CC BY-NC-ND 4.0 · Laryngorhinootologie 2020; 99(S 01): S429-S448
DOI: 10.1055/a-1012-9454
Referat
Eigentümer und Copyright ©Georg Thieme Verlag KG 2019

„Qualität kommt von Qual [1,2]“

Standortbetrachtung und Kompass der medialen Qualitätsbewertung ärztlicher Leistung – insbesondere der HNO-HeilkundeExcellence entails exertionEvaluation and compass of medial quality assessment of medical performance – especially in otorhinolaryngology Artikel in mehreren Sprachen: deutsch | English
Carolin Wilms
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Carolin Wilms
Freie Journalistin
Springerstr. 22
D-04105 Leipzig

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Publikationsdatum:
16. März 2020 (online)

 

Zusammenfassung

Bei akuten Beschwerden, medizinischen Fragestellungen oder der Arztsuche informieren sich Patienten vermehrt selbst und zunehmend im Internet. Diese Vorinformation und das Patientenrechtegesetz bedingen ein deutlich verändertes Verhältnis zwischen Patienten und Ärzten. Mit der steigenden Quantität an Informationen für Patienten stellt sich die Frage nach der Qualität der Informationen und deren Validierung. Es stehen bereits neutrale und gesicherte Informationen von unabhängigen Einrichtungen zur Verfügung, deren Bekanntheit – auch in der Ärzteschaft – aber gering ist und die zudem Defizite in Breite und Tiefe ausweist. Gleichwohl bleibt der Austausch mit dem Arzt und dessen Einordnung unerlässlich.

Abstract

In case of acute symptoms, medical issues or physician search, more and more patients tend to retrieve information on the internet. That pre-information and the German law regarding patient rights led to a considerably altered relationship between patients and health professionals. With the increasing quantity of information, the question about its quality and validation comes to mind. There is already neutral and assured information of independent providers existing but their awareness level – even though among health professionals – is low; in addition, depth and width of it are missing. Nevertheless, the classification of information and the communication between health professionals and patients continue to be essential.


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Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung S1 Abstract S11. Fußball-Länderspiel und das schnarchende Kind S22. Wie hat der deutsche Gesetzgeber auf den recherchierenden Patienten reagiert? S23. Wie geht die Ärzteschaft mit den vorinformierten Patienten um, die sie laut Gesetz informieren und aufklären muss? S24. Qualität von Informationen zu Krankheits-/Gesundheits-Themen abhängig von den Informationsquellen S35. Das Internet als medizinisches Informationsmedium S46. Die Suche nach einem Arzt - Arztbewertungsportale S57. Informationsportale zu Gesundheitsthemen S68. Viele Ärzte kennen die Informationsquellen ihrer Patienten nicht oder haben keine Meinung zu deren Qualität S79. Nationales Gesundheitsportal in Deutschland als Lösung? S810. Rat für das „schnarchende Kind“? S8 Literatur S8

Warum verfasse ich als Journalistin einen Beitrag für diesen Referateband? Nun, Qualitätsbewertung von Informationen ist das tägliche Brot von Journalisten. Das gilt v. a. dann, wenn neue Themen anstehen und einem die jahrelange Expertise fehlt. Somit habe ich recherchiert, welche Informationsquellen es für Nicht-Medizinern gibt, wie viel oder wenig Mediziner darüber wissen und welche Qualitätsbewertung ärztlicher Leistung dies ermöglicht

1. Fußball-Länderspiel und das schnarchende Kind

„Unser Kind schnarcht“, sage ich zu meinem Mann, der gebannt das Fußball-Länderspiel im Fernsehen verfolgt. „Es kommt halt nach mir“, lacht er. Ich hingegen bin beunruhigt. Was kann das sein? Ist unser Kind erkältet oder hat es gar etwas Schlimmeres? Bis die Praxen am Montag wieder öffnen, will ich nicht warten. Ich will es jetzt wissen. „Tooor“, ruft mein Mann. Was soll ich tun? Mutter anrufen? Im Internet suchen? Im Ratgeber für Kinderkrankheiten nachschlagen oder – wie früher – hoffen, beten, Hand auflegen?

Ich entscheide mich für die Internet-Recherche über Symptomatik, ihre Behandlungsmöglichkeiten und Ärzte, die ich am Montag kontaktieren könnte.

Und so verfahren viele andere auch: Laut einer Studie [3] aus dem Jahr 2003 sind „akute Beschwerden das primäre Motiv für die Suche nach gesundheitsbezogenen Informationen. Demnach geben die Patienten sich nicht mehr passiv in die Hände eines Arztes, sondern suchen aktiv nach Informationen zu Diagnose und Therapie“. Zwölf Jahre später fand im Vergleich dazu eine Studie [4] heraus, dass sich rund 89% der Bevölkerung aktiv über Gesundheitsthemen informieren.


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2. Wie hat der deutsche Gesetzgeber auf den recherchierenden Patienten reagiert?

Mit dem Patientenrechtegesetz [5] aus dem Jahr 2013 wurde die Informationspflicht des Arztes und das Zusammenwirken von Arzt und Patienten bei der Behandlung festgeschrieben. Demnach hat sich die Arzt-Patienten-Beziehung vom paternalistischen zum partizipativen grundlegend gewandelt. Der Arzt muss qua Bürgerlichem Gesetzbuch den Patienten über Diagnose und (alternative) Therapien aufklären und dieser muss einwilligen: Die gemeinsame Entscheidung ist somit Patientenrecht und wird laut einer Umfrage [6] von 80% der Befragten befürwortet. Demnach gaben 92% an, dass sie wissen, dass die Patientenaufklärung gesetzlich geregelt sei, allerdings meinen 77% [7], dass der Arzt ihnen Informationsmaterial zur Verfügung stellen muss.

Dabei weist der Gesetzestext [8] nur daraufhin, dass „ergänzend auch auf Unterlagen Bezug genommen werden kann, die der Patient in Textform erhält“. Stehen solche zur Verfügung, besteht die Möglichkeit, dass der Patient sich informiert. Gleichwohl machen ihn die Informationen nicht zu einem medizinischen Experten. So scheinen etliche Fragen offen zu bleiben: Patienten informieren sich über den vom Arzt bereitgestellten Umfang hinaus etwa beim Krebsinformationsdienst (KID) des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), der von 2013 bis 2018 jährlich zwischen 28 000 und 35 000 individuelle Anfragen per Telefon oder E-Mail [9] beantwortete, die meist auf Themen wie Diagnoseerstellung und Erstbehandlung abzielten.

