Neurologie up2date 2020; 3(04): 411-424
DOI: 10.1055/a-1011-7010
Myopathien und Neuropathien

Idiopathische Inflammatorische Myopathien: Klinisches Spektrum und Diagnostik

Julia Wanschitz
 

Idiopathische inflammatorische Myopathien (IIM) bzw. Myositiden sind seltene und heterogene, jedoch mit einer hohen Morbidität behaftete Erkrankungen, die eine rasche Diagnose und Therapie erfordern. Die Kernsymptome einer akuten/subakuten Muskelschwäche und Erhöhung der Creatinkinase können mit verschiedenen Begleitsymptomen einhergehen und müssen im akuten Stadium von einer Rhabdomyolyse abgegrenzt werden. Eine Antikörperdiagnostik trägt wesentlich zur Subklassifikation und Prognoseeinschätzung der Myositiden bei.


#

Abkürzungen

Anti-MDA5: Antikörper gegen Melanoma-Differentiation-Associated Gene 5
ASA: Antisynthetase-Autoantikörper
Anti-CCP: Antikörper gegen zyklisches citrulliniertes Petid
CK: Creatinkinase
Anti-cN1a: Antikörper gegen zytosolische 5ʼ-Nucleotidase 1A
COX: Cytochrom-C-Oxidase
DM: Dermatomyositis
EMG: Nadelelektromyografie
FDG-PET: Fluordesoxyglukose-Positronenemissionstomografie
GOT: Glutamat-Oxalacetat-Transaminase
GPT: Glutamat-Pyruvat-Transaminase
HLA: Human Leukocyte Antigen
HMGCR: Hydroxy-3-Methylglutaryl Coenzym A Reduktase
IBM: Einschlusskörpermyositis
IIM: idiopathische inflammatorische Myopathie
ILD: interstitielle Lungenerkrankung
IMNM: immun mediierte nekrotisierende Myopathie
IVIG: intravenöses Immunglobulin
KG: Kraftgrad
LDH: Laktatdehydrogenase
MHC: Major Histocompatibility Complex
MAA: Myositis assoziierte Antikörper
MSA: Myositis spezifische Antikörper
MUAP: Muskelaktionspotenzial
NK-Zellen: Natural-Killer-Zellen
NXP: nucelar Matrix Protein 2
PCSK9: Proproteinkonvertase Subtilisin Kexin Typ 9
PEG: endoskopische Gastrostomie
PM: Polymyositis
SARS-Cov-2: severe acute respiratory Syndrome Coronavirus-2
SRP: Signal Recognition Particle
STIR: Short-Tau Inversion Recovery
TIF-1γ: transcriptional intermediary Factor 1 Gamma
tRNA: Transfer- Ribonukleinsäure

Allgemeine Aspekte idiopathischer inflammatorischer Myopathien

Entzündliche Erkrankungen der Muskulatur führen zu einer Muskelschwäche, welche sich zumeist subakut im Laufe einiger Wochen entwickelt und vorzugsweise proximale und axiale Muskelgruppen in symmetrischer Verteilung befällt. Klinisch imponieren Paresen der Schulter- und Beckengürtelmuskulatur und der axialen Muskulatur.

Virale Infekte (z. B. Influenza A/B, Parainfluenza, Enteroviren) können besonders bei Kindern zu einer benignen, selbstlimitierenden Myositis mit passagerer Muskelschwäche, Wadenschmerzen und CK-Erhöhung führen, die spontan remittiert [1] [2]. Rezente Berichte weisen auch auf eine SARS-Cov-2-Infektion als möglichen Trigger für eine Myositis hin [3] [4]. Bei Patienten mit einer gestörten Immunregulation kann sich ein Autoimmunprozess gegen Antigene der Muskulatur etablieren und so zu einer fortschreitenden strukturellen Muskelschädigung führen [5].

Die genetische Prädisposition, an einer Myositis zu erkranken wird u. a. vom „Major Histocompatibility Complex“ (MHC) determiniert. So sind bestimmte HLA-Haplotypen mit homogenen Subgruppen der Myositiden assoziiert [6]. Umweltfaktoren wie virale Infekte, Sonnenexposition, Rauchen, Medikamente und toxische Substanzen dürften für die Manifestation der Erkrankung ebenfalls eine Rolle spielen [5]. An der Pathogenese sind sowohl Bestandteile der angeborenen Immunität (z. B. NK-Zellen, Cytokine, Aufregulation von Interferon γ) als auch erworbene Immunmechanismen (z. B. T- und B-Lymphozyten, Antikörper, Komplementsystem) beteiligt [5].

Eine Erhöhung der Creatinkinase (CK) kann, wenngleich für die Art der Muskelschädigung nicht spezifisch, als Maß für den akuten Muskelfaserzerfall oder die Nekrose herangezogen werden [7]. Im chronischen Stadium können die CK-Werte wieder sinken bzw. sich sogar normalisieren (z. B. Dermatomyositis), auch wenn eine Muskelschwäche persistiert.

Cave

Allerdings schließen eine Creatinkinase < 1000 U/l und das Fehlen von Muskelschmerzen eine Myositis nicht aus.

Myalgien sind bei einem Teil der PatientInnen vorhanden, jedoch nicht obligat. Respiratorische Probleme können Folge einer Schwäche der respiratorischen Muskulatur oder Ausdruck einer interstitiellen Lungenerkrankung sein. Eine (eventuell subklinische) Myokarditis kann die Skelettmuskelschwäche begleiten [8]. Weitere Organmanifestationen, z. B. der Gelenke, des Gastrointestinaltraktes oder der Niere, sind insbesondere bei Assoziation mit Kollagenosen (Overlap-Syndromen) möglich [9].

