten Zeit vermehrt an der richtigen Oberkörpervorlage zum Aufstehen, damit ihm dies auch beim Toilettengang leichter gelingt.


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Outcome/Reevaluation

AP 7: Ergebnis bewerten

Termin 7

Nach zwei Wochen hatte Herr Fischer den Dreh raus. Er wusste, worauf er bei der Positionierung und beim Aufstehen zu achten hatte. Er konnte selbstständig hinfahren, sich positionieren, aufstehen, den Transfer durchführen. Das Säubern gelang ihm von Beginn an gut. Gemeinsam überprüften er und seine Ergotherapeutin, ob alle Schritte, die er vor dem Beenden durchführen muss (Hosen hoch, Transfer zurück), auch gut funktionieren. Er bewertete seine Performanz bzgl. des Toilettentransfers mit einer 7 und die Zufriedenheit mit einer 9 ([TAB. 6]). Auch die Pflegekraft und die Ergotherapeutin bewerteten die Durchführungsqualität als sicher und effizient und damit das Ziel als erreicht.

TAB. 6 Anliegen von Herrn Fischer und ihre Bewertungen

Anliegen

erste Erhebung Performanz

erste Erhebung Zufriedenheit

zweite Erhebung Performanz

zweite Erhebung Zufriedenheit

selbstständiger Toilettengang

2

1

7

9

selbstständig das Bett verlassen

5

4

9

9

im Zimmer Frühstück zubereiten

1

1


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AP 8: Beenden/abschließen

Im Rahmen der interdisziplinären Dokumentation werden die Fortschritte von Herrn Fischer durch die Ergotherapeutin eingetragen und weitergegeben. Sie fragte ihn nach den Betätigungsanliegen, welche er bei der ersten Befundaufnahme genannt hatte. Das Bett könne er mittlerweile selbstständig verlassen, meinte er, das müsse man nicht mehr weiterverfolgen ([TAB. 6]). Aber sein Frühstück könne er mit seiner gelähmten Hand noch nicht selbst zubereiten. Ob die Ergotherapeutin denn auch daran mit ihm arbeiten könne, wollte Herr Fischer wissen, denn das sei ja für zu Hause auch sehr wichtig. Gerne würde sie weiter mit ihm an so wichtigen Alltagsanliegen arbeiten, meinte die Ergotherapeutin und besprach mit ihm das weitere Vorgehen. Mit dem neuen Anliegen wird der Prozess bei Aktionspunkt 3 (erheben/bewerten) wieder aufgenommen.


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Das Betätigungsziel vor Augen

Da Herrn Fischer und allen beteiligten Berufsgruppen klar war, wie und an welchem Ziel gearbeitet wurde, erreichte er sein Ziel sehr schnell. Hierfür war es wichtig, dass nicht nur die Ergotherapeutin mit ihm trainierte. Die interprofessionelle Zusammenarbeit im Hinblick auf das individuell bedeutungsvolle Betätigungsziel war essenziell. Dadurch dass der Klient auch bei den funktionellen Therapien stets den Bezug dazu hatte, war der Übertrag gesichert.

Die Nutzung des COPM zur Erhebung des Anfangsbefunds bot im Verlauf die Möglichkeit, weiter relevante Betätigungen zu benennen und zu trainieren. Der am Anfang erarbeitete COPM-Bogen wurde Herrn Fischer nach der Reha für die weiterbehandelnde Ergotherapeutin mitgegeben, damit er ihr zeigen konnte, was schon erfolgreich funktionierte und welche Bereiche für ihn noch Relevanz hatten.

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Dieser Beitrag stammt aus dem Thieme-Buch „Ergotherapie – betätigungszentriert in Ausbildung und Praxis“.

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ABB. Das Canadian Practice Process Framework (CPPF) ist das Prozessmodell des Canadian Model of Occupational Performance and Engagement (CMOP-E).
Abb.: Canadian Practice Process Framework in Townsend E. & Polatajko H. 2007, Ottawa, ON, CAOT Publications ACE; Umsetzung: Thieme Gruppe [rerif]
Zoom Image
Dieser Beitrag stammt aus dem Thieme-Buch „Ergotherapie – betätigungszentriert in Ausbildung und Praxis“.