Die vom Gesetzgeber gewünschte Eigenverantwortung hinsichtlich der eigenen Gesundheit bedingt, dass die Menschen sich eigene Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit Gesundheitsfragen aneignen sowie ein gewisses Verständnis von evidenzbasierter Medizin [10] entwickeln; diese wird als „Gesundheitskompetenz“ bezeichnet. Diese Kompetenz umfasst sowohl die Beschaffung und Bewertung der Informationen seitens des Patienten als auch die Umsetzung der als dienlich erachteten Informationen. Mit Blick auf die Informationserhebung im Internet wird von der „digitalen Gesundheitskompetenz“ gesprochen, die zudem die kompetente Nutzung digitaler Medien einschließt.

Die besondere Bedeutung dieses Begriffs liegt in der Korrelation zwischen Gesundheitskompetenz und Sterblichkeit: So werde bei Menschen mit einer geringen Gesundheitskompetenz ein 1,5 bis 3-fach höheres Risiko für einen ungünstigen Krankheitsverlauf festgestellt, heißt es in einer Studie [11], sowie die seltenere Teilnahme an Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen wie Mammografie. Die digitale Gesundheitskompetenz sei relevant für den Verlauf und die Prognose von Krankheiten, so die Autoren [12].


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3. Wie geht die Ärzteschaft mit den vorinformierten Patienten um, die sie laut Gesetz informieren und aufklären muss?

Laut der Studie [13] aus dem Jahr 2016 stellen 98% der ambulant praktizierenden Ärzte in den vorausgegangenen fünf Jahren fest, dass sich ihre Patienten häufiger zu medizinischen oder krankheitsbezogenen Fragen informieren als früher: Dabei sprechen fast ein Viertel der ambulant tätigen Ärzte (24%) an einem normalen Arbeitstag mit mehr als 30% der Patienten über Informationen, die die Patienten recherchiert haben.

Laut einer Studie [14] nutzen die Deutschen durchschnittlich mehr als drei unterschiedliche Quellen, um sich über Gesundheitsthemen zu informieren.

In 81% der Fälle ging es um Therapien, gefolgt von Krankheitssymptomen (72%) und allgemeinen Erkrankungen sowie Krankenkassenleistungen (beide 66%).

Laut einer Studie [15] recherchierten im Jahr 2011 rund 28 Mio. Deutsche ab 16 Jahren – und damit 60% aller Internetnutzer bzw. 38% der Gesamtbevölkerung – im Internet nach Krankheiten, Verletzungen und Ernährungsfragen, während 78% der Menschen in den USA, die im Jahr 2012 Internetzugang (70% der Bevölkerung) hatten, angaben, das Internet als primäre Informationsquelle in Gesundheitsfragen zu nutzen.

Gleichwohl treffen Patienten, die sich im Internet oder durch persönliche Gespräche vor einem Arztbesuch informiert haben, mit dieser Vorinformation nicht nur auf Begeisterung in der Ärzteschaft, die in der Vergangenheit das Monopol für Gesundheitsinformationen besaß. Wie die Studie [16] zeigte, gaben mehr als die Hälfte (54%) der befragten Ärzte an, dass diese selbst beschafften Informationen teils positive, teils negative Aspekte für das Arzt-Patienten-Verhältnis mit sich bringe.

Dieser Aspekt hat sich jedoch im Zeitverlauf verschlechtert: Gab im Jahr 2003 fast ein Drittel (31%) der Ärzte an, dass vorinformierte Patienten dem Arzt Erklärungen ersparen und das Verständnis erleichtere (47%), halbierten sich die Werte im Jahr 2015. Nur noch 15% empfanden, dass Vorinformationen Erklärungen ersparen und nur 24% der Ärzte sahen eine Erleichterung beim Verständnis. Gerade Ärzte, die einen hohen Anteil von Patienten mit einem niedrigeren Bildungsgrad behandeln, bewerteten selbst recherchierte Informationen dreimal so negativ wie solche, die höher Gebildete zu ihren Patienten zählen.

Dennoch stimmte mehr als ein Drittel der Ärzte (37%) zu, dass die Patienten sich durch selbst gesammelte Informationen leichter an Entscheidungen für ihre Gesundheit beteiligen können, obgleich nur 16% der Ärzte glaubten, dass diese Informationen den Patienten Sicherheit gäben.

Mit Blick auf die Auswirkungen selbstinformierter Patienten hat sich die Einstellung der Ärzte dazu kaum verändert: Knapp ein Drittel gab sowohl im Jahr 2003 (32%) als auch im Jahr 2015 (30%) an, dass die selbst recherchierten Informationen meist verwirrten und das Vertrauen beeinträchtigten.

Eine große US-amerikanische Studie [17] aus dem Jahr 2003 zeigte, dass Ärzte mit vorinformierten Patienten häufig das Gefühl haben, die Patienten würden ihre Autorität infrage stellen.


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4. Qualität von Informationen zu Krankheits-/Gesundheits-Themen abhängig von den Informationsquellen

Und wie steht es um die Güte der Informationen? Bekanntlich ist nicht jede gefundene Information das Papier wert, auf dem sie steht: Die Rede ist von der Qualität der Information. Allein den Qualitätsbegriff zu klären, hat eine eigene „qualitas“: Denn den Grad der Übereinstimmung [18] mit der Anforderung an die Information zu bestimmen, mag nicht für jeden Patienten einfach sein. Ob die Information verständlich ist, kann noch am leichtesten beantwortet werden, aber die Einordnung, ob die Information korrekt, relevant, vollständig, konsistent, aktuell und transparent – hinsichtlich der vom Verfasser verfolgten Absicht – ist, kann den Laien überfordern. Letztlich geht die Bewertung der Informationsqualität mit Fachkompetenz einher.

In der Medienwelt übernimmt diese Aufgabe die Redaktion, der Verlag, der Herausgeber, der Lektor oder Bibliothekar. Sie prüfen professionell, wählen aus und stellen die Informationen zusammen. Der Patient, der kein Medizinstudium absolviert hat, muss die gefundene Gesundheitsinformation (Ist) mit seiner Anforderung (Soll) an die Informationsqualität mit seinem gesunden Menschenverstand und seiner Erfahrung abgleichen. Aber allein der Anspruch an das „Soll“ kann verschieden beantwortet werden. Es gibt Menschen, denen es reicht, wenn sie sprachlich folgen können, ohne dabei den Inhalt zu durchdringen. „Klingt gut“, heißt es dann.