Die Differenzialdiagnose einer medikamentös-toxisch oder metabolisch bedingten Rhabdomyolyse (Creatinkinase > 1000 U/l) ist besonders für die immun mediierte nekrotisierende Myopathie (IMNM) relevant. Im Gegensatz zu den IMNM ist bei Rhabdomyolyse eine massive Creatinkinase-Erhöhung bedingt durch Muskelfasernekrosen und Zerstörung der Muskelfasermembran unter Flüssigkeitssubstitution binnen einiger Tage rückläufig. Paresen bestehen in der Regel nicht, die Patienten sind jedoch durch Elektrolytentgleisungen und Niereninsuffizienz bis zum akuten Nierenversagen gefährdet und benötigen ein engmaschiges Monitoring bzw. eine intensivmedizinische Behandlung [10].

Merke

Eine akute/subakute symmetrische proximale/axiale Muskelschwäche und eine deutliche Creatinkinase-Erhöhung sind Kernsymptome einer Myositis. Im Gegensatz dazu haben PatientInnen mit einer Rhabdomyolyse (Creatinkinase > 1000 U/l) üblicherweise keine Paresen, und die HyperCKämie ist binnen weniger Tage rückläufig.


#

Krankheitsbilder

Myositiden mit Hautmanifestationen

Dermatomyositis (DM)

Die Dermatomyositis ist die häufigste Form einer idiopathischen inflammatorischen Myopathie und bereitet aufgrund der charakteristischen Hauterscheinungen zumeist keine diagnostischen Schwierigkeiten [9]:

  • heliotropes Erythem in Gesicht und Dekolletee,

  • Lidödeme,

  • Gottron’sche Knötchen,

  • periunguales Erythem und Teleangiektasien ([Abb. 1]),

  • kutane Kalzinose

  • Alopezie,

  • Pannikulitis.

Zoom Image
Abb. 1 Erythem und Hyperkeratosen an der Streckseite der Hände sowie periunguale Veränderungen.

Selten können die Hautmanifestationen der Muskelschwäche jedoch auch nachfolgen, sodass eine Muskelbiopsie für die Diagnose erforderlich sein kann. Die Erkrankung betrifft Kinder (juvenile DM, zumeist im Alter von 5 – 15 Jahren) [1] oder Erwachsene im mittleren Alter (adulte DM) [9].

Anamnestisch berichten die PatientInnen Probleme bei Tätigkeiten mit erhobenen Armen, beim Treppensteigen oder Aufstehen aus dem Sitzen/der tiefen Hocke etc.; auch die körperliche Ausdauer kann deutlich beeinträchtigt sein.

In der klinischen Untersuchung sind Armabduktion und Hüftbeugung am stärksten betroffen; nicht selten besteht eine axiale Schwäche (Probleme beim Aufrichten aus dem Liegen, Schwäche für die Nackenflexion und -extension). Bei schwerer Krankheitsmanifestation kann das Schlucken beeinträchtigt sein. Augenmuskelparesen gehören nicht zum klinischen Bild einer systemischen Myositis. Muskelatrophien liegen zu Beginn der Erkrankung auch bei ausgeprägter Schwäche nicht vor, können sich aber bei unzureichender Therapie oder fehlendem Therapieansprechen im Verlauf entwickeln.

Die Creatinkinase ist im akuten Stadium auf das 10 – bis 50-Fache des Normalwertes erhöht. Durch die Assoziation mit Myositis-spezifischen bzw. -assoziierten Antikörpern ist die weitere Untergliederung in homogene Subtypen möglich [11]. So zeigt eine DM mit einem klassischen Exanthem in sonnenexponierten Arealen und Mi-2-Antikörpern typischerweise ein gutes Ansprechen auf Therapie. Eine Dermatomyositis mit anti-TIF-1γ (transcriptional intermediary Factor 1 Gamma) oder anti-NXP (nuclear Matrix Protein 2)-Antikörpern kann einen besonders aggressiven Verlauf nehmen mit

  • ausgeprägten Paresen,

  • ulzerierenden Hautveränderungen [12] oder

  • subkutanen Verkalkungen [13].

Die DM des Erwachsenenalters ist, im Gegensatz zur juvenilen DM, häufig mit Tumorerkrankungen assoziiert, ein besonders hohes Tumorrisiko haben Patienten mit anti-TIF-1γ-Antikörpern [12]. Das Risiko einer Tumorerkrankung ist im ersten Jahr nach Manifestation der Myositis am größten, ein Tumorscreening sollte bis 3 – 5 Jahre nach der Diagnose erfolgen. Die häufigsten Malignome umfassen Mammakarzinome und Adenokarzinome der Lunge und des Darms. Neben Befall der Haut und Muskulatur sind bei der DM unabhängig vom Antikörperstatus auch weitere Organmanifestationen (Niere, Lunge, Herz) möglich.

Histologisch zeigt die Dermatomyositis ein charakteristisches Bild mit

  • perifaszikulärer Muskelfaseratrophie,

  • einer Komplement-vermittelten Mikroangiopathie sowie

  • perivasalen entzündlichen Infiltraten im interfaszikulären und perimysialen Bindegewebe [9].

Idiopathische inflammatorische Myopathien und typische histologische Veränderungen sind in [Tab. 1] sowie [Abb. 2] und [Abb. 3] dargestellt.

Tab. 1

Idiopathische inflammatorische Myopathien und typische histologische Veränderungen.

