Zeitschrift für Palliativmedizin 2020; 21(01): 15-18
DOI: 10.1055/a-1046-3106
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Doppelkopf: Irmgard Singh und Andreas Lüdeke

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Publication Date:
03 January 2020 (online)

Irmgard Singh

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Zur Person

Jahrgang 1964,

Studium in München,

Tätigkeit in der Inneren Medizin – Onkologie – Strahlentherapie und Allgemeinmedizin.

Seit 1992 im Hospizbereich (Passau, Berchtesgadener Land und Salzburg).

Seit 2000 Ärztliche Leitung des Tageshospiz Salzburg.

Weiterbildungen in Homöopathie, Neuraltherapie, Body talk, Psychotherapie.

Wie kamen Sie in Ihr jetziges Tätigkeitsfeld?

Nach dem Studium – im damaligen Arzt in Praktikum – hatte ich meine erste Stelle in der Onkologie. Zutiefst berührend war für mich die Offenheit der Menschen, die im Angesicht ihres Todes ihre Masken fallen ließen und mich an ganz inneren Prozessen teilhaben ließen. Manchmal bestand mein Angebot mehr aus meinem offenen Herzen, dem lauschenden Ohr und der Zusage dazu sein, als in meiner fachlichen Expertise. Glücklicherweise konnte ich mir über die Jahre viel Fachwissen und einen großen Erfahrungsschatz erarbeiten.Aus dem Erleben, dass es mit der Entlassung nach Hause nicht getan ist, sondern die Kranken und deren Angehörige besonders dort kompetenter Begleitung und Betreuung bedürfen, habe ich mich 1992 einer Gruppe von aufgeschlossenen Menschen aus vielerlei Berufsgruppen angeschlossen, die 1994 einen Hospizverein gründeten.Die Hospizidee beflügelt und begeistert mich bis heute.Nach der Geburt meiner Kinder pausierte ich einige Jahre und war damals „nur“ in der Hospizbewegung und nicht als Ärztin tätig. Die Arbeitssuche nach der Kinderpause gestaltete sich recht schwierig und über wundersame, glückliche „Zufälle“, bekam ich 2000 die Möglichkeit, im Tageshospiz in Salzburg tätig zu werden. Wir haben mit viel Begeisterung, aber wenig Struktur begonnen. Im Laufe der Zeit konnten wir gemeinsam die erforderlichen Strukturen nach und nach entwickeln zu einem tragfähigen Gesamtkonzept. Im kommenden März feiern wir „20 Jahre Tageshospiz“ und dürfen mit Stolz behaupten, dass unser Angebot wirklich einzigartig und sehr professionell ist.Menschen wieder zum Leben zu „verführen“, zu tüfteln und verhandeln ist mir eine Herzensangelegenheit.

Was wäre für Sie die berufliche Alternative?

Ehrlicherweise würde ich sagen, dass es für mich keine wirkliche berufliche Alternative gibt, weil ich meine Arbeit sehr liebe.Aber in der Fantasie oder im „Ruhestand“ könnte ich mir vorstellen: Gärtnerin, Tänzerin, Filmkritikerin, Pfarrerin, Geschichtenerzählerin …

Wie beginnen Sie Ihren Tag?

Am liebsten mit einem Blick und kurzem Verweilen in meinem kleinen Garten.Wenn es nicht regnet, radle ich in die Arbeit und freue mich über den Sonnenaufgang, das Zwitschern der Vögel. Am Wochenende frühstücke ich gerne in Ruhe.

Leben bedeutet für mich …

Dankbarkeit, Herausforderung, Wandel, Bewegung, Begegnung, Tanz … ein Geschenk.

Sterben bedeutet für mich …

Beendigung des Erdenlebens und Übergang in eine andere Dimension. Darauf bin ich schon sehr gespannt. Glücklicherweise gibt es Übergangsbegleiter in Gestalt von Seelsorgern und Palliativmedizinern :-)

Welches Ziel möchten Sie unbedingt noch erreichen?

Eine bessere Work-Life-Balance!Weiterhin Menschen für Tageshospize begeistern.

Meine bisher wichtigste Lernerfahrung im Leben ist …

dass aus scheinbaren Katastrophen Wunder entstehen können und dass nach jedem Regen auch die Sonne wieder scheinen wird.

Was würden Sie gern noch lernen?

Russisch! Mein Sohn war während seines Studiums ein Jahr in Moskau. Mein Besuch dort hat mich sehr beeindruckt und begeistert. Dort habe ich wie eine Erstklässlerin mit großer Freude die kyrillischen Buchstaben entziffert. Russische Schriftsteller habe ich immer schon geliebt.Besser Tango tanzen!

Woraus schöpfen Sie Kraft für Ihre Arbeit?

Kraft schöpfe ich aus meiner Partnerschaft, meinen Kindern, meiner Familie, Begegnung mit Freunden, meiner Arbeit, genussvollem Essen, Kino, Theater, Tanz, Literatur, Gartenarbeit und der Stille.Es gibt Begleitung, die uns viel abfordern. Wenn wir es im Hospiz schaffen, dass Symptome nach vielfältigen Tüfteleien kontrolliert sind und ein Mensch – nach zwei völlig freudlosen Jahren – sagt, dass er nun wieder Freude spüre und er jeden Tag genießt, den er leben darf, ist uns das ein großer Ansporn uns weiterhin einzusetzen.

Mit wem aus der Welt- oder Medizingeschichte würden Sie gern einmal einen Abend verbringen?

Mit Dr. Ida Scudder. Zu meinem 13. Geburtstag bekam ich von meiner Jungscharleiterin das Buch „Dr. Ida gibt nicht auf“ geschenkt. Ihre Lebensgeschichte inspirierte mich sosehr, dass ich Ärztin geworden bin. Ida war die Tochter amerikanischer Missionare, die in Indien arbeiteten. Sie musste mehrfach erleben, dass indische Frauen sterben, weil es keine Ärztinnen gab. Sie studierte Medizin und gründete sogar eine medizinische Fakultät, die heute noch besteht.

Wenn ich einen Tag unsichtbar wäre, würde ich …

einen Tag in Varanasi ungestört am Ganges an den Ghats sitzen.

Wie können Sie Herrn Andreas Lüdeke beschreiben?

Andreas habe ich im Rahmen meiner Palliativausbildung in Köln und Bonn (1996–2008) kennengelernt. Da wir weit voneinander entfernt leben, sehen wir uns nur alle paar Jahre, aber im Herzen sind wir über die lange Zeit in Verbindung geblieben.Wir sind in brieflichem Kontakt und es gibt Austausch über die Projekte unserer Organisationen. Ganz besonders schätze ich seinen feinen Humor, seine Kreativität und seine ungebrochene Begeisterung für das Thema Hospiz und Palliativ.

Wie beenden Sie Ihren Tag?

Ich schätze es sehr, wenn der Tag ruhig ausklingt. Ganz wichtig ist mir abends der Austausch über die Begebenheiten des Tages und wenigstens ein paar Seiten zu lesen.

Gibt es etwas, das Sie gern gefragt worden wären, aber noch nie gefragt worden sind?

Nein