Auf diese Weise kann der Soll/Ist-Abgleich zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Zu dem kommt, dass die heutige Informationswelt weitaus unübersichtlicher ist, als noch vor 2 Jahrzehnten: Die Zunahme an Medienprodukten und der damit einhergehende Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der potentiellen Rezipienten hat massiv zugenommen. Die Auswüchse, die die Wirkmechanismen der Wettbewerbsverdrängung hervorbringen, vermitteln sich dem Beobachter häufig nicht: So steigt zunehmend die Quantität der verfügbaren Informationen, aber nicht zwingend ihre Qualität. Oft fühlen sich Leser ausreichend informiert, wenn sie Gratis-Zeitungen lesen und in sozialen Medien geteilte Online-Beiträge für bare Münze nehmen.

Forscher [19] aus den USA fanden etwa heraus, dass im Zuge der Ausbreitung des Zika Viruses irreführende Videos auf Facebook deutlich häufiger Verbreitung fanden als korrekte Informationen von öffentlichen Gesundheitseinrichtungen wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Der Medizinhistoriker Robert Jütte vom Institut für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung erklärt in einem Zeitungsartikel [20], dass sich beim Thema Gesundheit die Menschen schon immer als besonders anfällig für Fake News erwiesen haben. Potentielle Gefahren für Leib und Leben lösten Ängste aus. Das, so der Psychologe Claus-Christian Carbon von der Universität Bamberg in demselben Beitrag [21], erschwere es den Menschen die Gefahren mit der notwendigen Rationalität einzuordnen.

Die Geschwindigkeit und Gleichzeitigkeit mit den Informationen aus aller Welt und aus der unmittelbaren Nähe über die Menschen hereinbrechen, hat Auswirkungen auf ihr Rezeptionsverhalten. Wer hält bei dieser Masse und Wucht noch inne und fragt nach der Quelle? Wer nimmt sich die Zeit und versucht zu erkennen, wer der Urheber der Information ist, wenn es nicht auf den ersten und auch nicht auf den zweiten Blick zu erkennen ist?

Redaktionen werden aus wirtschaftlichen Gründen ausgedünnt, was auch dazu führt, dass die Überprüfung von Informationen noch effizienter durchgeführt werden muss. Hingegen werden Planstellen in der Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen aufgestockt und kommunikationsstarke Mitarbeiter gesucht, um Unternehmensinformationen leserfreundlich aufzubereiten, um – möglichst – ungefiltert verbreitet zu werden. Gleichzeitig müssen schlanke Zeitungsredaktionen, die mit diesen Pressemitteilungen aus dem PR-Abteilungen ununterbrochen befeuert werden, inhaltliche Spreu vom Weizen trennen müssen.

Derweil sind Pressesprecher von großen Firmen unverzichtbare Mitarbeiter – v. a. in Krisenzeiten. So wird der Idealismus eloquenter Menschen auf eine harte Probe gestellt, wenn sie bei einer Qualitätszeitung Euro 1,20 pro Zeile verdienen bzw. für Euro 22,50 brutto pro Stunde [22] arbeiten oder um den Faktor fünf besser bezahlt, einen beschwingten Beitrag für ein buntes Hochglanzmagazin eines Unternehmens verfassen können. Der an sprachlich verdichtete, emotionalisierte und personalisierte Texte gewöhnte Leser (etwa: „Wir sind Papst [23]“), der zusätzlich noch durch „Framing“ (Suggestion durch Alltagssemantik, etwa: Steuern vs. Steuerlast) subtil beeinflusst wird, hat zunehmend Schwierigkeiten, sich ein objektives Bild zu machen. Veröffentlichte Informationen sind nicht allein durch die Veröffentlichung zutreffend. Der häufig zu hörende Satz „Das stand aber in der Zeitung“, ist kein Qualitätskriterium per sé. Wenn der Qualitätsanspruch an die Information hoch ist, kann die Suche danach zur Qual werden.

Bei der Erstellung wird in den Redaktionen neben der Qualität von Informationen unterschieden, welcher Verbreitungsweg vorgesehen ist: Zuweilen wird davon gesprochen, dass sich im Digitalzeitalter die Hamlet-Frage neu stelle: In „On oder Off“-liner, da der Unterschied in der Zielgruppenansprache groß ist. Beim Schreiben der Onlinetexte muss gezielt auf die Verwendung von Schlüsselbegriffen geachtet werden, um von den Suchmaschinen gefunden zu werden. Zudem stehen bei Online-Verbreitung andere Möglichkeiten der optischen Aufbereitung zur Verfügung. Während bei Offline-Publikationen die Auflagenzahlen dokumentiert werden, haben die Online-Medien ganz andere Wege das Nutzungsverhalten der Leser zu ergründen: die Klick-Zahlen (die die Anbieter aber nicht veröffentlichen müssen), die Verweildauer bzw. über welche Webseite der Leser auf diesen Artikel gestoßen ist.

Die Studie [24] aus dem Jahr 2015 zeigt, dass sich über die Hälfte (56%) der Befragten durch Gespräche mit Ärzten und (55%) durch kostenlose Broschüren sowie durch Krankenkassen- und Apothekenzeitschriften [25] informiert haben. Gespräche mit Menschen aus ihrem persönlichen Umfeld (43%) und Print-, Radio- als auch TV-Quellen (40%) rangierten noch vor der Internetrecherche (38%), gefolgt von Gesprächen mit Apothekern (20%), Konsultationen von Büchern (18%), Gesprächen mit anderen Patienten (8%), Telefonaten mit Krankenkassen oder Patientenvereinigungen (5%) sowie Gesprächen in Beratungsstellen (3%). Von den gesamt 1728 Befragten gehörten fast ein Drittel (29%) zu denjenigen, die das Internet für Gesundheitsfragen nicht nutzen. Sie waren im Mittel 55 Jahre alt, hatten einen niedrigeren sozioökonomischen Status und waren fast paritätisch vertreten (Männer 47%, Frauen 53%).


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5. Das Internet als medizinisches Informationsmedium

Die Onliner hingegen nutzen das Internet ohnehin häufig und konsultieren es auch für Gesundheitsfragen. US-Forscher [26] betrachteten bereits im Jahr 2004 das Internet als weltweit größte Bibliothek für Medizin-Themen und gingen damals schon davon aus, dass es eine Schlüsselrolle in der zukünftigen Kommunikation in Gesundheitsfragen spielen werde.

Die Studie [27] zeigte auch, dass Frauen und Menschen mit einer höheren Internetaffinität tendenziell intensiver nach Gesundheitsinformationen suchen, der Altersdurchschnitt liegt bei den Gesundheits-Onlinern bei rund 45 Jahren: „Gerade jüngere Zielgruppen nutzen das Internet und Social-Media-Angebote, um sich über Gesundheit und Fitness zu informieren und bei sensiblen Themen wie psychischen Krankheiten, Drogen oder sexueller Gesundheit – die im persönlichen Gespräch vergleichsweise schwerer anzusprechen sind – Rat zu suchen“.