Idiopathische inflammatorische Myopathie

Typische histologische Veränderungen

Dermatomyositis

CD4 + -T- und CD20 + -B-Lymphozyten

CD68 + -Monozyten/Makrophagen

v. a. perivaskulär ([Abb. 2b])

perifaszikuläre Faseratrophie und Aufregulation HLA-I

Ablagerung von C5b-9 und Verlust von endomysialen Kapillaren

Polymyositis

entzündliche Infiltrate im Endomysium

CD4 + - und CD8 + -T-Lymphozyten

CD68 + -Monozyten/Makrophagen

Invasion vitaler Muskelfasern durch zytotoxische CD8 + -T-Lymphozyten ([Abb. 2c])

HLA-I-Aufregulation an Muskelfasern ([Abb. 2d])

immun mediierte nekrotisierende Myopathie

diffuse Fasernekrosen und Regeneratfasern ([Abb. 2 a])

spärlich entzündliche Infiltrate (CD68 + -Zellen)

Aufregulation von HLA-I-Antigen an Muskelfasern

Ablagerung C5b-9 an Kapillaren oder der Oberfläche von Muskelfasern

Einschlusskörpermyositis

CD4 + /CD8 + -T-Lymphozyten und CD68 + -Monozyten/Makrophagen im Endomysium

Invasion vitaler Muskelfasern durch zytotoxische CD8 + -T-Lymphozyten

HLA-I-Aufregulation an Muskelfasern sowie Atrophie

neurogene und degenerative Veränderung von Muskelfasern („rimmed Vacuoles“, [Abb. 3a]; abnorme Proteinablagerung, [Abb. 3b]; COX-negative Fasern) und endomysiale Fibrose

Overlap-Myositis

unspezifische entzündliche Infiltrate

HLA-I-Aufregulation an Muskelfasern

Ablagerung C5b-9 an der Oberfläche von Muskelfasern

Anti-Synthetase-Syndrom

perifaszikuläre Fasernekrosen und Regeneratfasern

Destruktion des perimysialen Bindegewebes

Zoom Image
Abb. 2 Idiopathische inflammatorische Myopathien und typische histologische Veränderungen (zur Verfügung gestellt von Frau Priv.-Doz. Dr. Ellen Gelpi, Abt. für Neuropathologie der Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Wien, mit freundlicher Genehmigung). a a. Entzündliche Myopathien, insbesondere die immun-mediierte nekrotisierende Myopathie, charakterisieren sich durch Muskelfasernekrosen (Sterne) und Regeneratfasern (Pfeil). b Perivaskuläres entzündliches Infiltrat bei der DM. c Bei der Polymyositis zeigt sich eine Invasion von intakten Muskelfasern durch CD8-positive T-Lymphozyten. d Es zeigt sich zumeist eine Aufregulierung von HLA-Klasse-I-Antigen.
Zoom Image
Abb. 3 Einschlusskörpermyositis/-myopathie (zur Verfügung gestellt von Frau Priv.-Doz. Dr. Ellen Gelpi, Abt. für Neuropathologie der Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Wien, mit freundlicher Genehmigung). a Bei der Einschlusskörpermyositis/-myopathie zeigen sich zusätzlich sog. geränderte Vakuolen („rimmed Vacuoles“), die gut in der Gomori-Trichrom-Färbung zu identifizieren sind. b Diese Vakuolen zeigen deutliche Ablagerungen des Autophagie-assoziierten Proteins p62 (braunes Signal).
Merke

Die Dermatomyositis geht zumeist mit typischen Hautveränderungen einher, selten können diese der Muskelschwäche nachfolgen. In diesem Fall kann die Diagnose zumeist mit einer Muskelbiopsie gesichert werden. Bei der DM des Erwachsenen soll bis 3 – 5 Jahre nach Erstdiagnose ein Tumorscreening erfolgen.

Fallbeispiel

Fall 1: Dermatomyositis


Bei Erstvorstellung 55-jähriger männlicher Patient. Beginn der Symptomatik mit Brennen und Rötung der Kopfhaut, im Gesicht und Brustbereich. Einige Wochen zuvor litt er unter oralen Aphthen. Binnen 2 Wochen nach Beginn der Hauterscheinungen kam es zu einer körperlichen Leistungsminderung sowie Myalgien im Schulter- und Beckengürtelbereich. Die Creatinkinase war auf 5600 U/l erhöht. Im EMG waren myopathisch veränderte Potenziale und Denervierung nachweisbar.


Trotz Therapiebeginn mit Steroiden per os in hoher Dosierung (80 mg/Tag) und Ebetrexat kam es zu einer klinischen Verschlechterung mit progredienten proximalen Paresen der oberen Extremitäten und der Stammmuskulatur, schwerer Dysphagie und Ulzerationen der Fingerkuppen ([Abb. 4]).

Zoom Image
Abb. 4 Ulzera an den Fingerakren bei einem Patienten mit anti-TIF 1γ-Antikörpern als Hinweis für eine schwere entzündliche Vaskulopathie.

Unter Gabe intravenöser Immunglobuline konnte eine Stabilisierung der Paresen erreicht werden. Aufgrund der Schluckstörung musste jedoch vorübergehend eine perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG-Sonde) zur Ernährung angelegt werden.


Im Serum konnten Anti-TIF 1γ-Antikörper nachgewiesen werden. In einem ausgedehnten Tumorscreening mittels Ganzkörper-CT, Gastroskopie, Koloskopie und FDG-PET bestand kein Hinweis für einen soliden Tumor. Eine Splenomegalie und eine vorbekannte Thrombozytose (maximal 732 G/l) gaben Anlass zu einer hämatologischen Abklärung. Hier wurde die Diagnose eines myelodysplastischen Syndroms mit JAK2 (V617F)-Mutation gestellt.


Im Verlauf musste die Therapie mit Ruxolitinib, Mycophenolat-Mofetil und Rituximab erweitert werden, darunter kam es zu einer Normalisierung der Muskelkraft. Die Hautveränderungen sprachen weniger gut auf die Therapie an.

