ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2020; 129(06): 249
DOI: 10.1055/a-1072-0448
Editorial

Kalenderblattphilosophie

Cornelia Gins

Was mache ich jetzt? Diese Frage werden sich sicher viele von Ihnen – genau wie ich – in den letzten Wochen gestellt haben. Die Praxis steht still, die Kinder sind zu Hause und soziale Kontakte – niet. Da unsere grauen Zellen auf „Lösung suchen“ programmiert sind, hatten sie nun ordentlich was zu tun. Wer Lösungen gefunden hat, überlebt, das ist ein Evolutionsgesetz und wurde zum Gebot der Stunde. Die Neurowissenschaftler sagen, das Kerngeschäft unseres Gehirns ist es, vorauszusagen, was getan werden kann, um die Zukunft zu bewältigen. Das konnten wir in den letzten Wochen reichlich beobachten. Die Lösungsansätze zur Bewältigung der Pandemie sorgten zu Beginn für große Einigkeit und Zustimmung. Doch um als Erste ein wieder vermeintlich normales Leben zuzulassen, überschlugen sich dann die Vorschläge und variieren nun von Bundesland zu Bundesland. Es entstanden 2 Lager: Den einen ging es zu schnell, den anderen zu langsam. Mit dem Ergebnis einer großen Verunsicherung. Keine Wirklichkeit lässt sich annähernd so präzise berechnen wie die Zahlen, die sie vorgaukeln. Dazu passt, was der griechische Philosoph Epiktet sagte: dass nicht die Dinge selbst beunruhigen, sondern die Bewertung, die wir ihnen geben. Als lösungsorientierte Menschen können wir offensichtlich mit ungelösten, offenen oder mehrdeutigen Zuständen schlecht umgehen. So hegen wir für die Zukunft die stille Hoffnung, dass uns die künstliche Intelligenz aus mehrdeutigen Dilemmata befreien könnte.



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Article published online:
23 June 2020

Georg Thieme Verlag KG
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