Je unzufriedener die Bürger mit ihrem Hausarzt sind, umso höher ist die Chance, dass sie Antworten auf ihre gesundheitsbezogenen Fragen vermehrt im Internet suchen.

„Für gesundheitsorientierte Menschen und jene, die an chronischen Erkrankungen leiden, stellt das Internet eine besonders relevante Quelle dar und wird in seinem Nutzen für die eigene Gesundheit, den Informationsstand und die Gesundheitsversorgung überwiegend als positiv bewertet“, so die Studie [28]. Auch „für gesundheitsorientierte Menschen und jene, die an chronischen Erkrankungen leiden, stellt das Internet eine besonders relevante Quelle dar und wird in seiner Bedeutung für die eigene Gesundheit, den Informationsstand und die Gesundheitsversorgung überwiegend als positiv bewertet“, fand die Studie [29] heraus.

Mit Blick auf die Internetrecherche nach Hals-Nasen-Ohren-Themen schreiben die Autoren der Studie [30] nach Auswertung von 6 internationalen Studien, dass das Internet eine nachrangige oder weniger relevante Informationsquelle für die Nutzer darstelle. Gespräche mit Ärzten und Bekannten, Informationsbroschüren (wie etwa den Patienteninformationen [31] der HNO-Ärzte in Deutschland: „Praxis der Sinne“) und Bücher seien die wesentlichen Quellen. Die Autoren folgern, dass möglicherweise bei konkreter eigener Betroffenheit die herkömmlichen Informationsquellen wieder in den Vordergrund treten. Gleichwohl hat eine US-amerikanische Studie [32] aus dem Jahr 2018 herausgefunden, dass über ein Drittel der HNO-Patienten sich vor ihrem Arzttermin über ihren Gesundheitszustand im Internet informiert haben.

Die Autoren der Studie [33] beziehen sich auf 2 Untersuchungen aus den Jahren 2002 und 2004, die zeigen, dass die Suchstrategien von Laien für gesundheitsbezogene Internetrecherche häufig wenig optimal seien, da „diese üblicherweise wenig von den zahlreichen Möglichkeiten der Suchmaschinen Gebrauch machen um Suchanfragen zu verfeinern oder einzuschränken“.

Eine andere Studie [34] fand heraus, dass über die Hälfte der Nutzer ihre Recherche immer erst mittels Suchmaschine beginnen, Vielnutzer fangen auch mit Alternativen (42%) dazu an.

Darüber hinaus ergab die Studie [35], dass Laien in der Regel nur allgemeine Suchmaschinen wie etwa Google nutzten und nahezu nie medizinische Portale. Ferner hat die Untersuchung [36] gezeigt, dass nur wenige Treffer des Suchergebnisses weiterverfolgt und in weniger als 3% der Fälle Treffer nach den ersten zehn Rängen angeklickt werden.

Im Jahr 2016 stellten die Menschen im Internet rund 2 Billionen [37] Suchanfragen weltweit, auf den Marktführer unter den Suchmaschinen, Google, entfallen dabei rund 92% [38]. In Deutschland allein wird Google in gut 9 von 10 [39] Fällen befragt. Dabei geben die Nutzer sich mit den Ergebnissen der ersten Seite zufrieden [40].

Die Reihenfolge der Ergebnisse, die mit der Suchmaschine Google erzielt wurde, orientiert sich an mehr als 200 Faktoren, diese und ihre Gewichtung werden von Google nicht veröffentlicht [41].

Damit sind die Inhalte, die auf den ersten zehn Rängen der Google-Abfragen erscheinen, die, deren Webseiten für Suchmaschinen optimiert wurden und sind nicht zwingend qualitativ hochwertig. Auf den ersten Plätzen finden sich meist bezahlte Suchtreffer, die als Werbung kenntlich gemacht werden. Wie die Studie [42] zeigte, wurden nach der Eingabe von zehn verbreiteten HNO-Krankheiten die jeweils ersten 10 Ergebnisse untersucht, wobei insgesamt 100 Seiten betrachtet wurden: Fast ein Fünftel (19%) bestand hauptsächlich aus Werbung, des weiteren wurden bei chronischen Leiden weit mehr unausgewogene teils werbelastige Ergebnisse ermittelt als bei der Eingabe von akuten Krankheiten.

So niederschwellig der Zugang zu Publikationen im Internet ist, so groß ist die Gefahr, dass Nutzer Desinformationen finden und, wie die Studie [43] über Falschmeldungen über den Zika-Virus zeigte, häufiger weiterverbreitet werden.

Da die Nutzer keinen „Beipackzettel“ zusammen mit ihrem Internetanschluss erhalten – etwa eine „Gebrauchsanweisung Internet“ – ist es um so wichtiger, dass neutrale Institutionen arglose Anwender vor Gefahren warnen und Hinweise geben, wie Informationsqualität gefunden und Quellen überprüft werden können.

Die Studie [44] unterscheidet zwischen Nutzern, die häufig oder selten das Internet nutzen: Gerade, diejenigen, die eher wenig Erfahrung mit der Internetnutzung haben, mögen weniger mit Problemlösungsstrategien im Internet vertraut sein, weniger geübt sein, Orientierung zu finden und ggf. die nötige kritische Distanz zu den Angeboten vermissen lassen. Gerade diese ist essentiell bei der Quellenprüfung, denn eine verlässliche Information macht transparent, welche Interessen sie verfolgt.

Nicht jeder Nutzer weiß, dass der Verantwortliche im Sinne des Telemediengesetzes im Impressum der Webseite genannt werden muss, wie diese Zusammenfassung [45] zeigt. Mangels besseren Wissens stellen sie nicht die Aktualität der Informationen fest, ordnen nicht das Thema des Beitrags mit Blick auf die Intention des Verfassers ein und verfolgen nicht, wie die Webseite im Internet vernetzt ist.

Diese Prüfung fällt bei Beiträgen aus den sozialen Netzwerken häufig noch laxer aus. Diese sogenannten „Dialogmedien“, die an den klassischen Medien vorbei, direkt ihre Botschaften absetzen, verbreiten mitunter Anekdotenhaftes ohne wissenschaftliche Prüfung und im schlimmsten Fall – so eine Schlussfolgerung aus der bereits zitierten Studie [46] über den Zika-Virus – Falschmeldungen bei Pandemien zu irrigem Herdenverhalten führen kann.

Zudem bestehen erhebliche Datenschutzbedenken. Die Autoren [47] schreiben, dass „Patienten bei gesundheitlichen Erfahrungen, die sie nicht dem eigenen Erfahrungsschatz zuordnen können, möglicherweise primär an Beispielen von Erfahrungen und Entscheidungen anderer Menschen interessiert zu sein“.