Merke

Bei fehlendem Nachweis eines soliden Tumors muss bei der Dermatomyositis, besonders bei Nachweis von Anti-TIF 1γ-Antikörpern, auch an maligne hämatologische Erkrankungen gedacht werden.


#

Antisynthetase-Syndrom

Das Antisynthetase-Syndrom wird neuerdings als eigene Entität betrachtet und umfasst einen Symptomkomplex bestehend aus

  • Myositis,

  • Arthritiden/Arthralgien,

  • Fieberschüben,

  • Raynaud’s Phänomen und

  • interstitieller Lungenerkrankung (ILD).

Die ILD kann schwer ausgeprägt sein und bestimmt die Prognose der Erkrankung. Die Haut der Hände weist eine charakteristische Verhornungsstörung und Rhagaden an den Fingerkuppen auf („Mechanic’s Hands“) [14]. Tumorerkrankungen treten seltener als bei der Dermatomyositis auf.

Eine Überschneidung mit einer rheumatoiden Arthritis mit anti-CCP-Antikörpern ist möglich. Die wichtigsten Antisynthetase-Autoantikörper (ASAs) sind anti-Jo-1, und anti-(Aminoacyl-tRNA-Synthetasen) PL7, PL12, EJ, OJ, KS, Zo, Ha [11]. In Muskelbiopsien wurden als relativ spezifischer Befund perifaszikuläre Muskelfasernekrosen und eine Destruktion des perimysialen Bindegewebes beschrieben [15].


#

Dermatomyositis mit Antikörpern gegen Melanoma-Differentiation-Associated Gene 5 (anti-MDA5)

Die anti-MDA5 ist durch ausgeprägte (teils ulzerierende) Hautveränderungen, Polyarthralgien und interstitielle Lungenerkrankung (ILD) charakterisiert, wohingegen klinische Zeichen einer Myositis mild sein oder fehlen können („amyopathische DM“). Besonders im asiatischen Raum wurde eine hohe Mortalitätsrate durch eine rasch progrediente ILD beschrieben [16].

An einer großen französischen Kohorte von 121 Patienten wurden kürzlich 3 klinische Phänotypen mit unterschiedlicher Prognose identifiziert:

  • rasch progrediente ILD mit sehr hoher Mortalität,

  • dermato-rheumatologische Symptome (Rash, Arthralgien) mit guter Prognose sowie

  • schwere kutane Vaskulopathie (Hautulzerationen) und proximale Muskelschwäche mit intermediärer Prognose [17].

Merke

Eine sorgfältige klinische Untersuchung muskulärer und extramuskulärer Manifestationen und Bestimmung Myositis-spezifischer Antikörper ermöglicht häufig die Untergliederung in homogene Unterformen der Myositiden mit unterschiedlicher Prognose und Tumorrisiko.


#
#

Myositiden ohne Hautmanifestationen mit symmetrischer proximaler Schwäche

Polymyositis (PM)

Die Polymyositis betrifft überwiegend das junge bzw. mittlere Erwachsenenalter. Die Paresen können sich schleichender als bei der Dermatomyositis entwickeln. Hauterscheinungen fehlen, sodass der Beginn der Erkrankung oft schwieriger zu bestimmen ist. Das Verteilungsmuster der Muskelschwäche entspricht überwiegend dem der DM, kann aber auch distale Muskeln betreffen. Die Creatinkinase-Werte können sehr hoch sein (bis zu 50-fach über dem Normwert). Eine Assoziation mit Tumoren (Adenokarzinome) ist seltener als bei der Dermatomyositis [18]. Myositis-spezifische Antikörper sind bei der PM bisher nicht nachgewiesen worden [19]. Eine PM kann isoliert oder als Teilmanifestation einer anderen rheumatologischen Erkrankung wie Lupus erythematodes oder Sklerodermie im Sinne eines Overlap- Syndroms auftreten [9].

Die klinische Abgrenzung einer isolierten PM zu metabolischen Myopathien oder Muskeldystrophien kann unter Umständen Schwierigkeiten bereiten. In einem frühen Krankheitsstadium kann eine Einschlusskörpermyositis als PM fehldiagnostiziert werden.

Die Muskelbiopsie ist durch entzündliche Infiltrate im Endomysium, Aufregulation von HLA-I-Antigen am Sarkolemm zahlreicher Muskelfasern und Invasion nicht-nekrotischer Muskelfasern durch zytotoxische CD8 + -T-Zellen charakterisiert.


#

Immun mediierte nekrotisierende Myopathie (IMNM)

Die IMNM wurde in den letzten Jahren als eigener Subtyp charakterisiert [20]. Das Verteilungsmuster der Paresen betrifft wie bei der Dermatomyositis und der Polymyositis die proximale und axiale Muskulatur, wobei die Muskelschwäche sehr ausgeprägt sein kann. Myalgien treten bei bis zu 80 % der Patienten auf, eine Dysphagie ist häufig. Muskelenzyme können exzessiv erhöht sein (CK > 50-fach, LDH, GOT, GPT). Es besteht eine starke Assoziation mit Antikörpern gegen SRP (Signal Recognition Particle), einem Protein des endoplasmatischen Retikulums, oder gegen HMGCR (Hydroxy-3-Methylglutaryl Coenzym A Reduktase) [21]. Extramuskuläre Manifestationen sind selten oder mild.

Die immun mediierte nekrotisierende Myopathie mit SRP-Antikörpern tritt bevorzugt im mittleren Lebensalter auf ([Abb. 5]) und zeigt einen schwereren Verlauf als die IMNM mit HMGCR-Antikörpern. Letztere betrifft eher das höhere Lebensalter und hat eine hohe Assoziation mit einer Statin-Exposition und ein höheres Tumorrisiko [22].

