Gesundheitswesen 2020; 82(02): 157-162
DOI: 10.1055/a-1010-6421
Zur Diskussion

Das Prostituiertenschutzgesetz und seine Umsetzung: eine Bestandsaufnahme aus dem Gesundheitsamt Dresden

The German prostitute protection act and its implementation: Stocktaking from the Public Health Office of the city of Dresden
Matthias Stiehler
1   Gesundheitsamt, Sachgebiet Sexuelle Gesundheit, Abteilung Gesundheitsförderung, Landeshauptstadt Dresden, Dresden
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Zusammenfassung

Am 1. Juli 2017 trat in Deutschland Prostituiertenschutzgesetz in Kraft. Vorausgegangen war eine Diskussion, in der sich zahlreiche Institutionen und Gruppen gegen dieses Vorhaben aussprachen. Die Hauptkritikpunkte waren ein ihm zugrundeliegendes einseitiges Prostitutionsverständnis und die Schwächung des Schutzraumes der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter durch die behördlichen Kontrollen. Doch trotz der Kritik wurde das Gesetz verabschiedet. Rechtliche Grundlagen Da es durch die Kommunen umgesetzt werden muss, waren die Länder zu Ausführungsgesetzen verpflichtet. In Sachsen verzögerte sich dessen Verabschiedung erheblich. Ursache war eine zunächst bestehende Unklarheit, welches Fachressort verantwortlich ist. Zudem gab es einen länger währenden politischen Klärungsbedarf über die Finanzierung der den Kommunen aufgebürdeten Mehrbelastungen. Erst ab 26. Juli 2018 konnte mit der Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes in Sachsen begonnen werden. Erfahrungen In Dresden wurde daraufhin eine Struktur geschaffen, die eine eindeutige Trennung zwischen der Gesundheitsberatung und der dem Ordnungsamt zugewiesene Anmeldung der Prostituierten vorsieht. Auch die beiden Angebote des Gesundheitsamtes für diese Personengruppe werden aufgrund konkurrierender Bundesgesetze räumlich und personell konsequent getrennt gehalten. Zugleich wurde ein neues Sachgebiet geschaffen, das beide Beratungsstellen umfasst. Durch die gemeinsame Fachaufsicht soll verhindert werden, dass innerhalb des Gesundheitsamtes die Arbeit für die Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter nach unterschiedlichen Maßstäben erfolgt. Ob mit dem Prostituiertenschutzgesetz dem beabsichtigten Schutzzweck gedient ist, darf nach den bisherigen Erfahrungen zumindest angezweifelt werden. Dresden hat sich bei der Umsetzung bemüht, durch klare Strukturen und interne Regeln möglichen negativen Folgen des Gesetzes entgegenzuwirken.

Abstract

On July 1, 2017 the German sex workers protection act came into force. Numerous institutions and groups expressed their disagreement towards this action in preceding discussions. A major criticism was the underlying one-sided understanding of prostitution and on the dilution of protective spaces for sex workers resulting from control by the authorities. Nevertheless, the law was adopted. Legal basis As the act is to be implemented by municipalities, the federal states were obliged to implement the laws. In the federal state of Saxony, the adoption was delayed considerably, since initially it was unclear which department had the responsibility to implement the law. Furthermore, there was a long-lasting political need for clarification regarding the burden of additional finances on municipalities. Only on July 26, 2018 was the sex workers protection act implemented in the federal state of Saxony. Experiences In the city of Dresden, structural conditions were established, allowing a clear separation between the processes of health counselling by the Public Health Office and the registration of the sex workers by the Public Order Office. Also, the different services of the Public Health Office are kept physically separate due to competing federal laws. Simultaneously, a new specialist area was created including both counselling centres, which thus prevents different standards in the services provided for sex workers within the Public Health Office. Whether the sex workers protection act serves the intended purpose may be doubted. The city of Dresden has made an attempt to counteract the negative consequences of the law by implementing clear structures and internal standards.