Wie auch der Journalismus davon lebt, dass Menschen Geschichten über Menschen lieben, haben gerade diese Selbsterzählungen über Gesundheit und Krankheiten in den sozialen Medien einen gewissen (Lesean-)Reiz und werden, wie die Studie [48] herausfand, eine Schlüsselrolle im digitalen Gesundheitswesen (Englisch: e-health) behalten.

So zitiert die Studie [49] eine Social-Media-Analyse, der zufolge 49% der Nutzer, die auf Webseiten, in Blogs oder Communities eigene Beiträge verfassen, auch über Diagnosen und Therapien von Krankheiten diskutieren. Demnach haben sich „Social-Media-Angebote, in denen sich Betroffene oder gleichgesinnte Gesundheitslaien austauschen und es weniger um den Rat von health professionals (medizinischem Fachpersonal) geht, sich als Informationsquelle in Gesundheitsfragen offensichtlich etabliert“. Dieser Austausch kann „durchaus als eine Strategie des Empowerment (Selbstermächtigung) und der informationellen Unterstützung interpretiert werden“. Ebenso belegte die Studie [50], dass das Selbstverfassen von Gesundheitsinformationen durch bloggen oder schreiben von Beiträgen in Sozialen Medien auch die Erfahrung des Patienten beeinflusst und Auswirkungen auf sein Rollenverständnis im Hinblick auf die Erhaltung seiner eigenen Gesundheit habe.

Die Autoren [51] verweisen auf Studien, die die effiziente und zielgerichtete Möglichkeit der Social Media-Kanäle zur Kommunikation zwischen Patienten und Arzt als Vorteil der sozialen Medien sehen, da etwa das Teilen von Beiträgen die Schnelligkeit der Informationsvermittlung erheblich begünstigte.

Andererseits birgt diese Form der Informationsaufnahme und -abgabe Risiken, da die Informationsqualität im Internet nicht garantiert werden kann. Die Autoren [52] schreiben, dass im Bereich der HNO-Kunde ein Algorithmus untersucht wurde, der auf einer Internetseite zur Diagnosestellung zur Verfügung gestellt wurde. Während bei 70,5% der Personen aus der Patientengruppe die richtige Diagnose gestellt wurde, war diese nur eine von durchschnittlich 13 angegebenen Differenzialdiagnosen und nur in 16,4% war die erste auch korrekt.

Daneben stechen positiv die Portale von Selbsthilfegruppen heraus, die hinsichtlich der Erkrankung bzw. der medizinischen Versorgung organisiert sind. Zu nennen sind im HNO-Bereich etwa der Verband Kehlkopfoperierter [53], Deutsche Cochlea Implantat Gesellschaft e.V. [54] und die Deutsche Krebshilfe [55]. Diese halten qualitativ hochwertige Informationen von Medizinern und Betroffenen bereit, zugeschnitten auf das jeweilige Krankheitsbild.

Im Kontrast dazu erscheinen mitunter die Eigenportale von Gesundheitsanbietern, die nicht nur indizierte Dienstleistungen anbieten und für diese Zuzahlungen von Patienten verlangen, die die Krankenkassen aus gutem Grund nicht übernehmen. Dem potentiellen Kunden wird mittels begeisterter, gleichwohl fingierter Patienten suggeriert, dass er die Adresse der „besten Klinik der Welt“ gefunden habe. Models mit gebleichten Zahnreihen lächeln Seidengewänder tragend in die Kamera und scheinen immer noch beseelt von ihrem vermeintlichen Eingriff zu sein. Es entsteht zudem der Eindruck, dass auch augenfällig selbst kreierte Zertifikate dem Gesundheitsanbieter ein Credo verleihen sollen, dem es bei Licht betrachtet oder nach hartnäckiger Recherche nicht entspricht.


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6. Die Suche nach einem Arzt - Arztbewertungsportale

Da das Informationsangebot zu gesundheitlichen und medizinischen Fragen im Internet so groß wie nie zuvor ist, sollten Arztbewertungsportale eine neutrale Orientierung für manch Intransparentes und Unübersichtliches bieten, die bei der Suche nach einem Arzt im Internet Verwirrung stiften könnte.

Das im Jahr 2007 gegründete Arztbewertungsportal „Jameda“ etwa, das seit 2016 eine hundertprozentige Tochter der Burda Digital GmbH ist, bezeichnet sich – semantisch unkorrekt – als „Deutschlands größte Arztempfehlung“. Nach der Eingabe von „was“ (Facharzt) und „wo“ (Ort oder Postleitzahl) wird eine Auswahl der nach eigenen Angaben 275 000 eingetragenen Ärzte angezeigt, dessen Ergebnis nicht transparent ist, da etwa nicht eindeutig zu erkennen ist, wie die Bewertungen zustande gekommen sind.

Allerdings erklärt Jameda in einer Untersuchung [56] mit rund 6500 Ärzten aus dem Jahr 2018, dass Arztbewertungen „einen ganz entscheidenden Beitrag zu mehr Transparenz leisten, da die Qualität von Medizinern ansonsten eine Art Black Box für Patienten wäre“.

Nicht jeder Nutzer mag dabei wissen, dass das Geschäftsmodell des Anbieters auf Einnahmen von zahlenden Ärzten basiert, die laut der Untersuchung sowohl überproportional in der Ergebnisliste aufgeführt werden als auch eine ungleiche Verteilung der Einzelnoten ausweisen, die die Gesamtnote des Arztes ergeben. Zudem hat im Jahr 2018 dieses Portal in der Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) verloren, als eine klagende Dermatologin die Löschung ihrer personenbezogenen Daten verlangte. Der BGH stellte fest, dass die Neutralität der Information durch die Bevorzugung zahlender Kunden nicht bestehe.

In einem Artikel [57] eines Arztes wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, die Ergebnisse eigener Patientenbefragungen, die im Rahmen des praxis-internen Qualitäts-Managements ohnehin erhoben werden müssen, auf der Webpage der Praxis zu veröffentlichen und mittels dieser weit größeren Stichprobe ein objektiveres Bild der Praxis zu vermitteln als die Arztportale.

Bei der Fülle an Informationen, die im Internet zu Gesundheitsthemen zu finden ist, stellt sich die Frage, ob das Internet das informationelle Missverhältnis befördert oder reduziert.