Zoom Image
Abb. 5 Atrophie der Schultergürtelmuskulatur und Scapula alata bei therapierefraktärer IMNM (immun mediierte nekrotisierende Myopathie) mit SRP-Antikörpern (SRP = Signal Recognition Particle).

Im Gegensatz zur Statin-induzierten Myopathie (toxisch-metabolische Schädigung der Muskelfasern) zeigt die immun mediierte nekrotisierende Myopathie durch das Absetzten der Statine keine Besserung, sondern erfordert eine konsequente immunsuppressive Therapie. Wenn aufgrund kardiovaskulärer Komorbidität eine Lipidsenkung erforderlich ist, kann eine Therapie mit einem PCSK9-Inhibitor erwogen werden. Selten kann eine IMNM mit HMGCR-Antikörpern auch bei jüngeren Patienten ohne Statin-Exposition auftreten.

Die Muskelbiopsie zeigt bei beiden Formen Muskelfasernekrosen und Regeneratfasern, jedoch nur minimale bis fehlende lymphozytäre Entzündungszellinfiltrate. Typischerweise vorhanden sind

  • Eine Aufregulation des Major-Histokompatibilitätskomplexes,

  • meist spärliche Infiltration durch Makrophagen und

  • Ablagerung des terminalen Komplementkomplexes an der Muskelfasermembran nicht-nekrotischer Muskelfasern.

Diese Befunde untermauern die Immunpathogenese der Erkrankung [23].

Fallbeispiel

Fall 2: Immun mediierte nekrotisierende Myopathie mit SRP-Antikörpern

Es handelt sich um eine bei Krankheitsmanifestation 58-jährige Patientin. Initial traten Muskelschmerzen über mehrere Monate und eine subakute proximale Schwäche der unteren Extremitäten auf. Die Creatinkinase bei Aufnahme lag bei 10,786 U/l. Klinisch zeigte sich eine proximale Tetraparese. An der Haut waren keine Auffälligkeiten zu beobachten. Im EMG waren myogene Schädigungszeichen mit Denervierung nachzuweisen. Die Antikörpertestung ergab einen positiven Befund für anti-SRP-Antikörper. Die Muskelbiopsie ergab eine nekrotisierende Myopathie mit spärlichen entzündlichen Infiltraten. Das Tumorscreening war negativ.

Initial zeigte die Patientin ein gutes Ansprechen auf eine intravenöse Hochdosis-Steroidtherapie und anschließende orale Steroideinnahme. Auf Gabe von Azathioprin kam es zu einer massiven γGT-Erhöhung, sodass die Indikation für Rituximab gestellt wurde. Entgegen Daten aus der Literatur hatte die Patientin keinen Benefit durch die Gabe von 2 × 1000 mg Rituximab im Abstand von 2 Wochen und entschied sich gegen eine neuerliche Medikation.

Unter intravenösen Immunglobulinen und Mycophenolat-Mofetil kam es zu einer Stabilisierung der Paresen, orale Steroide wurden aufgrund von Hautblutungen abgesetzt.

Nach 3 Jahren Krankheitsdauer hat die Patientin geringe Restparesen axial und für die Hüftbeugung, beklagt jedoch eine verminderte Ausdauer. Die aktuelle Creatinkinase ist mit 359 U/l noch gering erhöht.

Fallbeispiel

Fall 3: Immun mediierte nekrotisierende Myopathie mit HMGCR-Antikörpern

Eine bis dato sehr sportliche Patientin bemerkte im Alter von 63 Jahren einen Leistungseinbruch und eine proximale Schwäche der Beine, die sie zunächst besonders beim Skifahren beeinträchtigte. Aufgrund einer Hypercholesterinämie und eines Plaques in der rechten Karotis nahm sie seit 3 Jahren Atorvastatin 40 mg ein.

Bei einer Blutabnahme fand sich eine Creatinkinase-Erhöhung auf 10000 U/l. Atorvastatin wurde daraufhin abgesetzt, die CK-Erhöhung nahm über die nächsten 4 Wochen jedoch nicht ab, die Muskelschwäche steigerte sich noch.

Bei stationärer Aufnahme bot die Patientin proximale Paresen vom Kraftgrad 4 an Armen und Beinen und milde Myalgien. Im EMG waren deutliche Zeichen einer myogenen Schädigung mit pathologischer Spontanaktivität fassbar. In der Muskelbiopsie fanden sich Muskelfasernekrosen und Regeneratfasern, spärlich Makrophagen, eine Aufregulation von HLA-I und geringe Komplementablagerungen an der Oberfläche von Muskelfasern. Im Serum konnten HMGCR-Antikörper nachgewiesen werden. An Laborbefunden fiel weiters ein positiver Elispot bei bekannter Tuberkulose ihrer Schwester in der Jugend auf. Eine Lymphknotenbiopsie zeigte keine spezifischen Veränderungen.

Auf Gabe von Kortison 60 mg/Tag kam es in den folgenden 2 – 3 Wochen zu einer deutlichen Besserung der Paresen und Rückgang der HyperCKämie. In der Folge wurde Kortison reduziert und Methotrexat als steroidsparende Substanz verordnet. Aufgrund unzureichender Symptomkontrolle wurde eine Therapie mit intravenösen Immunglobulinen begonnen. Methotrexat wurde aufgrund rezidivierender Harnwegsinfekte und gastrointestinaler Beschwerden wieder abgesetzt.

Unter regelmäßiger IVIG-Gabe alle 6 Wochen und niedrig dosierter Steroideinnahme besteht eine minimale Schwäche für die Armabduktion bei guter körperlicher Belastbarkeit. Die CK-Werte sind mit 2000 U/l jedoch weiterhin erhöht.