Publication History

Article published online:
10 December 2019

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  • Literatur

  • 1 Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen vom 21. Oktober 2016. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2016 Teil I Nr. 50, ausgegeben am 27. Oktober 2016
  • 2 Gesundheitsämter und Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes: Stellungnahme zum Referentenentwurf des BMFSFJ. Entwurf eines Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen. Stand 31.08.2015. http://www.stiftung-gssg.de/upload/Stellungnahme_Gesundheitsaemter_31.08.2015.pdf. Der Verweis auf die geltende Rechtsnorm in dem Zitat meint §19 des Infektionsschutzgesetzes, der ein anonymes und freiwilliges Angebot der Gesundheitsämter für Prostituierte vorsieht
  • 3 Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter (bufas): Stellungnahme zum „Eckpunktepapier eines Gesetzes zum Schutz der in der Prostitution Tätigen (Prostituiertenschutzgesetz, ProstSchG)“. 03.03.2015. http://www.stiftung-gssg.de/upload/Stellungnahme_bufas_zu_den_Eckpunkten_ProstG_03.03.2015.pdf
  • 4 Deutscher Juristinnenbund: Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eines Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen (ProstSchG-RefE). 04.09.2015. https://www.djb.de/st-pm/st/st15-10/
  • 5 Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel: Stellungnahme des KOK e.V. zu dem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Entwurf eines Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen vom 29.07.2015. https://www.kok-gegen-menschenhandel.de/uploads/media/Stellungnahme_des_KOK_zum_Referentenentwurf_des_ProstSchG_11_09.pdf
  • 6 Deutsche STI-Gesellschaft: Stellungnahme der Deutschen STI-Gesellschaft zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eines Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen vom 29.07.2015. 11.09.2015. https://dstig.de/images/pdf/stellungnahme%20dstig_prostsg_110915.pdf
  • 7 Deutscher Bundestag, 18. Wahrperiode: Gesetzentwurf der Bundesregierung. Entwurf eines Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen. Drucksache 18/8556 vom 25.05.2016. A. Problem und Ziel. http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/085/1808556.pdf
  • 8 Verordnung über das Verfahren zur Anmeldung einer Tätigkeit als Prostituierte oder Prostituierter (Prostitutionsanmeldeverordnung – ProstAV) vom 13. Juni 2017, §6. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2017 Teil I Nr. 41, ausgegeben am 30. Juni 2017
  • 9 Diese Einschätzung vertritt beispielsweise das Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz an den Sächsischen Landkreistag vom 6.November 2017; „Zur Gebührenproblematik erscheint es uns legitim, wenn Prostituierte – wie alle anderen Gewerbetreibenden – sich finanziell an der Schaffung der notwendigen Voraussetzungen für den rechtmäßigen Betrieb des Gewerbes beteiligen bzw. dafür aufkommen“.
  • 10 Die dem Gesetzesentwurf vorangestellte Begründung führt aus: „Zum anderen ist Prostitution ein Bereich, in dem Grundrechte wie die sexuelle Selbstbestimmung, persönliche Freiheit, Gesundheit sowie Persönlichkeitsrechte der Beteiligten faktisch in besonderer Weise gefährdet sind … Es fehlt an verbindlichen Mindestvorgaben zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der dort Tätigen … Die Ausübung der Prostitution selbst bleibt weiterhin erlaubnisfrei, Prostituierte müssen ihre Tätigkeit jedoch anmelden“ [7].
  • 11 In Sachsen ist Prostitution nur in Städten mit einer Mindesteinwohnerzahl von 50 000 erlaubt [Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über das Verbot der Prostitution vom 10. September 1991 (SächsGVBl. S. 351)]. Das sind Chemnitz, Dresden, Görlitz, Leipzig, Plauen, Zwickau
  • 12 Zunächst in mündlichen Äußerungen während einer Sitzung am 13.06.2017, zuletzt noch einmal schriftlich in einem Schreiben an die zuständigen Gesundheitsämter vom 5.12.2017. Bereits in einem Schreiben an das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz vom 04.07.2017 hat sich der Sächsische Städte- und Gemeindetag gegen dieses Ansinnen ausgesprochen. Die gleiche Haltung nahm das Gesundheitsamt Dresden in einem Schreiben an den Deutschen Städtetag ein. Es verwies hier auf GG Art. 84 Abs. 1 Satz 7 und VwVfG § 44 Abs. 2 Nr. 3
  • 13 Schriftliche Stellungnahme des Sächsischen Städte- und Gemeindetags vom 8.12.2017
  • 14 Sächsischer Landtag, 6. Wahlperiode: Gesetzentwurf der Staatsregierung. Gesetz zur Ausführung des Prostituiertenschutzgesetzes im Freistaat Sachsen (Sächsisches Prostituiertenschutzausführungsgesetz – SächsProstSchGAG). Drucksache 6/11829 vom 04.01.2018 http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=11829&dok_art=Drs&leg_per=6
  • 15 Immerhin widersprach die Empfehlung des Sozialministeriums Artikel 84 des Grundgesetzes.
  • 16 Sächsisches Prostituiertenschutzausführungsgesetz vom 28. Juni 2018 (SächsGVBl. S. 470) https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/17769-Saechsisches-Prostituiertenschutzausfuehrungsgesetz
  • 17 Die Internetseite der Beratungsstelle für AIDS und sexuell übertragbare Infektionen. www.dresden.de/sexarbeit und die Seite der Gesundheitsberatung nach dem Prostituiertenschutzgesetz: www.dresden.de/prostschg