Noch im Jahr 2007 ergab eine Studie [58], dass rund die Hälfte der rund 1500 Befragten einen neuen Arzt gesucht habe. Das zum damaligen Zeitpunkt vorhandene Informationsangebot wurde als unzureichend wahrgenommen und Arzt-Empfehlungen stammten regelmäßig aus dem persönlichen Umfeld. Dabei wurde „über Informationsdefizite bei der strukturellen Qualität (Fortbildung, Berufserfahrung, Wartezeiten) und bei der Prozessqualität (genug Zeit für Patienten) berichtet“. Die Befragten wünschten sich v. a. Informationen über Tätigkeitsschwerpunkte und Spezialisierungen der Ärzte.

Mit Blick auf die Arztsuche hat eine Studie [59] eine differenzierte Beurteilungsweise je nach Schulbildung des Internetnutzers als stärkste Variable feststellen können: Demnach informieren sich bildungsferne Patienten vor der Wahl eines neuen Arztes seltener über ihn, sind meist längere Zeit bei demselben Hausarzt, suchen daher seltener einen neuen Allgemein- oder auch Facharzt, machen von den Wahlmöglichkeiten in der medizinischen Versorgung sehr viel weniger Gebrauch und vergeben damit auch Chancen einer für sie persönlich besseren Versorgungsqualität. Eine traditionelle, autoritätshörige Haltung gegenüber dem Arzt und die Delegation von Therapieentscheidungen an den „Experten“ sei zudem bei bildungsungewohnten Schichten deutlich stärker ausgeprägt.

Um ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen und Patienten auf der Suche nach einem Arzt nachvollziehbaren Kriterien an die Hand zu geben, die helfen, Qualitätsunterschiede bei Ärzten zu objektivieren, hat das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) – eine gemeinsame Einrichtung der Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung – im Jahr 2015 die Broschüre [60] „Woran erkennt man eine gute Arztpraxis?“ erarbeitet. Diese Checkliste für Patienten listet sowohl praktische (etwa lokale Erreichbarkeit und telefonische Verfügbarkeit) als auch persönlichkeits- und datenschutzrechtliche Aspekte auf: Ob die vermittelten Informationen verständlich sind, das Einholen von Zweitmeinungen befürwortet wurde und Qualifizierungsmaßnahmen in der Praxis durchgeführt wurden.

Darüber hinaus hat das ÄZQ im Jahr 2011 einen Katalog [61] von Qualitätsanforderungen für Arztbewertungsportale veröffentlicht. Darin sind Anforderungen genannt, die der Patient bei der Nutzung solcher Portale hinterfragen sollte, ob es etwa nachvollziehbar sei, nach welchen Kriterien die Darstellung der Treffer erfolge oder ob Ärzte über ihre Aufnahme in das Portal informiert werden oder ob Werbung und Information im Angebot voneinander abgegrenzt sind?

Wer diese Hinweise in seine Prüfung aufnimmt, wird schneller schwarze Schafe auch unter den Gesundheitsanbietern identifizieren können: So gehen Durchbrüchen in der Medizin üblicherweise viele Jahre Grundlagenforschung und klinischer Erprobung voraus, die in Qualitätsmedien besprochen werden. Anders verhält es sich bei einem Anbieter aus der HNO-Welt dessen „neuste Entdeckung“ aktuell kontrovers diskutiert wird. Die Internetseite [62] „The hearing loss“ bezeichnet sich selbst als „Deutsches Gesundheitsportal“, welches „Nur bewährte Informationen!“ biete. Stein des Anstoßes ist ein vermeintliches Präparat für Menschen mit Hörminderung, das auf dieser Seite angepriesen wird. Die Anbieter versprechen, dass durch die Verwendung der angebotenen Ohrentropfen das Tragen eines Hörgerätes hinfällig sei. Der Bundesverband der Hörgeräteindustrie warnt auf seiner Internetseite vor der Werbung und die Bundesinnung der Hörgeräteakustiker (BIHA) prüft rechtliche Schritte mit Blick auf das Heilmittelwerbegesetzes (HWG).

Problematisch ist zudem, dass eine Abmahnung ins Leere laufen würde, da ein entsprechendes Impressum nicht vorhanden ist, was wiederum ein Verstoß gegen das Telemediengesetz darstellt. Demnach ist nicht zu ermitteln, wer hinter dem Internetauftritt stecke, denn unter der angegebenen Telefonnummer ist kein Ansprechpartner zu erreichen.


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7. Informationsportale zu Gesundheitsthemen

Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, welche unterschiedlichen Anbieter im Internet „Informationen“ verbreiten oder ihre Waren feilbieten und wie wichtig es ist, dass Nutzer die Qualitätsanforderungen, die bei analogen Käufen gang und gäbe sind, bei Online-Rechtsgeschäften einmal mehr prüfen sollten.

Denn, so schreiben die Autoren [63], neben der Qualitätsanforderung, dem Sprachniveau der Zielgruppe zu entsprechen, müssen die Beiträge Aufschluss über die Autorenschaft, Finanzierung, Nachweis von Quellen und Referenzen sowie der Zeitpunkt der Erstellung und Überarbeitung offenlegen.

Mit Blick auf die Qualität (von Informationen) sei an den eingangs erwähnten Abgleich der Anforderung (Soll) mit dem Vorgefundenem (Ist) erinnert: Denn bevor die Korrektheit der Information vom Laien vielleicht nur im Ansatz geprüft werden kann, muss der Leser zunächst in der Lage sein, den Text sprachlich überhaupt zu verstehen. Die dabei gewählte Sprachebene der Beiträge stellt häufig für Leser eine solche Hürde dar, dass die Prüfung auf Vollständigkeit, Konsistenz, Relevanz, Transparenz und eben Korrektheit nicht möglich erscheint; am ehesten noch die Prüfung auf Aktualität. Die Autoren [64] führen Studien an, v. a. aus dem englischen Sprachraum, die zeigen, dass nahezu immer die Gesundheitsinformationen für den Laien zu schwer verständlich seien. Das Gesundheitsministerium der USA empfehle daher, die Schwierigkeitsstufe der Beiträge dem Niveau maximal der 7. Jahrgangsstufe des Bildungssystems der USA anzupassen, was die durchschnittliche Satzlänge und die Silbenzahl pro Wort reduziere. Auch die Schwierigkeit eines Textes in deutscher Sprache kann mit einem Lesbarkeitsindex [65] bestimmt werden, dieser trifft aber keine Aussage über die Komplexität des Inhalts.