Merke

Bei Patienten mit ausgeprägten Paresen und exzessiver Creatinkinase-Erhöhung muss an eine immun mediierte nekrotisierende Myopathie (IMNM) gedacht werden. Bei HMGCR-Antikörpern geht IMNM zumeist eine Statin-Exposition voraus.


#
#

Myositis ohne Hautmanifestationen mit asymmetrischer proximaler und distaler Schwäche

Einschlusskörpermyositis (IBM)

Die Einschlusskörpermyositis ist die häufigste erworbene Myopathie des höheren Lebensalters und zeigt ein typisches Verteilungsmuster mit Paresen und Atrophien der langen Fingerbeuger und Knieextensoren, die zu einer progredienten Feinmotorik- und Gangstörung führen. Die Ausprägung ist asymmetrisch, an den oberen Extremitäten ist die nicht-dominante Seite häufig stärker betroffen. Armabduktion oder Hüftbeugung sind im Gegensatz zu den anderen Myositiden nur gering oder erst spät im Krankheitsverlauf betroffen. Eine Dysphagie ist häufig und kann auch das initiale Symptom sein.

Das Manifestationsalter liegt zumeist nach dem 50. Lebensjahr, der Verlauf ist langsam progredient, sodass die Diagnose oft verzögert gestellt wird (durchschnittliche Latenz ca. 6 Jahre). Männer sind doppelt so häufig betroffen wie Frauen.

Die Creatinkinase-Werte sind leicht bis mäßig erhöht mit Werten unter 1000 U/l. Bei 30 – 60 % der PatientInnen sind Antikörper gegen cytosolische 5’-Nucleotidase nachweisbar (anti-cN1a-Antikörper, Synonym: anti-Mup-44-Antikörper).

Merke

Die Diagnosesicherung einer Einschlusskörpermyositis erfordert eine Muskelbiopsie.

Typischerweise zeigen sich entzündliche Infiltrate im Endomysium, die sich überwiegend aus hochdifferenzierten CD8 + -T-Lymphozyten und CD68-positiven Monozyten zusammensetzen, aber auch plasmozytoide Zellen der B-Zellreihe können nachweisbar sein. Ähnlich wie bei der Polymyositis besteht eine weitläufige Aufregulation von HLA-I-Antigen am Sarkolemm und gelegentlich eine Faserinvasion durch zytotoxische CD8 + -T-Zellen.

Charakteristisch für die IBM ist die Koexistenz chronisch degenerativer Veränderungen mit felderförmigen Faseratrophien und Fibrosierung des endomysialen Bindegewebes. Im Sarkoplasma degenerierender Muskelfasern können geränderte Vakuolen und abnorme Ablagerungen von verschiedenen Proteinen wie β-Amyloid, phosphoryliertem Tau-Protein, Ubiquitin, p62 und TDP43 etc. vorliegen, diese können immunhistochemisch detektiert werden. Auf ultrastruktureller Ebene sind tubulo-filamentöse Einschlüsse von 15 – 18 nm typisch [24].

Fallbeispiel

Fall 4: Einschlusskörpermyositis (IBM)

Es handelt sich um einen 63-jährigen Patienten, der sich in der neuromuskulären Ambulanz vorstellt.

Eine HyperCKämie um 1000 U/l ist bereits vor 14 Jahren im Rahmen einer Routineuntersuchung aufgefallen. Bei einer neurologischen Untersuchung vor 10 Jahren waren keine Paresen oder Atrophien nachzuweisen. Das EMG war minimal unspezifisch verändert, es fanden sich einzelne kurze komplex-repetitive Entladungen.

Von einer weiteren Abklärung wurde vorerst abgesehen. 1 Jahr vor Wiedervorstellung bemerkte der Patient eine progrediente Schwäche und Atrophie des M. quadriceps links > rechts. Es bestanden Paresen für die Fingerendgliedbeugung.

Die Creatinkinase lag bei Wiedervorstellung bei 527 U/l. In der Neurografie zeigte sich eine distal-symmetrische sensomotorische Neuropathie der unteren Extremitäten mit axonalen und demyelinisierenden Schädigungszeichen. Im EMG fanden sich scharf positive Wellen, Fibrillationspotenziale und komplex-repetitive Entladungen, die Muskelaktionspotenziale zeigten häufig eine verkürzte Potenzialdauer, die Amplituden waren teils erniedrigt und polyphasisch, gelegentlich auch überhöht und schlank konfiguriert. Anti-cN1a-Antikörper waren positiv. Die Muskelbiopsie des M. vastus lateralis links ergab entzündliche Infiltrate im Endomysium und chronisch degenerative Veränderungen der Muskelfasern mit geränderten Vakuolen – typisch für eine IBM.

3 Serien mit intravenösen Immunglobulinen ergaben keinen Benefit. Durch eine Physiotherapie konnte eine leichte Stabilisierung der Gangunsicherheit erreicht werden.

Als Komorbiditäten sind ein Insulin-pflichtiger Diabetes mellitus Typ 2 und eine kombinierte Hyperlipidämie bekannt. Aufgrund einer Kontraindikation gegenüber Statinen erfolgt eine Lipid-senkende Therapie mit Repatha (Evolocumab) in 14-tägigen Abständen.

Merke

Die Einschlusskörpermyositis (IBM) tritt zumeist jenseits des 50. Lebensjahres auf und zeigt einen schleichend progredienten Verlauf. Paresen und Atrophien betreffen besonders die Kniestrecker und langen Fingerbeuger.