Die Studie [66] aus England untersuchte die Qualität – hinsichtlich der Verständlichkeit und Korrektheit – von HNO-Krankheitsbildern im Internet. Demzufolge informierten sich englische Patienten zu 70% online zu medizinischen und gesundheitlichen Themen. Neben den beiden Quellen (patient.co.uk und cancerresearchuk.org), die von Medizinern inhaltlich bedient werden, kommt der Online-Enzyklopädie Wikipedia keine unerhebliche Rolle zu. Trotz der Gefahr, dass jeder bei Wikipedia Verfasser werden kann und etwaige Interessenkonflikte nicht offengelegt werden müssen, konnten die Autoren der Studie festhalten, dass Gesundheitsbeiträge auf Wikipedia.org allein im Jahr 2013 rund 4,8 Milliarden Aufrufe zählten. Dabei attestierten die Forscher den untersuchten Wikipedia-Artikeln, im Vergleich zu den beiden anderen Quellen über zutreffende, aber unvollständige Informationen zu verfügen, die für Universitätsstudenten verständlich waren. Die institutionelle Quelle (cancerresearchuk.org) hingegen wurde auch von 13- bis 14-jährigen verstanden.

Weitere Orientierungshilfe für Patienten bietet das in England entwickelte Instrument DISCERN [67], das auch auf Deutsch verfügbar ist, und die Qualität von Patienteninformationen einschätzt, die Behandlungsalternativen beschreiben. Die fünfzehn Fragen entsprechen jeweils einem eigenen Qualitätskriterium (etwa Aktualität, Transparenz, Vollständigkeit, Quellennachweis) und betreffen die Verlässlichkeit und den Nutzen des Beitrages.

Auch die Schweizer Health On the Net (HON)-Stiftung [68] hat es sich zur Aufgabe gemacht, sowohl „Laienbenutzer als auch medizinisches Fachpersonal zu vertrauenswürdigen Informationsquellen im Bereich der Gesundheitsfürsorge im Cyberspace (zu) führen“. Die 20 000, nach einem von HON formulierten Verhaltenskodex zertifizierten, Internetseiten behandeln aber nur einen Teil der im Internet vorhandenen Gesundheitsinformationen.

Die Studie [69] nennt den Informationsdienst der United States National Library of Medicine, der einen Katalog mit 1000 Erkrankungen ausweist und mit Fachwörterbuch, Links, Definitionen und Adressen dem Nutzer im US-amerikanischen Gesundheitssystem Orientierung gibt.

Mit Blick auf die Informationsqualität von HNO-Themen nennt die Studie [70] zahlreiche – auch internationale - Untersuchungen und schreiben etwa, dass nicht nur HNO betreffend, sondern „alle im Internet verfügbaren Informationen der US-amerikanischen Fachgesellschaften zu schwierig lesbar sind“. Suchergebnisse von HNO-Krankheitsbildern und Prozeduren, die mit den vorgenannten Bewertungsinstrumenten wie Lesbarkeitsindices, DISCERN, HON untersucht wurden, ergaben, dass die Informationen die Lesekompetenz vieler Nutzer überforderten.

Ein zentrales Internetportal, das mit qualitativ einwandfreier Information dem Nutzer zur Verfügung steht, ist bisher in deutscher Sprache nicht vorhanden.

Daher kommt dem Arzt eine veränderte Bedeutung zu, denn die Informationsvielfalt im Internet hat Einfluss auf das Verhältnis zwischen Arzt und Patient. Wie weiter oben erwähnt, begrüßen nicht alle Ärzte die auf diesem Wege angeeigneten Informationen seitens des Patienten. Gleichwohl stellt das partnerschaftliche Verhältnis, in dem Entscheidungen gemeinsam getroffen werden, für den Arzt auch eine Entlastung dar: Zwar kann es zu längeren Aufklärungsgesprächen kommen, wenn Patienten Informationen aus dem Internet falsch oder gar nicht verstanden, unrealistische Erwartungen entwickelt haben oder einer unseriösen Quelle aufgesessen sind. Das kostet Zeit, die monetär nicht entlohnt wird, verlangt dem Arzt Langmut ab und mag ihm das wenig schmeichelhafte Gefühl vermitteln, der „informierte“ aber nicht wissende Patient meinte es sogar besser zu wissen. Letztlich ist das Internet „die erste Innovation im Gesundheitswesen, die nicht vollständig in der Kontrolle des Arztes, sondern mindestens ebenso in der des Patienten ist“, so die Studie [71].

Um dem Patienten bei seiner Recherchebemühungen dort zu erreichen, wo er versucht, Information und Orientierung zu finden, könnte der Arzt die Rolle des Lotsen einnehmen: Das bedingt, dass der Arzt sich mit dem Informationsangebot im Internet vertraut gemacht hat und den Patienten durch den Angebotsdschungel weisen kann, denn der Arzt kann als Experte die Informationen verifizieren und gewichten. Dadurch wird der Arzt für den Patienten nicht weniger wichtig, sondern die Funktion des Arztes verschiebt sich in der heutigen Wissensgesellschaft: Der vorinformierte Patient ist für den Arzt daher ein Gewinn hinsichtlich seiner Bereitschaft, sich aktiv mit dem Thema auseinanderzusetzen und dadurch zeigt, dass er offen ist und sich konstruktiv am Genesungsprozess beteiligen will. Die Studie [72] verweist auf Veröffentlichungen, die die große Bedeutung des persönlichen Verhältnisses zwischen Arzt und Patienten trotz der fortschreitenden Digitalisierung hervorheben. Die Ergebnisse der Studie [73] zeigen, dass 30% ihre Patienten ermuntern, sich nach dem Arztbesuch zu informieren. Zudem freuen sich 42% der Ärzte am Interesse des Patienten, gleichwohl sich ein Viertel zeitlich überfordert fühlen, sich 10% über das Informationsverhalten des Patienten ärgern und nur sieben% das ihnen entgegengebrachte Vertrauen infrage gestellt sehen.


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8. Viele Ärzte kennen die Informationsquellen ihrer Patienten nicht oder haben keine Meinung zu deren Qualität

Dabei zeigt die Studie [74] auch, dass 70% der Ärzte die Herkunft der Informationen hinterfragen und knapp die Hälfte der befragten Ärzte die Information durch eigene Recherche überprüfen und nur 18% keine Zeit aufbringen, auf die vom Patienten recherchierten Informationen einzugehen. Zudem raten 22% der Ärzte den Patienten von eigeninitiativer Informationssuche ab, während 30% genau dazu ermuntern. Mehr als die Hälfte der Ärzte (56%) geben vertrauenswürdige Informationsmaterialien oder Hinweise (49%) auf gute Informationsquellen an Patienten weiter; dabei suchen 47% der Ärzte selbst nach geeigneten Patienteninformationen.