#
#
#

Diagnostik

Nadelelektromyografie (EMG)

Mittels EMG können in den betroffenen Muskeln Veränderungen einer myogenen Schädigung nachgewiesen werden. Im akuten Stadium können scharf positive Wellen und Fibrillationen fassbar sein, die Amplituden der Muskelaktionspotenziale (MUAPs) sind erniedrigt und polyphasisch aufgesplittert, das Interferenzmuster zeigt eine abnorm frühe Rekrutierung motorischer Einheiten. Im chronischen Stadium können die Amplituden der MUAPs wieder zunehmen, die Dauer der Potenziale bleibt jedoch verkürzt. So können besonders bei der Einschlusskörpermyositis niedrige und überhöhte, jedoch „schlanke“ Potenziale nebeneinander bestehen, eventuell können komplex-repetitive Entladungen abgeleitet werden.

Eine Neurografie bzw. repetitive Stimulation kann bei entsprechender Anamnese zum Ausschluss anderer neuromuskulärer Erkrankungen sinnvoll sein (z. B. Guillain-Barré-Syndrom, chronisch inflammatorische demyelinisierende Neuropathie, Myasthenia gravis).


#

Bildgebung

MRT

Mittels MRT können entzündliche Veränderungen der Muskulatur in Fett-unterdrückten Sequenzen (Short-Tau Inversion Recovery; STIR) als Ödem dargestellt werden. In T1-gewichteten Sequenzen können das Ausmaß der Muskelatrophie und Fettumwandlung beurteilt werden. Das Verteilungsmuster der Veränderungen kann in der Abgrenzung der verschiedenen Myositiden hilfreich sein, so zeigt die Dermatomyositis im Gegensatz zu Polymyositis und immun mediierter nekrotisierende Myopathie ein prominentes Ödem der Faszien [25].


#

Sonografie

Anhand rezenter Studien gewinnt auch die hochauflösende Sonografie eine zunehmende Bedeutung für die Beurteilung von Muskelmasse und Struktur, die auch eine dynamische Untersuchungen bei Bewegung ermöglicht [26]. Quantitative Untersuchungen der Echogenität und Dicke betroffener Muskeln können zur Differenzierung zwischen Polymyositis/Dermatomyositis und Einschlusskörpermyositis beitragen [27].

Die Shear-Wave-Elastografie erscheint besonders geeignet, um einen Verlust an Elastizität und Fibrosierung im Verlauf einer Myositis darzustellen [26].


#
#

Antikörperdiagnostik

Bei > 60 % bis 70 % der Patienten mit Myositis können Myositis-spezifische bzw. Myositis-assoziierte Antikörper (MSA, MAA) nachgewiesen werden. Durch die Assoziation mit speziellen Krankheitsmerkmalen unterstützen sie nicht nur die Immunpathogenese der Erkrankung, sondern ermöglichen auch die Subtypisierung im homogene Krankheitsgruppen mit prognostischer und therapeutischer Relevanz [11].

Eine Paneldiagnostik der wichtigsten Antikörper wird kommerziell angeboten und steht für die Routinediagnostik zur Verfügung. Die Bestimmung von MSA bei unspezifischen Beschwerden wie Myalgien und Fatigue ohne Paresen oder Creatinkinase-Erhöhung ist nicht zielführend, da in dieser Situation die Relevanz positiver Befunde unklar ist.


#

Biopsie

Bei eindeutiger klinischer Konstellation (rascher Krankheitsbeginn, typische Hautveränderungen, über Wochen persistierende Creatinkinase-Erhöhung, symmetrische proximale Paresen und Zeichen einer Myopathie im EMG) wird auf eine Muskelbiopsie häufig verzichtet. Bei schweren bzw. therapierefraktären Fällen ist jedoch eine möglichst frühzeitige Diagnosesicherung durch eine Biopsie sinnvoll.

Durchführung

Eine bereits begonnene Therapie mit Kortison sollte mindestens 3 Wochen vor der Biopsie pausiert werden (falls klinisch vertretbar), da sich durch die Einnahme von Kortison entzündliche Infiltrate zurückbilden können.

Der für die Biopsie ausgewählte Muskel soll klinisch mäßig betroffen sein (Faustregel > Parese/KG 4) und darf keine fortgeschrittene Atrophie aufweisen („Endstage Disease“), da in diesem Fall der zugrundeliegende Prozess durch Fibrose und Umwandlung in Fettgewebe eventuell nicht mehr zugeordnet werden kann.

Essenziell ist die Aufarbeitung in einem für Muskelbiopsien spezialisierten Labor. Zahlreiche enzym- und immunhistochemische Färbungen sind nur auf Gefriermaterial möglich.

Fazit

Take Home Message

Die Diagnose einer Myositis basiert auf der Anamnese, klinischen Untersuchung und Ergebnis der Zusatzuntersuchungen. Das EMG und MRT können eine Muskelschädigung untermauern, sind aber per se nicht spezifisch. Für die sichere Diagnose einer Polymyositis oder Einschlusskörpermyositis wird weiterhin eine Muskelbiopsie benötigt.


#
#
#

IIM-Therapieprinzipien

Im akuten Schub ist die Therapie mit Glukokortikoiden aufgrund des raschen Wirkungseintritts unverändert 1. Wahl. Je nach Schweregrad der Myositis wird eine Startdosis Prednisolon 0,5 – 1 mg/kgKG empfohlen. Bei schwerer Krankheitsmanifestation kann eine intravenöse Pulstherapie mit jeweils 1000 mg über 3 Tage verabreicht werden. Wichtig ist, dass eine ausreichend hohe Dosis bis zur klinischen Stabilisation über mehrere Wochen aufrechterhalten wird und die Dosisreduktion langsam schrittweise erfolgt. Als steroidsparende Substanzen stehen Azathioprin und Methotrexat zur Verfügung.

Bei schwerer Organmanifestation wie interstitielle Lungenerkrankung (ILD) können Ciclosporin A und Mycophenolat-Mofetil zum Einsatz kommen. Auch Kombinationen sind bei therapierefraktärer Myositis möglich.