Dieses heterogene Bild in der Ärzteschaft entsteht auch aufgrund der Tatsache, dass der Bekanntheitsgrad qualitativ hochwertiger Informationsquellen eher gering ist: So berichten die befragten Ärzte laut der Studie [75], dass 96% Wikipedia zwar kennen, aber nur 58% diese Quelle als vertrauenswürdig einschätzen; die Webseite „Jameda.de“ kennen 87%, nur 13% halten die Quelle jedoch für seriös, gefolgt von der Webseite „apotheken-rundschau.de“, die 84% zwar kennen, aber nur 33% für fundiert halten. Diese Umfrageergebnisse nehmen umso mehr Wunder, als dass qualitativ hochwertige Informationsquellen vorhanden sind, deren Bekanntheit aber auf den hintersten Plätzen des Befragungsergebnisses rangiert: So liegt bei den 804 ambulant tätigen Ärzten, die an dieser Onlinebefragung [76] teilgenommen haben, der Bekanntheitsgrad der Webseite „krebsinformations-dienst.de“ des DKFZ unter einem Viertel (23%), immerhin halten von den Ärzten, den diese Internetseite bekannt ist, 70% die Quelle für zuverlässig, gefolgt von den Gesundheitsinformationsportalen „patienten-information.de“ (ein Service des ÄZQ), „patientenberatung.de“ (Unabhängige Patientenberatung Deutschland), gesundheitsinformation.de (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen – IQWiG) und der Leitfaden „Sich informieren und entscheiden“ (IQWiG). Diese unabhängigen Portale mit dem Anspruch, evidenzbasierte Medizin [77] laienverständlich aufzubereiten, sind nur rund einem Fünftel der Ärzte bekannt und gerade mal sechs Prozent halten sie für glaubwürdig.

Bei diesem geringen Kenntnisgrad seitens der Ärzte erscheint die Frage nach der Herkunft der Informationen, mit denen ihre Patienten sie konfrontieren, in einem gänzlich anderen Licht. Die Studie [78] empfiehlt daher, dass nicht nur Laien, sondern v. a. auch Ärzte – als Multiplikatoren – sich mit dem Informationsangebot vertraut machen sollten.


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9. Nationales Gesundheitsportal in Deutschland als Lösung?

Im aktuellen Koalitionsvertrag von CDU und SPD aus dem Jahr 2017 wurde über die Einrichtung eines Nationalen Gesundheitsportals Einigung erzielt. Daraufhin hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) das IQWiG mit der Erstellung eines umfassenden Konzeptes [79] für ein „Nationales Gesundheitsportal“ beauftragt. Dieser Plan [80] liegt seit August 2018 vor, allerdings ist bislang die Trägerschaft des Portals nicht entschieden und daher mit der Umsetzung des Konzeptes noch nicht begonnen worden.

Dieses nimmt sich Anleihen bei internationalen Vorbildern etwa aus der englischsprachigen Welt (UK, USA, Australien) sowie bei Vorreitern aus Deutschland wie den themenspezifischen Portalen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die bereits zu Drogen und Sexualität bestehen. Das Portal soll folgenden Anforderungen genügen: Zentraler deutschsprachiger Internetzugang zu qualitätsgesicherten, werbefreien und nicht kommerziellen Informationen rund um Fragen der Gesundheit, damit diese für Gespräche und gemeinsame Entscheidungen mit Ärzten genutzt und so formuliert sind, dass sie sich für Menschen mit unterschiedlichen Anforderungen an Breite und Tiefe der Inhalte eignen.

Selbst wenn das Nationale Gesundheitsportal in absehbarer Zeit Realität werden sollte, mag die Nutzung einigen vorenthalten bleiben. Wie die Versichertenbefragung [81] der KBV aus dem Jahr 2018 zeigt, hat die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland Interesse an dem von der Bundesregierung geplanten Nationalen Gesundheitsportal im Internet: Danach „würden 50% aller Versicherten bzw. 59% derjenigen, die das Internet nutzen, ein solches Portal mit verlässlichen Informationen über medizinische Fragestellungen nutzen. Insgesamt 31% würden das nicht tun, 16% aller 18- bis 79-jährigen Befragten nutzen kein Internet“. Besonders in den Bundesländern Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern wäre die Reichweite dieses zentralen Gesundheitsportals eingeschränkt, da die Befragten (Thüringen 26%, Mecklenburg-Vorpommern 29%) über keinen Internetzugang verfügen.

Trotz der teilweise eingeschränkten Nutzung bzw. Verfügbarkeit des (schnellen) Internets in Deutschland, wird langfristig am Internet als Informationsquelle mit den aufgezeigten Schwierigkeiten kein Weg vorbeiführen. Die Nutzer müssen besser früh als spät eine Sensibilität für dubiose Anbieter, Urheber und Zertifikate entwickeln sowie auf seriöse Angaben im Impressum und Quellenangaben achten. Vorsicht war, ist und bleibt die Mutter der Porzellankiste, ob es sich nun um einen fahrenden Wunderheiler mit Salbentiegeln und Kräuterbüscheln auf dem mittelalterlichen Marktplatz handelt oder um Webseiten von Gesundheitsanbietern gespickt mit jauchzenden Patienten-Lobpreisungen und anmaßenden Selbstzuschreibungen.

So gibt es auf diesem Feld noch einiges zu bestellen, um bereits vorhandene, qualitativ hochwertige Informationen in der Medizin zu einer nennenswerten Bekanntheit zu verhelfen und für die Adressaten leicht auffindbar bereit zu stellen.


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10. Rat für das „schnarchende Kind“?

Mit Blick auf den eingangs erwähnten Fall vom schnarchenden Kind könnte die Mutter auf den folgenden Seiten Informationen finden:

Auf der Webpage [82] der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. finden sich nach der Eingabe des Wortes „schnarchen“ in der Suchfunktion ein Auszug von der Jahresversammlung 2010 zu dem Thema; für Nutzer, die die englische Sprache beherrschen, bietet (unter dem Reiter: Publikationen) der Link „PubMed“ (Medline) die Möglichkeit, mit dem englischen Wort für schnarchen (snorking children) unter 1.781 wissenschaftlichen Publikationen auszuwählen.

Sollte sich die besorgte Mutter stattdessen für die Webpage [83] „hno-aerzte-im-netz.de“ entschieden haben und (unter dem Reiter: Krankheiten) „schnarchen“, „Besonderheiten bei Kindern“ auswählen, mag die dort zu findende Information sie möglicherweise zu weiterer Recherche verleiten, oder aber dem Fußball-Abend des Vaters ein jähes Ende bereiten.


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Interessenkonflikte

Die Autorin ist Mitglied im Berufsverband der Freien Journalisten freischreiber e.V. Diesen zitiere ich gemäß der Vorgaben für Quellenangaben unter Literaturhinweis Nr. 22. Es entstehen für mich daraus keine wirtschaftlichen oder persönlichen Vorteile.


Korrespondenzadresse

Carolin Wilms
Freie Journalistin
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