Die Wirkung intravenöser Immunglobuline wurde bei Dermatomyositis nachgewiesen und lässt sich mit allen oben genannten Substanzen kombinieren. Rituximab führt zur Depletion von CD20 + -B-Zellen und kann besonders bei Vorliegen Myositis-spezifischer Antikörper die Krankheitsaktivität verringern und helfen, Steroide einzusparen. Für die Einschlusskörpermyositis konnte bisher kein Benefit immunsuppressiver bzw. immunmodulierender Medikament gezeigt werden.

Eine physikalische Therapie und moderates Muskeltraining ist bei allen IIM und Einschlusskörpermyositiden wesentlicher Bestandteil der Behandlung. Als weiterführende Literatur s. [19] [28].

Kernaussagen
  • Idiopathische inflammatorische Myopathien (Myositiden) sind heterogene Erkrankungen, die neben dem gemeinsamen Nenner einer proximalen/axialen Muskelschwäche und HyperCKämie unterschiedliche extramuskuläre Organmanifestationen und ein Tumorrisiko aufweisen können.

  • Die Bestimmung Myositis-spezifischer Antikörper kann bei entsprechender Klinik zur Unterteilung in homogene Subtypen beitragen.

  • Die Einschlusskörpermyositis (IBM) unterscheidet sich von anderen Myositiden durch ein häufig asymmetrisches Verteilungsmuster aus distalen Paresen der oberen und proximalen Paresen der unteren Extremitäten sowie die Koexistenz entzündlicher und chronischer degenerativer Veränderungen in der Muskelbiopsie. Bisher verfügbare immunmodulatorische und immunsuppressive Substanzen können die Progredienz der IBM nicht aufhalten.

  • Die Diagnose einer Myositis basiert auf der Anamnese, klinischen Untersuchung und Ergebnis der Zusatzuntersuchungen. Das EMG und MRT können eine Muskelschädigung untermauern sind aber per se nicht spezifisch. Für die sichere Diagnose einer Polymyositis (PM) oder Einschlusskörpermyositis (IBM) wird weiterhin eine Muskelbiopsie benötigt.

  • Auch hereditäre Muskelerkrankungen wie z. B. die fazio-skapulo-humerale Muskeldystrophie, Dystrophinopathien oder Dysferlinopathien können in der Muskelbiopsie unspezifische entzündliche Infiltrate aufweisen, daher ist die genaue Erhebung der Anamnese und der klinischen Präsentation für die richtige Diagnose essenziell.


#

Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen

Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Priv.-Doz. Dr. med. Julia Wanschitz, Innsbruck.


#
#

Autorinnen/Autoren


Julia Wanschitz

Zoom Image

Priv.-Doz. Dr. med. Studium der Medizin an der Universität Wien, Ausbildung für Neuropathologie und Neurologie an den Medizinischen Universitäten Wien und Innsbruck. Seit Nov. 2004 Fachärztin für Neurologie. Von Sept. 2008 bis Dez. 2009 Sabbatical am Institute de Myologie, Paris. Habilitation für Neurologie im Sept. 2011. Aktuelle Position stellvertretende Leiterin der neuromuskulären Ambulanz der Universitätsklink für Neurologie, Innsbruck.

Interessenkonflikt

Erklärung zu finanziellen Interessen

Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: nein; Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an Firma (Nicht-Sponsor der Veranstaltung): nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an Firma (Sponsor der Veranstaltung): nein.

Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen

Österreichische Gesellschaft für Neurologie


Korrespondenzadresse

OÄ Priv.-Doz. Dr. Julia Wanschitz
Medizinische Universität Innsbruck
Abteilung für Neurologie
Anichstraße 35
A-6020 Innsbruck
Österreich   

Publication History

Article published online:
09 November 2020

© 2020. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


Zoom Image
Zoom Image
Abb. 1 Erythem und Hyperkeratosen an der Streckseite der Hände sowie periunguale Veränderungen.
Zoom Image
Abb. 2 Idiopathische inflammatorische Myopathien und typische histologische Veränderungen (zur Verfügung gestellt von Frau Priv.-Doz. Dr. Ellen Gelpi, Abt. für Neuropathologie der Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Wien, mit freundlicher Genehmigung). a a. Entzündliche Myopathien, insbesondere die immun-mediierte nekrotisierende Myopathie, charakterisieren sich durch Muskelfasernekrosen (Sterne) und Regeneratfasern (Pfeil). b Perivaskuläres entzündliches Infiltrat bei der DM. c Bei der Polymyositis zeigt sich eine Invasion von intakten Muskelfasern durch CD8-positive T-Lymphozyten. d Es zeigt sich zumeist eine Aufregulierung von HLA-Klasse-I-Antigen.
Zoom Image
Abb. 3 Einschlusskörpermyositis/-myopathie (zur Verfügung gestellt von Frau Priv.-Doz. Dr. Ellen Gelpi, Abt. für Neuropathologie der Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Wien, mit freundlicher Genehmigung). a Bei der Einschlusskörpermyositis/-myopathie zeigen sich zusätzlich sog. geränderte Vakuolen („rimmed Vacuoles“), die gut in der Gomori-Trichrom-Färbung zu identifizieren sind. b Diese Vakuolen zeigen deutliche Ablagerungen des Autophagie-assoziierten Proteins p62 (braunes Signal).
Zoom Image
Abb. 4 Ulzera an den Fingerakren bei einem Patienten mit anti-TIF 1γ-Antikörpern als Hinweis für eine schwere entzündliche Vaskulopathie.
Zoom Image
Abb. 5 Atrophie der Schultergürtelmuskulatur und Scapula alata bei therapierefraktärer IMNM (immun mediierte nekrotisierende Myopathie) mit SRP-Antikörpern (SRP = Signal Recognition Particle).